L 19 AS 30/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 106/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 30/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 166/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB mit Beschluss vom 23.03.2010 zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.04.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09. bis 30.11.2006 und die Rückforderung von insgesamt 1.871,88 EUR.

Nach Ausschöpfung des Arbeitslosengeldanspruches beantragte der am 00.00.1960 geborene Kläger am 14.07.2006 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Am 01.08.2006 bestätigte er unterschriftlich, dass er das "Merkblatt über Mitwirkungspflichten bei Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II)" erhalten und zur Kenntnis genommen habe.

Mit Steuerbescheid vom 22.08.2006 stellte das Finanzamt B einen Steuererstattungsanspruch des Klägers für das Jahr 2004 in Höhe von 2.174,18 EUR zuzüglich Zinsen zur Einkommenssteuer von 41,00 EUR fest. Am 25.08.2006 erfolgte die Gutschrift des Betrags von 2.215,18 EUR auf das Konto des Klägers.

Durch Bescheid vom 29.08.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 14.07. bis 31.07.2006 in Höhe von insgesamt 487,80 EUR sowie für die Zeit vom 01.08. bis zum 31.12.2006 in Höhe von 813,00 EUR mtl. (345,00 EUR Regelleistung + 317,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung + 151,00 EUR Zuschlag nach § 24 SGB II).

Nach Vorlage der Kontoauszüge betreffend den Monat August 2006 hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 21.02.2008 hinsichtlich des Erhalts einer Steuererstattung nach § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an. Nach den ihr vorliegenden Unterlagen habe der Kläger die Überzahlung verursacht, da er eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in seinen Verhältnissen nicht angezeigt habe. Über seine Pflichten als Leistungsempfänger sowie über die Tatbestände, unter denen die Anspruchsvoraussetzungen wegfielen, sei er durch das "Merkblatt für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" unterrichtet worden. Der Kläger erklärte unter dem 06.03.2008, dass es sich bei der Überweisung des Finanzamts um sein Privatvermögen aus dem Jahr 2004 gehandelt habe, das ihm erst im Jahr 2006 überwiesen worden sei. Er sei sich keiner Schuld bewusst, irgendetwas Unrechtes getan zu haben. Mit Bescheid vom 12.03.2008 hob die Beklagte die Entscheidung über die Gewährung von Sozialleistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 14.07. bis 31.12.2006 unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X auf und forderte insgesamt einen Betrag von 1.961,88 EUR nach § 50 Abs. 3 SGB X zurück.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2008 als unbegründet zurück. Sie führte aus, dass die erhaltene Steuererstattung in Höhe von 2.215,18 EUR als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II auf den Gesamtbedarf des Klägers anzurechnen sei. Nach § 2 Abs. 3 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) seien einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt sei, seien einmalige Einnahmen, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Vorliegend habe sie die Steuererstattung entsprechend dem Leistungsanspruch des Klägers aufgeteilt. Dieser habe im Jahr 2006 inklusive Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung 939,65 EUR mtl. betragen. Nach Anrechnung der Steuererstattung auf den Leistungsanspruch für die Monate September und Oktober 2006 (939,65 EUR + 939,65 EUR = 1879,30 EUR) verbleibe noch ein anrechenbarer Betrag für November 2006 in Höhe von 335,88 EUR (2.215,18 EUR abzüglich 1.879,30 EUR). Der Bewilligungsbescheid vom 29.08.2006 werde insoweit aufgehoben. Von einer Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werde abgesehen, da diese im Bescheid vom 12.03.2008 nicht zurückgefordert worden seien.

Am 12.07.2008 hat der Kläger Klage erhoben.

Er hat vorgetragen, dass die Steuererstattung für das Jahr 2004 in Höhe von 2.215,18 EUR als Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II zu behandeln und damit unter Berücksichtigung der maßgeblichen Freibeträge nicht anrechenbar sei. Er habe diese "freiwillig angespart", da er sich die zuviel gezahlten Steuern schon bereits im Jahr 2005 hätte erstatten lassen können. Darüber hinaus sei seine Steuererstattung nach § 233 a Abgabenordnung (AO) verzinst worden. Es liege weder eine Verletzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X noch des § 48 Abs. 1 Satz Nr. 2 SGB X vor. Eine für ihn nachteilige Änderung in den Verhältnissen sei nicht eingetreten. Er sei davon ausgegangen, dass er seinen Mitteilungspflichten genüge, wenn er sich die Steuererstattung, die er als nicht zu berücksichtigendes Vermögen betrachtet habe, auf sein der Beklagten bekanntes Girokonto habe überweisen lassen.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2009 hat die Beklagte den Bescheid vom 12.03.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008 dahingehend abgeändert, dass die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung für den Monat November 2006 auf einen Betrag auf den Betrag von 245,88 EUR reduziert wird. Damit seien die Versicherungspauschalen von 30,00 EUR mtl. für die Monate Oktober, September und November 2006 berücksichtigt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen.

Durch Urteil vom 28.04.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in der Fassung des Teilanerkenntnisses sei rechtmäßig. Die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29.08.2006 könne entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf § 48 SGB X gestützt werden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung seien §§ 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, da der Bewilligungsbescheid vom 29.08.2009 schon zum Zeitpunkt seines seines Erlasses wegen des Zuflusses von Einkommen nach der Antragstellung teilweise rechtswidrig gewesen sei. Ein Auswechseln der Rechtsgrundlage sei zulässig, da sich um eine gebundene Entscheidung handele. Der Kläger sei in dem Bewilligungszeitraum teilweise nicht hilfebedürftig i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II gewesen. Bei der nach der Antragstellung zugeflossenen Steuererstattung handele es sich um ein Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II. Die von der Beklagten vorgenommene Aufteilung dieser einmaligen Einnahme auf den Leistungsansprüche des Klägers für die Monate September bis November 2006 sei mit den Vorgaben des § 13 SGB II i.V.m. §§ 2b, 2 Abs. 3 ALG II-V vereinbar. Der Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sei gegeben, da der Bewilligungsbescheid auf Angaben beruhe, die der Kläger in wesentlicher Beziehung zumindest grob fahrlässig unvollständig oder unrichtig gemacht habe. Der Kläger habe den Zufluss der Steuererstattung in der Zeit zwischen der Antragstellung und dem Bescheiderlass der Beklagten grob fahrlässig nicht mitgeteilt, obwohl er zur Mitteilung dieser Tatsache nach § 60 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet gewesen sei. Der Kläger sei in dem "Merkblatt über Mitwirkungspflichten bei Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II)", dessen Erhalt und Kenntnisnahme vom Inhalt er unterschriftlich bestätigt habe, darauf hingewiesen worden, dass er Änderungen in den Einkommens- und Vermögensverhältnissen unverzüglich der Beklagten mitzuteilen habe, wobei in dem Merkblatt ausdrücklich der Erhalt einer Steuererstattung als maßgebliche Änderung aufgeführt werde. Die Tatsache, dass der Kläger die zugeflossene Steuererstattung nicht als Einkommen, sondern als Vermögen angesehen habe, habe ihn nicht von der Mitteilungspflicht entbunden (vgl. BSG Urteil vom 11.04.2002 - B 3 KR 46/01 R m.w.N.). Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 03.06.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.06.2009 Berufung eingelegt.

Er wiederholt im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Da es sich bei einer Entscheidung nach § 45 SGB X um eine Ermessensentscheidung handele, könne die Rechtsgrundlage nicht ausgewechselt werden. Des Weiteren habe er auf dem Bestand des Verwaltungsaktes vertraut. Sein Vertrauen sei unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig. Er habe die von der Beklagten erbrachten Leistungen verbraucht. Zudem lägen die weiteren Voraussetzungen des § 45 Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X nicht vor. Er habe zum Zeitpunkt der Antragstellung seine Mitteilungspflichten nicht verletzt, da ihm die Steuererstattung erst nach der Antragstellung zugeflossen sei. Den Antrag auf Steuererstattung habe er erst im Juni 2006 gestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.04.2009 abzuändern und den Bescheid vom 12.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008, in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 28.04.2009, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Berufung ist statthaft, da sich der Kläger im Berufungsverfahren gegen die Aufhebung und die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 1.871,88 EUR wendet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beklagte ist beteiligtenfähig. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Bildung von Arbeitsgemeinschaften nach § 44b SGB II als mit Art. 28 Grundgesetz (GG) und Art. 83 GG unvereinbar erklärt, jedoch können die Arbeitsgemeinschaften für eine Übergangszeit bis zum 31.12.2010 weiterhin auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden (BVerfG Urteil vom 20.12.1007 - 2 BvR 2433/04 - und - 2 BvR 2434/04 -; BSG Urteil vom 27.02.2008 - B 14/7b AS 32/06 R).

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Kläger ist nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.03.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008, in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 28.04.2009, ist rechtmäßig.

Durch den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Teilanerkenntnisses hat die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II (Regelleistung + Kosten der Unterkunft und Heizung + Zuschlag nach § 24 SGB II) für die Monate September und Oktober 2006 vollständig, d. h. in Höhe von 813,00 EUR mtl., sowie die Bewilligung von Regelleistung nach § 20 SGB II für November 2006 teilweise in Höhe von 245,88 EUR aufgehoben.

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09 bis zum 30.11.2006 ist nicht wie von der Beklagten angenommen § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X. Die Änderung der Verhältnisse - Zufluss einer einmaligen Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II - ist nicht nach Erlass des Bewilligungsbescheides am 29.08.2006, sondern im Zeitraum zwischen der Antragstellung am 14.07.2006 und dem Erlass des maßgeblichen Bewilligungsbescheides eingetreten (vgl. zur Unanwendbarkeit der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X bei Zufluss eines Einkommens zwischen Antragstellung und Bescheiderlass Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 48 SGB X Rn 48 mit Rechtsprechungshinweisen). Ein Auswechseln der Rechtsgrundlagen ist zulässig, da es sich bei Aufhebungen von Leistungen nach dem SGB II gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 SGB III um gebundene Entscheidungen handelt, unabhängig davon auf welcher Rechtsgrundlage - § 45 SGB X oder § 48 SGB X - sie beruhen (vgl. BSG Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - m.w.N. zu Aufhebungsentscheidungen mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 330 SGB III).

Soweit ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 45 Abs. 1 SGB X unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Der Bewilligungsbescheid vom 29.08.2006 ist als begünstigender Verwaltungsakt zum Zeitpunkt seines Erlasses teilweise rechtswidrig gewesen. Der Kläger hat zwischen der Antragstellung und dem Bescheiderlass eine einmalige Einnahme erzielt, die nach §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 11 SGB II bei der Ermittlung seines Hilfebedarfs für Monate September bis November 2006 zu berücksichtigen ist und seinen Hilfebedarf vollständig bzw. teilweise entfallen lässt.

Bei der nach der Antragstellung im Bedarfszeitraum zugeflossenen Einkommensteuererstattung einschließlich der Zinsen handelt es sich um berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S. des § 11 SGB II und nicht um Vermögen i.S. des § 12 SGB II. Eine Steuererstattung, die wie im vorliegenden Fall einem Leistungsberechtigten nach der Antragstellung zufließt, stellt nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 13.05.2009 - B 4 AS 49/08 R - und vom 30.07.2008 – B 14 AS 26/07 R ), der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt, ein berücksichtigungsfähiges Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 2 SGB II dar.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Umstand, dass er nicht in unmittelbar zeitlichen Zusammenhang nach dem Veranlagungsjahr 2004, sondern nach seinen Angaben erst 18 Monate später seine Einkommenssteuererklärung beim zuständigen Finanzamt abgeben hat, nicht zur Folge, dass die Gutschrift der Steuererstattung auf das Konto des Klägers nicht mehr als Zufluss von Einkommen, sondern als Zuflusses von Vermögen i.S.v. § 12 SGB II zu werten ist. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Sozialhilferecht anknüpft (BVerwG Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 296), ist Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazuerhält und Vermögen das, was er vor Antragsstellung bereits hatte. Dabei ist von dem tatsächlichen Zufluss auszugehen, es sei denn rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Die Berücksichtigung eines geldwerten Vorteils, der erst nach der Antragstellung einem Antragsteller zufließt, als Einkommen setzt weder eine Identität der Zweckbestimmung des geldwerten Vorteils und der Leistungen nach dem SGB II noch eine Zeitraumidentität voraus (BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R). Die schuldrechtliche Unterscheidung zwischen der auf Auszahlung eines Betrages gerichteten Forderung - vorliegend der Anspruch des Klägers auf Erhalt einer Steuererstattung für das Jahr 2004 - und der Erfüllung der Forderung durch Auszahlung (Gutschrift) führt nicht zu einer Konkurrenz dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären (BSG Urteile vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - und - B 4 AS 29/07 R). Zwar stellt eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete, noch nicht erfüllte Forderung einen wirtschaftlichen Wert dar und gehört sie, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht, zum Vermögen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 35/97). Jedoch interessiert im Fall der Auszahlung einer Forderung nach der Antragstellung im Recht des SGB II nicht das Schicksal der Forderung, vielmehr stellt das Gesetz in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II insofern allein auf die Erzielung von Einkünften in Geld und Geldeswert ab (BSG Urteile vom 30.09.2008, - B 4 AS 57/07 R - und - B 4 AS 29/07 R ; Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 47/08 R). Dies gilt nur nicht in den Fällen, in denen mit bereits erlangten Einkünften freiwillig Vermögen angespart wurde, also eine fällige und liquide Forderung bewusst nicht geltend gemacht wird (BSG Urteil vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - und vom 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R -). Vorliegend hat der Kläger den Betrag der Steuererstattung nicht vor der Antragstellung als Einkommen "erlangt", da Grundlage für die Verwirklichung eines Steuererstattungsanspruchs als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 37 Abs. 2 AO der Erlass eines Steuerbescheides nach § 218 Abs. 1 AO ist. Damit hat dem Kläger vor Erlass des Festsetzungsbescheides am 22.08.2006 die Steuererstattung nicht als liquide Forderung zur Verfügung gestanden. Die Tatsache, dass der Kläger seine Steuererklärung ca. 16 Monate nach dem Veranlagungsjahr 2004 abgegeben und erst dadurch das Steuererstattungsverfahren eingeleitet hat, stellt kein "Ansparen" einer fälligen und liquiden Forderung dar. Vielmehr ist diese Fallgestaltung vergleichbar,mit dem bewussten Unterlassen der Geltungsmachung und Beitreibung einer privatrechtlichen Forderungen, wie z. B. von rückständigen Arbeitsentgelt. Auch in diesem Fall wird die Realisierung der Forderung nach Antragstellung - nach der in der Rechtsprechung vertretenen modifizierten Zuflusstheorie - als Zufluss von Einkommen gewertet. Allein die Tatsache, dass der Staat als Schuldner grundsätzlich zahlungsfähig ist und damit bei zeitlich verzögerter Geltungsmachung der Verlust der Forderung im Gegensatz zu privatrechtlichen Forderungen nicht zu befürchten ist, rechtfertigt keine andere Bewertung des Sachverhalts. Dies gilt auch hinsichtlich des Verzinsungsanspruchs aus § 233a AO. Denn auch Schuldner einer privatrechtlichen Forderung haben Verzugszinsen zu zahlen. Ebenso handelt es sich bei den Zinsen von 41,00 EUR um Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II.

Von der einmaligen Einnahme in Höhe von insgesamt 2.215,18 EUR ist eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V sowie der monatliche Beitrag zur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Höhe von 28,67 EUR abzusetzen (vgl. BSG Urteil vom 17.03.2009 - B 14 AS 63/07 R = nach juris Rn. 32 m.w.N.). Nach Abzug der Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Höhe von 58,67 EUR ist die einmalige Einnahme von 2.156,61 EUR entsprechend den Vorgaben der §§ 2b, 2 Abs 3 Satz 1 Alg II-V in der hier anwendbaren Fassung der ersten Verordnung zur Änderung der Alg II-V vom 22.8.2005 (BGBl I, 2499) zu verteilen. Danach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Nach § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V ist eine Berücksichtigung der Einnahmen abweichend von Satz 1 ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht sind. Hinsichtlich des Verteilzeitraums regelt § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V, dass einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzurechnen sind. Die von der Beklagten vorgenommene Verteilung der einmaligen Einnahme auf die Monate September, Oktober und November 2006 ist nicht zu beanstanden. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Demnach ist durch den Zufluss eines Einkommens von 2.156,61 EUR die Hilfebedürftigkeit des Klägers für die Monate September und Oktober 2006 ganz und für den Monat November 2006 zumindest in Höhe von 245,88 EUR entfallen.

Die Beklagte ist nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid vom 29.08.2006 teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, den Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X erfüllt. Er hat seine Mitteilungspflicht i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X verletzt, indem er der Beklagten nicht mitgeteilt hat, dass ihm nach der Antragstellung aber vor Erlass des Bescheides eine Steuererstattung zugeflossen ist. Der Kläger ist zu dieser Mitteilung nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet gewesen. Danach hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sind in Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB II für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich erheblich. Die Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 SGB I beginnt mit der Einleitung des Verwaltungsverfahrens, also der Antragstellung, und umfasst auch Änderungen, die während des Antragsverfahrens eintreten. Der Kläger hat seine Mitteilungspflicht aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I zumindest grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) und schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt bzw. nicht beachtet, was in jedem Fall einleuchten muss (BSG Urteil vom 19.02.1986 - 7 RAr 55/84 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 22). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen. Durch den Erhalt des Merkblatts am 01.08.2006 hat der Kläger Kenntnis davon erlangt, dass er jede Änderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten anzeigen muss und der Erhalt einer Steuererstattung von der Beklagten als die Änderung solcher Verhältnisse gewertet wird. Aufgrund dieser Kenntnis hätte dem Kläger bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt einleuchten müssen, dass er der Beklagten den Erhalt der Steuererstattung anzeigen muss, unabhängig davon, ob er den Erhalt der Steuererstattung als Zufluss von Einkommen oder von Vermögen gewertet hat. Denn aus dem Inhalt des Merkblatts ergibt sich eindeutig, dass sich die Mitteilungspflicht sowohl auf eine eingetretene Änderung in den Einkommensverhältnissen als auch in den Vermögensverhältnissen erstreckt. Der teilweise aufgehobene Bewilligungsbescheid vom 29.08.2006 beruht auch i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf den unzutreffenden Angaben des Klägers über seine Einkommensverhältnisse. Da der Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gegeben ist, kann sich der Kläger auf kein Vertrauen i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X berufen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Aufhebungsbescheid nicht ermessenfehlerhaft. Bei den Entscheidungen über bei Aufhebungen von Leistungen nach dem SGB II nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X - wie im vorliegenden Fall - handelt es sich nach §§ 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 SGB III nicht um Ermessensentscheidungen, sondern um gebundene Entscheidungen.

Der Kläger ist zum Wegfall bzw. zur Minderung seines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II wegen der Anrechnung der Steuererstattung als Einkommen nach § 11 SGB II und der Verletzung der Mitteilungspflicht von der Beklagten nach § 24 SGB X angehört worden.

Die Fristen des § 45 Abs. 3 SGB X sind gewahrt. Die Beklagte hat die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten, da sie innerhalb eines Jahres nach der Anhörung des Klägers den Bescheid vom 12.03.2008 erlassen hat.

Der Kläger ist verpflichtet, dem Beklagten den Betrag von 1871,88 EUR nach § 50 Abs. 1 Satz. 1 SGB X zu erstatten. Die Erstattungsforderung ist nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht zu mindern, da ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt (§ 40 Abs. 2 Satz 2 SGB II).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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