L 11 R 3927/09 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 3563/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3927/09 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 6. März 1947 geborene Kläger, der seit dem 04. März 2006 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Freiburg inhaftiert ist, begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für das beim Sozialgericht Freiburg (SG) anhängige Klageverfahren (AZ: S 15 R 3563/08), in dem er die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten für die Zeiten seiner früheren und jetzigen Inhaftierung begehrt.

Der Kläger war nach seinen eigenen Angaben im Jahr 1964, in den Jahren 1974 bis 1975 sowie von 1977 bis 1983 inhaftiert. Seit dem 4. März 2006 und bis voraussichtlich 4. März 2015 ist er in der JVA Freiburg inhaftiert (Haftbescheinigung vom 22. August 2008). Nach eigenen Angaben übt er dort seit März 2007 eine Tätigkeit in einem Arbeitsbetrieb (Metallverarbeitung) aus. Nach der Verdienstbescheinigung vom 28. April 2008 erhält der Kläger monatlich schwankendes Arbeitsentgelt (zwischen EUR 19,95 und EUR 261,64), wobei Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgezogen werden (vorläufige Arbeitsbescheinigung vom 26. August 2008). Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung werden nicht abgeführt (Bescheinigung vom 14. August 2008).

Mit seiner am 17. Juli 2008 beim SG erhobenen Klage (AZ: S 15 R 3563/08) begehrt der Kläger die Vormerkung rentenrechtlicher Zeiten für die Zeiten seiner früheren und jetzigen Inhaftierung. Hierbei macht er im Wesentlichen geltend, die in den jeweiligen Haftanstalten verrichteten Tätigkeiten müssten der Rentenversicherungspflicht unterliegen. Die Beklagte hat dies während des anhängigen Klageverfahrens mit Bescheid vom 30. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2008 abgelehnt. Mit seiner Klage hat der Kläger zugleich die Gewährung von PKH beantragt, wobei er zuletzt die Beiordnung von Rechtsanwalt H. K., Freiburg, beantragt hat.

Mit Beschluss vom 28. Juli 2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei zwar nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung, auch nicht ratenweise, aufzubringen. Die Klage habe aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger habe im Zuge seiner Inhaftierung keine Beitragszeiten im Sinne des § 55 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) zurückgelegt, die nach § 149 SGB VI vorzumerken seien. Bei seinen Beschäftigungen handle es sich voraussichtlich nicht um versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, da dafür die Freiwilligkeit der Beschäftigungsverhältnisse erforderlich sei, was im Falle von Strafgefangenen nicht gegeben sei. Es bestehe daher keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Schließlich habe auch der Gesetzgeber die Ermächtigung in § 198 Abs 3 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) nicht genutzt, um Regelungen über die Sozialversicherung Inhaftierter durch ein Bundesgesetz im Bereich der Rentenversicherung in Kraft zu setzen. Dies habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungsgemäß erachtet.

Rechtsanwalt K. hat unter dem 12. August 2009 gegenüber dem SG seine Mandatsniederlegung angezeigt.

Gegen den Beschluss des SG hat der Kläger am 19. August 2009 beim SG Beschwerde eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, das SG habe seine Interessen nicht ausreichend gewürdigt. Hinzu komme, dass er in den Jahren 1964, 1975 sowie 1977 bis 1983 unschuldig inhaftiert gewesen sei. Hieraus ergäben sich Rentenansprüche. Auch habe das BVerfG Art. 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht generell aus dem Bereich des Strafvollzugs ausgenommen. Des Weiteren sei die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Januar 2005 (AZ: C-302/02) von der Bundesregierung nicht beachtet worden. Darüber hinaus stützt sich der Kläger auf internationale Abkommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juli 2009 aufzuheben sowie ihm für das Klageverfahren S 15 R 3563/08 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist nach § 172 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung statthaft, da das SG den Antrag auf Gewährung von PKH mangels Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt und nicht ausschließlich die persönlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat (§ 172 Abs 3 Nr 2 SGG). Die am 19. August 2009 beim SG eingegangene Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt worden. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das Klageverfahren S 15 R 3563/08.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs 2 ZPO). Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 1997, 1 BvR 391/93, NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Dezember 1997, IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998, VI B 120/98, zit nach juris) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl BVerfG Kammerbeschlüsse vom 20. Februar 2002, 1 BvR 1450/00, NJW-RR 2002, 1069, und 14. April 2003, 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976, 2977). Darüber hinaus soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. März 2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098).

Nach diesen Grundsätzen bietet die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine im geschlossenen Strafvollzug geleistete Arbeit keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung auslöst. Es ist auch höchstrichterlich geklärt, dass die fehlende Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bei einer Arbeit im geschlossenen Strafvollzug nicht verfassungswidrig ist (BVerfG, Urteil vom 1. Juli 1998 - 2 BvR 441, ua = BVerfGE 98, 169, 204, 212; Beschluss vom 14. November 2000 - 1 BvL 9/89 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 64; BSG, Urteil vom 26. Mai 1988 - 5/5b RJ 20/87 = SozR 2200 § 1246 Nr 157; Beschluss vom 5. Dezember 2001 - B 7 AL 74/01 B = veröffentlicht in Juris). Dies gilt auch für eine Beschäftigung während der Untersuchungshaft. Auch hierbei handelt es sich nicht um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (vgl BT-Drucks 16/11362, S 4 (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Neskovic, Dagdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks 16/11077); s hierzu auch Nr 43 der Untersuchungshaftvollzugsanordnung des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 15. Dezember 1976 (Die Justiz 1977, 74) idF vom 10. Oktober 2001 (Die Justiz 2001, 477)). Die Bundesregierung hält zwar die Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung für sinnvoll. Allerdings ist derzeit eine Einbeziehung weiterhin nicht geplant (vgl hierzu insgesamt BT-Drucks 16/11362, S 2 f).

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) folgt im Übrigen nichts anderes. Denn auch bei einer Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto im Sinne des § 1 Abs 1 Satz 1 ZRBG verlangt das BSG zu Recht eine Beschäftigung aufgrund eines eigenen Willensentschlusses, sodass Zwangsarbeit, wie zB bei Strafgefangenen im geschlossenen Strafvollzug, keine Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) darstellt (vgl zuletzt BSG, Urteil vom 2. Juni 2009 - B 13 R 239/08 R = veröffentlicht in juris RdNr 18 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der (weiteren) Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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