L 11 AS 571/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 826/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 571/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auch für den Fall eines Verzichts nach § 46 SGB I ist für den Wert des Beschwerdegegenstandes auf die geänderte bezifferte Geldleistung abzustellen, die sich für den Rechtsmittelführer bei einem Erfolg des Rechtsmittels ergibt. Entscheidend ist, dass es sich wie bei einem Leistungsbegehren in derselben Höhe um einen Streitfall von geringer Bedeutung handelt, dessen gerichtliche Kontrolle auf eine Instanz beschränkt werden kann.
Dabei bleiben Folgewirkungen selbst dann außer Ansatz, wenn die angestrebte Änderung - wie vorliegend nach dem WoGG - kraft bindender Vorschriften weitere Änderungen nach sich ziehen muss (vgl. BSG SozR 3-1500 § 144 Nr. 119).
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Nürnberg
vom 15.07.2009 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Streitig zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Neuberechnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - für die Zeit vom 01.04.2009 bis 31.07.2009.

Die 1975 geborene Antragstellerin (Ast) zu 1 und ihr 1999 geborener Sohn , der Ast zu 2., beziehen seit 01.12.2008 als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II.

Ab dem 16.01.2009 lebten sie aufgrund des Bescheides der Stadt A-Stadt - Amt für Existenzsicherung und soziale Integration vom 09.01.2009 in der Obdachlosenunterkunft D-Straße in A-Stadt; Mitte März 2009 zogen die Ast in die N-Straße in A-Stadt um.

Mit Bescheid vom 02.04.2009 bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) den Ast Leistungen für die Zeit vom 01.04.2009 bis 30.06.2009 in Höhe von 698.- EUR monatlich. Dabei ging die Ag von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.102.- EUR monatlich aus. Als anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung setzte die Ag 498.- EUR fest. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Ast zu 2. in Höhe von insgesamt 404.- EUR (Kindergeld 164.- EUR und Kindesunterhalt 240.- EUR) ergaben sich für den Ast zu 2. zustehende Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 56.- EUR monatlich.

Mit Bescheid vom 11.05.2009 lehnte die Stadt A-Stadt - Amt für Wohnen und Stadterneuerung - die Gewährung eines Mietzuschusses für die Zeit ab 01.04.2009 ab. Die ASt erhielten eine Transferleistung nach § 7 Abs. 1 WoGG, sie seien damit vom Bezug von Leistungen nach dem Wohngeldgesetz ausgeschlossen.

Am 04.06.2009 legten die ASt gegen den Bescheid der Ag vom 02.04.2009 Widerspruch ein, den die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2009 wegen Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig zurückwies. Von den ASt ist hiergegen nach Aktenlage keine Klage erhoben worden.

Mit Bescheid vom 08.06.2009 bewilligte die Ag den ASt Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2009 bis 31.12.2009 in Höhe von 747.- EUR monatlich. Dabei ging die Ag von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.151.- EUR monatlich aus. Als anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung setzte die Ag 498.- EUR fest. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Ast zu 2. in Höhe von insgesamt 404.- EUR (Kindergeld 164.- EUR und Kindesunterhalt 240.- EUR) ergaben sich für den Ast zu 2. zustehende Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 96.- EUR monatlich. Hiergegen legten die ASt am 17.06.2009 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.

Am 24.06.2009 haben die ASt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Entscheidung der Verwaltung beantragt, als deren Folge für den Sohn ein Anspruch auf Wohngeld entstehe.

Mit Beschluss vom 15.07.2009 hat das Sozialgericht Nürnberg (SG) den Antrag abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die ASt in einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II lebten. Da das angesetzte Einkommen des ASt zu 2. nicht dessen Bedarf übersteige, habe die Ag zu Recht mit Bescheid vom 08.06.2009 einen Anspruch des ASt zu 2. bejaht. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Wohngeldgesetzes seien Empfänger von Alg II vom Bezug von Wohngeld ausgeschlossen, wenn bei der Berechnung von Alg II Kosten der Unterkunft berücksichtigt worden seien. Nach Erlass des Bescheides vom 08.06.2009 sei auch ein Verzicht des ASt zu 2. für den Bewilligungszeitraum ab dem 01.07.2009 nicht mehr möglich.

Hiergegen haben die ASt am 17.08.2009 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Ag habe die Leistungen vom 01.04.2009 bis 31.07.2009 neu zu berechnen, da auf den Anspruch für den ASt zu 2. auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung verzichtet werde. Die Stadt A-Stadt habe dann dem ASt zu 2. ein höheres Wohngeld zu leisten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nicht statthaft.

Vorweg kann dahinstehen, dass das SG den Antrag der ASt in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2009 offensichtlich unzutreffend protokolliert hat. Die ASt begehrten offensichtlich nicht eine Entscheidung der Verwaltung, sondern eine Entscheidung des SG. Auch hat es das SG unterlassen festzustellen, für welchen Zeitraum die ASt eine abgeänderte Entscheidung der Ag begehrten. Schlussendlich waren, da existenzsichernde Leistungen streitgegenständlich waren, entgegen der Auffassung des SG die Erfolgsaussichten des Verfahrens nicht nur summarisch, sondern abschließend zu beurteilen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236).

Gemäß § 172 Abs 3 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ist die Beschwerde aber im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.

Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, § 144 Abs 1 Satz 2 SGG. Wird diese Wertgrenze bzw. die zeitliche Grenze nicht überschritten, so bedarf die Berufung der Zulassung. Aus dem Wortlaut der Regelung des § 172 Abs 3 SGG ist zu entnehmen, dass eine Beschwerde im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nur dann zulässig sein soll, wenn in der Hauptsache die Berufung zulässig ist, nicht aber wenn sie zugelassen werden kann, vgl BayLSG 11. Senat vom 03.11.2008, Az. L 11 B 902/08 AS ER. Es ist daher hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde allein auf den Wert des Beschwerdegegenstandes bzw. auf den Zeitraum, um den gestritten wird, abzustellen.

Mit der Beschwerde haben die ASt ihr Rechtsmittel auf eine Neuberechnung der Leistungen auf den Zeitraum vom 01.04.2009 bis 31.07.2009 begrenzt. Soweit mit einem Rechtsmittel - wie im vorliegenden Fall - der Antrag beschränkt wird, ist auf den Zeitraum abzustellen, der mit dem Rechtsmittel weiter verfolgt wird (vgl. Leitherer in
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl, § 144 Rdnr 14).

Somit stand mit der Beschwerde lediglich noch die Rechtmäßigkeit der an den ASt zu 2 ausgezahlten Leistungen für die Kosten der Unterkunft i.H.v. 320.- EUR im Streit (Januar bis Juni 2009: 56.- EUR x4 zuzüglich Juli 2009 96.- EUR).

Diese 320.- EUR sind auch als Wert des Beschwerdegegenstandes heranzuziehen, obwohl die ASt mit ihrer Beschwerde ja keine höhere, sondern durch den erklärten Verzicht eine niedrigere Leistung begehren. Auch für den Fall eines Verzichts nach § 46 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I - ist für den Wert des Beschwerdegegenstandes auf die geänderte bezifferte Geldleistung abzustellen, die sich für den Rechtsmittelführer bei einem Erfolg des Rechtsmittels ergibt. Entscheidend ist, dass es sich wie bei einem Leistungsbegehren in derselben Höhe um einen Streitfall von geringer Bedeutung handelt, dessen gerichtliche Kontrolle auf eine Instanz beschränkt werden kann.

Dabei bleiben Folgewirkungen selbst dann außer Ansatz, wenn die angestrebte Änderung - wie vorliegend nach dem WoGG - kraft bindender Vorschriften weitere Änderungen nach sich ziehen muss (vgl. BSG SozR 3 - 1500 § 144 Nr. 11). Mit der Festlegung einer festen Streitwertgrenze wird die Vereinfachung des Verfahrens angestrebt. Damit wäre es nicht vereinbar, Folgewirkungen eines Streits zu prüfen, die innerhalb eines anderen Rechtswegs - wie hier der Verwaltungsgerichtsbarkeit - zu verfolgen wären.

Die Beschwerde war somit nicht statthaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen der Antragsteller.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved