S 35 SB 147/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
35
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 SB 147/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird - unter Abänderung der Bescheide vom 02.03.2006 und 30.11.2006 - verurteilt, beim Kläger einen Gesamt-GdB von 30 festzustellen. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergericht- lichen Kosten des Klägers zu 1/4.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX - um die Höhe des Grades der Behinderung - GdB -.

Im Februar 2006 stellte der Kläger beim Versorgungsamt X einen Erstantrag nach dem SGB IX auf Feststellung eines GdB.

Das Versorgungsamt X holte daraufhin Befundberichte von den Ärzten des Klägers ein und erteilte unter dem 02.03.2006 einen Bescheid, wonach die Behinderung

Einschränkung des Hörvermögens nach Hörsturz links (GdB 10 )

einen Gdb von unter 20 bedingt. Folgerichtig lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung eines GdB mit dem Bescheid ab.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Mit Abhilfebescheid vom 28.08.2006 stellte das Versorgungsamt X beim Kläger einen GdB von 20 wegen

Hörminderung links nach Hörsturz, Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen

fest.

Gegen den im Übrigen abweisenden Widerspruch vom 30.11.2006 hat der Kläger unter dem 15. Dezember 2006 Klage erhoben.

Der Kläger trägt vor, seine Gesundheitsstörungen, insbesondere die Störung des Hör- und Gleichgewichtsorgans sei nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 02.03.2006 und des Abhilfebescheides vom 28.08.2006 sowie des Wider- spruchsbescheides vom 30.11.2006 zu verurteilen, beim Kläger einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat zur Sachverhaltsermittlung Gutachten von dem Orthopäden E und dem Hals-, Nasen- Ohrenarzt O1 eingeholt. Der Kläger hat sodann ein Gutachten nach § 109 von dem Orthopäden B und dem Neurologen O2 beantragt. Das Gericht hat weiterhin ein weiteres Gutachten von dem Neurologen und Psychiater W - von Amts wegen - eingeholt. Außerdem hat das Gericht einen Befundbericht von dem Hals-, Nasen- Ohrenarzt M eingeholt sowie ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Herrn S. Schließlich hat der Kläger einen weiteren Bericht von dem behandelnden Hals-, Nasen- Ohrenarzt M zur Akte gereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist insoweit begründet, als dem Kläger ein Gesamt-GdB von 30 zuzuerkennen ist. Die weitergehende Klage ist unbegründet. Das Gericht hat die Klageabweisung im Übrigen versehentlich in den Urteilsausspruch nicht aufgenommen. Aus den folgenden Gründen ergibt sich jedoch eindeutig, dass der Kläger durch die gerichtliche Entscheidung teilweise beschwert ist, so dass ihm eine Berufungsmöglichkeit eröffnet sein müsste.

Das Gericht verweist hinsichtlich der Rechtsgrundlagen, nach denen der GdB zu bilden ist, auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 30. November 2006, mit der Maßgabe, dass statt der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit" nunmehr die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008 anzuwenden ist. Dies gilt auch für Verfahren, die bereits vor dem Gültigkeitsbeginn der Verordnung (am 01.01.2009) eingeleitet wurden.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften kann beim Kläger kein höherer GdB als 30 festgestellt werden.

In seiner Einschätzung folgt das Gericht den Gutachten des Orthopäden E, des Hals-, Nasen- Ohrenarztes O1 - hinsichtlich der Hörstörung, des Orthopäden B und des Neurologen und Psychiaters S.

Übereinstimmend haben die orthopädischen Sachverständigen E und B festgestellt, dass beim Kläger nur eine geringfügige Behinderung der Lendenwirbelsäule besteht, die zu keiner wesentlichen Bewegungseinschränkung führt. Nach Teil B der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VV) Nr. 18 bedingt diese Behinderung einen GdB von 10. Darüber hinaus besteht beim Kläger eine Hörstörung, die nach dem von O1 erhobenen Tonaudiogramm unter Berücksichtigung von Teil B Punkt 5 der VV einen GdB von 20 bedingt. Dazu leidet der Kläger an einem Tinnitus mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen und einer Anpassungsstörung mit Angst- und Depression gemischt. Der Sachverständige S hat hierzu ausgeführt, dass es sich um eine leichte psychische Störung handelt. Der Kläger ist familiär und sozial integriert. Er geht seiner beruflichen Tätigkeit nach. Für leichte psychische Störungen sieht Teil B der VV unter Punkt 3 einen GdB von höchstens 20 vor. Auch der Tinnitus des Klägers ist - isoliert betrachtet - mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Diese Behinderung überschneidet sich jedoch mit der psychischen Behinderung, wie der Sachverständige S zutreffend dargelegt hat.

Entgegen der Auffassung des Nervenarztes O2 leidet der Kläger nicht an einem Morbus-Meniere, der einen GdB von 50 bedingen würde. Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob die Diagnose Morbus-Meniere vorliegend zutreffend ist. Der behandelnde Hals-, Nasen- Ohrenarzt hat dies zunächst verneint und später bejaht. In jedem Fall ist für die Bildung des GdB allein entscheidend, das Ausmaß der Funktionsstörung. Insoweit hatte der Kläger beim gerichtlichen Sachverständigen O1 nur von gelegentlichen Schwindelgefühlen berichtet. Bei der Untersuchung beider Gleichgewichtsorgane des Klägers hat O1 keine wesentlichen Abweichungen von der Norm erkennen können. Dies spricht nicht für eine Gesundheitsstörung wesentlichen Ausmaßes. Das Gericht geht daher davon aus, dass ein Morbus-Meniere, der einen höheren GdB bedingen würde, beim Kläger nicht vorliegt.

Aus den so ermittelten Einzelgraden der Behinderung von 20, 20, 20, 10 kann ein höherer Gesamt-GdB als 30 nicht gebildet werden, da, wie der Sachverständige S dargelegt hat, sich die Behinderungen Tinnitus und Anpassungsstörung überschneiden. Im Übrigen verbietet die Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung eine Addition von Behinderungsgraden und einer Berücksichtigung von Einzelgraden der Behinderung von 10.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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