Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
128
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 37434/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines geltend gemachten ernährungsbedingten Mehrbedarfs.
Der 1983 geborene Kläger beantragte am 5. August 2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Dabei machte er unter anderem einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend. Er legte ein ärztliches Attest Dr. L vom 24. Juli 2008 sowie einen "Essensplan" vor. Dr. L führte aus, es zeige sich "ganz offensichtlich, dass zur Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Nährstoffbilanz in diesem Fall dass aktuell propagierte "Sarazzin-Menü" nicht ausreichend" sei.
Mit Bescheid vom 26. August 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die Anerkennung eines Mehrbedarfes für eine kostenaufwändige Ernährung von den Empfehlungen und der Tabelle des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. (nachfolgend: DV) von 1997 abhängig und nach dieser Richtlinie bei den vom Kläger genannten Gesundheitsstörungen keine Krankenkostzulage zu gewähren sei. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein verbunden mit der Bitte um Mitteilung, ob das Attest Dr. L vom medizinischen Dienst geprüft worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Oktober 2008 Klage erhoben. Die Richtlinien des DV hätten keine Normqualität und seien unverbindlich. Der zugestandene Regelsatz für Ernährung von 4,25 EUR täglich erlaube dem Kläger eine Zufuhr von nur 1.550 Kalorien. Die schweizerische Gesellschaft für Ernährung beziffere den Energiebedarf des Klägers bei einer Größe von 1,85 m und einem Gewicht von 83 kg auf mindestens 1.964 Kalorien, bei den Aktivitäten des Klägers sogar auf täglich 3.535 Kalorien.
Der Kläger beantragt schriftlich,
den Bescheid vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger vom 1. September 2008 bis zum 31. Januar 2009 einen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von mindestens 149,- EUR pro Monat zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Eine medizinische Notwendigkeit für einen Mehrbedarf gebe es nicht.
Das Gericht hat die Beteiligten über die Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, mit Schreiben vom 17. April 2009 angehört. Der Beklagte hat hierzu sein Einverständnis erteilt. Der Kläger teilt die Auffassung des Gerichts, der Rechtsstreit weise keine besonderen Schwierigkeiten auf, nicht. Das Gericht hat seine Absicht, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, nochmals bekräftigt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, vgl. § 105 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beteiligten sind zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, gehört worden.
Streitgegenstand ist allein ein Anspruch des Klägers auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II im Zeitraum vom 1. September 2008 bis zum 31. Januar 2009, der als abgrenzbarer Teil des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes eigenständig geltend gemacht werden kann (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08).
Die Klage ist zulässig. Nichts Anderes folgt daraus, dass der Kläger einen Mehrbedarf von "mindestens" 149,- EUR im Monat begehrt. Der Leistungsantrag ist gleichwohl hinreichend bestimmt. Im sozialgerichtlichen Verfahren muss bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage der geforderte Geldbetrag nicht genau beziffert werden. Dem Bestimmtheitsgebot ist jedenfalls dann genügt, wenn neben einer hinreichend genauen Darlegung des anspruchsbegründenden Sachverhalts wenigstens die ungefähre Höhe des verlangten Betrages angegeben wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1986 - 2 RU 15/85 - SozR 1200 § 53 Nr. 6). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat den anspruchsbegründenden Sachverhalt noch ausreichend dargelegt und eine (Mindest)Summe genannt.
Die Klage ist aber nicht begründet.
Der Bescheid vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der geltend gemachte Mehrbedarf für Ernährung steht ihm nicht zu.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Der Kläger gehört zwar grundsätzlich zum berechtigten Personenkreis der erwerbsbedürftigen Hilfebedürftigen. Allerdings bedarf er keiner kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen. Denn dies erfordert, dass ein medizinischer Sachverhalt gegeben ist, also Krankheiten oder Behinderungen vorliegen, die so ausgeprägt sind, dass sie nicht nur eine besondere Ernährung erfordern, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern, sondern darüber hinaus eine Ernährung verlangen, die mit besonderen Kosten verbunden ist. Die Feststellung, ob ein Hilfebedürftiger auf Grund einer Erkrankung einer besonderen, kostenintensiven Ernährung bedarf, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, auch wenn diese verallgemeinert werden können. Maßgebend sind gleichwohl die individuellen Verhältnisse des Hilfebedürftigen. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht entschieden, dass der im Streit stehende Mehrbedarf jeweils im Einzelfall zu ermitteln ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 64/06 R – SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Im Rahmen der Beweiswürdigung hat eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen sachkundigen Stellungnahmen zu dieser Frage zu erfolgen. Auch insofern hat das Bundessozialgericht allerdings bereits entschieden, dass die Empfehlungen des DV im Regelfall als Orientierungshilfe dienen können und die weitere Amtsermittlung von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt. Sie entbinden nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall, sobald Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. Dabei kann es zum einen auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, das Erfordernis der Krankenkostzulage auch für eine Erkrankung zu bejahen, die im Katalog der Empfehlungen nicht vorgesehen ist. Es kann sich zum anderen aber auch für eine der genannten oder damit gleichzusetzenden Erkrankungen im Einzelfall ein höherer oder niedrigerer Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ergeben (BSG, a. a. O.).
Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II liegen hier nicht vor. Es fehlt bereits an einer Erkrankung, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung erfordern könnte. Dr. L hat keine Krankheit beim Kläger mitgeteilt. Der Kläger, der bei seinen mitgeteilten Daten (83 kg Körpergewicht bei 1,85 m Größe) auch nicht als untergewichtig anzusehen ist, macht für sich bei mittleren körperlichen Aktivitäten im Berufsalltag und sehr intensivem Intensitätsgrad bei Freizeitaktivitäten einen höheren Kalorienbedarf geltend. Dies stellt aber keine Krankheit dar. Inhaltlich wendet sich der Kläger - dies zeigen sein Hinweis auf den Ernährungssatz von 132,61 EUR und seine Kritik am Regelsatz im Schriftsatz vom 15. Mai 2009 - gegen die Höhe des Regelsatzes, macht also geltend, mit dem ihm über den Regelsatz für Ernährung zugestandenen Anteil seine Ernährung nicht sicherstellen zu können. Die Regelsatzhöhe ist vorliegend aber – wie ausgeführt – nicht streitgegenständlich.
Die Kammer kann im Übrigen auch nicht erkennen, dass der Kläger die von ihm geltend gemachte Ernährung benötigt, um eine Erkrankung zu verhindern. Dies verdeutlicht auch ein Blick in die Empfehlungen des DV zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe mit Stand vom 1. Oktober 2008. Hier heißt es auf Seite 12:
"Bei verzehrenden (konsumierenden) Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen, wie z.B. fortschreitendem/fortgeschrittenen Krebsleiden, HIV/AIDS, Multipler Sklerose (degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems) sowie schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, kann im Einzelfall ein erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen.
Gleiches gilt für andere Erkrankungen, die mit einer gestörten Nährstoffaufnahme bzw. Nährstoffverwertung - Malabsorption/Maldigestion – einhergehen. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Mehrbedarf besteht, ist im Einzelfall auf der Grundlage des Krankheitsverlaufs und des körperlichen Zustands der leistungsberechtigten Person zu beurteilen.
Bei den im vorletzten Absatz beispielhaft genannten Erkrankungen ist Vollkost ebenfalls die allgemein empfohlene Ernährungsform. Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf ist in der Regel daher nur bei schweren Verläufen zu bejahen oder wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. gestörte Nährstoffaufnahme.
Wenn (1) der BMI unter 18,5 liegt (und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist) und/oder (2) ein schneller, krankheitsbedingter Gewichtsverlust (über 5 % des Ausgangsgewichts in den vorausgegangenen drei Monaten; nicht bei willkürlicher Abnahme bei Übergewicht) zu verzeichnen ist, kann regelmäßig von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden."
Beim Kläger liegt erkennbar keine solche oder vergleichbare Situation vor.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers betreffen – wie dargelegt – die Regelsatzhöhe. Hierüber wird das Bundesverfassungsgericht in den Verfahren BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 entscheiden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 21 Abs. 5 SGB II hat die Kammer nicht, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nach Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht in Betracht kommt. Dass der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II einen medizinisch notwendigen tatsächlichen Bedarf abdeckt und daher zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum gehört (vgl. nur LSG Hessen, Beschluss vom 5. Februar 2007 - L 7 AS 241/06 ER), rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil vorliegend schon kein medizinisch notwendiger Mehrbedarf besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung ist nach § 143 SGG kraft Gesetzes zulässig. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist nicht einschlägig. Der Kläger begehrt – wie dargelegt zulässig – mindestens 149,- EUR pro Monat (vorliegend fünf Monate). Insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdewert 750,- EUR übersteigt (vgl. zur Grundregel des § 143 SGG Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144, Rn. 15a).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines geltend gemachten ernährungsbedingten Mehrbedarfs.
Der 1983 geborene Kläger beantragte am 5. August 2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Dabei machte er unter anderem einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend. Er legte ein ärztliches Attest Dr. L vom 24. Juli 2008 sowie einen "Essensplan" vor. Dr. L führte aus, es zeige sich "ganz offensichtlich, dass zur Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Nährstoffbilanz in diesem Fall dass aktuell propagierte "Sarazzin-Menü" nicht ausreichend" sei.
Mit Bescheid vom 26. August 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, weil die Anerkennung eines Mehrbedarfes für eine kostenaufwändige Ernährung von den Empfehlungen und der Tabelle des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e. V. (nachfolgend: DV) von 1997 abhängig und nach dieser Richtlinie bei den vom Kläger genannten Gesundheitsstörungen keine Krankenkostzulage zu gewähren sei. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein verbunden mit der Bitte um Mitteilung, ob das Attest Dr. L vom medizinischen Dienst geprüft worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 29. Oktober 2008 Klage erhoben. Die Richtlinien des DV hätten keine Normqualität und seien unverbindlich. Der zugestandene Regelsatz für Ernährung von 4,25 EUR täglich erlaube dem Kläger eine Zufuhr von nur 1.550 Kalorien. Die schweizerische Gesellschaft für Ernährung beziffere den Energiebedarf des Klägers bei einer Größe von 1,85 m und einem Gewicht von 83 kg auf mindestens 1.964 Kalorien, bei den Aktivitäten des Klägers sogar auf täglich 3.535 Kalorien.
Der Kläger beantragt schriftlich,
den Bescheid vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger vom 1. September 2008 bis zum 31. Januar 2009 einen Mehrbedarf für Ernährung in Höhe von mindestens 149,- EUR pro Monat zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Eine medizinische Notwendigkeit für einen Mehrbedarf gebe es nicht.
Das Gericht hat die Beteiligten über die Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, mit Schreiben vom 17. April 2009 angehört. Der Beklagte hat hierzu sein Einverständnis erteilt. Der Kläger teilt die Auffassung des Gerichts, der Rechtsstreit weise keine besonderen Schwierigkeiten auf, nicht. Das Gericht hat seine Absicht, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, nochmals bekräftigt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, vgl. § 105 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Die Beteiligten sind zur Absicht des Gerichts, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen, gehört worden.
Streitgegenstand ist allein ein Anspruch des Klägers auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II im Zeitraum vom 1. September 2008 bis zum 31. Januar 2009, der als abgrenzbarer Teil des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes eigenständig geltend gemacht werden kann (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 27. August 2009 - L 3 AS 245/08).
Die Klage ist zulässig. Nichts Anderes folgt daraus, dass der Kläger einen Mehrbedarf von "mindestens" 149,- EUR im Monat begehrt. Der Leistungsantrag ist gleichwohl hinreichend bestimmt. Im sozialgerichtlichen Verfahren muss bei einer auf eine Geldleistung gerichteten Klage der geforderte Geldbetrag nicht genau beziffert werden. Dem Bestimmtheitsgebot ist jedenfalls dann genügt, wenn neben einer hinreichend genauen Darlegung des anspruchsbegründenden Sachverhalts wenigstens die ungefähre Höhe des verlangten Betrages angegeben wird (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1986 - 2 RU 15/85 - SozR 1200 § 53 Nr. 6). So liegt der Fall hier. Der Kläger hat den anspruchsbegründenden Sachverhalt noch ausreichend dargelegt und eine (Mindest)Summe genannt.
Die Klage ist aber nicht begründet.
Der Bescheid vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der geltend gemachte Mehrbedarf für Ernährung steht ihm nicht zu.
Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Der Kläger gehört zwar grundsätzlich zum berechtigten Personenkreis der erwerbsbedürftigen Hilfebedürftigen. Allerdings bedarf er keiner kostenaufwändigen Ernährung aus medizinischen Gründen. Denn dies erfordert, dass ein medizinischer Sachverhalt gegeben ist, also Krankheiten oder Behinderungen vorliegen, die so ausgeprägt sind, dass sie nicht nur eine besondere Ernährung erfordern, um eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern, sondern darüber hinaus eine Ernährung verlangen, die mit besonderen Kosten verbunden ist. Die Feststellung, ob ein Hilfebedürftiger auf Grund einer Erkrankung einer besonderen, kostenintensiven Ernährung bedarf, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig, auch wenn diese verallgemeinert werden können. Maßgebend sind gleichwohl die individuellen Verhältnisse des Hilfebedürftigen. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht entschieden, dass der im Streit stehende Mehrbedarf jeweils im Einzelfall zu ermitteln ist (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 64/06 R – SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Im Rahmen der Beweiswürdigung hat eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen sachkundigen Stellungnahmen zu dieser Frage zu erfolgen. Auch insofern hat das Bundessozialgericht allerdings bereits entschieden, dass die Empfehlungen des DV im Regelfall als Orientierungshilfe dienen können und die weitere Amtsermittlung von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt. Sie entbinden nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall, sobald Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. Dabei kann es zum einen auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, das Erfordernis der Krankenkostzulage auch für eine Erkrankung zu bejahen, die im Katalog der Empfehlungen nicht vorgesehen ist. Es kann sich zum anderen aber auch für eine der genannten oder damit gleichzusetzenden Erkrankungen im Einzelfall ein höherer oder niedrigerer Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ergeben (BSG, a. a. O.).
Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II liegen hier nicht vor. Es fehlt bereits an einer Erkrankung, die aus medizinischen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung erfordern könnte. Dr. L hat keine Krankheit beim Kläger mitgeteilt. Der Kläger, der bei seinen mitgeteilten Daten (83 kg Körpergewicht bei 1,85 m Größe) auch nicht als untergewichtig anzusehen ist, macht für sich bei mittleren körperlichen Aktivitäten im Berufsalltag und sehr intensivem Intensitätsgrad bei Freizeitaktivitäten einen höheren Kalorienbedarf geltend. Dies stellt aber keine Krankheit dar. Inhaltlich wendet sich der Kläger - dies zeigen sein Hinweis auf den Ernährungssatz von 132,61 EUR und seine Kritik am Regelsatz im Schriftsatz vom 15. Mai 2009 - gegen die Höhe des Regelsatzes, macht also geltend, mit dem ihm über den Regelsatz für Ernährung zugestandenen Anteil seine Ernährung nicht sicherstellen zu können. Die Regelsatzhöhe ist vorliegend aber – wie ausgeführt – nicht streitgegenständlich.
Die Kammer kann im Übrigen auch nicht erkennen, dass der Kläger die von ihm geltend gemachte Ernährung benötigt, um eine Erkrankung zu verhindern. Dies verdeutlicht auch ein Blick in die Empfehlungen des DV zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe mit Stand vom 1. Oktober 2008. Hier heißt es auf Seite 12:
"Bei verzehrenden (konsumierenden) Erkrankungen mit erheblichen körperlichen Auswirkungen, wie z.B. fortschreitendem/fortgeschrittenen Krebsleiden, HIV/AIDS, Multipler Sklerose (degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems) sowie schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, kann im Einzelfall ein erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen.
Gleiches gilt für andere Erkrankungen, die mit einer gestörten Nährstoffaufnahme bzw. Nährstoffverwertung - Malabsorption/Maldigestion – einhergehen. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Mehrbedarf besteht, ist im Einzelfall auf der Grundlage des Krankheitsverlaufs und des körperlichen Zustands der leistungsberechtigten Person zu beurteilen.
Bei den im vorletzten Absatz beispielhaft genannten Erkrankungen ist Vollkost ebenfalls die allgemein empfohlene Ernährungsform. Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf ist in der Regel daher nur bei schweren Verläufen zu bejahen oder wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. gestörte Nährstoffaufnahme.
Wenn (1) der BMI unter 18,5 liegt (und das Untergewicht Folge der Erkrankung ist) und/oder (2) ein schneller, krankheitsbedingter Gewichtsverlust (über 5 % des Ausgangsgewichts in den vorausgegangenen drei Monaten; nicht bei willkürlicher Abnahme bei Übergewicht) zu verzeichnen ist, kann regelmäßig von einem erhöhten Ernährungsbedarf ausgegangen werden."
Beim Kläger liegt erkennbar keine solche oder vergleichbare Situation vor.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers betreffen – wie dargelegt – die Regelsatzhöhe. Hierüber wird das Bundesverfassungsgericht in den Verfahren BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09 entscheiden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 21 Abs. 5 SGB II hat die Kammer nicht, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nach Artikel 100 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht in Betracht kommt. Dass der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II einen medizinisch notwendigen tatsächlichen Bedarf abdeckt und daher zum verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimum gehört (vgl. nur LSG Hessen, Beschluss vom 5. Februar 2007 - L 7 AS 241/06 ER), rechtfertigt keine andere Beurteilung, weil vorliegend schon kein medizinisch notwendiger Mehrbedarf besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung ist nach § 143 SGG kraft Gesetzes zulässig. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist nicht einschlägig. Der Kläger begehrt – wie dargelegt zulässig – mindestens 149,- EUR pro Monat (vorliegend fünf Monate). Insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass der Beschwerdewert 750,- EUR übersteigt (vgl. zur Grundregel des § 143 SGG Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144, Rn. 15a).
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