L 8 R 203/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 R 28/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 203/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.08.2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtzug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Erstattung ihrer Kosten im Vorverfahren verlangen kann.

Die am 00.00.1941 geborene Klägerin siedelte im Jahre 1980 aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland aus. Auf ihren Antrag vom 28.12.2000 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 10.5.2001 eine Altersrente für Frauen ab dem 1.5.2001.

Die Klägerin erhob am 25.5.2001 Widerspruch gegen diesen Rentenbescheid. Zur Begründung führte sie aus, dass der Zeitraum vom 5.8.1960 bis 30.4.1961 als nachgewiese Fremdrentenzeit anzuerkennen sei. Die Adeverinta Nr. 602 bestätige, dass während des Beschäftigungszeitraumes das Arbeitsverhältnis ohne jegliche Unterbrechung bestanden habe. Es sei nicht verständlich, dass die Bescheinigung für diesen Zeitraum kein ausreichender Nachweis sein solle. Zum anderen wandte sich die Klägerin gegen die Anwendung des § 22 Abs. 4 Fremdrentengesetz (FRG), verwies diesbezüglich auf die Vorlagebeschlüsse des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.12.1999 (B 4 RA 18/99 R, B 4 RA 49/99 R, B 4 RA 49/98 R) und vom 16.11.2000 (B 4 RA 3/00 R) und beantragte das Ruhen des Verfahrens. Schließlich richtete sich der Widerspruch gegen die Bewertung der ersten 48 Kalendermonate im Berufsleben nach den einschränkenden Bestimmungen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG). Die Klägerin verwies diesbezüglich ebenfalls auf einen Vorlagebeschluss des BSG vom 16.12.1999 (B 4 RA 11/99 R) und beantragte insoweit ebenfalls das Ruhen des Verfahrens.

Mit Bescheid vom 12.10.2001 stellte die Beklagte die Rente der Klägerin neu fest und half damit ihrem Widerspruch hinsichtlich der Bewertung des Zeitraums vom 5.8.1960 bis 30.4.1961 ab. Dies führte zu einer Rentenerhöhung. Ab dem 1.12.2001 betrug diese Erhöhung monatlich 3,16 DM netto. Für den Zeitraum vom 1.5.2001 bis 30.11.2001 ergab sich eine Nachzahlung von 22,07 DM. Im Übrigen wurde das Verfahren antragsgemäß zum Ruhen gebracht, um die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Vorlagebeschlüsse des BSG abzuwarten.

Nachdem das BVerfG mit Beschluss vom 13.6.2006 (u.a. 1 BvL 9/00, SozR 4-5050 § 22 Nr. 5) die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG als solche für verfassungsrechtlich unbedenklich und nur eine Übergangsregelung für erforderlich gehalten und der Gesetzgeber dem entsprechend mit Gesetz vom 20.4.2007 (BGBl. I, S. 554) in Art. 6 § 4c Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) eine solche Übergangsregelung in Form eines zeitlich gestaffelten Zuschlages eingeführt hatte, die allerdings für die Zeit ab 1.7.2000 und damit für die Klägerin einen solchen Zuschlag ausschließt, erklärte die Klägerin im Juli 2007 das Widerspruchsverfahren in der Hauptsache für erledigt und bat um eine Kostengrundentscheidung. Nach dem Hinweis der Beklagten, dass das BVerfG mit Beschluss vom 27.2.2007 (1 BvL 10/00) entschieden habe, dass der rechtlichen Bewertung der ersten Berufsjahre nach dem WFG keine verfassungsmäßigen Bedenken entgegenstünden, erklärte die Klägerin auch insoweit den Widerspruch in der Hauptsache für erledigt und bat erneut um eine Kostengrundentscheidung. Sie führte zur Begründung des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus, die Beklagte sei wegen der besonderen Nebenpflichten im Sozialrechtsverhältnis gehalten gewesen, einen Vorbehalt in den Rentenbescheid wegen der anhängigen Musterverfahren beim BVerfG aufzunehmen. Weil dies nicht geschehen sei, habe ihr ein Rechtsverlust gedroht. Die Beklagte habe bereits deshalb Anlass dafür gegeben, dass dieses Widerspruchsverfahren überhaupt habe geführt werden müssen. In Anbetracht dieser aus dem Veranlassungsprinzip folgenden Überlegungen könne im vorliegenden Fall jedenfalls keine negative Kostengrundentscheidung ergehen. Eine Teilabhilfe sei bereits am 12.10.2001 von der Beklagten vorgenommen worden.

Mit Bescheid vom 1.10.2007 lehnte die Beklagte eine Erstattung der der Klägerin durch das Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Widerspruch von ihr nicht "provoziert" bzw. "verursacht" worden sei. Sie sei nicht gezwungen gewesen, Vorbehalte in Rentenbescheide wegen eventuell höchstrichterlich anhängiger Rechtsfragen oder Vorlagebeschlüsse an das BVerfG aufzunehmen. Dafür gebe es keine von der Verwaltung zwingend zu beachtende gesetzliche Norm. Soweit der Widerspruch anhängig gewesen und im Hinblick auf eine ungeklärte Rechtsfrage zum Ruhen gebracht worden sei, stelle diese Verfahrensweise analog zum sozialgerichtlichen Verfahren "lediglich" ein prozessökonomisches Handeln dar. Rechte auf eine positive Kostenentscheidung könnten daraus grundsätzlich nicht hergeleitet werden. Eine Kostenentscheidung könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Vorverfahren geruht habe, um die höchstrichterliche Klärung der umstrittenen Rechtsfrage im Parallelfällen abzuwarten, die Verfahren zugunsten der Versicherten ausgegangen seien und das Ergebnis auf den Widerspruchsführer übertragen werden könne (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 25.3.2004, B 12 KR 1/03 R, SozR 4-1300 § 63 Nr. 1). Vorliegend sei das Widerspruchsverfahren hingegen erfolglos gewesen. Nach dem Wortlaut des § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien deshalb keine Kosten zu übernehmen. Darüber hinaus komme in analoger Anwendung der Kommentierung und Rechtsprechung zu § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Verfahrensgrundsatz zum Tragen, dass derjenige die Kosten trage, der unterliege (Bezugnahme auf Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 193, RdNr. 12).

Die Klägerin legte am 31.10.2007 Widerspruch ein. Sie machte geltend, der die Kostenerstattung in jedem Fall auslösende Erfolg im Sinne des § 63 SGB X sei darin zu sehen, dass der angefochtene Bescheid zunächst nicht bestandskräftig geworden sei. Denn der Rentenbescheid sei - ohne irgend einen Vorbehalt - zeitlich nach den Aussetzungs- und Vorlagebeschlüssen des BSG vom 16.12.1999 (B 4 RA 18/99 R und B 4 RA 49/99 R) erteilt worden. Er sei deshalb rechtswidrig gewesen. Die Verwaltung dürfe durch endgültige - vorbehaltlose - Verwaltungsakte nur dann entscheiden, wenn die Sach- und Rechtslage vollständig geklärt sei. Der Rentenbescheid habe daher gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses verstoßen. Im Übrigen sei die Verwaltung selbst dann zur Kostenerstattung verpflichtet, wenn die Begründung des angefochtenen Bescheides den Eindruck vermittelt habe, dass auf einen Widerspruch ohne Rechtsverlust verzichtet werden könne (Bezugnahme auf BSG, Urteile vom 31.5.1989, 4 RA 19/88, und vom 28.6.1990, 4 RA 57/89). Der streitgegenständliche Rentenbescheid habe aber in Bezug auf die Vorlagebeschlüsse des BVerfG keinen Hinweis erhalten, obwohl hier wegen §§ 78 und 79 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) ein Rechtsverlust gedroht habe. Die Beklagte sei aus den das Sozialrechtsverhältnis prägenden Treue- und Fürsorgepflichten heraus gehalten gewesen, diesem drohenden Rechtsverlust durch eine Nebenbestimmung entgegenzuwirken. Dies wäre möglich, zumutbar und auch verhältnismäßig gewesen. Die entsprechenden Verpflichtungen ergäben sich auch aus § 2 Abs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), §§ 9 und 32 SGB X. Zudem sei auf die Parallele zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu verweisen (Bezugnahme u.a. auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 1.7.2003, L 11 RJ 514/13).

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.1.2008 zurück. Es habe für sie keine Berechtigung bestanden, den angefochtenen Rentenbescheid im Hinblick auf ein Verfahren beim BVerfG, das dort durch einen Vorlagebeschluss des BSG nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) anhängig geworden sei, mit einem Vorläufigkeitsvorbehalt zu versehen. Es sei keiner der Tatbestände des § 32 Abs. 1 SGB X erfüllt gewesen. Eine Nebenbestimmung sei auch angesichts des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes (§ 31 SGB I) nicht zulässig gewesen. Unter dieser Prämisse könne in den allgemeinen Bestimmungen des § 2 Abs. 2 SGB I und des § 9 S. 2 SGB X keinesfalls eine Ermächtigung für die Aufnahme eines Vorläufigkeitsvorbehaltes in den Rentenbescheid gesehen werden. Damit lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Widerspruch durch die Beklagte veranlasst worden sei.

Die Klägerin hat am 19.2.2008 Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und bezogen auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten ergänzend vorgetragen, die Beklagte verkenne, dass durch § 32 Abs. 1 SGB X der Bürger und nicht die Verwaltung geschützt werden solle. Die Beklagte hätte im Rahmen ihres Ermessens einen Vorbehalt in den Rentenbescheid aufnehmen müssen. Da sie durch den keine Nebenbestimmung enthaltenden Bescheidtext Anlass zur Widerspruchserhebung gegeben habe, sei sie schon deswegen und unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips verpflichtet, die zweckentsprechenden Kosten für das Widerspruchsverfahren zu übernehmen. Selbst wenn darüber hinaus noch ein mit der Widerspruchseinlegung verbundener "Erfolg" in vorliegender Fallkonstellation gefordert werden müsse, so sei dieser jedenfalls darin zu sehen, dass sie, die Klägerin, der sich aus § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG drohenden Gefahr für die Dauer des beim BVerfG anhängigen Musterverfahrens habe entziehen und damit erreichen können, so gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn die Beklagte den angefochtenen Bescheid entsprechend den bestehenden Nebenpflichten im Sozialrechtsverhältnis in Bezug auf die Anwendung von § 22 Abs. 4 FRG unter Vorbehalt erteilt hätte. Ihr Anspruch ergebe sich daher aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch in Verbindung mit dem Veranlassungsprinzip. Zur weiteren Begründung hat sich die Klägerin auf den Beschluss des Bayerischen LSG vom 27.6.2008 (L 18 B 1125/07 R) gestützt.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 1.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.1.2008 zu verpflichten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren gegen den Rentenbescheid vom 10.5.2001 zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

Mit Urteil vom 14.8.2008 hat das SG Köln die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte gem. § 63 Abs. 1 SGB X. Denn ihr Widerspruch sei nur zu einem unwesentlichen Teil erfolgreich gewesen. Im Wesentlichen habe der Widerspruch jedoch keinen Erfolg gehabt. Insbesondere stelle die durch das Ruhen eingetretene Verzögerung der Bestandskraft des Verwaltungsaktes keinen Erfolg des Widerspruchs dar.

Die Beklagte habe entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung keinen Verwaltungsakt unter Vorbehalt erlassen dürfen. Gemäß § 32 Abs. 1 SGB X dürfe ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch bestehe, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen sei, oder wenn sie sicherstellen solle, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt würden. Eine Rechtsvorschrift, die der Beklagten eine Entscheidung etwa unter der Bedingung einer Bestätigung durch das BVerfG ermöglicht hätte, existiere nicht. Auch hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der von der Klägerin beantragten Rente am 10.5.2001 vollständig vorgelegen, so dass eine solche Bedingung auch auf § 32 Abs. 1 2. Alt. SGB X nicht zu stützen gewesen sei. Der Umstand, dass eine Rechtsnorm durch das BVerfG überprüft werde, gebe der Beklagten auch nicht das Recht oder gar die Pflicht, bis auf weiteres auf eine endgültige Entscheidung zu verzichten und nur einen vorläufigen Verwaltungsakt zu erlassen. Sie habe sich vielmehr an dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Recht zu orientieren und zu überprüfen, ob die von dem Gesetz vorgesehenen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Dies sei in der vorliegenden Konstellation der Fall gewesen. Dieses restriktive Verständnis der Möglichkeit vorläufiger Entscheidungen werde durch die Systematik des Gesetzes untermauert. In verschiedenen Gesetzen habe der Gesetzgeber explizit eine vorläufige Gewährung von Leistungen für den Fall vorgesehen, dass eine für die Entscheidung erhebliche Rechtsfrage vor dem BVerfG im Streit stehe. § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), welcher über § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auch im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung Anwendung finde, gebe der Behörde beispielsweise ausdrücklich die Möglichkeit zu einer vorläufigen Entscheidung, wenn die Vereinbarkeit einer Vorschrift des jeweiligen Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhänge, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem BVerfG oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft sei. Diese Regelungen in den einzelnen Sozialgesetzbüchern wären völlig überflüssig, wenn die von ihm erfasste Konstellation - ein anhängiges Verfahren beim BVerfG - bereits per se zum Erlass eines (nur) vorläufigen Verwaltungsaktes ermächtigen würde. In das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) habe der Gesetzgeber zudem eine entsprechende Regelung wie im SGB II und SGB III nicht aufgenommen, obwohl er sich mit einer damit eng verknüpften Thematik erst vor kurzem auseinandergesetzt habe. Erst seit dem 1.5.2007 (Gesetz vom 20.4.2007, BGBl. I, S. 554) regele § 100 Abs. 4 SGB VI, dass, insoweit die Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vorlägen, weil er auf einer Rechtsnorm beruht habe, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch den Rentenversicherungsträger ausgelegt worden sei, der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit ab dem Beginn des Kalendermonats nach Wirksamwerden der Entscheidung des BVerfG oder dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen sei. Dass der Gesetzgeber im Rahmen dieser Einschränkung der über § 44 SGB X eröffneten Rückwirkung, welche entsprechend § 79 Abs. 2 BVerfGG formuliert worden sei, gerade keine Möglichkeit einer Leistung unter Vorbehalt bei Anhängigkeit einer entscheidenden Rechtsfrage beim BVerfG geschaffen habe, lege ebenfalls nahe, dass er bewusst auf eine solche Regelung im Rahmen des Rentenversicherungsrechts verzichtet habe.

Mit dem Rentenbescheid vom 10.5.2001 seien der Klägerin auch keinerlei Rechte genommen worden. Das BVerfG habe vielmehr die Entscheidung der Beklagten bestätigt. Dass die Klägerin mit Blick auf das beim BVerfG anhängige Verfahren Widerspruch erhoben habe, könne nicht dazu führen, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens der Beklagten aufzuerlegen seien. Das Argument der Klägerin, sie sei durch den Bescheid der Beklagten zu dem Widerspruch provoziert worden, sei nicht nachvollziehbar. Jeder Verwaltungsakt, der nicht im Sinne des Empfängers ausfalle, "provoziere" dessen Widerspruch. Darin sei allerdings keineswegs eine der Beklagten anzulastende Veranlassung des Widerspruchs zu sehen. In der von Seiten der Klägerin zitierten Entscheidung zum so genannten "provozierten Widerspruch" des LSG Baden-Württemberg vom 1.7.2003 (L 11 RJ 514/13) habe die Behörde fälschlicherweise über die Möglichkeit eines tatsächlich unzulässigen Widerspruchs belehrt - diese Fallgestaltung sei mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Eine Parallele zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vermöge die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen. Selbst bei einem Hinweis auf die Vorlagen beim BVerfG wäre der Widerspruch der Klägerin im Ergebnis erfolglos geblieben.

Insgesamt sei der Widerspruch der Klägerin nur hinsichtlich eines wirtschaftlich zu vernachlässigenden Anteils, nämlich nur bezüglich der vollen Berücksichtigung des von ihr nachgewiesenen Zeitraumes vom 5.8.1960 bis 30.4.1961, erfolgreich gewesen und im Übrigen erfolglos geblieben. Soweit der Bescheid vom 12.10.2001 dem Widerspruchsbegehren entsprochen habe, sei die wirtschaftliche Bedeutung dieser Teilabhilfe gegenüber den übrigen, erfolglosen Begehren der Klägerin so gering, dass eine Kostenquotierung nicht mehr sachgerecht sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 17.9.2008 zugestellte Urteil des SG Köln am 6.10.2008 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, das angefochtene Urteil gehe unzutreffend davon aus, dass der restriktive Umgang mit der Möglichkeit vorläufiger Entscheidungen durch die Systematik des Gesetzes untermauert werde. § 328 SGB III konkretisiere insoweit lediglich die Möglichkeit zum Erlass von einstweiligen Verwaltungsakten. Es ergebe sich schon aus dem allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches eine spezielle Hinwirkungspflicht der Verwaltung, vgl. §§ 2 Abs. 2, 14, 17 SGB I. Ohnehin sei zu beachten, dass das Verwaltungsverfahren insbesondere zweckmäßig durchzuführen sei. Der Abschluss des Verwaltungsverfahrens vor endgültiger Klärung der Rechtslage sei daher mit den im Sozialverwaltungsverfahren geltenden Grundsätzen nicht zu vereinbaren.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 14.8.2008 und des Bescheides vom 1.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.1.2008 zu verurteilen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10.5.2001 erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Ein Anspruch auf Kostenerstattung könne bei der hier vorliegenden Sachverhaltsgestaltung weder auf § 63 SGB X gestützt noch aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergeleitet werden. Es unterliege bereits erheblichen Zweifeln, ob auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zurückgegriffen werden könne, da § 63 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB X dies als abschließende Regelungen zum Kostenerstattungsanspruch nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausschließen dürfte. Selbst wenn man aber den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch als Prüfungsgrundlage des klägerischen Begehrens für einschlägig halten wollte, so fehle es doch entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin bereits an der für einen solchen Anspruch erforderlichen Pflichtverletzung sowohl in materiellrechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Weder nach § 32 SGB X noch nach anderen Vorschriften des SGB I und SGB X habe für sie, die Beklagte, eine Berechtigung zum Erlass eines Vorläufigkeitsvorbehalts bestanden. Auch ein Verstoß gegen das Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses sei nicht ersichtlich. Dieses Verbot ergebe sich aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 20 Abs. 1 und 2 SGB X und könne somit nur verletzt sein, wenn mit dem Erlass des endgültigen Bescheides gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen worden sei. Das sei hier aber nicht der Fall gewesen, denn bei Erlass des Bescheides seien alle für den Rentenanspruch im Sinne des § 20 Abs. 1 und 2 SGB X bedeutsamen Sachverhalte und Umstände abschließend ermittelt gewesen. Der Untersuchungsgrundsatz des § 20 Abs. 1 und 2 SGB X beziehe sich ausschließlich auf die Ermittlung von Tatsachen, nicht jedoch auf die Klärung von Rechts- bzw. Verfassungsfragen. Die Beklagte stützt sich im Übrigen auf die Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4.11.2008 (Aktenzeichen L 10 R 4433/08) und vom 19.11.2008 (Aktenzeichen L 2 R 4039/08 NZB und L 11 R 2533/08 NZB).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs.1, 110 Abs.1, 126 SGG in Abwesenheit der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten verhandeln und entscheiden, weil ihr Prozessbevollmächtigter in der Terminsmitteilung, die ihm am 13.05.2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden ist, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG Köln hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid vom 1.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides am 16.1.2008 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen im Vorverfahren gegen die Beklagte. Ein solcher Anspruch besteht weder nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X noch nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Klägerin den geltend gemachten Anspruch nicht auf § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X stützen kann. Auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X allein der Erfolg im Ergebnis, d.h. in materiellrechtlicher Hinsicht maßgebend ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.3.2004, B 12 KR 1/03 R). Dies berücksichtigend ist ein Widerspruch erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X, wenn das Vorverfahren geruht hat, um die höchstrichterliche Klärung der umstrittenen Rechtsfrage im Parallelverfahren abzuwarten, die Parallelverfahren zugunsten der Versicherten ausgegangen sind und das Ergebnis auf den Widerspruchsführer übertragen worden ist (BSG aaO).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Vorverfahren hat zwar geruht, um die Klärung umstrittener verfassungsrechtlicher Fragen durch das BVerfG in Muster- bzw. Parallelverfahren abzuwarten. Diese Verfahren sind jedoch nicht zugunsten sondern zuungunsten der Klägerin ausgegangen, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Es besteht auch deshalb keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung, weil die Klägerin nicht besser stehen kann, als derjenige, der das Musterverfahren selbst durchgeführt hat und mangels Erfolg eine Erstattung seiner im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen nicht gemäß § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht beanspruchen kann (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4.11.2008, L 10 R 4433/08). Eine weitergehende Kostenerstattung in Anlehnung an § 34a Abs. 3 BVerfGG oder an § 193 SGG unter Berücksichtigung anderer Gründe, etwa von Angemessenheit oder Billigkeit, anzuordnen, ist in § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht vorgesehen (BSG aaO). Der geringfügige Teilerfolg des Widerspruchs führt analog § 155 Abs. 1 S. 3 Verwaltungsgerichtsordnung nicht zu einer teilweisen Kostenerstattung.

Die Klägerin kann ihr Begehren auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen, wobei es der Senat dahinstehen lässt, ob dieses Rechtsinstitut im Hinblick auf die Regelung des § 63 SGB X überhaupt Anwendung findet. Diese Voraussetzungen sind nämlich nicht erfüllt. Der Herstellungsanspruch zielt darauf ab, einen Versicherten im Falle des rechtswidrigen Verhaltens eines Sozialleistungsträgers so zu stellen, als ob sich der Leistungsträger von Anfang an rechtmäßig verhalten hätte (statt halber BSG, Urteil vom 31.1.2008, B 13 R 17/07 R, juris). Die Beklagte hat sich jedoch nicht rechtswidrig verhalten, wie das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt hat. Sie war nicht gem. § 32 SGB X verpflichtet, einen Vorbehalt als Nebenbestimmung in den Rentenbescheid aufzunehmen. Auch insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Soweit die Klägerin vorträgt, die Beklagte habee im Rahmen des Ermessens einen Vorbehalt in den Rentenbescheid aufnehmen müssen, verkennt sie, dass der Beklagten beim Erlass des in Rede stehenden Rentenbescheides als einer gebundenen Entscheidung keinerlei Ermessen zustand.

Die Beklagte hat insbesondere auch nicht gegen das so genannte Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschluss verstoßen, weil sich dieser Grundsatz auf Fälle bezieht, in denen noch keine Klarheit besteht, ob die tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen für die beantragte Leistung erfüllt sind, die Sachlage also nicht abschließend geklärt ist (vgl. BSG, Urteil vom 20.06.1990, 4 RA 57/89, juris.de). Von dem Verbot des vorzeitigen Verfahrensabschlusses werden daher nicht Verfahren erfasst, für die die verfassungsgerichtliche Klärung durch beim BVerfG in Musterverfahren anhängiger verfassungsrechtlicher Fragen von Bedeutung ist. Denn die Beklagte als Behörde ist verpflichtet, die geltenden Rechtsvorschriften anzuwenden. Sie verfügt nicht über eine verfassungsrechtliche Prüfungskompetenz, die nach Art. 100 Abs. 1 GG den Gerichten vorbehalten ist, wobei die abschließende Entscheidung ausschließlich dem BVerfG obliegt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Beklagte auch nicht zu einer vorläufigen oder einstweiligen Regelung berechtigt. Insoweit nimmt der Senat ebenfalls zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auszuführen, dass sich eine Berechtigung oder Verpflichtung der Beklagten zu einer vorläufigen oder einstweiligen Regelung insbesondere nicht aus den §§ 2 Abs. 2, 14, 17 SGB I ergibt. Neben den gesetzlichen Regelungen zur Gewährung von Vorschüssen (§ 42 SGB I) und zu vorläufigen Leistungen (§ 43 SGB I) ist ein Leistungsträger gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I iVm §§ 9 S. 2, 32 Abs. 1 Regelung 2 SGB X - in eng begrenzten Ausnahmefällen (vgl. BSG, Urteil vom 29.4.1997,4 RA 46/96, juris) - zu einer so genannten Vorwegzahlung durch eine einstweilige Regelung außer in den spezialgesetzlich hierzu geregelten Fällen nur dann berechtigt, wenn eine abschließende Entscheidung nach dem Stand der Ermittlungen im Entscheidungszeitpunkt dem Grunde nach noch nicht möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 28.6.1990, 4 RA 57/89, juris.de). Die Voraussetzungen für eine Vorwegzahlung waren nicht erfüllt. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 10.5.2001 war eine abschließende Entscheidung dem Grunde nach möglich. Denn zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass der Klägerin ein Anspruch auf eine Altersrente für Frauen dem Grunde nach zustand. Die Zahlung eines Vorschusses nach § 42 Abs. 1 SGB I war der Beklagten gleichfalls nicht möglich. Nach § 42 Abs. 1 SGB I können (bei Antragstellung des Versicherten: müssen) Vorschüsse gezahlt werden, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieser Norm sind gleichfalls nicht erfüllt. Denn nach den für die Beklagte geltenden und anzuwendenden einfachgesetzlichen Regelungen, insbesondere dem § 22 Abs. 4 FRG war der Rentenanspruch der Klägerin auch seiner Höhe nach zum Entscheidungszeitpunkt geklärt. § 43 SGB I ist ersichtlich nicht einschlägig, weil kein Streit zwischen mehreren Leistungsträgern bestand, wer zur Leistung verpflichtet war.

Weitere Rechtsgrundlagen, die die Beklagte zu einstweiligen und vorläufigen Regelungen berechtigen könnten, existieren nicht. Der Gesetzgeber hat nicht wie im Steuerrecht in der Regelung des § 165 Abgabenordnung eine für das gesamte Sozial- bzw. Sozialversicherungsrecht geltende Vorschrift geschaffen, die sämtliche Sozialleistungsträger zu vorläufigen Entscheidungen berechtigen würden, wie dies in § 328 SGB III für den Bereich des SGB III und über § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II für den Bereich des SGB II geschehen ist. Da für den Bereich des SGB VI eine entsprechende Regelung fehlt, kommen lediglich die oben dargelegten Rechtsgrundlagen in Betracht, deren Voraussetzungen jedoch sämtlich nicht erfüllt sind.

Aus den vorgenannten Gründen vermochte der Senat der Entscheidung des Bayerischen LSG vom 27.6.2008 (L 18 B 1125/07 R) nicht zu folgen. Dies gilt unabhängig davon, dass es sich bei der Kostenentscheidung des Bayerischen LSG um eine solche im Rahmen des § 193 SGG handelte, für die abweichende Beurteilungskriterien gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183,193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Denn die hier streitigen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt (vgl. BSG, Urteile vom 25.3.2004, B 12 KR 1/03 R, und vom 28.6.1990, 4 RA 57/89, juris.de).
Rechtskraft
Aus
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