Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 773/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3622/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2001.
Der 1973 geborene Kläger erlitt bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer (Kranfahrer und zeitweise Lkw-Fahrer) am 17. Oktober 2001 einen Arbeitsunfall, als er beim Entzurren der Ladung an einer Palette hängen blieb und vom Lkw stürzte (Unfallanzeige des Arbeitgebers). Im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. S. vom 26. Oktober 2001 werden als Verletzungen eine stabile Brustwirbelkörper-7-Fraktur sowie eine Handgelenkskontusion rechts aufgeführt, darüber hinaus ein frischer Kahnbeinbruch rechts. Bis 31. Oktober 2001 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung.
In dem wegen fortbestehender Schmerzausstrahlung aus dem Rücken heraus am 21. Januar 2002 durchgeführten MRT der Brustwirbelsäule (BWS) beschrieb der behandelnde Orthopäde Dr. B. in seinem Befundbericht vom 22. Januar 2002 eine ältere Kompressionsfraktur TH 7 mit keilförmiger Wirbeldeformierung, erhebliche Höhenminderung der Bandscheibe TH 6/7, diskret auch TH 7/8, wobei die beiden im Bandscheibenfach TH 6/7 austretenden Wurzeln im unteren Abschnitt leicht komprimiert würden.
Im fachneurologischen Befundbericht vom 12. März 2002 (Gutachtenstelle, Neurologische Universitätsklinik - Neurozentrum - F., PD Dr. G.) wurde zusammenfassend ausgeführt, die Os naviculare-Fraktur am rechten Handgelenk sei ohne Beschwerden gut verheilt, eine beim Sturz erlittene commotio cerebri habe zu keinem postcommotionellen Syndrom geführt. Von Seiten der Brustwirbelkörper(BWK)-Fraktur bestünden noch Schmerzen, ein fokal-neurologisches Defizit sei jedoch aktuell nicht zu verzeichnen; auch die evozierten Potentiale seien unauffällig gewesen. Die geklagten Beschwerden seien wohl am ehesten muskulo-skelettalen Ursprungs. Für ein neurologisches Defizit habe sich kein Anhalt gefunden. Weitere Untersuchungen, insbesondere ein am 22. April 2002 durchgeführtes Dünnschicht-CT der Brustwirbelsäule, zeigten arthrotische Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke bei noch nicht vollständig konsolidierter Wirbelfraktur.
Im Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., in der sich der Kläger am 5. Juni 2002 zur Heilverfahrenskontrolle vorstellte, führten Prof. Dr. W. und der Chirurg B. aus, im Bereich der Wirbelsäule finde sich im Wesentlichen ein muskulärer Hartspann mit Klopfschmerzhaftigkeit im mittleren BWS-Abschnitt. Die Beweglichkeit der BWS sei insbesondere bezüglich der Rotationsbeweglichkeit muskulär eingeschränkt. Im Hinblick auf die Fraktur an der rechten Hand sei ein zeitgerechter Untersuchungsbefund mit vollständig knöcherner Durchbauung und einliegender Herbertschraube festzustellen. Die Beschwerdesymptomatik sei aufgrund der Verformung des 7. BWK noch erklärbar.
Die Beklagte zog Arztbriefe der Klinik für Orthopädie am Rosenberg, St. G., vom 26. Juni 2002 und des Prof. Dr. K., Centre de Traumatologie et d´Orthopedie, I. G., bei, die der Kläger auf Anraten seines behandelnden Arztes Dr. B. konsiliarisch hinzugezogen hatte.
Vom 26. Juni bis 11. September 2009 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L ... Im Entlassungsbericht vom 12. September 2002 führten Prof. Dr. W. und Dr. E. aus, dass nach der erfolgten Muskelstärkung im Bereich der BWS eine Arbeitserprobung von 4 Stunden täglich möglich sei. Die Arbeitserprobung nahm der Kläger am 16. September 2002 auf, brach sei aber bereits nach einer halben Stunde wegen zunehmender brennender Schmerzen im Rücken mit Ausstrahlung in den Nacken sowie Blockadeerscheinungen im rechten Handgelenk wieder ab.
Vom 18. bis 29. November 2002 wurde im Berufsförderungswerk B. W. eine Arbeitserprobung durchgeführt, die u.a. ein körperliches Leistungsvermögen von seinerzeit 2 bis 3 Stunden täglich erbrachte. Vor einer anzuratenden Umschulung sei eine Schmerztherapie durchzuführen. Deshalb nahm der Kläger ab 3. Dezember 2002 bei Dr. W., Facharzt für Neurochirurgie, eine spezielle Schmerztherapie auf. In seinem Bericht vom 3. August 2003 führte Dr. W. u.a. aus, dass es zwar unter der Behandlung zu einer körperlichen Stabilisierung der Schmerzproblematik gekommen sei. Hinzugetreten seien jedoch eine endogene Depression mit somatoformer Schmerzstörung. Ergänzend führte er in seinem Brief vom 1. September 2003 aus, dass die vom Kläger geklagte erektile Dysfunktion am ehesten durch eine Störung der Grenzstrangfunktion nach Wirbelkörperfraktur zu erklären sei.
Der Kläger wurde daraufhin in die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Johannes Guttenberg-Universität M. vom 16. bis 23. September 2003 zur stationären Diagnostik, insbesondere zur Abklärung eines stationären Heilverfahrens, aufgenommen. Im Bericht vom 29. September 2003 führte der Ltd. Oberarzt PD Dr. E. aus, beim Kläger bestehe der Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung, differentialdiagnostisch auf neuropathischen Schmerz und inadäquate Schmerzverarbeitung, bei Zustand nach Sinterungsfraktur BWK 7 sowie eine erektile Dysfunktion seit September 2002. Ein stationäres Heilverfahren werde empfohlen.
Der von der Beklagten daraufhin eingeschaltete Beratungsarzt, der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S., führte in seiner Stellungnahme vom 10. November 2003 aus, es bestehe kein Zweifel daran, dass es beim Kläger zu einer neurotischen Fehlverarbeitung des Unfalls gekommen sei, die nicht direkt auf den Unfall zurückgeführt werden könne, sondern in der primären Persönlichkeit begründet liege. Diese sei durch psychotherapeutische Maßnahmen (aufgrund ihrer Dauer und eines gegen Ärzte der Uniklinik F. eingeleiteten Arzthaftungsverfahrens) nicht erfolgversprechend zu behandeln. Darüber hinaus seien die Hypothesen des Dr. W. zur Ursächlichkeit der erektilen Dysfunktion nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei sie mit großer Wahrscheinlichkeit Teil der psychischen Auffälligkeiten, die als neurotische Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens anzusehen seien.
Vom 11. Dezember 2003 bis 5. Februar 2004 wurde eine stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Einzelbehandlung in der Universitätsklinik M. durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 6. Februar 2004 wurde der Kläger als leicht verletzbare, selbstunsichere Persönlichkeit beschrieben, die sich im Umfeld einer arbeits- und leistungsorientierten Familie entwickelt habe. Die Symptombildung im Rahmen des Unfalls stehe in Zusammenhang mit der subjektiven Unberechenbarkeit dieses Ereignisses, die Schmerzsymptomatik habe sich über die späteren Auseinandersetzungen mit Behandlern und Versicherungen immer weiter verfestigt. Prädisponierend für die Schmerzentstehung könne die Persönlichkeitsstruktur des Klägers angesehen werden. Die multiple, körperbezogene Beschwerdesymptomatik und psychische Beeinträchtigung habe sich auch psychometrisch abbilden lassen. Im Entlassungszeitpunkt sei der Kläger körperlich und psychisch stabilisiert gewesen. Die Entlassung sei weiterhin als arbeitsunfähig erfolgt.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2004 stellte die Beklagte mit Ablauf des 7. Februar 2004 die Zahlung von Verletztengeld ein. Nach fachinterner ärztlicher Beratung beruhe die Arbeitsunfähigkeit im Wesentlichen auf einer in primären Persönlichkeitsstrukturen begründeten, inadäquaten Schmerzverarbeitung und sei rechtlich nicht wesentlich auf den Unfall zurückzuführen. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf als Kraftfahrer sei auch wegen der Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet nicht mehr zu rechnen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2004 zurückgewiesen wurde.
Unter dem 20. April 2004 erstatteten Prof. Dr. W./Dr. S. aufgrund ambulanter Untersuchung am 27. Februar 2004 das erste Rentengutachten. Als Unfallfolgen formulierten sie eine endgradige Bewegungseinschränkung im thoracolumbalen Übergang sowie radiologisch beschriebene Veränderungen und schätzten die MdE mit 10 v.H. ein. Ergänzend führten sie in ihrer Stellungnahme vom 8. Juni 2004 aus, dass aus medizinischer Sicht die Tätigkeit als Kranführer möglich sei.
Der um fachärztliche Stellungnahme gebetene Beratungsarzt (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) Dr. F. führte in seiner Stellungnahme vom 12. Juli 2004 aus, ein neuropathischer Schmerz sei angesichts der fehlenden neurologischen Normabweichungen im Bereich der BWS nicht wahrscheinlich. Es verbleibe nur die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung. Für deren Entstehung sei der Unfall jedoch nur als Gelegenheitsursache anzusehen.
Mit Bescheid vom 6. August 2004 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Als Unfallfolgen erkannte sie an eine leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule. Nicht als Unfallfolge anerkannte sie eine inadäquate Schmerzverarbeitung aufgrund primärer Persönlichkeitsstruktur. Auch dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2005 zurückgewiesen wurde.
Dagegen hat der Kläger am 3. März 2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, es sei durch den Unfall zu einer richtunggebenden Verschlimmerung der Schmerzfehlverarbeitung gekommen. Dies werde durch das im Verfahren um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente (Az.: S 4 RJ 2137/03) erstellte Gutachten des Dr. W. vom 6. Dezember 2004 bestätigt. Dieser habe ausgeführt, dass der Kläger nicht krankheitswertig vorgeschädigt gewesen sei, sondern allenfalls labil. Dies könne jedoch der Anerkennung der Schmerzfehlverarbeitung als Unfallfolge nicht entgegen stehen.
Im Auftrag des SG hat Dr. S., Oberarzt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, M., das fachpsychosomatische Gutachten vom 12. Dezember 2005 erstellt. Dieser hat mitgeteilt, dass beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, bestehe. Beide seien wahrscheinlich ursächlich auf das Ereignis vom 17. Oktober 2001 zurückzuführen, die MdE belaufe sich auf 30 v.H. Soweit Dr. S. und Dr. F. abweichende Beurteilungen abgegeben hätten, beruhten diese lediglich auf einem Aktenstudium; die vor dem Unfall bestehende hohe Leistungsorientierung und der überdurchschnittliche berufliche Einsatz seien nicht als pathologisch anzusehen. Sonstige Hinweise auf eine auffällige Persönlichkeitsstruktur des Klägers fänden sich nicht. Die Beklagte ist dem entgegen getreten, worauf das SG die ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 23. März 2006 veranlasst hat.
Daraufhin hat das SG ein weiteres neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. T., Direktor des Instituts für Seelische Gesundheit am Bürgerhospital der Landeshauptstadt S., in Auftrag gegeben. Prof. Dr. T. hat unter dem 20. August 2006 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert. Sowohl das Unfallereignis bzw. die Unfallfolge (in Kyphosestellung ausgeheilte BWK-7-Fraktur) als auch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers seien gleichwertig für die Schmerzsymptomatik verantwortlich zu machen. Ohne die jeweilige andere Ursache hätte sich die Symptomatik höchstwahrscheinlich nicht entwickelt. Entsprechendes gelte für die Schmerzsymptomatik an der Hand nach Kahnbeinfraktur und die erektile Dysfunktion. Weder könne den Ausführungen von Dr. F., der kein organisches Korrelat der Schmerzen angenommen habe, noch dem Universitätsklinikum Mainz, das die Persönlichkeitsstruktur als Prädisposition mit alleiniger Ursache gleichgesetzt habe, gefolgt werden. Umgekehrt könne deshalb auch die Ausführung von Dr. S., der alleine das Unfallereignis als wesentlich ansehe, nicht gefolgt werden. Der Kläger sei seit dem Unfall behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig. Die MdE sei zwischen 30 und 40 v.H. einzuschätzen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom Februar 2007 ist Prof. Dr. T. bei seiner Einschätzung geblieben.
Der Beklagte hat das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Dr. E. vom 27. April 2006, erstattet im Verfahren L 13 R 4153/05, vorgelegt.
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, da auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet eine MdE von maximal 15 v.H., auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine MdE bestehe. Die Beschwerden des Klägers auf diesem Fachgebiet seien nicht rechtlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht.
Gegen das am 14. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juli 2008 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 6. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Prof. Dr. T. ergänzend befragt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Oktober 2008 hat er ausgeführt, dass dem Unfallereignis nicht die eigentliche entscheidende ursächliche Bedeutung zukomme, sondern die Persönlichkeitsstruktur habe letztlich zu dem vorliegenden Beschwerdebild geführt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat unter dem 21. August 2009 Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, ein nervenärztliches Fachgutachten erstellt und einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geklagten Schmerzen verneint.
Am 29. Oktober 2009 hat der Kläger beantragt, ein Gutachten nach § 109 SGG auf orthopädischem Fachgebiet durch Prof. Dr. v. S. einzuholen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente abgelehnt.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die das Bundessozialgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallge-staltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.
Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden und nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten: Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung sein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, z.B. nach einem Banküberfall, entstehen, sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens, z.B. einer Amputation, sein oder sie können sich in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden (vgl. nur Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.)
Unter umfassender Würdigung der zahlreichen ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten, die seit dem Unfallgeschehen aktenkundig geworden sind, insbesondere des Gutachtens von Prof. Dr. T. unter Berücksichtigung seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat ist der Senat der Überzeugung, dass beim Kläger neben den festgestellten Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet (leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule) keine Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegen. Der Kläger leidet zwar unter einer anhaltenden somatoformen Schmerzerkrankung (ICD 10 F 45.4), einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD 10 F 33.4) sowie einer erektilen Dysfunktion. Diese Erkrankungen sind jedoch weder als unmittelbare noch als mittelbare Unfallfolge anzusehen, da sie nicht wesentlich auf das angeschuldigte Unfallereignis zurückzuführen sind.
Der Kläger schilderte gegenüber Prof. Dr. T. bzw. Dr. S. ein komplexes Schmerzerleben. Danach gehen seine Schmerzen von der BWS aus. Im Sitzen oder Stehen werden sie schlimmer. Zunächst würden zudem Nackenschmerzen, dann Kopfschmerzen und zuletzt ein Stechen in den Leisten dazukommen; daraufhin ziehe der Schmerz Stück für Stück den Schenkel links hinunter, mit einem Kribbeln in der Wade und den Fußsohlen.
Soweit Schmerzen im Bereich der BWS geschildert werden, wäre es zwar durchaus denkbar, diese als unmittelbare Unfallfolgen zu bewerten. Wie insbesondere Prof. Dr. T. in seinem Gutachten vom 20. August 2006 ausgeführt hat, besteht zwar zwischen den behandelnden Ärzten keine Sicherheit darüber, ob die unfallchirurgischen Unfallfolgen, nämlich die BWK-7-Fraktur, die zu einer Höhenminderung des BWK, zu einer Kyphosierung der BWS, zu einer Erniedrigung des Bandscheibenfachs BWK 6/7 und zu einer minimalen Vorwölbung der Hinterkante in den Spinalkanal geführt hat, für die vom Kläger im Bereich der BWS geschilderte Schmerzsymptomatik hinreichend ursächlich ist und die insoweit geklagten Schmerzen als unmittelbare Unfallfolgen zu bewerten sind.
Diesbezüglich war jedoch keine weitere Sachverhaltsaufklärung durch den Senat erforderlich. Denn auch für den Fall, dass die durch den Kläger geltend gemachten Schmerzen im Bereich der BWS (stechend-ziehend) auf das beschriebene organische Korrelat zurückgeführt werden können, sind diese, mit einer derartigen Verletzung zwangsläufig verbundenen Schmerzen, bereits in der MdE für die Wirbelsäulenverletzung mit berücksichtigt. Die Qualität einer eigenständigen Schmerzerkrankung wird den auf diesen Körperteil bezogenen Schmerzen auch durch die beteiligten Ärzte und Gutachter nicht zugemessen.
Die vom Kläger darüber hinaus geschilderten Schmerzen sind nicht als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen. Sie sind nicht sozialrechtlich wesentlich auf die erlittenen körperlichen Verletzungen bzw. die bestehenden Unfallfolgen zurückzuführen und damit auch nicht als eigenständige Schmerzerkrankung und Unfallfolge anzuerkennen.
Prof. Dr. T. hat, zumindest in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat, nachvollziehbar ausgeführt, dass zwei Ursachen für die geschilderten Beschwerden in Betracht kommen, nämlich die vorbestehende Persönlichkeitsstruktur des Klägers und der Unfall bzw. die organischen Unfallfolgen. Die Persönlichkeit des Klägers wird als orientiert an Arbeit, Leistung und Besitz mit hohem Kontroll- und Sicherheitsbedürfnis beschrieben. Auch wenn diese Persönlichkeitsstruktur sicherlich nicht als krankheitswertig einzustufen ist und darüber hinaus jede Person grundsätzlich in der Verfassung versichert ist, wie sie sich im Zeitpunkt des Unfalls befindet, enthebt dieser Grundsatz jedoch nicht davon, diese Faktoren im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung zu gewichten. Kommt diesen vorbestehenden Faktoren -wie hier - daher ein so starkes Gewicht zu, dass sie als wesentlich ursächlich für die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen anzusehen sind, kann eventuellen Unfallfolgen nicht mehr der ausschlaggebende ursächliche Faktor zukommen.
Der Senat schließt sich auch insoweit Prof. Dr. T. an, dessen Schlussfolgerung im Übrigen auch durch den Gutachter nach § 109 SGG Dr. S. bestätigt wird. Beide haben überzeugend ausgeführt, dass es weder das Unfallereignis selbst noch die objektivierbaren Unfallfolgen zulassen, die geschilderten Schmerzen darauf zurückzuführen. Vielmehr sind neben die organisch erklärbaren Beschwerden im Bereich der BWS weitere Schmerzempfindungen hinzugetreten, für die ein organisches Korrelat fehlt und die auch nicht als mittelbare Unfallfolgen, z.B. wegen neurologischer Schädigungen durch die BWK-Fraktur bzw. Sinterung erklärt werden können. Letztlich besteht diesbezüglich auch bei den auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet tätigen Ärzte Einigkeit, da übereinstimmend ausgeführt worden ist, dass die geklagten Schmerzen keinem Versorgungsgebiet von Nerven zugerechnet werden können (als sog. neuropathischer Schmerz), die im Bereich der BWK 6/7/8 verlaufen und daher durch die Unfallfolgen in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnten.
Ist daher eine positive Feststellung der rechtlichen Wesentlichkeit der geklagten Schmerzen auf den Unfall und seine Folgen nicht möglich, ist die Kausalität zwischen Unfall bzw. unmittelbaren Unfallfolgen und den geklagten Schmerzen nicht gegeben. Entsprechendes gilt für die rezidivierende depressive Störung, die vom Kläger als ursächlich verknüpft mit den geschilderten Schmerzen und der von ihm deshalb empfundenen Nutz- und Hilflosigkeit geschildert wird und die erektile Dysfunktion. Auch für Letztere ist ein organisches Korrelat, z.B. eine Nervenschädigung, nicht bestätigt worden; der abweichenden Auffassung von Dr. W. folgt der Senat nicht. Vielmehr ist auch die erektile Dysfunktion als weiteres Symptom der persönlichkeitsbedingten Unfallfehlverarbeitung des Klägers anzusehen und daher nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen.
Da somit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet Unfallfolgen nicht bestehen, bemisst sich die MdE für die Gewährung einer Verletztenrente allein nach Maßgabe der auf unfallchirurgischem Fachgebiet festgestellten Unfallfolgen im Bereich der BWS.
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Als Unfallfolge ist deshalb nur zu bewerten die leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule nach stabil verheiltem Bruch des BWK 7. Bezüglich der Verletzungen an der Hand liegen (bislang) nur radiologische Veränderungen ohne funktionelle Auswirkungen vor, so dass diese im Rahmen der MdE-Bemessung nicht erhöhend berücksichtigt werden könnten. Zur Frage der MdE-Erhöhung infolge der Schmerzen im Bereich der BWS wird auf das oben Ausgeführte verwiesen. Angesichts der von Prof. Dr. W. mitgeteilten Bewegungsmaße im Bereich der Brustwirbelsäule, wonach allenfalls für die Rotation gewisse Bewegungseinschränkungen bestehen, ist nach den im Bereich der Unfallversicherung maßgeblichen Tabellenwerten (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 535 ff; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage 2005 S. 159) eine MdE von weniger als 20 festzustellen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nicht erfüllt sind.
Der Antrag, nach § 109 SGG ein orthopädisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage bei Prof. Dr. S. einzuholen, war abzulehnen. Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Mit Eingang des Gutachtens von Dr. S. bei Gericht am 25. August 2009 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, der Rechtsstreit sei zur Terminsbestimmung, voraussichtlich im Oktober 2009, vorgesehen. Am 6. Oktober 2009 erging die Ladung zum Termin am 2. November 2009. Dem anwaltlich vertretenen Kläger war damit frühzeitig bekannt, dass das Gericht keine weiteren Sachverhaltsermittlungen mehr beabsichtigt. Da der Antrag erst am 29. Oktober 2009, nur 3 Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, gestellt worden ist, hat der Bevollmächtigte des Klägers die zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, da ihm mit der gerichtlichen Verfügung vom 25. August 2009 bekannt war, dass weitere Ermittlungen des Gerichts von Amts wegen nicht beabsichtigt sind (vgl. dazu auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 109 SGG Rn. 11 mwN). Der Antrag ist daher aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden und war, da dessen Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte, abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. Oktober 2001.
Der 1973 geborene Kläger erlitt bei seiner Tätigkeit als Kraftfahrer (Kranfahrer und zeitweise Lkw-Fahrer) am 17. Oktober 2001 einen Arbeitsunfall, als er beim Entzurren der Ladung an einer Palette hängen blieb und vom Lkw stürzte (Unfallanzeige des Arbeitgebers). Im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. S. vom 26. Oktober 2001 werden als Verletzungen eine stabile Brustwirbelkörper-7-Fraktur sowie eine Handgelenkskontusion rechts aufgeführt, darüber hinaus ein frischer Kahnbeinbruch rechts. Bis 31. Oktober 2001 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung.
In dem wegen fortbestehender Schmerzausstrahlung aus dem Rücken heraus am 21. Januar 2002 durchgeführten MRT der Brustwirbelsäule (BWS) beschrieb der behandelnde Orthopäde Dr. B. in seinem Befundbericht vom 22. Januar 2002 eine ältere Kompressionsfraktur TH 7 mit keilförmiger Wirbeldeformierung, erhebliche Höhenminderung der Bandscheibe TH 6/7, diskret auch TH 7/8, wobei die beiden im Bandscheibenfach TH 6/7 austretenden Wurzeln im unteren Abschnitt leicht komprimiert würden.
Im fachneurologischen Befundbericht vom 12. März 2002 (Gutachtenstelle, Neurologische Universitätsklinik - Neurozentrum - F., PD Dr. G.) wurde zusammenfassend ausgeführt, die Os naviculare-Fraktur am rechten Handgelenk sei ohne Beschwerden gut verheilt, eine beim Sturz erlittene commotio cerebri habe zu keinem postcommotionellen Syndrom geführt. Von Seiten der Brustwirbelkörper(BWK)-Fraktur bestünden noch Schmerzen, ein fokal-neurologisches Defizit sei jedoch aktuell nicht zu verzeichnen; auch die evozierten Potentiale seien unauffällig gewesen. Die geklagten Beschwerden seien wohl am ehesten muskulo-skelettalen Ursprungs. Für ein neurologisches Defizit habe sich kein Anhalt gefunden. Weitere Untersuchungen, insbesondere ein am 22. April 2002 durchgeführtes Dünnschicht-CT der Brustwirbelsäule, zeigten arthrotische Veränderungen der kleinen Wirbelgelenke bei noch nicht vollständig konsolidierter Wirbelfraktur.
Im Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L., in der sich der Kläger am 5. Juni 2002 zur Heilverfahrenskontrolle vorstellte, führten Prof. Dr. W. und der Chirurg B. aus, im Bereich der Wirbelsäule finde sich im Wesentlichen ein muskulärer Hartspann mit Klopfschmerzhaftigkeit im mittleren BWS-Abschnitt. Die Beweglichkeit der BWS sei insbesondere bezüglich der Rotationsbeweglichkeit muskulär eingeschränkt. Im Hinblick auf die Fraktur an der rechten Hand sei ein zeitgerechter Untersuchungsbefund mit vollständig knöcherner Durchbauung und einliegender Herbertschraube festzustellen. Die Beschwerdesymptomatik sei aufgrund der Verformung des 7. BWK noch erklärbar.
Die Beklagte zog Arztbriefe der Klinik für Orthopädie am Rosenberg, St. G., vom 26. Juni 2002 und des Prof. Dr. K., Centre de Traumatologie et d´Orthopedie, I. G., bei, die der Kläger auf Anraten seines behandelnden Arztes Dr. B. konsiliarisch hinzugezogen hatte.
Vom 26. Juni bis 11. September 2009 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L ... Im Entlassungsbericht vom 12. September 2002 führten Prof. Dr. W. und Dr. E. aus, dass nach der erfolgten Muskelstärkung im Bereich der BWS eine Arbeitserprobung von 4 Stunden täglich möglich sei. Die Arbeitserprobung nahm der Kläger am 16. September 2002 auf, brach sei aber bereits nach einer halben Stunde wegen zunehmender brennender Schmerzen im Rücken mit Ausstrahlung in den Nacken sowie Blockadeerscheinungen im rechten Handgelenk wieder ab.
Vom 18. bis 29. November 2002 wurde im Berufsförderungswerk B. W. eine Arbeitserprobung durchgeführt, die u.a. ein körperliches Leistungsvermögen von seinerzeit 2 bis 3 Stunden täglich erbrachte. Vor einer anzuratenden Umschulung sei eine Schmerztherapie durchzuführen. Deshalb nahm der Kläger ab 3. Dezember 2002 bei Dr. W., Facharzt für Neurochirurgie, eine spezielle Schmerztherapie auf. In seinem Bericht vom 3. August 2003 führte Dr. W. u.a. aus, dass es zwar unter der Behandlung zu einer körperlichen Stabilisierung der Schmerzproblematik gekommen sei. Hinzugetreten seien jedoch eine endogene Depression mit somatoformer Schmerzstörung. Ergänzend führte er in seinem Brief vom 1. September 2003 aus, dass die vom Kläger geklagte erektile Dysfunktion am ehesten durch eine Störung der Grenzstrangfunktion nach Wirbelkörperfraktur zu erklären sei.
Der Kläger wurde daraufhin in die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Johannes Guttenberg-Universität M. vom 16. bis 23. September 2003 zur stationären Diagnostik, insbesondere zur Abklärung eines stationären Heilverfahrens, aufgenommen. Im Bericht vom 29. September 2003 führte der Ltd. Oberarzt PD Dr. E. aus, beim Kläger bestehe der Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung, differentialdiagnostisch auf neuropathischen Schmerz und inadäquate Schmerzverarbeitung, bei Zustand nach Sinterungsfraktur BWK 7 sowie eine erektile Dysfunktion seit September 2002. Ein stationäres Heilverfahren werde empfohlen.
Der von der Beklagten daraufhin eingeschaltete Beratungsarzt, der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S., führte in seiner Stellungnahme vom 10. November 2003 aus, es bestehe kein Zweifel daran, dass es beim Kläger zu einer neurotischen Fehlverarbeitung des Unfalls gekommen sei, die nicht direkt auf den Unfall zurückgeführt werden könne, sondern in der primären Persönlichkeit begründet liege. Diese sei durch psychotherapeutische Maßnahmen (aufgrund ihrer Dauer und eines gegen Ärzte der Uniklinik F. eingeleiteten Arzthaftungsverfahrens) nicht erfolgversprechend zu behandeln. Darüber hinaus seien die Hypothesen des Dr. W. zur Ursächlichkeit der erektilen Dysfunktion nicht nachvollziehbar. Vielmehr sei sie mit großer Wahrscheinlichkeit Teil der psychischen Auffälligkeiten, die als neurotische Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens anzusehen seien.
Vom 11. Dezember 2003 bis 5. Februar 2004 wurde eine stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Einzelbehandlung in der Universitätsklinik M. durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 6. Februar 2004 wurde der Kläger als leicht verletzbare, selbstunsichere Persönlichkeit beschrieben, die sich im Umfeld einer arbeits- und leistungsorientierten Familie entwickelt habe. Die Symptombildung im Rahmen des Unfalls stehe in Zusammenhang mit der subjektiven Unberechenbarkeit dieses Ereignisses, die Schmerzsymptomatik habe sich über die späteren Auseinandersetzungen mit Behandlern und Versicherungen immer weiter verfestigt. Prädisponierend für die Schmerzentstehung könne die Persönlichkeitsstruktur des Klägers angesehen werden. Die multiple, körperbezogene Beschwerdesymptomatik und psychische Beeinträchtigung habe sich auch psychometrisch abbilden lassen. Im Entlassungszeitpunkt sei der Kläger körperlich und psychisch stabilisiert gewesen. Die Entlassung sei weiterhin als arbeitsunfähig erfolgt.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2004 stellte die Beklagte mit Ablauf des 7. Februar 2004 die Zahlung von Verletztengeld ein. Nach fachinterner ärztlicher Beratung beruhe die Arbeitsunfähigkeit im Wesentlichen auf einer in primären Persönlichkeitsstrukturen begründeten, inadäquaten Schmerzverarbeitung und sei rechtlich nicht wesentlich auf den Unfall zurückzuführen. Mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf als Kraftfahrer sei auch wegen der Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet nicht mehr zu rechnen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2004 zurückgewiesen wurde.
Unter dem 20. April 2004 erstatteten Prof. Dr. W./Dr. S. aufgrund ambulanter Untersuchung am 27. Februar 2004 das erste Rentengutachten. Als Unfallfolgen formulierten sie eine endgradige Bewegungseinschränkung im thoracolumbalen Übergang sowie radiologisch beschriebene Veränderungen und schätzten die MdE mit 10 v.H. ein. Ergänzend führten sie in ihrer Stellungnahme vom 8. Juni 2004 aus, dass aus medizinischer Sicht die Tätigkeit als Kranführer möglich sei.
Der um fachärztliche Stellungnahme gebetene Beratungsarzt (Arzt für Neurologie und Psychiatrie) Dr. F. führte in seiner Stellungnahme vom 12. Juli 2004 aus, ein neuropathischer Schmerz sei angesichts der fehlenden neurologischen Normabweichungen im Bereich der BWS nicht wahrscheinlich. Es verbleibe nur die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung. Für deren Entstehung sei der Unfall jedoch nur als Gelegenheitsursache anzusehen.
Mit Bescheid vom 6. August 2004 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente ab. Als Unfallfolgen erkannte sie an eine leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule. Nicht als Unfallfolge anerkannte sie eine inadäquate Schmerzverarbeitung aufgrund primärer Persönlichkeitsstruktur. Auch dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 2005 zurückgewiesen wurde.
Dagegen hat der Kläger am 3. März 2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, es sei durch den Unfall zu einer richtunggebenden Verschlimmerung der Schmerzfehlverarbeitung gekommen. Dies werde durch das im Verfahren um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente (Az.: S 4 RJ 2137/03) erstellte Gutachten des Dr. W. vom 6. Dezember 2004 bestätigt. Dieser habe ausgeführt, dass der Kläger nicht krankheitswertig vorgeschädigt gewesen sei, sondern allenfalls labil. Dies könne jedoch der Anerkennung der Schmerzfehlverarbeitung als Unfallfolge nicht entgegen stehen.
Im Auftrag des SG hat Dr. S., Oberarzt am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, M., das fachpsychosomatische Gutachten vom 12. Dezember 2005 erstellt. Dieser hat mitgeteilt, dass beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, bestehe. Beide seien wahrscheinlich ursächlich auf das Ereignis vom 17. Oktober 2001 zurückzuführen, die MdE belaufe sich auf 30 v.H. Soweit Dr. S. und Dr. F. abweichende Beurteilungen abgegeben hätten, beruhten diese lediglich auf einem Aktenstudium; die vor dem Unfall bestehende hohe Leistungsorientierung und der überdurchschnittliche berufliche Einsatz seien nicht als pathologisch anzusehen. Sonstige Hinweise auf eine auffällige Persönlichkeitsstruktur des Klägers fänden sich nicht. Die Beklagte ist dem entgegen getreten, worauf das SG die ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 23. März 2006 veranlasst hat.
Daraufhin hat das SG ein weiteres neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. T., Direktor des Instituts für Seelische Gesundheit am Bürgerhospital der Landeshauptstadt S., in Auftrag gegeben. Prof. Dr. T. hat unter dem 20. August 2006 ausgeführt, beim Kläger bestehe eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine rezidivierende depressive Störung, derzeit remittiert. Sowohl das Unfallereignis bzw. die Unfallfolge (in Kyphosestellung ausgeheilte BWK-7-Fraktur) als auch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers seien gleichwertig für die Schmerzsymptomatik verantwortlich zu machen. Ohne die jeweilige andere Ursache hätte sich die Symptomatik höchstwahrscheinlich nicht entwickelt. Entsprechendes gelte für die Schmerzsymptomatik an der Hand nach Kahnbeinfraktur und die erektile Dysfunktion. Weder könne den Ausführungen von Dr. F., der kein organisches Korrelat der Schmerzen angenommen habe, noch dem Universitätsklinikum Mainz, das die Persönlichkeitsstruktur als Prädisposition mit alleiniger Ursache gleichgesetzt habe, gefolgt werden. Umgekehrt könne deshalb auch die Ausführung von Dr. S., der alleine das Unfallereignis als wesentlich ansehe, nicht gefolgt werden. Der Kläger sei seit dem Unfall behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig. Die MdE sei zwischen 30 und 40 v.H. einzuschätzen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom Februar 2007 ist Prof. Dr. T. bei seiner Einschätzung geblieben.
Der Beklagte hat das neurologisch-psychiatrische Gutachten der Dr. E. vom 27. April 2006, erstattet im Verfahren L 13 R 4153/05, vorgelegt.
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das SG die Klage abgewiesen, da auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet eine MdE von maximal 15 v.H., auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine MdE bestehe. Die Beschwerden des Klägers auf diesem Fachgebiet seien nicht rechtlich wesentlich durch das Unfallereignis verursacht.
Gegen das am 14. Juli 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. Juli 2008 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 6. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Prof. Dr. T. ergänzend befragt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Oktober 2008 hat er ausgeführt, dass dem Unfallereignis nicht die eigentliche entscheidende ursächliche Bedeutung zukomme, sondern die Persönlichkeitsstruktur habe letztlich zu dem vorliegenden Beschwerdebild geführt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat unter dem 21. August 2009 Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, ein nervenärztliches Fachgutachten erstellt und einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geklagten Schmerzen verneint.
Am 29. Oktober 2009 hat der Kläger beantragt, ein Gutachten nach § 109 SGG auf orthopädischem Fachgebiet durch Prof. Dr. v. S. einzuholen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG) ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente abgelehnt.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278).
Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die das Bundessozialgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17) folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG SozR Nr. 69 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; vgl. Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2006, § 8 RdNr. 314, Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003, Kap 1.3.6.1, S 80 f). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (BSGE 12, 242, 245 = SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallge-staltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG SozR 2200 § 548 Nr. 75; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSGE 62, 220, 222 f = SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 jeweils RdNr. 11; ähnlich Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.
Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen. Denn auch psychische Reaktionen können rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden und nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten: Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung sein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, z.B. nach einem Banküberfall, entstehen, sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens, z.B. einer Amputation, sein oder sie können sich in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden (vgl. nur Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.)
Unter umfassender Würdigung der zahlreichen ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten, die seit dem Unfallgeschehen aktenkundig geworden sind, insbesondere des Gutachtens von Prof. Dr. T. unter Berücksichtigung seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat ist der Senat der Überzeugung, dass beim Kläger neben den festgestellten Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet (leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule) keine Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegen. Der Kläger leidet zwar unter einer anhaltenden somatoformen Schmerzerkrankung (ICD 10 F 45.4), einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD 10 F 33.4) sowie einer erektilen Dysfunktion. Diese Erkrankungen sind jedoch weder als unmittelbare noch als mittelbare Unfallfolge anzusehen, da sie nicht wesentlich auf das angeschuldigte Unfallereignis zurückzuführen sind.
Der Kläger schilderte gegenüber Prof. Dr. T. bzw. Dr. S. ein komplexes Schmerzerleben. Danach gehen seine Schmerzen von der BWS aus. Im Sitzen oder Stehen werden sie schlimmer. Zunächst würden zudem Nackenschmerzen, dann Kopfschmerzen und zuletzt ein Stechen in den Leisten dazukommen; daraufhin ziehe der Schmerz Stück für Stück den Schenkel links hinunter, mit einem Kribbeln in der Wade und den Fußsohlen.
Soweit Schmerzen im Bereich der BWS geschildert werden, wäre es zwar durchaus denkbar, diese als unmittelbare Unfallfolgen zu bewerten. Wie insbesondere Prof. Dr. T. in seinem Gutachten vom 20. August 2006 ausgeführt hat, besteht zwar zwischen den behandelnden Ärzten keine Sicherheit darüber, ob die unfallchirurgischen Unfallfolgen, nämlich die BWK-7-Fraktur, die zu einer Höhenminderung des BWK, zu einer Kyphosierung der BWS, zu einer Erniedrigung des Bandscheibenfachs BWK 6/7 und zu einer minimalen Vorwölbung der Hinterkante in den Spinalkanal geführt hat, für die vom Kläger im Bereich der BWS geschilderte Schmerzsymptomatik hinreichend ursächlich ist und die insoweit geklagten Schmerzen als unmittelbare Unfallfolgen zu bewerten sind.
Diesbezüglich war jedoch keine weitere Sachverhaltsaufklärung durch den Senat erforderlich. Denn auch für den Fall, dass die durch den Kläger geltend gemachten Schmerzen im Bereich der BWS (stechend-ziehend) auf das beschriebene organische Korrelat zurückgeführt werden können, sind diese, mit einer derartigen Verletzung zwangsläufig verbundenen Schmerzen, bereits in der MdE für die Wirbelsäulenverletzung mit berücksichtigt. Die Qualität einer eigenständigen Schmerzerkrankung wird den auf diesen Körperteil bezogenen Schmerzen auch durch die beteiligten Ärzte und Gutachter nicht zugemessen.
Die vom Kläger darüber hinaus geschilderten Schmerzen sind nicht als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen. Sie sind nicht sozialrechtlich wesentlich auf die erlittenen körperlichen Verletzungen bzw. die bestehenden Unfallfolgen zurückzuführen und damit auch nicht als eigenständige Schmerzerkrankung und Unfallfolge anzuerkennen.
Prof. Dr. T. hat, zumindest in seiner ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat, nachvollziehbar ausgeführt, dass zwei Ursachen für die geschilderten Beschwerden in Betracht kommen, nämlich die vorbestehende Persönlichkeitsstruktur des Klägers und der Unfall bzw. die organischen Unfallfolgen. Die Persönlichkeit des Klägers wird als orientiert an Arbeit, Leistung und Besitz mit hohem Kontroll- und Sicherheitsbedürfnis beschrieben. Auch wenn diese Persönlichkeitsstruktur sicherlich nicht als krankheitswertig einzustufen ist und darüber hinaus jede Person grundsätzlich in der Verfassung versichert ist, wie sie sich im Zeitpunkt des Unfalls befindet, enthebt dieser Grundsatz jedoch nicht davon, diese Faktoren im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung zu gewichten. Kommt diesen vorbestehenden Faktoren -wie hier - daher ein so starkes Gewicht zu, dass sie als wesentlich ursächlich für die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen anzusehen sind, kann eventuellen Unfallfolgen nicht mehr der ausschlaggebende ursächliche Faktor zukommen.
Der Senat schließt sich auch insoweit Prof. Dr. T. an, dessen Schlussfolgerung im Übrigen auch durch den Gutachter nach § 109 SGG Dr. S. bestätigt wird. Beide haben überzeugend ausgeführt, dass es weder das Unfallereignis selbst noch die objektivierbaren Unfallfolgen zulassen, die geschilderten Schmerzen darauf zurückzuführen. Vielmehr sind neben die organisch erklärbaren Beschwerden im Bereich der BWS weitere Schmerzempfindungen hinzugetreten, für die ein organisches Korrelat fehlt und die auch nicht als mittelbare Unfallfolgen, z.B. wegen neurologischer Schädigungen durch die BWK-Fraktur bzw. Sinterung erklärt werden können. Letztlich besteht diesbezüglich auch bei den auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet tätigen Ärzte Einigkeit, da übereinstimmend ausgeführt worden ist, dass die geklagten Schmerzen keinem Versorgungsgebiet von Nerven zugerechnet werden können (als sog. neuropathischer Schmerz), die im Bereich der BWK 6/7/8 verlaufen und daher durch die Unfallfolgen in Mitleidenschaft gezogen worden sein könnten.
Ist daher eine positive Feststellung der rechtlichen Wesentlichkeit der geklagten Schmerzen auf den Unfall und seine Folgen nicht möglich, ist die Kausalität zwischen Unfall bzw. unmittelbaren Unfallfolgen und den geklagten Schmerzen nicht gegeben. Entsprechendes gilt für die rezidivierende depressive Störung, die vom Kläger als ursächlich verknüpft mit den geschilderten Schmerzen und der von ihm deshalb empfundenen Nutz- und Hilflosigkeit geschildert wird und die erektile Dysfunktion. Auch für Letztere ist ein organisches Korrelat, z.B. eine Nervenschädigung, nicht bestätigt worden; der abweichenden Auffassung von Dr. W. folgt der Senat nicht. Vielmehr ist auch die erektile Dysfunktion als weiteres Symptom der persönlichkeitsbedingten Unfallfehlverarbeitung des Klägers anzusehen und daher nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführen.
Da somit auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet Unfallfolgen nicht bestehen, bemisst sich die MdE für die Gewährung einer Verletztenrente allein nach Maßgabe der auf unfallchirurgischem Fachgebiet festgestellten Unfallfolgen im Bereich der BWS.
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Als Unfallfolge ist deshalb nur zu bewerten die leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Brustwirbelsäule nach stabil verheiltem Bruch des BWK 7. Bezüglich der Verletzungen an der Hand liegen (bislang) nur radiologische Veränderungen ohne funktionelle Auswirkungen vor, so dass diese im Rahmen der MdE-Bemessung nicht erhöhend berücksichtigt werden könnten. Zur Frage der MdE-Erhöhung infolge der Schmerzen im Bereich der BWS wird auf das oben Ausgeführte verwiesen. Angesichts der von Prof. Dr. W. mitgeteilten Bewegungsmaße im Bereich der Brustwirbelsäule, wonach allenfalls für die Rotation gewisse Bewegungseinschränkungen bestehen, ist nach den im Bereich der Unfallversicherung maßgeblichen Tabellenwerten (z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 535 ff; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage 2005 S. 159) eine MdE von weniger als 20 festzustellen, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nicht erfüllt sind.
Der Antrag, nach § 109 SGG ein orthopädisches Gutachten zur Zusammenhangsfrage bei Prof. Dr. S. einzuholen, war abzulehnen. Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Mit Eingang des Gutachtens von Dr. S. bei Gericht am 25. August 2009 ist den Beteiligten mitgeteilt worden, der Rechtsstreit sei zur Terminsbestimmung, voraussichtlich im Oktober 2009, vorgesehen. Am 6. Oktober 2009 erging die Ladung zum Termin am 2. November 2009. Dem anwaltlich vertretenen Kläger war damit frühzeitig bekannt, dass das Gericht keine weiteren Sachverhaltsermittlungen mehr beabsichtigt. Da der Antrag erst am 29. Oktober 2009, nur 3 Tage vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, gestellt worden ist, hat der Bevollmächtigte des Klägers die zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, da ihm mit der gerichtlichen Verfügung vom 25. August 2009 bekannt war, dass weitere Ermittlungen des Gerichts von Amts wegen nicht beabsichtigt sind (vgl. dazu auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 109 SGG Rn. 11 mwN). Der Antrag ist daher aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden und war, da dessen Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte, abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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