L 13 AL 4542/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 3594/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 4542/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 1. bis 17. Juli 2007 streitig.

Der 1947 geborene Kläger war vom 8. Juni 1998 bis zum 30. Juni 2007 bei der D- KG, als Dreher versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Mai 2007 erzielte er ein beitragspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt von 31.981,61 EUR. Vom 19. März 2007 bis zum 31. Mai 2007 bezog er von der DAKK unter Zugrundelegung eines ungekürzten Regelentgelts von kalendertäglich 95,38 EUR. Mit Aufhebungsvertrag vom 25. Mai 2007 hoben der Kläger und die D- KG den Arbeitsvertrag aus gesundheitlichen Gründen auf und einigten sich darauf, dass das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 2007 endet und der Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung i.H.v. 6.000,- EUR erhält. Am 24. Mai 2007 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2007 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die D- KG hat im Rahmen der von ihr vorgelegten Arbeitsbescheinigung mitgeteilt, dass für das Arbeitsverhältnis des Klägers eine dreimonatige Kündigungsfrist bestanden habe.

Mit Bescheid vom 1. Juni 2007 entschied die Beklagte, dass dem Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg in der Zeit vom 1. bis zum 17. Juli 2007 nicht entsprochen werden könne. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung i.H.v. 6.000,- EUR erhalten. Da das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitsgebers entsprechenden Frist beendet wurde, ruhe der Leistungsanspruch des Klägers. Dies dauere solange an, bis das kalendertägliche erzielte Arbeitsentgelt 30 v.H. der gezahlten Abfindung erreicht habe. Im Falle des Klägers ruhe der Leistungsanspruch bis zum 17. Juli 2007. Mit Bescheid vom 4. Juni 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann Alg ab dem 18. Juli 2007 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 42,07 EUR. Sie legte hierbei ein tägliches Bemessungsentgelt von 101,30 EUR zugrunde.

Am 11. Juni 2007 erhob der Kläger gegen den Ruhensbescheid vom 1. Juni 2007 sowie gegen den Bewilligungsbescheid vom 4. Juni 2007 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er habe zuvor Krankengeld bezogen, welches sich auf einen wesentlich höheren Betrag belaufen habe. Auch sei die Kündigungsfrist von einem Monat eingehalten worden. Mit Widerspruchsbescheiden vom 13. Juni 2007 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers als unbegründet zurück.

Am 29. Juni 2007 hat der Kläger gegen die Widerspruchsbescheide vom 13. Juni 2007 jeweils Klage zum SG erhoben. Im Verfahren S 15 AL 3593/07 hat er die Gewährung von Alg unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts von 107,22 EUR begehrt. Zur Begründung seiner Klage (Az.: S 15 AL 3594/07) wegen des Ruhen des Leistungsanspruches hat er geltend gemacht, dass die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches gewahrt worden sei. Ihm sei überdies aus medizinischen Gründen nahegelegt worden, den Aufhebungsvertrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu schließen. Die Regelung, nach welcher ein Ruhen des Leistungsanspruches wegen des Erhalts einer Abfindung eintrete, sei verfassungswidrig, wenn (wie in seinem Fall) eine schnellstmögliche Beendigung zwingend erforderlich sei. Die Berechtigung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis fristlos beenden zu können, müsse, wie dies im Fall einer arbeitgeberseitigen fristlosen Kündigung der Fall sei, ruhensneutral möglich sein.

Mit Urteil vom 8. Juli 2009 hat das SG die Klage gegen das mit Bescheid vom 1. Juni 2007 (Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2007) festgestellte Ruhen des Leistungsanspruches abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG angeführt, dass es nach der Regelung des § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) unbeachtlich sei, ob dem Arbeitnehmer ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde zustehe. Das Ruhen des Leistungsanspruches sei weder dem Grunde noch dem zeitlichen Umfang nach zu beanstanden. Das SG hat eine Rechtsmittelbelehrung dahingehend erteilt, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.

Am 30. Juli 2009 hat der Kläger hiergegen "Berufung" eingelegt und hierzu vorgebracht, dem Kläger sei es aus medizinischen Gründen und unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr zumutbar gewesen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Der Gesetzgeber habe bei der Textfassung des § 143a SGB III erkennbar übersehen, dass, wie bei einer Arbeitgeberkündigung aus wichtigem Grund, auch bei einer berechtigten fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund ein Ruhen des Leistungsanspruches ausgeschlossen sein müsse. Auf Hinweis des Senat, dass die Berufung bereits unzulässig sei, hat der Kläger mit anwaltlichen Schriftsatz vom 28. August 2009 "höchst fürsorglich" Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Sodann hat er, nachdem die Beklagte eine Vergleichsberechnung vorgelegt hat, nach der sich bei einem täglichen Bemessungsentgelt von 107,22 EUR ein täglicher Leistungssatz von 43,82 EUR ergebe, die Berufung mit Schriftsatz vom 28. September 2009 zurückgenommen und Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Diese wird zuletzt damit begründet, dass es durch den Gesetzgeber erkennbar übersehen wurde, eine arbeitnehmerseitige Berechtigung zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als ruhensausschließendes Moment zu berücksichtigen. Auch sei die erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zulässig, da das SG eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung erteilt habe.

Der Kläger beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2009 (Az.: S 15 AL 3594/07) zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit Urteil vom 8. Juli 2007 hat das SG die Klage wegen der Höhe des gewährten Alg abgewiesen. Die hiergegen am 30. Juli 2009 eingelegte Berufung ist unter dem Aktenzeichen L 13 AL 3461/09 beim erkennenden Senat anhängig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Instanzen sowie die bei der Beklagten für den Kläger geführte Leistungsakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde führt für den Kläger nicht zum Erfolg.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I 417, 444) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,- EUR nicht übersteigt. Dies gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,- EUR wird vorliegend nicht erreicht. Gegenstand des Verfahrens vor dem SG (Az.: S 15 AL 3594/07) war die Gewährung von Alg für die Zeit vom 1. bis zum 17. Juli 2007. Bei einem - bewilligten - täglichen Leistungssatz von 42,07 EUR errechnet sich ein Wert des Beschwerdegegenstandes von 715,19 EUR, welcher den erforderlichen Beschwerdewert von 750,- EUR nicht erreicht. Entgegen dem klägerischen Vorbringen ist bei der Ermittlung des maßgeblichen Wertes des Beschwerdegegenstandes ausschließlich auf den Alg- Leistungssatz abzustellen. Beiträge zur Sozialversicherung, die für den Kläger von der Beklagten zu erbringen sind, sind nicht zu berücksichtigen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juli 2004, Az.: B 7 AL 104/03 R). Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren (Az.: L 13 AL 3461/09) begehrten höheren Alg wird der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht. Klägerseits wird hierzu geltend gemacht, das dem Kläger zu gewährende Alg sei auf Basis eines täglichen Bemessungsentgelts von 107,22 EUR zu bemessen. Hieraus errechnet sich ein täglicher Leistungssatz von 43,82 EUR, aus dem sich für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Wert des Beschwerdegegenstandes von 744,94 EUR errechnet. Dieser liegt gleichfalls unter dem erforderlichen Wert des Beschwerdegegenstandes.

Nachdem das SG die Berufung nicht zugelassen hat, bedarf die Berufung der Zulassung durch den erkennenden Senat. Gemäß § 145 Abs. 1 SGG kann hierzu die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 SGG bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung der vollständigen Entscheidung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Diese Frist lief, nach Zustellung des Urteils am 22. Juli 2009 mit dem 24. August 2009 ab, da der 22. August 2009 ein Sonnabend war (§ 64 Abs. 3 SGG). Innerhalb dieser Frist wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht eingelegt. Insb. kann im Berufungsschriftsatz vom 28. Juli 2009, beim erkennenden Senat am 30. Juli 2009 eingegangen, keine Nichtzulassungsbeschwerde erblickt werden, da eine Umdeutung nach dem eindeutigen Wortlaut des Schriftsatzes nicht möglich ist. Vielmehr wurde die Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls nicht vor dem 1. September 2009 eingelegt. Zwar liegt dieser Zeitpunkt außerhalb der oben benannten einmonatigen Frist, jedoch hat das SG im angefochtenen Urteil eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung erteilt, so dass gemäß § 66 Abs. 2 SGG, der auf die Frist des § 145 SGG Anwendung findet (Leitherer in Meyer- Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 145 RdNr. 5), das Rechtsmittel innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Urteils eingelegt werden kann. Mithin wurde die Nichtzulassungsbeschwerde fristgerecht eingelegt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder eine der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Entgegen der Einschätzung des Klägers hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Dies ist dann der Fall, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Die klägerseits angeführte Frage, der Gesetzgeber habe es bei Kodifizierung des § 143a SGB III unterlassen, als den Ruhenszeitraum begrenzendes Element neben einer Berechtigung des Arbeitgebers zur Kündigung aus wichtigem Grund (§ 143a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 SGB III) auch das Recht des Arbeitnehmers zu einer Kündigung aus wichtigem Grund zu normieren, ist nicht ungeklärt. Das BSG hat zur Vorgängerregelung des § 117 Abs. 2 bis Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entschieden, dass es für die Anwendung der Norm unerheblich sei, ob der Kläger das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen konnte. Das Gesetz stelle nur darauf ab, dass dem Arbeitgeber ein solches Recht zustehe. Eine entsprechende Anwendung auf den Fall, dass der Arbeitnehmer ein Recht zur fristlosen Kündigung hatte, verbiete sich bereits angesichts des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes (BSG, Urteil vom 29. August 1991, Az.: 7 RAr 130/90; Urteil vom 13. März 1990, Az.: 11 RAr 69/89 und Urteil vom 8. Februar 2001, Az.: B 11 AL 59/00 R). Nachdem weder aus der Begründung der Beschwerde noch aus sonstigen Gründen Anhaltspunkte dafür bestehen, die dortigen Grundsätze nicht auf § 143a SGB III zu übertragen - § 117 Abs. 2 bis Abs. 4 AFG entspricht inhaltlich, abgesehen von redaktionellen Änderungen und abweichenden Anrechnungssätzen dem geltenden Recht des § 143a SGB III (Düe in Niesel, SGB III, 4. Aufl., § 143a, RdNr. 2)-, ist die klägerseits aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt, so dass der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die weiteren Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 SGG sind ebenfalls nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).

Die Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved