L 9 AS 613/09 ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 23 AS 1858/09 ER
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 613/09 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Den Antragstellern zu 2) bis 6) wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt , ab 13. August 2009 bewilligt.

Der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig zwischen den Parteien ist die darlehensweise Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über den 1. Juni 2009 hinaus.

Die 1960 geborene Antragstellerin zu 1) stellte erstmals am 26. Mai 2008 für sich und ihren 1957 geborenen Ehemann, den Antragsteller zu 2) sowie die gemeinsamen Kinder, M., geb. 1992, R., geb. 1997 (Antragsteller zu 3), V., geb. 1999 (Antragstellerin zu 4), P., geb. 2001 (Antragstellerin zu 5) und S., geb. 2002 (Antragstellerin zu 6) einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) leben im vereinbarten Güterstand der Gütertrennung. Die Antragstellerin zu 1) besitzt eine Rentenpolice als sog. Riesterrente mit einem Beitrag von monatlich 13,33 Euro und zahlt für ein Kraftfahrzeug vierteljährlich 43,01 Euro Haftpflichtversicherung. Sohn Mo. ist nach den Angaben der Antragsteller seit 28. April 2009 bis voraussichtlich Januar 2010 inhaftiert.

Die Antragstellerin zu 1) ist alleinige Eigentümerin von vier mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken. Darüber hinaus ist sie Eigentümerin des von den Antragstellern bewohnten Hauses in H., mit einer Wohnfläche von 130 qm und einer Grundstücksfläche von 202 qm. Bezüglich der angrenzenden Hoffläche von 262 qm ist sie Eigentümerin zu ½. Das Wohngrundstück und der hälftige Eigentumsanteil an der Hoffläche wurde von der Antragstellerin zu 1) durch notariellen Kaufvertrag vom 15. Mai 1996 zu einem Kaufpreis von 10.000 DM erworben. Hierfür wurden Nachweise über Kosten wie folgt vorgelegt: Vorauszahlungen für Trinkwasser 36 Euro/2 Monate, Abwasser/Niederschlagswasser 32,00 Euro/Monat, Grundsteuer 1,53 Euro und 24,54 Euro jährlich, Schornsteinfeger 32,26 Euro, Abfallgebühren 371,40 Euro, Kreditzinsen 452,49 Euro/3 Monate. Darüber hinaus ist die Antragstellerin zu 1) Eigentümerin eines Grundstücks in K., H. Straße 1, von 148 m², bebaut mit einem Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 60 m², für welches bereits zum Antragszeitpunkt Versteigerungstermine festgesetzt waren (im Folgenden: Grundstück 1), ein Grundstück in G., mit einer Größe von 410 m²; die Wohnfläche des darauf befindlichen Hauses ist nicht bekannt (im Folgenden: Grundstück 2). Das Grundstück ist belastet mit einer Zwangssicherungshypothek über 5.000,00 EUR. Es existiert ein Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte vom 18. März 2003, wonach der Wert aufgrund der Tatsache, dass der Wert des Grundstücks durch die notwendigen Abrissarbeiten an dem darauf befindlichen Hausgrundstück aufgezehrt wird, symbolisch 1,00 EUR beträgt. Des Weiteren besitzt die Antragstellerin zu 1) ein Grundstück in S., mit einer Größe von 58 m², bebaut mit einem Wohnhaus mit Wohnfläche von ca. 60 m² (im Folgenden: Grundstück 3). Dieses Grundstück kaufte die Antragstellerin zu 1) mit notariellen Kaufvertrag vom 19. Juli 1999 für 12.000 DM. Der Kaufpreis wurde bereits vollständig gezahlt. Nach den Angaben der Antragstellerin ist aufgrund der Verwüstungen durch den ehemaligen Mieter das Haus derzeit nicht bewohnbar. Des Weiteren ist die Antragstellerin zu 1) Eigentümerin eines Grundstücks in S., mit einer Größe von 105 m², bebaut mit einem Wohnhaus und der Wohnfläche von ca. 80 m² (im Folgenden: Grundstück 4). Dieses Haus wird seit Mai 2006 nicht mehr bewohnt. Das Grundstück wurde von ihr mit notariellem Kaufvertrag vom 5. Dezember 2003 für 10.000 Euro käuflich erworben. Der Kaufpreis war im Februar 2009 beglichen. Die Sicherungshypothek zur Sicherung der Kaufpreiszahlung ist im Grundbuch noch eingetragen. Gegenüber den letzten Mietern werden Forderungen wegen Zerstörung und Entfernung der Elektroinstallation, Gasleitungen und Heizungselementen geltend gemacht. Im Erstantrag gab die Antragstellerin zu 1) den Verkehrswert des Grundstückes 3 mit ca. 25.000,00 EUR und den Wert des Grundstückes 4 mit ca. 10.000,00 EUR an. Über weiteres Vermögen verfügte die Bedarfsgemeinschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht. Im August 2009 bezog die Bedarfsgemeinschaft Kindergeld in Höhe von 888 Euro.

Mit Bescheid vom 3. Juni 2008 lehnte die Antragsgegnerin Leistungen wegen Immobilienbesitz ab und gewährte mit Darlehensbescheid vom 3. Juni 2008 den Antragstellern gemäß § 23 Absatz 5 SGB II Leistungen darlehensweise für den Zeitraum vom 20. Mai 2008 bis 30. November 2008. Auf den Fortzahlungsantrag gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern weiterhin mit Bescheid vom 17. November 2008 darlehensweise Leistungen vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009. Am 8. Mai 2009 beantragten die Antragsteller die Weiterbewilligung.

Die Antragsgegnerin forderte beim zuständigen Landesamt für Vermessung und Geoinformation Verkehrswertgutachten für die Grundstücke 3 und 4 am 9. Juni 2008 bzw. für die Grundstücke 1 und 2 am 6. November 2008 an. Das Landesamt für Vermessung und Geoinformation nahm bezüglich der Grundstücke 3 und 4 eine sogenannte Außensichtprüfung aufgrund einer Ortsbesichtigung der Geschäftstelle des Gutachterausschusses am 30. Juni 2008 vor und schätzte den Wert der Grundstücke auf jeweils 15.000,00 EUR. Auf die Anfrage vom 6. November 2008 teilte das Landesamt für Vermessung und Geoinformation mit, dass das Verkehrswertgutachten vom 18. März 2003 bezüglich des Grundstückes 2 nach wie vor aktuell sei. Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin zu 1) mit, dass die Prüfung des Vermögens ergeben hat, dass der Freibetrag mit den vorhandenen Vermögenswerten um 16.309, 93 EUR überstiegen wird. Sie forderte die Antragstellerin zu 1) auf, bis spätestens 27. Februar 2009 mindestens drei Verkaufsbemühungen für die Grundstücke, die die Bedarfsgemeinschaft nicht selbst bewohnt, vorzulegen. Mit Schreiben vom 4. März 2009 wurde an die Erledigung des Schreibens vom 29. Januar 2009 erinnert und die Entziehung der Leistung nach §§ 60, 66 SGB I angedroht.

Mit Versagungsbescheid vom 14. Mai 2009 wurden den Antragstellern Leistungen ab 1. Juni 2009 nach §§ 60 und 66 SGB I ganz versagt. Hiergegen haben die Antragsteller mit Schreiben vom 25. Mai 2009 Widerspruch eingelegt, über den bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entschieden worden ist.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2009 haben die Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Nordhausen beantragt, mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur weiteren darlehensweisen Leistung für Juni 2009 zu verpflichten. Im Erörterungstermin vom 10. Juni 2009 hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass eine tatsächliche Wertermittlung der Grundstücke 3 und 4 bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfolgt sei. Mit Beschluss vom 10. Juni 2009 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von 949,16 EUR monatlich, beginnend ab dem 1. Juni 2009 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 14. Mai 2009 zu zahlen.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin am 13. Juli 2009 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es seitens der Antragsgegnerin an einer den gesetzlichen Bestimmungen des § 12 Absatz 4 SGB II entsprechenden Ermittlung des jeweiligen Verkehrswertes für die Grundstücke 3 und 4 fehle. Die Immobilienwerte seien vom Thüringer Landesamt für Vermessung und Geoinformation nach dem verkürzten Sachwertverfahren festgestellt worden. Es bestehe für die Antragsgegnerin keine Verpflichtung, ein ausführliches Verkehrswertgutachten einzuholen. Darüber hinaus sei die Antragstellerin zu 1) unabhängig von der Höhe des Verkehrswertes verpflichtet, sich um eine Verwertung zu bemühen. Da sie jegliche Mitwirkungshandlung unterlassen habe, seien die Leistungen zu Recht versagt worden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Juni 2009 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Juni 2009 zurückzuweisen.

Die Antragsteller tragen vor, zunächst sei der Wert des Vermögens nach § 12 SGB II zu ermitteln. Hierbei sei der Kaufpreis der Immobilien zugrunde zu legen. Darüber hinaus seien die allgemeinen anfallenden Aufwendungen eines Abverkaufs zu berücksichtigen, so dass sich durch diese Berechnung kein den Vermögensfreibetrag überschreitender Vermögenswert ergebe.

Die Berichterstatterin hat in einem Erörterungstermin vom 13. August 2009 die Antragsteller befragt. Diese haben angegeben, dass sie vor dem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bereits Verkaufsbemühungen angestellt haben, um diesen Antrag solange wie möglich hinauszuschieben. Dabei sei ihnen von einem Makler gesagt worden, dass sich für das Grundstück 4 auf dem Markt maximal 2.500,00 EUR erzielen ließen. Ein Nachbar hat ihnen für das Grundstück Nr. 3 5.000,00 EUR geboten.

Nach telefonischer Auskunft der Geschäftsstelle des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation wird diese Behörde entsprechend dem Schreiben vom 22. Juni 2008 eine reguläre Bewertung nach Beauftragung durch die Antragsgegnerin vornehmen.

Die Antragsgegnerin hat zwischenzeitlich aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen mit Bescheid vom 30. Juni 2009 einen Vorschuss nach § 42 SGB I für den Zeitraum vom 1. Juni bis 31. Juli 2009 in Höhe von monatlich 949,16 EUR als Darlehen bewilligt. Mit Darlehensbescheid vom 22. Juli 2009 sind durch die Antragsgegnerin weiterhin Leistungen für den Zeitraum vom 1. August bis 30. September 2009 gemäß § 42 Absatz 1 SGB I in Verbindung mit § 23 Absatz 5 SGB II in Höhe von monatlich 949,26 EUR bewilligt worden.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin sowie der Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist auch für Leistungszeiträume bis 30. September 2009 zulässig. Die Antragsgegnerin hat in Umsetzung des Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen vom 10. Juni 2009 darlehensweise Leistungen erbracht. Damit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde jedoch nicht, weil die Antragsgegnerin dies ausdrücklich nur vorläufig in Erfüllung des erstinstanzlichen Beschlusses und offensichtlich zur Vermeidung einer Vollstreckung getan hat.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die Beschwerde der Antragsgegnerin in der Sache als unbegründet.

Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist der Versagungsbescheid vom 14. Mai 2009 (Anfechtungsantrag). Die Aufhebung eines rechtswidrigen Versagungsbescheides im Hauptsacheverfahren führt nicht zu Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 2009, Az. B 4 AS 78/08 R, nach juris). Der Antrag im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ist hingegen auf die Gewährung von (darlehensweisen) Leistungen gerichtet. Dieser Antrag ist zulässig, da nur über diesen eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Leistungen erreicht werden kann (vgl. BSG a. a. O.). Zutreffender Weise ist das Sozialgericht daher von einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgegangen. Danach sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht aufgrund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung und /oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren fragliche materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Hierbei ist, wenn sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren will, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05 nach juris). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG a. a. O.). Darüber hinaus ist das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung durch das Gericht erforderlich.

Ein Anordnungsgrund wurde glaubhaft gemacht. Die Antragsteller verfügen außer über Kindergeld in Höhe von 888 EUR über keine weiteren Einnahmen zum Lebensunterhalt. Etwaiges sofort verwertbares Vermögen ist nicht vorhanden. Zwar haben die Antragsteller ursprünglich nur Leistungen für Juni 2009 beantragt. Nachdem jedoch für das Sozialgericht absehbar war, dass es zu keiner Einigung der Parteien nach Erörterung kommt, hat es offensichtlich zur Vermeidung weiterer Eilanträge den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz dahingehend ausgelegt, dass Leistungen auch über Juni 2009 hinaus beantragt werden. Eine solche Auslegung des Begehrens der Antragsteller erscheint aufgrund des sich abzeichnenden Verfahrensverlaufs und der Notwendigkeit der vorläufigen Regelung über Juni 2009 hinaus noch vertretbar, zumal die Beteiligten dagegen keine Einwendungen vorgebracht haben und es dem mutmaßlichen Interesse der Antragsteller an einer über den Juni 2009 hinausgehenden vorläufigen Regelung entspricht.

Den Antragstellern stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mindestens nach § 23 Abs. 5 SGB II darlehensweise zu. Soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind nach § 23 Abs. 5 SGB II Leistungen als Darlehen zu erbringen.

Die Antragsteller sind unter Außerachtlassung des vorhandenen Vermögens der Antragstellerin zu 1) hilfebedürftig im Sinne von § 7 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altergrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige).

Die Antragstellerin zu 1) und der Antragsteller zu 2) erfüllen diese Voraussetzungen. Soweit der Antragsteller zu 2) angegeben hat, erwerbsgemindert zu sein, hat die Antragsgegnerin hierzu noch keine Feststellung getroffen. Es ist daher zunächst mangels anderweitiger Feststellungen davon auszugehen, dass eine Erwerbsfähigkeit vorliegt.

Die Antragsteller zu 3) bis 6) sind hilfebedürftig durch § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören demnach die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 - 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

Hilfebedürftig ist nach § 9 Absatz 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Absatz 2 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 9 Absatz 2 Satz 2 SGB II sind bei unverheirateten Kindern auch das Einkommen und Vermögen des mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Elternteils bzw. der Eltern zu berücksichtigen.

Da die Antragsteller außer Kindergeld über keine sonstigen Einnahmen verfügen, ist entscheidend für den Leistungsanspruch der Antragsteller, inwieweit das Vermögen der Antragstellerin zu 1) die Vermögensfreibeträge übersteigt und somit ein Hilfebedarf nicht gegeben ist. Als Vermögen sind nach § 12 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Sobald feststeht, welche Vermögensgegenstände der Bedarfsgemeinschaft zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen, also verwertbar sind nach § 12 Abs. 1 SGB II, nicht unberücksichtigt bleiben nach § 12 Abs. 3 SGB II und nicht abgesetzt werden können nach § 12 Abs. 2 SGB II, muss festgestellt werden, ob der durch den betreffenden Vermögensgegenstand vermittelte Geldwert der Gewährung von Leistungen entgegensteht (Hasske in Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand Mai 2009§ 12 Rdnr. 50).

Dabei hat der Begriff der Verwertbarkeit in § 12 Abs 1 SGB II den Bedeutungsgehalt, den das BSG bereits in einer früheren Entscheidung zum Recht der Arbeitslosenhilfe (Alhi) mit dem Begriff der Möglichkeit des "Versilberns" von Vermögen umschrieben hat (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R m.w.N.).

Darüber hinaus enthält der Begriff der Verwertbarkeit aber auch eine tatsächliche Komponente (vgl Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 32). Die Verwertung muss für den Betroffenen einen Ertrag bringen, durch den er, wenn auch nur kurzzeitig, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder weil sie, wie Grundstücke infolge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind. Dabei reicht es für eine lediglich darlehensweise Gewährung von Leistungen nicht aus, dass dem Hilfesuchenden Vermögen zusteht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehensgewährung erfolgen soll, bis auf weiteres nicht absehbar ist, ob er einen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögen wird ziehen können.

Maßgebend für diese Prognose ist im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R). Für diesen Bewilligungszeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden.

Dabei ist das Vermögen nach § 12 Absatz 4 SGB II mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Nach der Bestimmung des Vermögens sind die Grundfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzen. Diese betragen für die Antragstellerin zu 1) 7.950 Euro (48 Jahre x 150 Euro + 750 Euro) und für den Antragsteller zu 2) 8.550 Euro (52 Jahre x 150 Euro + 750 Euro). Entgegen den Ausführungen der Antragsteller im Antragsverfahren können die Grundfreibeträge der Kinder bei der Bestimmung des Freibetrages nicht dazu addiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2009, Az.: B 4 AS 58/09 R, nach juris). Erst wenn feststeht, dass die vorhandenen Vermögenswerte die Grundfreibeträge übersteigen, ist ein Hilfebedarf nicht gegeben (§ 9 Abs. 1 SGB II). Den Antragstellern müssten bei Feststellung von Vermögenswerten unterhalb des Vermögensfreibetrages Leistungen bewilligt werden. Nur für den Fall, dass zu berücksichtigendes Vermögen i. S. v. den Freibetrag übersteigendem Vermögen vorliegt, bestimmt § 23 Abs. 5 SGB II, dass Leistungen als Darlehen zu erbringen sind, wenn der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung nicht möglich ist oder für die Hilfebedürftigen eine besondere Härte bedeuten würde. Dabei hat der Hilfebedürftige grundsätzlich die Wahl der Art der Verwertung (Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 31), z.B. zwischen Vermietung, Verpachtung und Verkauf von Immobilien. Hier sind jedoch nach den glaubhaften Angaben der Antragstellerin zu 1) die Immobilien aufgrund von Schäden nicht vermietbar, so dass als einzige Verwertungsart der Verkauf bleibt.

Das von den Antragstellern bewohnte Hausgrundstück ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II als Vermögen nicht zu berücksichtigen. Sowohl angegebene Wohnfläche als auch Grundstücksgröße scheinen bei 6 Personen angemessen.

Über das Grundstück 1 kann die Antragstellerin aufgrund der Zwangsversteigerung nicht mehr verfügen. Grundstück 2 ist nach dem vorliegenden Verkehrswertgutachten vom 18. März 2003 wertlos. Verbleiben als Vermögensgegenstände nur die Grundstücke 3 und 4.

Der Verkehrswert ist durch Auswertung aller zur Verfügung stehender Quellen zu ermitteln, sofern es sich bei einem Vermögensgegenstand nicht um Geld oder unmittelbar auf einen Geldbetrag lautende Forderungen oder Rechte handelt. Bei Häusern und Grundstücken kann der Kaufpreis zugrunde gelegt werden, sofern der Erwerb nicht bereits lange zurückliegt oder es zu erheblichen Veränderungen am örtlichen Immobilienmarkt gekommen ist (Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II, 2. Auflage, § 12 Rdnr. 94). Falls notwendig, kann auch bereits im Verwaltungsverfahren der zuständige Gutachterausschuss im Wege der Amtshilfe nach § 3 ff. SGB X um ein Verkehrswertgutachten ersucht werden, das dann nach § 64 Abs. 2 S. 1 SGB X kostenfrei ist (Mecke a. a. O.).

Zunächst ist die Antragsgegnerin, ausgehend von den Angaben der Antragstellerin zu 1) im Leistungsantrag über die Werte der Grundstücke mit 25.000,00 EUR für das Grundstück 3 und 10.000,00 EUR für das Grundstück 4 und den Angaben des Gutachterausschusses nach Sichtprüfung von jeweils 15.000 EUR von einem Überschreiten der Vermögensfreibeträge der Antragsteller zu 1) und 2) ausgegangen. Angesichts der Zweifel an diesen Beträgen nährenden Informationen bedurfte es jedoch weitergehender Ermittlungen zum Verkehrswert.

Die Bestimmung des Verkehrswertes durch sogenannte Sichtprüfung der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses mag zunächst Anhaltspunkte für den Wert einer bestimmten Immobilie bieten, kann jedoch ein Verkehrswertgutachten zur genauen Bestimmung der Höhe des Verkehrswertes nicht ersetzen. Es bestehen im konkreten Einzelfall erhebliche Zweifel, ob der durch die vorgenommene Sichtprüfung geschätzte Wert sich auf dem Immobilienmarkt erzielen lässt. Die Antragsteller haben glaubhaft ausgeführt, dass die Immobilien im Innenbereich erhebliche Schäden an Versorgungsleitungen, Einrichtungen und Heizungsanlagen aufweisen. Bezüglich des Grundstücks 4 liegt ein Schreiben eines Rechtsanwaltes vom 26. September 2006 vor, das die Schäden im Inneren des Hauses beschreibt. Dieses war dem Landesamt für Vermessung und Geoinformation zum Zeitpunkt der Außensichtprüfung nicht bekannt. Die Antragsteller tragen darüber hinaus vor, dass der angenommene Verkehrswert nicht dem realen Verkehrswert bzw. dem auf dem Immobilienmarkt erzielbaren Verkaufspreis entspricht. Nach ihren Angaben im Erörterungstermin könnte auf dem freien Markt nach den Ausführungen eines von ihnen eingeschalteten Maklers für das Grundstück 4 nur ein Wert von 2.500,00 EUR erzielt werden und ein Nachbar hat ihnen für das Grundstück 3 5.000,00 EUR geboten. Unter Berücksichtigung dieser Werte wäre der Freibetrag der Antragsteller zu 1) und 2) nicht erreicht. Berücksichtigt man darüber hinaus den Kaufpreis der Grundstücke von 12.000 DM bzw. 10.000 EUR, so spricht jedenfalls einiges dafür, dass der Vermögensfreibetrag in Höhe von 16.500 EUR für die Antragsteller zu 1) und 2) nicht erreicht wird.

Eine Außensichtprüfung vermag ein echtes Verkehrswertgutachten auch nicht zu ersetzen. Soweit die Antragsgegnerin insoweit vorträgt, dass grundsätzlich auch Auskünfte aus den Kaufpreissammlungen der Gutachterausschüsse bei den Kataster- und Vermessungsämtern herangezogen werden können, handelt es sich hierbei um einen anderen Vergleichsmaßstab. Aus diesen Auskünften aus Kaufpreissammlungen kann eingeschätzt werden, welcher reale Marktwert, unabhängig vom eigentlichen Wert der Immobilie, aufgrund der Lage der Immobilie und der Marktsituation sich erzielen lässt, indem vergleichbare Immobilienverkäufe in der Vergangenheit im örtlichen Umfeld herangezogen werden. Dabei geht es vorwiegend nicht darum, den Wert einer bestimmten Immobilie zu ermitteln, sondern darum auf der Grundlage von Vergleichsdaten anderer Transaktionen einen Überblick über die in anderen Fällen erzielten Verkaufserlöse und Anhaltspunkte für die Wertermittlung zu erhalten, die die Berücksichtigung individueller Besonderheiten des Objekts jedoch nicht entbehrlich macht.

Leistungsansprüche der Antragsteller für die Zeit nach dem 30. Juni 2009 sind der Höhe nach mindestens in dem vom Sozialgericht festgestellten Umfang gegeben. Zwar wurde vom Sozialgericht bei der Übernahme des Wertes aus dem letzten Bewilligungsbescheid vom 17. November 2008 nicht berücksichtigt, dass Sohn Mo. der Antragsteller zu 1) und 2) durch seine Inhaftierung von Leistungen ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 4 S. 2 SGB II). Durch die höheren nachgewiesenen Kosten der Unterkunft von 236,64 EUR, somit 39,44 EUR pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, und den seit 01. Juli 2009 geltenden Regelleistungen von 323 EUR für die Antragsteller zu 1) und 2) und in Höhe von 251 EUR für die Antragsteller 3) bis 6) wird der im Tenor des angegriffenen Beschlusses angegebene Betrag jedoch erreicht. Einer konkreten Berechnung bedarf es im Rahmen der hier allein von der Antragsgegnerin erhobenen Beschwerde nicht.

Für den Monat Juni 2009 bleibt es nach einer Interessenabwägung auch unter Berücksichtigung eines Leistungsausschlusses für den Sohn Mo. bei dem vom Sozialgericht bezifferten Betrag. Die endgültige Klärung der Leistungshöhe bleibt einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Den Antragstellern zu 2) bis 6) war aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation Prozesskostenhilfe nach § 73a SGG in Verbindung mit §§ 114, 115 ZPO zu bewilligen.

Bei der Antragstellerin zu 1) ist das Vermögen zu berücksichtigen. Nach § 115 Absatz 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, wobei sich die Vermögensfreibeträge nach den Vorschriften des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) richten und somit weitaus niedriger sind als die in dem SGB II vorgesehen Vermögensfreibeträge. Unter Berücksichtigung der niedrigsten Vermögenswerte von 2.500,00 EUR für das Grundstück Nr. 3 bzw. 5.000,00 EUR für das Grundstück Nr. 4 überschreiten die Vermögenswerte die Freibeträge nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (2.600 EUR), so dass der Antragstellerin zu 1) keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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