Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 921/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 376/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 aufgehoben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 aufgehoben wurde, und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Forderung der Beklagten in Höhe von 1.720,63 EUR.
Der 1943 geborene Kläger erlitt am 21. Juni 2001 einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie erkenne Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen des am 21. Juni 2001 erlittenen Arbeitsunfalls lediglich bis zum 31. Juli 2001 an. Auf den Widerspruch des Klägers vom 14. November 2001 gegen diesen Bescheid teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 18. Februar 2002 mit, der eingelegte Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, das eingestellte Verletztengeld werde daher bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides weiter gewährt, es werde jedoch darauf hingewiesen, dass die Differenz zwischen Kranken- und Verletztengeld zurückzuzahlen sei, wenn dem Widerspruch nicht stattgegeben werde. Mit Bescheid vom 14. Juni 2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2001 zurück. Am 5. Juli 2002 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe, die er, nachdem die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 mit Bescheid vom 16. August 2002 (auf einen Hinweis des Bundesversicherungsamtes vom 11. Juli 2002) wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben hatte, mit Schreiben vom 25. September 2002 zurücknahm. Mit Schreiben vom 9. September 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nachdem der Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 mit Verwaltungsakt vom 16. August 2002 aufgehoben worden sei, werde das Verletztengeld über den 14. Juni 2002 hinaus weitergezahlt. Dieses, ebenso wie das bereits unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis 14. Juni 2002 weitergezahlte Verletztengeld, sei zurückzuzahlen, wenn dem Widerspruch letztendlich nicht abgeholfen werde. Da der Kläger am 15. Juli 2002 die Arbeit wieder aufgenommen hatte, gewährte die Beklagte ihm das Verletztengeld nur noch bis zum 14. Juli 2002. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen (so unter anderem nach Einholung eines unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachtens des Prof. Dr. P vom 10. März 2003) wies die Beklagte den Widerspruch erneut mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2003 zurück. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 8. Oktober 2003 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe, die er mit Schreiben vom 5. April 2004 zurücknahm.
Auf ein Schreiben der Beklagten vom 20. April 2004 an die Krankenkasse des Klägers, in dem sie eine Erstattung des Betrages für den Zeitraum vom 6. August 2001 bis 14. Juli 2002 geltend machte, den die Krankenkasse nach den Rechtsvorschriften der Krankenversicherung hätte leisten müssen, erstattete die Krankenkasse einen Betrag in Höhe von 15.485,72 EUR.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 2. Februar 2005 und Stellungnahme des Klägers mit Schreiben vom 21. März 2005 forderte die Beklagte von dem Kläger mit Bescheid vom 11. April 2005 die Erstattung eines Betrages in Höhe von 859,60 EUR und führte zur Begründung unter anderem aus, da der Bescheid vom 29. Oktober 2001 inzwischen bindend geworden sei, sei das für die Zeit vom 6. August 2001 bis 14. Juli 2002 gezahlte Verletztengeld zu Unrecht geleistet worden. Dem Kläger habe für diesen Zeitraum nur Krankengeld zugestanden, so dass der Differenzbetrag von ihm zurückgefordert werde. Zur Berechnung des Rückforderungsbetrages werde auf das Anhörungsschreiben vom 2. Februar 2005 verwiesen. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da ihm bekannt gewesen sei, dass der Differenzbetrag zwischen Kranken- und Verletztengeld zurückzuerstatten sei, sobald der Bescheid vom 29. Oktober 2001 bindend werde. Da der Vertrauensschutz zu versagen sei und für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übrig blieben, sei das Ermessen auf Null reduziert. Somit könnten die vorgebrachten Argumente, insbesondere der Verbrauch der Leistungen und die schwierige finanzielle Situation nicht berücksichtigt werden. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 26. April 2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2005 zurückwies.
Am 29. August 2005 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht erhoben und sich gegen die Rückforderung des überzahlten Verletztengeldes gewandt. Die Beklagte war der Ansicht, unstreitig habe der Kläger in der Zeit vom 6. August 2001 bis 25. März 2002 und 24. April 2002 bis 14. Juli 2002 Verletztengeld in Höhe von insgesamt 17.206,35 EUR erhalten. Hierauf habe die Krankenkasse einen Betrag in Höhe von 15.485,72 EUR erstattet. Es ergebe sich somit eine Differenz in Höhe von 1720,63 EUR. Mit Bescheid vom 10. August 2006, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 11. April 2005 hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages zurücknahm, hat sie nunmehr von dem Kläger einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1720,63 EUR gefordert. Zur Begründung hat sie zunächst auf dem Bescheid vom 11. April 2005 verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, bei der Berechnung des Erstattungsbetrages sei sie von nicht korrekten Daten ausgegangen. Im Rahmen des anhängigen Gerichtsverfahrens sei dieser Fehler entdeckt und dem Kläger bereits mitgeteilt worden. Er habe die Gelegenheit gehabt hierzu Stellung zu nehmen. Der Betrag werde daher von dem Kläger zurückgefordert.
Mit Urteil vom 26. Februar 2007 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid vom 10. August 2006 habe den Bescheid vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 geändert und sei Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Regelungsgegenstände beider Bescheide seien einer getrennten rechtlichen Beurteilung zugänglich. Der Bescheid vom 11. April 2005 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine Pflicht zur Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen ergebe sich aus § 50 Abs. 2 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Verletztengeld sei für die Zeit vom 6. August 2001 bis 14. Juli 2002 ohne Verwaltungsakt zu Unrecht gewährt worden. Der Bescheid vom 29. Oktober 2001, der einen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld über den 31. Juli 2001 hinaus abgelehnt habe, sei bestandskräftig geworden, so dass die über den 31. Juli 2001 hinaus gewährte Leistung rechtswidrig erbracht worden sei. Auf den Erstattungsanspruch sei § 45 SGB X entsprechend anzuwenden. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift dürfe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig sei. Die Beklagte habe bei der Rücknahme des Verwaltungsaktes ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Bei der Frage der allgemeinen Schutzwürdigkeit des Vertrauens komme es auf eine Abwägung der Gesichtspunkte, die für die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes sprechen würden gegen das öffentliche Interesse an der Herstellung des an sich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustandes an. Das Rücknahmeermessen könne ausnahmsweise dann auf Null reduziert sein, wenn der Kläger konkret mit dem alsbaldigen Wegfall des Verwaltungsaktes habe rechnen müssen und er für eine Betätigung seines Vertrauens keine guten Gründe gehabt habe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Beklagte infolge der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gezwungen gewesen sei, dem Kläger weiterhin Verletztengeld zu zahlen. Sie habe den Kläger auch durch Schreiben vom 18. Februar 2002 und 9. September 2002 darauf hingewiesen, dass die Zahlung lediglich vorbehaltlich des Ausgangs des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens erfolge. Soweit der Kläger das ihm gewährte Verletztengeld verbraucht habe, sei dieser Verbrauch angesichts der genannten Umstände vorliegend nicht schutzwürdig. Es habe vielmehr ein überragendes Interesse der Beklagten an einer Rückforderung zu viel gezahlter Beträge bestanden, hinter dem die Einwände des Klägers, er habe das Geld für seinen und den Lebensunterhalt seiner Frau verbraucht, völlig zurückzutreten hätten. Dem stehe auch nicht § 45 Abs. 3 SGB X entgegen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 sei indes rechtswidrig. Mit diesem Bescheid werde der Bescheid vom 11. April 2005 gem. § 45 SGB X zurückgenommen. Auch in diesem Bescheid hätte die Beklagte ihr Ermessen ausüben müssen eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht gegeben. Im übrigen sei durch diesen Bescheid § 45 Abs. 3 SGB X verletzt.
Gegen dieses jeweils am 8. März 2007 zugestellte Urteil haben der Kläger am 5. April 2007 und die Beklagte am 27. März 2007 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht zutreffend ausgeübt; jedenfalls sei die Frist des § 45 SGB X bei Erlass der beiden Bescheide nicht eingehalten worden (hinsichtlich der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf Blatt 107 bis 111 der Gerichtsakte verwiesen).
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 insoweit aufzuheben, als die Klage im übrigen abgewiesen wurde und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 teilweise aufzuheben und auch die Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2006 abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe das notwendige Ermessen zutreffend auch vor Erlass des Bescheides vom 10. August 2006 ausgeübt und nunmehr im Berufungsverfahren die schriftliche Begründung nachgeholt; die Frist des § 45 Abs. 3 SGB X sei bei Erlass des Bescheides eingehalten worden. Mit Schreiben vom 13. November 2007 an den Kläger hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen mitgeteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az.: ) verwiesen. Der Inhalt dieser Unterlagen war Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 03. August 2007 bzw. 20. November 2007 mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Die Berufung der Beklagten ist begründet; die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 in der Fassung des Bescheides vom 10. August 2006, die ihre Rechtsgrundlage in § 50 SGB X haben.
Die Gewährung von Verletztengeld erfolgt wie die Gewährung von Krankengeld durch Verwaltungsakt (vgl. für die Gewährung von Krankengeld statt vieler: Höfler, in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB V, Rdnr. 27). Soweit vorliegend kein förmlicher Bescheid ergangen ist, liegt in der Auszahlung des Verletztengeldes die schlüssige Bekanntgabe der Bewilligung durch Verwaltungsakt, der in diesem Fall durch konkludentes Handeln erlassen worden ist (§ 33 Abs. 2 SGB X, vgl. BSG Urteil vom 16. September 1986, Az. 3 RK 37/85, SozR 2200 § 182 Nr. 103).
Die Beklagte hat durch Bescheid vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2003 die Bewilligung des Verletztengeldes über den 31. Juli 2001 hinaus aufgehoben und mit Bescheiden vom 11. April 2005 bzw. 10. August 2006 die Erstattung des allein wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 14. November 2001 gewährten Verletztengeldes gefordert, für das, nach Erteilung des Widerspruchsbescheides am 15. September 2003, bis zum Tag vor der Rechtshängigkeit der nachfolgenden Klage, die selbst keine aufschiebende Wirkung hatte (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG), die Grundlage entfallen ist. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Hinsichtlich der Rückforderung überzahlten Verletztengeldes während des laufenden Widerspruchsverfahrens bestand für die Beklagte kein Anlass für eine Ermessensausübung. Vielmehr ist die Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X zwingend vorgeschrieben. Nach dieser Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der aufgehobene Verwaltungsakt muss Rechtsgrundlage für die erbrachten Leistungen sein. Dies trifft für den vorliegenden Zeitraum, der während des laufenden Widerspruchsverfahrens lag, zu: Rechtsgrundlage für die Zahlungen war insoweit - noch – die grundsätzliche – konkludent - erfolgte Bewilligung von Verletztengeld. Es kann hier offen bleiben, ob dann, wenn das Gesetz - wie hier in § 86 Abs. 2 SGG a. F. bzw. § 86 a Abs. 1 SGG n. F. (in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001, BGBl. I S. 2144; mit Wirkung ab 02. Januar 2001 eingeführt) - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vorsieht, damit lediglich eine Hemmung der Vollziehbarkeit oder gar eine Hemmung des Wirksamwerdens des Verwaltungsakts eintritt. Aufschiebende Wirkung jedenfalls bedeutet, dass keine Maßnahmen zur Durchsetzung oder Vollstreckung des Verwaltungsakts eingeleitet oder durchgeführt werden dürfen. Bereits eingeleitete Maßnahmen sind einzustellen. Es tritt ein vorläufiger Schwebezustand ein (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86 a RdNr. 5 m. w. N.), der bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts durch Abschluss des (Verwaltungs- oder Gerichts )Verfahrens den "status quo ante" beibehält. Bei gestaltenden Verwaltungsakten hat die aufschiebende Wirkung die Bedeutung, dass während des Schwebezustands keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden dürfen. Bei der Entziehung von Leistungen muss also, wenn Widerspruch eingelegt wird, zunächst weiter nach dem alten Verwaltungsakt gezahlt werden (Meyer-Ladewig aaO § 86 a RdNr 5). Durch die mit der Einlegung des Widerspruchs gegen den Verletztengeldentziehungsbescheid gemäß § 86 Abs. 2 SGG a. F. eingetretene aufschiebende Wirkung blieb die grundsätzliche Bewilligung Rechtsgrundlage für die bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den Entziehungsbescheid geleisteten Zahlungen.
Diese aufschiebende Wirkung des Widerspruchs dauert bis zur Rechtshängigkeit der Klage, unmittelbar danach beginnt gegebenenfalls die aufschiebende Wirkung der Klage. Vorliegend hatte die Klage vom 08. Oktober 2003 aber keine aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG - Meyer-Ladewig, aaO § 86 a RdNr 11). Daraus folgt, dass nach § 50 Abs. 1 SGB X die für die Dauer der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs geleisteten Zahlungen vom Kläger zu erstatten sind (BSG Urteil vom 23. September 1997, Az. 2 RU 44/96, SozR 3-1300 § 50 Nr. 20). Diese Vorschrift schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den durchaus schutzwürdigen Interessen des Verletzten und den Interessen des Versicherungsträgers. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gibt dem Verletzten Schutz gerade in den Fällen, in denen durch Verwaltungsakt eine bisher gewährte Leistung entzogen werden soll (BSG Urteil vom 23. September 1996, a. a. O.). Damit war die Beklagte trotz des Entziehungsbescheids aufgrund des Widerspruchs hiergegen zur weiteren Leistungserbringung verpflichtet. Dann kann aber das Risiko des Widerspruchsverfahrens nicht einseitig dem Versicherungsträger aufgebürdet werden, zumal der Verletzte damit rechnen musste, dass er im Rechtsbehelfsverfahren auch unterliegen kann und die Beklagte ihn mehrmals und ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass er mit einer Rückzahlung für den Fall, dass das Widerspruchsverfahren erfolglos endet, rechnen müsse.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs berührt die Wirksamkeit des Entziehungsbescheids im Übrigen nicht und bewirkt vor allem keine Änderung des in dem Bescheid festgesetzten Endpunkts der Verletztengeldgewährung.
Damit ist insoweit für Billigkeitserwägungen, wie sie bei der Rückforderung einer sog Urteilsrente (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 10) oder bei Sozialleistungen anzustellen wären, die während eines Rechtsstreits aufgrund gerichtlicher Aussetzung der Vollziehung eines Entziehungsbescheids gezahlt werden (vgl. BSG Urteil vom 09. März 1988, Az. 9/9a RV 24/85, BSGE 63, 74 ff) kein Raum, zumal sich derartige Rückforderungen nach § 50 Abs. 2 SGB X richten (Steinwedel, in: KassKomm, § 50 SGB X RdNr. 7 m. w. N.).
Der Kläger ist darüber hinaus auch verpflichtet, das für den Zeitraum vom 05. Juli 2002 (Klageerhebung vor dem Sozialgericht Karlsruhe) bis zum 14. Juli 2002 gezahlte Verletztengeld zu erstatten, denn auch insoweit ist vorliegend ausnahmsweise § 50 Abs. 1 SGB X anwendbar, da die Beklagte unmittelbar nach Klageerhebung am 16. August 2002 den Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 aufgehoben und das Widerspruchsverfahren fortgeführt hat. Auch in diesem Zeitraum ist das Verletztengeld damit letztlich aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gezahlt worden.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Forderung der Beklagten in Höhe von 1.720,63 EUR.
Der 1943 geborene Kläger erlitt am 21. Juni 2001 einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 29. Oktober 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie erkenne Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit wegen des am 21. Juni 2001 erlittenen Arbeitsunfalls lediglich bis zum 31. Juli 2001 an. Auf den Widerspruch des Klägers vom 14. November 2001 gegen diesen Bescheid teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 18. Februar 2002 mit, der eingelegte Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, das eingestellte Verletztengeld werde daher bis zur Erteilung des Widerspruchsbescheides weiter gewährt, es werde jedoch darauf hingewiesen, dass die Differenz zwischen Kranken- und Verletztengeld zurückzuzahlen sei, wenn dem Widerspruch nicht stattgegeben werde. Mit Bescheid vom 14. Juni 2002 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Oktober 2001 zurück. Am 5. Juli 2002 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe, die er, nachdem die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 mit Bescheid vom 16. August 2002 (auf einen Hinweis des Bundesversicherungsamtes vom 11. Juli 2002) wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben hatte, mit Schreiben vom 25. September 2002 zurücknahm. Mit Schreiben vom 9. September 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nachdem der Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 mit Verwaltungsakt vom 16. August 2002 aufgehoben worden sei, werde das Verletztengeld über den 14. Juni 2002 hinaus weitergezahlt. Dieses, ebenso wie das bereits unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis 14. Juni 2002 weitergezahlte Verletztengeld, sei zurückzuzahlen, wenn dem Widerspruch letztendlich nicht abgeholfen werde. Da der Kläger am 15. Juli 2002 die Arbeit wieder aufgenommen hatte, gewährte die Beklagte ihm das Verletztengeld nur noch bis zum 14. Juli 2002. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen (so unter anderem nach Einholung eines unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachtens des Prof. Dr. P vom 10. März 2003) wies die Beklagte den Widerspruch erneut mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2003 zurück. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 8. Oktober 2003 Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe, die er mit Schreiben vom 5. April 2004 zurücknahm.
Auf ein Schreiben der Beklagten vom 20. April 2004 an die Krankenkasse des Klägers, in dem sie eine Erstattung des Betrages für den Zeitraum vom 6. August 2001 bis 14. Juli 2002 geltend machte, den die Krankenkasse nach den Rechtsvorschriften der Krankenversicherung hätte leisten müssen, erstattete die Krankenkasse einen Betrag in Höhe von 15.485,72 EUR.
Nach Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 2. Februar 2005 und Stellungnahme des Klägers mit Schreiben vom 21. März 2005 forderte die Beklagte von dem Kläger mit Bescheid vom 11. April 2005 die Erstattung eines Betrages in Höhe von 859,60 EUR und führte zur Begründung unter anderem aus, da der Bescheid vom 29. Oktober 2001 inzwischen bindend geworden sei, sei das für die Zeit vom 6. August 2001 bis 14. Juli 2002 gezahlte Verletztengeld zu Unrecht geleistet worden. Dem Kläger habe für diesen Zeitraum nur Krankengeld zugestanden, so dass der Differenzbetrag von ihm zurückgefordert werde. Zur Berechnung des Rückforderungsbetrages werde auf das Anhörungsschreiben vom 2. Februar 2005 verwiesen. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, da ihm bekannt gewesen sei, dass der Differenzbetrag zwischen Kranken- und Verletztengeld zurückzuerstatten sei, sobald der Bescheid vom 29. Oktober 2001 bindend werde. Da der Vertrauensschutz zu versagen sei und für eine Ermessensausübung keine Gesichtspunkte übrig blieben, sei das Ermessen auf Null reduziert. Somit könnten die vorgebrachten Argumente, insbesondere der Verbrauch der Leistungen und die schwierige finanzielle Situation nicht berücksichtigt werden. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 26. April 2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juli 2005 zurückwies.
Am 29. August 2005 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht erhoben und sich gegen die Rückforderung des überzahlten Verletztengeldes gewandt. Die Beklagte war der Ansicht, unstreitig habe der Kläger in der Zeit vom 6. August 2001 bis 25. März 2002 und 24. April 2002 bis 14. Juli 2002 Verletztengeld in Höhe von insgesamt 17.206,35 EUR erhalten. Hierauf habe die Krankenkasse einen Betrag in Höhe von 15.485,72 EUR erstattet. Es ergebe sich somit eine Differenz in Höhe von 1720,63 EUR. Mit Bescheid vom 10. August 2006, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 11. April 2005 hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages zurücknahm, hat sie nunmehr von dem Kläger einen Erstattungsbetrag in Höhe von 1720,63 EUR gefordert. Zur Begründung hat sie zunächst auf dem Bescheid vom 11. April 2005 verwiesen und darüber hinaus ausgeführt, bei der Berechnung des Erstattungsbetrages sei sie von nicht korrekten Daten ausgegangen. Im Rahmen des anhängigen Gerichtsverfahrens sei dieser Fehler entdeckt und dem Kläger bereits mitgeteilt worden. Er habe die Gelegenheit gehabt hierzu Stellung zu nehmen. Der Betrag werde daher von dem Kläger zurückgefordert.
Mit Urteil vom 26. Februar 2007 hat das Sozialgericht Berlin den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid vom 10. August 2006 habe den Bescheid vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 geändert und sei Gegenstand des Verfahrens geworden. Die Regelungsgegenstände beider Bescheide seien einer getrennten rechtlichen Beurteilung zugänglich. Der Bescheid vom 11. April 2005 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Eine Pflicht zur Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen ergebe sich aus § 50 Abs. 2 des 10. Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Verletztengeld sei für die Zeit vom 6. August 2001 bis 14. Juli 2002 ohne Verwaltungsakt zu Unrecht gewährt worden. Der Bescheid vom 29. Oktober 2001, der einen Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld über den 31. Juli 2001 hinaus abgelehnt habe, sei bestandskräftig geworden, so dass die über den 31. Juli 2001 hinaus gewährte Leistung rechtswidrig erbracht worden sei. Auf den Erstattungsanspruch sei § 45 SGB X entsprechend anzuwenden. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift dürfe ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut habe und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme schutzwürdig sei. Die Beklagte habe bei der Rücknahme des Verwaltungsaktes ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Bei der Frage der allgemeinen Schutzwürdigkeit des Vertrauens komme es auf eine Abwägung der Gesichtspunkte, die für die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes sprechen würden gegen das öffentliche Interesse an der Herstellung des an sich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften gebotenen Rechtszustandes an. Das Rücknahmeermessen könne ausnahmsweise dann auf Null reduziert sein, wenn der Kläger konkret mit dem alsbaldigen Wegfall des Verwaltungsaktes habe rechnen müssen und er für eine Betätigung seines Vertrauens keine guten Gründe gehabt habe. Dies sei vorliegend der Fall, da die Beklagte infolge der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gezwungen gewesen sei, dem Kläger weiterhin Verletztengeld zu zahlen. Sie habe den Kläger auch durch Schreiben vom 18. Februar 2002 und 9. September 2002 darauf hingewiesen, dass die Zahlung lediglich vorbehaltlich des Ausgangs des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens erfolge. Soweit der Kläger das ihm gewährte Verletztengeld verbraucht habe, sei dieser Verbrauch angesichts der genannten Umstände vorliegend nicht schutzwürdig. Es habe vielmehr ein überragendes Interesse der Beklagten an einer Rückforderung zu viel gezahlter Beträge bestanden, hinter dem die Einwände des Klägers, er habe das Geld für seinen und den Lebensunterhalt seiner Frau verbraucht, völlig zurückzutreten hätten. Dem stehe auch nicht § 45 Abs. 3 SGB X entgegen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2006 sei indes rechtswidrig. Mit diesem Bescheid werde der Bescheid vom 11. April 2005 gem. § 45 SGB X zurückgenommen. Auch in diesem Bescheid hätte die Beklagte ihr Ermessen ausüben müssen eine Ermessensreduzierung auf Null sei nicht gegeben. Im übrigen sei durch diesen Bescheid § 45 Abs. 3 SGB X verletzt.
Gegen dieses jeweils am 8. März 2007 zugestellte Urteil haben der Kläger am 5. April 2007 und die Beklagte am 27. März 2007 Berufung bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihr Ermessen nicht zutreffend ausgeübt; jedenfalls sei die Frist des § 45 SGB X bei Erlass der beiden Bescheide nicht eingehalten worden (hinsichtlich der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf Blatt 107 bis 111 der Gerichtsakte verwiesen).
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 insoweit aufzuheben, als die Klage im übrigen abgewiesen wurde und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2007 teilweise aufzuheben und auch die Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2006 abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe das notwendige Ermessen zutreffend auch vor Erlass des Bescheides vom 10. August 2006 ausgeübt und nunmehr im Berufungsverfahren die schriftliche Begründung nachgeholt; die Frist des § 45 Abs. 3 SGB X sei bei Erlass des Bescheides eingehalten worden. Mit Schreiben vom 13. November 2007 an den Kläger hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen mitgeteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Az.: ) verwiesen. Der Inhalt dieser Unterlagen war Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 03. August 2007 bzw. 20. November 2007 mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Die Berufung der Beklagten ist begründet; die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 11. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2005 in der Fassung des Bescheides vom 10. August 2006, die ihre Rechtsgrundlage in § 50 SGB X haben.
Die Gewährung von Verletztengeld erfolgt wie die Gewährung von Krankengeld durch Verwaltungsakt (vgl. für die Gewährung von Krankengeld statt vieler: Höfler, in: Kasseler Kommentar, § 44 SGB V, Rdnr. 27). Soweit vorliegend kein förmlicher Bescheid ergangen ist, liegt in der Auszahlung des Verletztengeldes die schlüssige Bekanntgabe der Bewilligung durch Verwaltungsakt, der in diesem Fall durch konkludentes Handeln erlassen worden ist (§ 33 Abs. 2 SGB X, vgl. BSG Urteil vom 16. September 1986, Az. 3 RK 37/85, SozR 2200 § 182 Nr. 103).
Die Beklagte hat durch Bescheid vom 29. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2003 die Bewilligung des Verletztengeldes über den 31. Juli 2001 hinaus aufgehoben und mit Bescheiden vom 11. April 2005 bzw. 10. August 2006 die Erstattung des allein wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 14. November 2001 gewährten Verletztengeldes gefordert, für das, nach Erteilung des Widerspruchsbescheides am 15. September 2003, bis zum Tag vor der Rechtshängigkeit der nachfolgenden Klage, die selbst keine aufschiebende Wirkung hatte (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG), die Grundlage entfallen ist. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Hinsichtlich der Rückforderung überzahlten Verletztengeldes während des laufenden Widerspruchsverfahrens bestand für die Beklagte kein Anlass für eine Ermessensausübung. Vielmehr ist die Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X zwingend vorgeschrieben. Nach dieser Vorschrift sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der aufgehobene Verwaltungsakt muss Rechtsgrundlage für die erbrachten Leistungen sein. Dies trifft für den vorliegenden Zeitraum, der während des laufenden Widerspruchsverfahrens lag, zu: Rechtsgrundlage für die Zahlungen war insoweit - noch – die grundsätzliche – konkludent - erfolgte Bewilligung von Verletztengeld. Es kann hier offen bleiben, ob dann, wenn das Gesetz - wie hier in § 86 Abs. 2 SGG a. F. bzw. § 86 a Abs. 1 SGG n. F. (in der Fassung des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001, BGBl. I S. 2144; mit Wirkung ab 02. Januar 2001 eingeführt) - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vorsieht, damit lediglich eine Hemmung der Vollziehbarkeit oder gar eine Hemmung des Wirksamwerdens des Verwaltungsakts eintritt. Aufschiebende Wirkung jedenfalls bedeutet, dass keine Maßnahmen zur Durchsetzung oder Vollstreckung des Verwaltungsakts eingeleitet oder durchgeführt werden dürfen. Bereits eingeleitete Maßnahmen sind einzustellen. Es tritt ein vorläufiger Schwebezustand ein (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 86 a RdNr. 5 m. w. N.), der bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts durch Abschluss des (Verwaltungs- oder Gerichts )Verfahrens den "status quo ante" beibehält. Bei gestaltenden Verwaltungsakten hat die aufschiebende Wirkung die Bedeutung, dass während des Schwebezustands keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden dürfen. Bei der Entziehung von Leistungen muss also, wenn Widerspruch eingelegt wird, zunächst weiter nach dem alten Verwaltungsakt gezahlt werden (Meyer-Ladewig aaO § 86 a RdNr 5). Durch die mit der Einlegung des Widerspruchs gegen den Verletztengeldentziehungsbescheid gemäß § 86 Abs. 2 SGG a. F. eingetretene aufschiebende Wirkung blieb die grundsätzliche Bewilligung Rechtsgrundlage für die bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den Entziehungsbescheid geleisteten Zahlungen.
Diese aufschiebende Wirkung des Widerspruchs dauert bis zur Rechtshängigkeit der Klage, unmittelbar danach beginnt gegebenenfalls die aufschiebende Wirkung der Klage. Vorliegend hatte die Klage vom 08. Oktober 2003 aber keine aufschiebende Wirkung (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG - Meyer-Ladewig, aaO § 86 a RdNr 11). Daraus folgt, dass nach § 50 Abs. 1 SGB X die für die Dauer der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs geleisteten Zahlungen vom Kläger zu erstatten sind (BSG Urteil vom 23. September 1997, Az. 2 RU 44/96, SozR 3-1300 § 50 Nr. 20). Diese Vorschrift schafft einen gerechten Ausgleich zwischen den durchaus schutzwürdigen Interessen des Verletzten und den Interessen des Versicherungsträgers. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gibt dem Verletzten Schutz gerade in den Fällen, in denen durch Verwaltungsakt eine bisher gewährte Leistung entzogen werden soll (BSG Urteil vom 23. September 1996, a. a. O.). Damit war die Beklagte trotz des Entziehungsbescheids aufgrund des Widerspruchs hiergegen zur weiteren Leistungserbringung verpflichtet. Dann kann aber das Risiko des Widerspruchsverfahrens nicht einseitig dem Versicherungsträger aufgebürdet werden, zumal der Verletzte damit rechnen musste, dass er im Rechtsbehelfsverfahren auch unterliegen kann und die Beklagte ihn mehrmals und ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass er mit einer Rückzahlung für den Fall, dass das Widerspruchsverfahren erfolglos endet, rechnen müsse.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs berührt die Wirksamkeit des Entziehungsbescheids im Übrigen nicht und bewirkt vor allem keine Änderung des in dem Bescheid festgesetzten Endpunkts der Verletztengeldgewährung.
Damit ist insoweit für Billigkeitserwägungen, wie sie bei der Rückforderung einer sog Urteilsrente (BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 10) oder bei Sozialleistungen anzustellen wären, die während eines Rechtsstreits aufgrund gerichtlicher Aussetzung der Vollziehung eines Entziehungsbescheids gezahlt werden (vgl. BSG Urteil vom 09. März 1988, Az. 9/9a RV 24/85, BSGE 63, 74 ff) kein Raum, zumal sich derartige Rückforderungen nach § 50 Abs. 2 SGB X richten (Steinwedel, in: KassKomm, § 50 SGB X RdNr. 7 m. w. N.).
Der Kläger ist darüber hinaus auch verpflichtet, das für den Zeitraum vom 05. Juli 2002 (Klageerhebung vor dem Sozialgericht Karlsruhe) bis zum 14. Juli 2002 gezahlte Verletztengeld zu erstatten, denn auch insoweit ist vorliegend ausnahmsweise § 50 Abs. 1 SGB X anwendbar, da die Beklagte unmittelbar nach Klageerhebung am 16. August 2002 den Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 aufgehoben und das Widerspruchsverfahren fortgeführt hat. Auch in diesem Zeitraum ist das Verletztengeld damit letztlich aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gezahlt worden.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
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