L 11 KR 5547/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 6457/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5547/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsstellerin ist zulässig. Die Beschwerde ist auch nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit 1 April 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 29 Buchst b) des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 - SGGArbGÄndG - (BGBl I, S 444) ausgeschlossen.

Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung - ZPO).

Das SG hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld (Krg) nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört (vgl hierzu Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2008, L 11 KR 4447/08 ER-B = SozSichplus 2009, Nr 1, 10 (Kurzwiedergabe) = veröffentlicht in juris). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage.

Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (hier: 25. September 2009) scheidet ohnedies aus. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB V geltenden Grundsatz, dass Geldleistungen im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen haben und nicht rückwirkend zu bewilligen sind, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2008, L 11 KR 4447/08 ER-B , aaO mwN; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. August 2008, L 4 KR 3499/08 ER-B). Ein solcher Nachholbedarf ist vorliegend weder plausibel noch glaubhaft gemacht. Denn die Antragstellerin hat wegen der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung iHv EUR 200.959,88 erhalten. Da eine Gewährung von Krg vor dem 25. September 2009 im Wege der einstweiligen Anordnung ausscheidet, ist auch die Frage, ob der (nachrangige) Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V zu einem Anspruch auf Krg für die Dauer eines Monats nach Ende der Mitgliedschaft führt, vorliegend nicht streiterheblich (vgl hierzu aber Senatsurteil vom 29. September 2009, L 11 KR 4518/08).

Im Übrigen ergibt die Prüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen, dass ein Anordnungsanspruch auch für die Zeit ab dem 25. September 2009 nicht glaubhaft gemacht worden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestimmt allein das bei Entstehen eines Krg-Anspruchs bestehende Versicherungsverhältnis, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krg hat (vgl BSG, Urteile vom 05. Mai 2009, B 1 KR 20/08 R und vom 02. November 2007, B 1 KR 38/06 R). Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V haben "Versicherte" Anspruch auf Krg, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Für den Krg-Anspruch ist dabei weder auf den Beginn der Krankheit noch auf den "wirklichen" Beginn der Arbeitsunfähigkeit, sondern grundsätzlich auf die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit abzustellen. Denn für die Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses setzt § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V nicht Arbeitsunfähigkeit, sondern einen Anspruch auf Krg voraus, der seinerseits gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V grundsätzlich nur aufgrund ärztlicher Feststellung entsteht (vgl BSG, Urteile vom 22. März 2005, B 1 KR 22/04 R und vom 08. November 2005, B 1 KR 30/04 R).

Ein Anspruch der Klägerin auf Krg entstand am 20. März 2009; an diesem Tag war sie mit Anspruch auf Krg versichert. Gemäß § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V entsteht ein Anspruch auf Krg - abgesehen von dem Fall der Krankenhausbehandlung - von dem Tage an, der auf die ärztliche Feststellung folgt. Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) erfolgte am 19. März 2009 (AU-Bescheinigung des Dr. B. vom 19. März 2009). Der Krg-Anspruch entstand mithin am darauffolgenden Tag, dem 20. März 2009. An diesem Tag war die Klägerin noch Mitglied der Beklagten mit Krg-Anspruch, denn sie war gemäß § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V als Beschäftigte bis 31. März 2009 pflichtversichert. Diese Pflichtversicherung bestand nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V jedenfalls bis 7. April 2009 fort. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger erhalten, solange ein Anspruch auf Krg besteht oder diese Leistung in Anspruch genommen wird. Die Klägerin hatte mithin vom 1. bis 7. April 2009 Anspruch auf Krg.

Ein entsprechender Anspruch bestand ab dem 8. April 2009 jedoch nicht mehr. Dieser setzt nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V die ärztliche Feststellung der AU voraus, welche hier zuletzt am 27. März 2009 durch Dr. S. "voraussichtlich" bis 7. April 2009 erfolgt ist. Erst am 8. April 2009 suchte die Antragstellerin Dr. P. auf, der ab diesem Tag erneut AU bescheinigte. Der neue Krg-Anspruch kann aber nach § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V frühestens am Folgetag beginnen, also am 9. April 2009. Der Karenztag führt damit zur Unterbrechung der Voraussetzungen des Krg-Anspruchs, was nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12 und B 1 KR 2/07 R) dem Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V entgegensteht.

Anhaltspunkte, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, ausnahmsweise die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU rückwirkend zuzulassen (vgl BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1), liegen nicht vor. Zwar hat die Antragstellerin durch Vorlage der Bescheinigung des Dr. L. vom 13. November 2009 glaubhaft gemacht, dass ihr ursprünglicher Termin am 6. April 2009 bei diesem aus praxisinternen Gründen verschoben werden musste. Der 6. April 2009 war jedoch ein Montag, so dass (andere) Ärzte für die Antragstellerin grundsätzlich erreichbar waren. Es sind keine besonderen Umstände erkennbar, die beispielsweise einen Arztbesuch bei Dr. S. entgegengestanden hätten. Aus der Bescheinigung des Dr. S. vom 12. November 2009 folgt, dass die Antragstellerin bereits seit dem 21. Februar 2008 an einer schweren reaktiven Depression leidet. Die Diagnose einer depressiven Verstimmung hat er auch in seiner Stellungnahme vom 15. Januar 2009 (Bl 5 der Verwaltungsakte) angegeben. Nachdem Dr. P. am 8. April 2009 von einer Arbeitsunfähigkeit wegen Somatisierungsstörung und einer depressiven Episode ausging, ist nicht ersichtlich, weshalb die Antragstellerin nicht zuvor Dr. S. aufgesucht hat, der sie (die Antragstellerin) offenbar bereits seit Februar 2008 wegen einer schweren Depression behandelt.

Ab dem 8. April 2009 war die Klägerin - wie das SG zutreffend festgestellt hat - nicht mehr mit einem Anspruch auf Krg bei der Antragsgegnerin versichert. Sie war ab diesem Zeitpunkt vielmehr als Bezieherin einer Hinterbliebenenrente gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V Mitglied der Antragsgegnerin. Als Rentnerin hatte sie aber vorliegend keinen Anspruch auf Krg. Der Senat nimmt insofern auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).

Besteht damit kein Anordnungsanspruch, kann der Senat offen lassen, ob ein Anordnungsgrund besteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved