L 19 B 37/09 AL ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 110/09 ER
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 37/09 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
L 19 B 38/09 AL
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.10.2009 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Am 01.09.2009 meldete sich der Antragsteller (ASt.) mit Wirkung zum 01.10.2009 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld unter Vorlage einer Arbeitsbescheinigung über ein vom 01.03.2006 bis 30.09.2009 bestehendes Beschäftigungsverhältnis als Kraftfahrer, das arbeitgeberseitig am 31.08.2009 zum 30.09.2009 nach vorhergehender Abmahnung am 19.02.2009 gekündigt worden sei.

Das hierzu vorgelegte Kündigungsschreiben des Arbeitgebers nimmt auf vorherige Abmahnungen vom 16./19.02.2009, 27.08.2009 und 28.08.2009 wegen unzureichender Ladungssicherung sowie ein laufendes polizeiliches Ermittlungsverfahren Bezug. Bereits am 19.02.2009 sei eine arbeitsrechtliche Abmahnung mit Kündigungsandrohung wegen unzureichender Ladungssicherung ausgesprochen worden.

Mit Bescheid vom 15.09.2009 bewilligte die Beklagte dem ASt. vorläufig Arbeitslosengeld für die Dauer von 450 Tage ab dem Anspruchsbeginn 01.10.2009. Der Auszahlungsan-spruch betrage in der Zeit vom 24.12.2009 bis zum 30.11.2010 34,85 EUR täglich, über den Auszahlungsanspruch vom 01.10.2009 bis 23.12.2009 werde gesondert entschieden. Der Anspruch werde für die Zeit vom 01.10.2009 bis 23.12.2009 vorläufig um 112 Tage gemindert. Dies werde noch abschließend geprüft. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid wurde durch Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt vor, er habe hiergegen Klage beim Sozialgericht erhoben und gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben (4 Ca 2447/09 des Arbeitsgerichts Bochum).

Mit Antrag an das Sozialgericht im vorliegenden Verfahren vom 09.10.2009 hat der Antragsteller die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.10.2009 bis zum 23.12.2009 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 34,85 EUR sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung dieses Anspruches begehrt. Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht sowohl den Antrag in der Sache als auch den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Gegen den am 14.10.2009 zugestellten Beschluss richten sich die sowohl in der Sache als auch gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerden des Antragstellers.

Entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung seien sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, insbesondere eine Antragstellung nach dem SGB II sei nicht zumutbar. Ihr Unterlassen hindere die Annahme eines Anordnungsgrundes nicht. Durch Schreiben des Berichterstatters vom 27.10.2009 ist der Antragsteller zwecks Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes um Vorlage von Kontoauszügen, Bezifferung der Höhe des aktuellen Mietrückstandes, seines Ratenrückstandes, Vorlage bereits vorliegender Kündigungsandrohungen und Angabe der bereits unternommenen Selbsthilfeversuche, wie z.B. Stundungsantrag beim Kreditinstitut, Antrag auf Krankenversicherung, gebeten und befragt worden, weshalb kein ALG II beantragt werde. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02.11.2009, dem weitere Belege nicht beigefügt waren, hält der Antragsteller sowohl die Stellung eines Antrages auf Leistungen nach dem SGB II als auch das weitere Abwarten einer Entscheidung der Antragsgegnerin für völlig unzumutbar und bittet um eine kurzfristige Entscheidung.

Die Beklagte schließt sich der Begründung des angefochtenen Beschlusses an.

Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Der Antragsteller hat weder Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Regelungsansordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - noch Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Ein Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahrens durchsetzbaren Anspruches auf Arbeitslosengeld nach § 117 SGB III für den Zeitraum vom 01.10.2009 bis 23.12.2009 ist nicht geltend gemacht. Denn für diesen Zeitraum ist eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III eingetreten, wenn der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Dass eine Sperrzeit nicht eingetreten ist, kann derzeit nicht festgestellt werden. Dass arbeitsvertragswidriges verhalten ur Kündigung geführt hat, liegt nach dem Inhalt der arbeitgeberseitigen Kündigung nahe, wird vom ASt. jedoch bestritten. Erst durch weitere Sachabklärung (ggf. Vernehmung von Zeugen) wird sich klären lassen, ob eine Sperrzeit eingetreten ist. Die Sperrzeit nach § 144 SGB III mit der Folge eines Ruhens des Leistungsanspruches für die Dauer der Sperrzeit von regelmäßig 12 Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III) tritt nach ständiger Rechtsprechung des BSG kraft Gesetzes ein, ist von einer Feststellung der Beklagten hierzu unabhängig und läuft gleichfalls unabhängig vom Bestehen eines Leistungsanspruches kalendermäßig ab (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 06.05.2009 - B 11 AL 10/08 R - m.w.N.).

Auf jeden Fall ist aber auch zur Überzeugung des Senats ein Anordnugnsgrund nicht glaubhaft gemacht.

An einer Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit wegen fehlenden Krankenversicherungsschutzes fehlt es, weil nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 19 Abs. 2 SGB V) besteht Anspruch auf Leistungen für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Der ASt. war nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung bis zum 30.09.2009 versicherungspflichtig beschäftigt und daher nach § 19 Abs. 2 SGB V bis zum 31.10.2009 weiter versichert. Für die Zeit ab 01.11.2009 ist er aufgrund Beitragszahlung durch die Antragsgegnerin versichert, § 5 Ziff. 2 SGB V (vgl. Bewilligungsbescheid vom 15.09.2009).

Auf Aufforderung des Berichterstatters hat der ASt. keinerlei Nachweise. zu weiter denkbaren Gründen einer Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Regelung, wie z.B. drohendem Wohungsverlust, drohender Kündigung eines Darlehens wegen fortgesetzter Nichtzahlung von Raten etc. vorgelegt und auch nicht dargelegt, welche Möglichkeiten der Selbsthilfe, wie z.B. die Stellung eines Antrages auf Leistungen nach dem SGB II, er genutzt hat, um einem vorübergehenden finanziellen Engpass zu entkommen. Ohne den Nachweis eines solchen erfolglosen Antrages ist der Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nicht im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nötig und ein Anordnungsgrund daher nicht glaubhaft gemacht. Entgegen der wiederholt vorgetragenen Auffassung seines Prozessbevollmächtigten ist die Stellung eines Antrages auf Leistung nach dem SGB II dem Antragsteller nicht nur nicht unzumutbar, sondern im Gegenteil zur Wahrung seiner materiellen Interessen, ggf. auch der seiner Familie, zwingend erforderlich und zum frühest möglichen Zeitpunkt ratsam.

Wird ein Antrag auf Leistungen der Grundsicherung aber nicht gestellt und ergibt sich im Nachhinein, dass eine Sperrzeit eingetreten ist mit der Folge, dass Leistungen nach dem SGB III für den Sperrzeitzeitraum ruhen, sind Leistungen nach dem SGB II wie auch der damit verbundene Krankenversicherungsschutz nachträglich nicht mehr zu erlangen. Denn Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende werden nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II).

Eine Verweisung auf die Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II ist vor Feststellung der Voraussetzung des Anspruches auf Arbeitslosengeldes grundsätzlich möglich. Die einstweilige Anordnung der Zahlung von Arbeitslosengeld kommt daher nur in Betracht, wenn dieser Anspruch offensichtlich begründet ist und ein Antrag auf Leistung nach dem SGB II abgelehnt wurde (Brand in Niesel, SGB III, 4. Auflage § 118 Rdn. 11 m.w.N.). Hier fehlt es jedoch im Hinblick auf den möglichen Eintritt einer Sperrzeit kraft Gesetzes sowohl an einem offensichtlich begründeten Anspruch auf Arbeitslosengeld als auch an einem erfolglosen gestellten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Erfolglos bleibt die gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichtete Beschwerde, weil es der beabsichtigten Rechtsverfolgung aus vorstehenden Gründen an hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO mangelt.

Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nach § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Rechtskraft
Aus
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