Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 32 (30) AS 208/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 24/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 30.4.2009 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Untätigkeit der Beklagten wegen nicht rechtzeitiger Beantwortung einer Anfrage der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Der am 00.00.1946 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Jedenfalls seit dem 1.1.2008 ist der Kläger nach Ungarn verzogen.
Aufgrund eines vom Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund gestellten Antrags auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vom 15.9.2007 erbat die DRV Bund mit bei der Beklagten am 4.10.2007 eingegangenen Schreiben vom 28.9.2007 von der Beklagten eine Bescheinigung der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 166 Abs. 1 SGB VI für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.1.2008 und Angaben zur Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit und Arbeitsfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 26.10.2004 bis zum 31.1.2008. Gleichzeitig gingen umfangreiche Unterlagen zur Einkommenssituation des damals selbständigen Klägers bei der Beklagten ein.
Die zuständige Sachbearbeiterin bat die Leistungsabteilung der Beklagten mit Schreiben vom 22.11.2007 um die Beantwortung der Anfrage für die Zeit vom 1.1.2005 - 30.4.2005. Die Agentur für Arbeit Gummersbach wurde um Beantwortung der Anfrage für die Zeit bis zum 31.12.2004 gebeten. Die Agentur für Arbeit bat mit Schreiben vom 26.11.2007 die Beklagte, die Anfrage "in eigener Zuständigkeit" zu erledigen.
Mit (zwei) Schreiben vom 28.11.2007 - bei der Beklagten eingegangen am 4.12.2007 - wurde die Beklagte von der DRV Bund an die Beantwortung der Anfragen vom 28.9.2007 erinnert. Die Anfragen wurde am 17.12.2007 beantwortet. Mit Schreiben vom 27.12.2007 - bei der Beklagten eingegangen am 4.1.2008 - erfolgte eine weitere Erinnerung, die von der Beklagten telefonisch erledigt wurde.
Mit E-Mail vom 13.2.2008 machte der Kläger geltend, aufgrund einer verzögerten Beantwortung der Anfragen der DRV Bund durch die Beklagte sei ihm ein finanzieller Schaden entstanden. Er sei im Vertrauen darauf, ab dem 1.11.2007 Altersrente beanspruchen zu können, nach Ungarn verzogen. Erst nach Beantwortung der Anfragen sei ihm von der DRV Bund mitgeteilt worden, dass ein Rentenanspruch nicht bestehe. Wenn die Beklagte die Anfragen fristgerecht beantwortet hätte, hätte er bereits im November 2007 erfahren, dass er keinen Rentenanspruch hat und er hätte den Umzug nach Ungarn unterlassen. In Ungarn habe er keine Ansprüche auf Sozialleistungen. Es bestehe die Gefahr, dass er nach Deutschland zurückgeschickt werde, was weitere Kosten verursache. Mit Schreiben vom 7.4.2008 hat die Beklagte die Forderung des Klägers zurückgewiesen. Für die vom Kläger behauptete "Schlamperei und Verzögerung" gebe es keine Anhaltspunkte. Es sei Sache des Klägers, seine finanziellen Verhältnisse vor der Verlegung seines Wohnsitzes zu klären.
Die DRV Bund teilte der Beklagten mit, dass der Rentenantrag mit Bescheid vom 5.2.2008 abgelehnt wurde. Mit Bescheid vom 6.1.2009 bewilligte die DRV Bund Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.5.2009.
Am 28.8.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, die Beantwortung der Anfrage der DRV Bund sei schuldhaft verspätet erfolgt. Dies habe einen finanziellen Schaden verursacht, da er im Vertrauen auf einen Rentenbeginn bereits am 1.11.2007 nach Ungarn verzogen sei.
Der Kläger hat begehrt, hinsichtlich der Beantwortung der Anfrage der DRV Bund durch die Beklagte "die Untätigkeit festzustellen". Anschließend beabsichtige er, eine zivilgerichtliche Schadensersatzklage zu erheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Für eine Schadensersatzklage sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet.
Nach Anhörung der Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 30.4.2009 die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Untätigkeitsklage gem. § 88 SGG unstatthaft, da kein Antrag des Klägers auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nicht beschieden worden sei. Für eine Schadensersatzklage sei gem. § 51 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet. Für eine Feststellungsklage fehle das Rechtsschutz- bzw. Feststellungsbedürfnis.
Gegen diese am 18.5.2009 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 18.5.2009 Berufung eingelegt. Er sehe nicht ein, dass die von der Beklagten benötigte Bearbeitungsfrist für die Anfrage der DRV Bund rechtmäßig sein solle.
Die Beklagte hat sich der Rechtauffassung des Sozialgerichts angeschlossen.
Mit Beschluss vom 14.8.2009 hat der Senat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 5 SGG auf den Berichterstatter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers entscheiden, weil dieser in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind und mit Schriftsatz vom 8.10.2009 keine Einwendungen hiergegen erhoben hat.
Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist nach dem ausdrücklichen Vorbringen des Klägers allein das Begehren auf Feststellung, dass die Beklagte die Anfragen der DRV Bund nicht rechtzeitig beantwortet hat. Eine Leistungsklage auf Zahlung von Schadensersatz hat der Kläger ausdrücklich nicht erhoben, vielmehr hat er mitgeteilt, dass er diese erst nach Abschluss der Feststellungsklage erheben will. Auch eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 88 SGG hat der Kläger nach seinem ausdrücklichen Vorbringen aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 1.9.2008 nicht erheben wollen, zumal diese - wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat - in Ermangelung eines Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes (§ 88 Abs. 1 S. 1 SGG) offensichtlich nicht das statthafte Rechtsmittel für das Begehren des Klägers ist.
Die Feststellungsklage ist nicht zulässig.
Gem. § 55 Abs. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (Nr. 1), die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist (Nr. 2), die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist (Nr. 3) sowie die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes (Nr. 4) begehrt werden.
Indem der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm gegenüber verpflichtet gewesen wäre, die Anfrage der DRV Bund schneller zu beantworten, begehrt er die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG: Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Norm für das Verhältnis mehrerer Personen oder einer Person zu einer Sache ergeben (BSG, Urteil vom 15.12.1987 - 6 RKa 14/87; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 9. Auflage, § 55 Rnr. 4; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 55 Rnr. 4). Unter eine mögliche Feststellung nach dieser Vorschrift fällt auch die Feststellung der Pflichtwidrigkeit schlichten Verwaltungshandelns (LSG Bayern, Urteil vom 13.11.1997 - L 9 AL 359/96; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 55 Rnr. 6), so dass die Frage der pflichtwidrigen Verzögerung der Beantwortung der Anfrage der DRV Bund geeigneter Gegenstand eines Feststellungsbegehrens ist.
Der Kläger hat jedoch kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung i.S.d. § 55 Abs. 1 2. Hs. SGG. Die begehrte Feststellung dahingehend, dass die Beklagte die Anfrage der DRV Bund nicht rechtzeitig beantwortet hat, würde dem Kläger noch keine verwertbare Rechtsposition verschaffen. Ob die Beklagte eine Pflichtverletzung begangen hat, wäre allenfalls als Vorfrage in einem theoretisch denkbaren Schadensersatzprozess wegen Amtspflichtverletzung nach Art. 34 GG, § 839 BGB rechtserheblich. Insoweit gilt aber - auch rechtswegeübergreifend - die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer möglichen Leistungsklage (LSG Bayern, Urteil vom 13.11.1997 - L 9 AL 359/96). Eine nicht durch ein selbständiges Feststellungsinteresse gerechtfertigte allgemeine Klage auf Feststellung der Verletzung von Nebenpflichten ist unzulässig, wenn sich das primäre Rechtschutzbegehren vor dem Beschreiten des Sozialrechtsweges - wie hier - erledigt hat und der Kläger seine rechtlich geschützen Interessen durch eine zivilgerichtliche Leistungsklage verfolgen kann (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 55 Rnr. 15 b m.w.N.; LSG Bayern, Urteil vom 13.11.1997 - L 9 AL 359/96).
Aus der Rechtsprechung des BSG ergibt sich nichts anderes. Zwar hat das BSG mit Urteil vom 27.1.1977 - 12/8 REh 1/75 - (BSGE 43, 148, 150) entschieden, dass die zivilgerichtliche Leistungsklage dann vor der sozialgerichtlichen Feststellungsklage keinen Vorrang hat, wenn der Kern des Anliegens für den Kläger zu einem vor dem Sozialgericht verfolgbaren Recht ausgestaltet ist und als bloße Vorfrage vor dem Zivilgericht mitentschieden werden müsste. Dies ist hier - wie dargelegt - nicht der Fall, da insbesondere die spezielle sozialgerichtliche Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nicht einschlägig ist.
Auch für den Fall der Bejahung der Zulässigkeit der Feststellungsklage (zur Zulässigkeit einer Begründetheitsprüfung bei fraglichem Feststellungsinteresse vergl. BAG, Urteil vom 12.2.2003 - 10 AZR 299/02 = NJW 2003, 1755; BGH, Urteil vom 10.7.1987 - V ZR 285/85 = NJW 1987, 2808) wäre der Kläger mit seinem Begehren jedoch nicht erfolgreich. Die Beklagte hat die Beantwortung der Anfrage der DRV nicht pflichtwidrig verzögert:
Gleichzeitig mit der Anfrage der DRV Bund gingen verschiedene Mitteilungen über die Einkommenssituation des Klägers, der ein selbständiges Gewerbe betrieb, bei der Beklagten ein. Die Beklagte hat diese komplexen Unterlagen sofort, die Anfrage der DRV Bund Ende November 2007 bearbeitet und im Wesentlichen am 17.12.2007 beantwortetet. Erst mit Schreiben vom 21.11.2007 hat der Kläger die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass er den beabsichtigten Rentenbeginn auf den 1.11.2007 "vorgezogen" habe, weshalb die Beklagte vor diesem Zeitpunkt nicht von einer besonderen Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ausgehen musste, sondern die Prüfung der Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 SGB II vorrangig bearbeiten durfte. Selbst bei einem Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes räumt das Gesetz mit § 88 Abs. 1 S. 1 SGG eine sechsmonatige Frist und für eine Entscheidung über einen Widerspruch mit § 88 Abs. 2 SGG eine dreimonatige Frist ein, bevor gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Untätigkeit der Beklagten wegen nicht rechtzeitiger Beantwortung einer Anfrage der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Der am 00.00.1946 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit dem 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Jedenfalls seit dem 1.1.2008 ist der Kläger nach Ungarn verzogen.
Aufgrund eines vom Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund gestellten Antrags auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vom 15.9.2007 erbat die DRV Bund mit bei der Beklagten am 4.10.2007 eingegangenen Schreiben vom 28.9.2007 von der Beklagten eine Bescheinigung der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 166 Abs. 1 SGB VI für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.1.2008 und Angaben zur Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit und Arbeitsfähigkeit des Klägers für die Zeit vom 26.10.2004 bis zum 31.1.2008. Gleichzeitig gingen umfangreiche Unterlagen zur Einkommenssituation des damals selbständigen Klägers bei der Beklagten ein.
Die zuständige Sachbearbeiterin bat die Leistungsabteilung der Beklagten mit Schreiben vom 22.11.2007 um die Beantwortung der Anfrage für die Zeit vom 1.1.2005 - 30.4.2005. Die Agentur für Arbeit Gummersbach wurde um Beantwortung der Anfrage für die Zeit bis zum 31.12.2004 gebeten. Die Agentur für Arbeit bat mit Schreiben vom 26.11.2007 die Beklagte, die Anfrage "in eigener Zuständigkeit" zu erledigen.
Mit (zwei) Schreiben vom 28.11.2007 - bei der Beklagten eingegangen am 4.12.2007 - wurde die Beklagte von der DRV Bund an die Beantwortung der Anfragen vom 28.9.2007 erinnert. Die Anfragen wurde am 17.12.2007 beantwortet. Mit Schreiben vom 27.12.2007 - bei der Beklagten eingegangen am 4.1.2008 - erfolgte eine weitere Erinnerung, die von der Beklagten telefonisch erledigt wurde.
Mit E-Mail vom 13.2.2008 machte der Kläger geltend, aufgrund einer verzögerten Beantwortung der Anfragen der DRV Bund durch die Beklagte sei ihm ein finanzieller Schaden entstanden. Er sei im Vertrauen darauf, ab dem 1.11.2007 Altersrente beanspruchen zu können, nach Ungarn verzogen. Erst nach Beantwortung der Anfragen sei ihm von der DRV Bund mitgeteilt worden, dass ein Rentenanspruch nicht bestehe. Wenn die Beklagte die Anfragen fristgerecht beantwortet hätte, hätte er bereits im November 2007 erfahren, dass er keinen Rentenanspruch hat und er hätte den Umzug nach Ungarn unterlassen. In Ungarn habe er keine Ansprüche auf Sozialleistungen. Es bestehe die Gefahr, dass er nach Deutschland zurückgeschickt werde, was weitere Kosten verursache. Mit Schreiben vom 7.4.2008 hat die Beklagte die Forderung des Klägers zurückgewiesen. Für die vom Kläger behauptete "Schlamperei und Verzögerung" gebe es keine Anhaltspunkte. Es sei Sache des Klägers, seine finanziellen Verhältnisse vor der Verlegung seines Wohnsitzes zu klären.
Die DRV Bund teilte der Beklagten mit, dass der Rentenantrag mit Bescheid vom 5.2.2008 abgelehnt wurde. Mit Bescheid vom 6.1.2009 bewilligte die DRV Bund Altersrente für langjährig Versicherte ab 1.5.2009.
Am 28.8.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, die Beantwortung der Anfrage der DRV Bund sei schuldhaft verspätet erfolgt. Dies habe einen finanziellen Schaden verursacht, da er im Vertrauen auf einen Rentenbeginn bereits am 1.11.2007 nach Ungarn verzogen sei.
Der Kläger hat begehrt, hinsichtlich der Beantwortung der Anfrage der DRV Bund durch die Beklagte "die Untätigkeit festzustellen". Anschließend beabsichtige er, eine zivilgerichtliche Schadensersatzklage zu erheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Klage für unzulässig gehalten. Für eine Schadensersatzklage sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet.
Nach Anhörung der Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 30.4.2009 die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Untätigkeitsklage gem. § 88 SGG unstatthaft, da kein Antrag des Klägers auf Vornahme eines Verwaltungsaktes nicht beschieden worden sei. Für eine Schadensersatzklage sei gem. § 51 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet. Für eine Feststellungsklage fehle das Rechtsschutz- bzw. Feststellungsbedürfnis.
Gegen diese am 18.5.2009 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 18.5.2009 Berufung eingelegt. Er sehe nicht ein, dass die von der Beklagten benötigte Bearbeitungsfrist für die Anfrage der DRV Bund rechtmäßig sein solle.
Die Beklagte hat sich der Rechtauffassung des Sozialgerichts angeschlossen.
Mit Beschluss vom 14.8.2009 hat der Senat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten gem. § 153 Abs. 5 SGG auf den Berichterstatter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Klägers entscheiden, weil dieser in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind und mit Schriftsatz vom 8.10.2009 keine Einwendungen hiergegen erhoben hat.
Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens ist nach dem ausdrücklichen Vorbringen des Klägers allein das Begehren auf Feststellung, dass die Beklagte die Anfragen der DRV Bund nicht rechtzeitig beantwortet hat. Eine Leistungsklage auf Zahlung von Schadensersatz hat der Kläger ausdrücklich nicht erhoben, vielmehr hat er mitgeteilt, dass er diese erst nach Abschluss der Feststellungsklage erheben will. Auch eine Untätigkeitsklage i.S.d. § 88 SGG hat der Kläger nach seinem ausdrücklichen Vorbringen aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 1.9.2008 nicht erheben wollen, zumal diese - wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat - in Ermangelung eines Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes (§ 88 Abs. 1 S. 1 SGG) offensichtlich nicht das statthafte Rechtsmittel für das Begehren des Klägers ist.
Die Feststellungsklage ist nicht zulässig.
Gem. § 55 Abs. 1 SGG kann mit der Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (Nr. 1), die Feststellung, welcher Versicherungsträger der Sozialversicherung zuständig ist (Nr. 2), die Feststellung, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist (Nr. 3) sowie die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes (Nr. 4) begehrt werden.
Indem der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm gegenüber verpflichtet gewesen wäre, die Anfrage der DRV Bund schneller zu beantworten, begehrt er die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG: Unter einem Rechtsverhältnis versteht man die Rechtsbeziehungen zwischen Personen oder Personen und Gegenständen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Norm für das Verhältnis mehrerer Personen oder einer Person zu einer Sache ergeben (BSG, Urteil vom 15.12.1987 - 6 RKa 14/87; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 9. Auflage, § 55 Rnr. 4; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 55 Rnr. 4). Unter eine mögliche Feststellung nach dieser Vorschrift fällt auch die Feststellung der Pflichtwidrigkeit schlichten Verwaltungshandelns (LSG Bayern, Urteil vom 13.11.1997 - L 9 AL 359/96; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 55 Rnr. 6), so dass die Frage der pflichtwidrigen Verzögerung der Beantwortung der Anfrage der DRV Bund geeigneter Gegenstand eines Feststellungsbegehrens ist.
Der Kläger hat jedoch kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung i.S.d. § 55 Abs. 1 2. Hs. SGG. Die begehrte Feststellung dahingehend, dass die Beklagte die Anfrage der DRV Bund nicht rechtzeitig beantwortet hat, würde dem Kläger noch keine verwertbare Rechtsposition verschaffen. Ob die Beklagte eine Pflichtverletzung begangen hat, wäre allenfalls als Vorfrage in einem theoretisch denkbaren Schadensersatzprozess wegen Amtspflichtverletzung nach Art. 34 GG, § 839 BGB rechtserheblich. Insoweit gilt aber - auch rechtswegeübergreifend - die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer möglichen Leistungsklage (LSG Bayern, Urteil vom 13.11.1997 - L 9 AL 359/96). Eine nicht durch ein selbständiges Feststellungsinteresse gerechtfertigte allgemeine Klage auf Feststellung der Verletzung von Nebenpflichten ist unzulässig, wenn sich das primäre Rechtschutzbegehren vor dem Beschreiten des Sozialrechtsweges - wie hier - erledigt hat und der Kläger seine rechtlich geschützen Interessen durch eine zivilgerichtliche Leistungsklage verfolgen kann (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 55 Rnr. 15 b m.w.N.; LSG Bayern, Urteil vom 13.11.1997 - L 9 AL 359/96).
Aus der Rechtsprechung des BSG ergibt sich nichts anderes. Zwar hat das BSG mit Urteil vom 27.1.1977 - 12/8 REh 1/75 - (BSGE 43, 148, 150) entschieden, dass die zivilgerichtliche Leistungsklage dann vor der sozialgerichtlichen Feststellungsklage keinen Vorrang hat, wenn der Kern des Anliegens für den Kläger zu einem vor dem Sozialgericht verfolgbaren Recht ausgestaltet ist und als bloße Vorfrage vor dem Zivilgericht mitentschieden werden müsste. Dies ist hier - wie dargelegt - nicht der Fall, da insbesondere die spezielle sozialgerichtliche Untätigkeitsklage nach § 88 SGG nicht einschlägig ist.
Auch für den Fall der Bejahung der Zulässigkeit der Feststellungsklage (zur Zulässigkeit einer Begründetheitsprüfung bei fraglichem Feststellungsinteresse vergl. BAG, Urteil vom 12.2.2003 - 10 AZR 299/02 = NJW 2003, 1755; BGH, Urteil vom 10.7.1987 - V ZR 285/85 = NJW 1987, 2808) wäre der Kläger mit seinem Begehren jedoch nicht erfolgreich. Die Beklagte hat die Beantwortung der Anfrage der DRV nicht pflichtwidrig verzögert:
Gleichzeitig mit der Anfrage der DRV Bund gingen verschiedene Mitteilungen über die Einkommenssituation des Klägers, der ein selbständiges Gewerbe betrieb, bei der Beklagten ein. Die Beklagte hat diese komplexen Unterlagen sofort, die Anfrage der DRV Bund Ende November 2007 bearbeitet und im Wesentlichen am 17.12.2007 beantwortetet. Erst mit Schreiben vom 21.11.2007 hat der Kläger die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, dass er den beabsichtigten Rentenbeginn auf den 1.11.2007 "vorgezogen" habe, weshalb die Beklagte vor diesem Zeitpunkt nicht von einer besonderen Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ausgehen musste, sondern die Prüfung der Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 SGB II vorrangig bearbeiten durfte. Selbst bei einem Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes räumt das Gesetz mit § 88 Abs. 1 S. 1 SGG eine sechsmonatige Frist und für eine Entscheidung über einen Widerspruch mit § 88 Abs. 2 SGG eine dreimonatige Frist ein, bevor gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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