S 27 AS 1923/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 27 AS 1923/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.) Zur Frage der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen einen, eine vorläufige Bewilligung, aufhebenden Bescheid (Kürzuungsbescheid) und der daraus folgenden gerichtlichen Überprüfungskompetenz.
2.) Zur Frage der Anrechenbarkeit der Umweltprämie (Abwrackprämie) auf die Leistungen nach dem SGB II.
3.) Zur Frage der Gerechtfertigkeit von Leistungen nach dem SGB II bei Bezug der Umweltprämie (Abwrackprämie).

Orientierungssatz:

Die Umweltprämie stellt zweckgebundenes Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 3 SGB II dar und hat bei der Einkommensanrechnung unberücksichtigt zu bleiben. Der Bezug der Umweltprämie ist mit dem Bezug der Eigenheimzulage vergleichbar. Es besteht keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit (Art. 13 GG) die Eigenheimzulage anders zu behandeln als die Anschaffung eines Personenkraftwagens.
I. Der Bescheid vom 24. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 wird aufgehoben. II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. III. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anrechnung der so genannten "Umwelt- und Abwrackprämie" auf die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) und einer damit verbundenen Aufhebung von Leistungen für den Zeitraum 01. April 2009 bis 31. Juli 2009.

Die 1980 geborene Klägerin lebt mit ihrem Ehemann und dem im Jahr 2006 geborenen gemeinsamen Kind in einem Haushalt. Der Ehemann der Klägerin ist selbständiger Versicherungsmakler. Die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen erhielten zuletzt mit Bescheid vom 11. Juni 2009 ergänzende Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die Bewilligung der Leistungen vorläufig erginge. Der Bescheid enthielt den weiteren Zusatz, dass wegen der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin die Leistungen nur vorläufig bewilligt werden können. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid verwiesen. Auch die vorangegangenen Bewilligungsbescheide ergingen mit dem Zusatz der Vorläufigkeit. Auch diese wurden mit der selbständigen Tätigkeit des Ehemannes der Klägerin begründet.

Unter dem 13. Februar 2009 schloss die Klägerin einen Kaufvertrag über einen PKW Kia Ceed 1.4 LX. Ihren alten PKW (Mitsubishi Lancer; BJ. 1993) ließ die Klägerin verschrotten. Mit Bescheid vom 02. April 2009 wurde der Klägerin die Auszahlung einer Prämie (im folgenden Umweltprämie) nach der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen (im Folgenden nur RiLi) von dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuerkannt.

Der von der Klägerin erworbene Neuwagen hat einen Kaufwert in Höhe von 13.380.- Euro. Gebrauchtwagenpreise für einen PKW Kia Ceed 1.4 LX sind nicht ermittelbar. Die einschlägigen Stellen (DAT, Schwacke, ADAC) verwiesen bis zum Tag der mündlichen Verhandlung darauf, dass für den Typ Kia Ceed Bj. 2009 derzeit noch kein Gebrauchtwagenmarkt existiere.

Mit Bescheid vom 24. September 2009 hob die Beklagte die vorläufige Bewilligung für den streitgegenständlichen Zeitraum zum Teil auf. Die Beklagte begründet dies mit der Erzielung von Einkommen durch die Zuwendung von 2.500,- Euro Umweltprämie durch das BAFA.

Der gegen die Aufhebung gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2009 zurückgewiesen.

Mit ihrer am 12. November 2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren weiter. Sie ist der Auffassung, ihr stünden ungekürzte Leistungen, wie bereits mit den vorläufigen Bewilligungsbescheiden gewährt, zu. Sie ist der Meinung, die Umweltprämie dürfe nicht als Einkommen angerechnet werden. Es handele sich viel eher um eine zweckbestimmte Einnahme. Sie behauptet, die Finanzierung des PKW Kia Ceed durch Verkäufe von Lebensversicherungen und private Darlehen ermöglicht zu haben. Die Klägerin begehrt ausdrücklich die Wiederherstellung des Bewilligungszustandes vor der Aufhebung. Sie ist ausdrücklich nicht der Auffassung, dass ihr endgültige Leistungen zustünden. Sie möchte die ihr vorläufig bewilligten Leistungen, ohne Anrechnung der Umweltprämie, weiterhin vorläufig erhalten.

Die Klägerin beantragt:

Den Bescheid der Beklagten vom 24. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 aufzuheben.

Hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die der Klägerin vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit Zuwendungsbescheid vom 02. April 2009 für die Verschrottung des Altfahrzeuges mit der Kfz Idnet-Nr. JMBLNC66APU504547 und den Erwerb des Neufahrzeuges mit der Kfz I-dent-Nr. U5YFF24129L138874 gezahlten Zuschuss in Höhe von 2.500,- Euro als Einkommen auf die Leistungen nach dem SGB II in Bedarfsgemeinschaft anzurechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig.

1. Insbesondere ist die Beklagte beteiligtenfähig im Sinne des § 70 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. auch BSGE 97, 217). Das Bundesverfassungsgericht hat § 44b SGB II zwar als verfassungswidrig und mit Artikel 28 und Artikel 83 Grundgesetz für unvereinbar erklärt (BVerfGE 119, 331), gleichzeitig aber festgestellt, dass die ARGEn nach § 44b SGB II bis zum 31. Dezember 2010 übergangsweise auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig bleiben dürfen.

2. Die Klägerin hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Grundsätzlich sind Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gegen vorläufige Bewilligungsbescheid nur in begrenztem Umfang der gerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. zuletzt LSG Berlin-Brandenburg vom 1. Oktober 2009 L 10 AS 654/09 NZB; Leopold in info also 2008 S. 104 "Die vorläufige Bewilligung von Leistungen im Rahmen des SGB II"). In Rechtsprechung und Literatur herrscht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass vorläufige Bewilligungen sich, im Sinne des § 39 Absatz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), erledigen, wenn und soweit die endgültige Bescheidung vorliegt (vgl. Leopold aaO m. w. N.).

Eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit dem Ziel höhere, endgültige Leistungen zu erhalten ist regelmäßig unzulässig (vgl. LSG Berlin-Brandenburg aaO).

Sinn und Zweck der Vorläufigkeit ist es ja gerade die Behörde in die Situation zu versetzen, dem Bedürftigen Leistungen bewilligen zu können, die sich bei späterer Überprüfung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als unrichtig (zumindest der Höhe nach) herausstellen. Um in solchen Situationen die Bedürftigen nicht gegebenenfalls. ohne Leistungen zu lassen, weil die Behörde fürchten muss aus formalen Gründen etwa zuviel gezahlten Leistungen nicht nach § 45 SGB X zurückfordern zu können, ist es sinnvoll auf eine vorläufige Bewilligung nach § 40 Absatz 1 S. 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch –Arbeitsförderung - (SGB III) zurückzugreifen.

Die Beklagte hat hier auch in rechtlich zutreffender Weise der Klägerin die Leistungen nach § 40 Absatz 1 S. 2 Nr. 1a SGB II i.V.m. § 328 SGB III vorläufig bewilligt.

Nach § 328 Absatz 1 S. 1 Nr. 3 SGB III kann die vorläufige Bewilligung erfolgen, wenn der Anspruch des Hilfebedürftigen dem Grunde nach sicher erscheint und nur in der Höhe, wegen weiterer längerer Ermittlungen, noch nicht fest steht. Die Vorläufigkeit steht, in beiden Fällen (vgl. Leopold aaO), im Ermessen der Beklagten.

Die Beklagte hat hier die Vorläufigkeit ermessensfehlerfrei vorgenommen.

Die Einkommensanrechnung bei Selbständigen kann in der Regel nur auf der Grundlage des Einkommenssteuerbescheides erfolgen. Dieser lag noch nicht vor. Es wäre der Klägerin aber unzumutbar gewesen, wenn diese auf die Vorlage des Einkommenssteuerbescheides, gut ein Jahr, hätte warten müssen. Die Beklagte hat ihr Ermessen pflichtgemäß im Sinne von § 39 Ab-satz 1 S. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch –Allgemeiner Teil – (SGB I) aus zu üben. Ein Ermessensfehler und damit eine Verletzung der Verpflichtung aus § 39 Absatz 1 S. 1 SGB I, liegt regelmäßig in drei Fallkonstellationen vor (vgl. Meyer-Ladewig u.a. SGG 9. Aufl. § 54 Rn. 27 ff.):

1. Ermessensnichtgebrauch; § 39 Absatz 1 S. 1, 1. Variante SGB I (vgl. zu Begriff und Voraussetzungen des Ermessensnichtgebrauchs: von Wulffen SGB X 6. Aufl. § 45 Rn. 92).

2. Ermessensüberschreitung; § 39 Absatz 1 S. 1, 2. Variante SGB I (vgl. zum Begriff: Kasseler Kommentar zum SGB I § 39 Rn 9).

3. Ermessensfehlgebrauch; § 39 Absatz 1 S. 1, 1. Variante SGB I (vgl. zum Begriff: von Wulffen SGB X 6. Aufl. § 45 Rn. 92).

Keiner der vorgenannten Ermessensfehler ist hinsichtlich der vorläufigen Bewilligung der Leistungen für die Klägerin ersichtlich.

Die Beklagte hat erkannt, dass sie Ermessen hat, dieses hat sie auch erkennbar ausgeübt und dabei die Interessen der Klägerin an einer sofortigen (wenn auch vorläufigen) Bewilligung gegenüber den Interessen der Gemeinschaft (welche für die vorläufige Bewilligung zunächst durch Steuermittel aufkommen muss) abgewogen. Hierbei wurden auch ersichtlich keine sachfremden Erwägungen in den Abwägungsprozess einbezogen.

Die Klägerin wendet sich damit gegen die Aufhebung eines vorläufig bewilligten Bescheides. Hinsichtlich dieser Aufhebung sind keine tatsächlichen Unsicherheiten vorhanden auf Grund derer die Beklagte diese Aufhebung ggf. auch nur als vorläufig verstanden haben will. Anders ausgedrückt, die Beklagte hätte selbst wenn die Leistungen der Klägerin schon endgültig gewesen und in der (vorläufig) bewilligten Summe 100 % zutreffend gewesen wären, die Aufhebung wegen der Anrechnung der Umweltprämie vorgenommen. Die Anrechnung der Umweltprämie erfolgte daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Vorläufigkeit. Die Beklagte ist viel eher diesbezüglich der (finalen) Auffassung, dass die Umweltprämie in jedem Fall als Einkommen anrechenbar wäre.

Daher ist die Klage hier auch zulässig. Soweit nämlich die Behörde von endgültigen Entscheidungen ausgeht stellt sich die zuvor erwähnte Problematik der Vorläufigkeit nicht mehr (vgl. dazu auch Leopold aaO).

Daraus folgt aber auch eine eingeschränkte Prüfberechtigung der Kammer. Die Kammer kann die streitgegenständlichen Bescheide nur dahingehend überprüfen, ob die Anrechnung der Umweltprämie als Einkommen rechtlich zulässig war, bzw. ist. Nur diesbezüglich hat die Beklagte den gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bereich (vgl. oben) der Vorläufigkeit verlassen. Im Übrigen bleibt es bei der Vorläufigkeit der Bewilligung, mit der Konsequenz, dass die Kammer diese nicht (weiter als bereits geschehen) überprüfen kann und darf.

II. Die Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Ein Bescheid kann, mit Wirkung für die Vergangenheit, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Voraussetzungen des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zurückgenommen werden, wenn die Rechtswidrigkeit schon bei der Antragsstellung vorlag. Oder unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X, regelmäßig mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der tatsächlichen, oder rechtlichen Gegebenheiten, aufgehoben werden.

1. § 48 SGB X erfasst nur die Fälle der nachträglichen Änderung von Tatsachen oder rechtlichen Umständen (vgl. oben). Nachträglich ist die Veränderung der Tatsachenlage dann, wenn bei dem Erlass des aufzuhebenden Bescheides eine andere Tatsachenlage vorliegt als zur Zeit nach der Bekanntgabe des Bescheides. Als die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum mit Bescheid vom 15. Dezember 2008 erstmalig Leistungen vorläufig bewilligt bekam, war eine spätere Bewilligung der Umweltprämie nicht absehbar, schon weil es dieses Mittel zur damaligen Zeit nicht einmal gab. Die Tatsachenlage hatte sich daher nachträglich geändert, als die Klägerin auf Grund des Zuweisungsbescheides des BAFA die Umweltprämie erhielt.

2. Anders verhält es sich hingegen mit dem Bewilligungsbescheid vom 11. Juni 2009. Zu dieser Zeit hatte die Klägerin die Zuwendung seitens des BAFA schon erhalten. Der Bescheid war daher von Anfang an rechtswidrig und daher nach § 45 SGB X aufzuheben.

3. Unabhängig von der Ermächtigungsgrundlage zur Aufhebung, oder Rücknahme, war die Be-klagte dazu jedoch nicht berechtigt.

Eine Aufhebung, oder Rücknahme käme bei dem von der Kammer festgestellten Sachverhalt nur in Betracht, wenn die Umweltprämie als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II anzurechnen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, so dass die Klägerin weder Einkommen im Sinne de § 48 SGB X erzielt hat, noch die Nichtanrechnung der Umweltprämie als Einkommen bei der Bewilligung vom 11. Juni 2009 von Anfang an rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X war.

a) Einkommen im Sinne des § 48 SGB X ist nach den jeweiligen Leistungsgesetzen individuell zu bestimmen (vgl. von Wulffen SGB X, 6. Aufl. § 48 Rn 25; m. w. N.). Für das SGB II trifft § 11 SGB II die Reglungen was als Einkommen im Sinne des Leistungsrechts zu gelten hat.

Rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X wäre der Bescheid vom 11. Juni 2009 dann, wenn die Klägerin auf Grund von Einkommen einen geringeren Leistungsanspruch gehabt hätte.

Nach § 11 Absatz 1 S. 1 SGB II sind Einnahmen in Geld, oder Geldeswert Einkommen im Sinne des SGB II.

Die Klägerin hat daher mit der Umweltprämie grundsätzlich Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 S. 1 SGB II erzielt.

Das Einkommen im Sinne des § 11 SGB II ist dabei streng vom Vermögen im Sinne des § 12 SGB II zu trennen. Zur Abgrenzung von Vermögen und Einkommen ist darauf abzustellen, wann die Zuwendungen an den Leistungsempfänger fließen. Einkommen ist demnach alles was wertmäßig im laufenden Bezug dem Leistungsempfänger zufließt, Vermögen ist hingegen das, was vor dem Bewilligungszeitraum schon vorhanden war (so Eicher/Spellbrink SGB II 2. Aufl. § 11 Rn 21f. m.w.N.). Die Klägerin hat daher Einkommen und nicht Vermögen im Rechtssinne erzielt.

Diese Einnahme ist aber nach § 11 Absatz 3 Nr. 1 lit. a SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

Von der Berücksichtigung als Einkommen sind nach § 11 Absatz 3 Nr. 1 SGB II ausgenommen, "Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen, ( ) einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen" (sog. "zweckbestimmte Einnahmen"; s. unter aa) " und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären" (sog. "Gerechtfertigkeitsklausel"; s. unter bb).

aa Das SGB II hat den Begriff der Zweckbindung nicht weiter definiert.

Das BSG hat aber den Begriff des "zweckbestimmten Einkommens" in verschiedenen Entscheidungen mittlerweile konkretisiert. Das BSG hat im Urteil vom 06. Dezember 2007 (Az.: B 14/7b AS 16/06) klar gestellt, dass bezüglich der Zweckbindung vom Willen des
Gesetzgebers bezüglich der, der jeweiligen Leistung zu Grunde liegenden Norm auszugehen ist. Es hat weiterhin klar gestellt, dass "Doppelleistungen" zu vermeiden sind. Keine zweckbestimmte Einnahme ist daher eine Einnahme die demselben Zweck dient wie das SGB II.

Die Umweltprämie ist eine zweckgebundene Einnahme, deren Zweck ein anderer ist als der der Leistungen nach dem SGB II. Ausweislich der Nr. 1.1 Satz 1 der RiLi vom 20. Februar 2009, mit Änderungen der Richtlinie vom 17. März 2009 und vom 26. Juni 2009, ist das ausdrückliche und vom Gesetzgeber ausformulierte Ziel der Umweltprämie die Förderung der Verschrottung alter und des Absatzes neuer Personenkraftwagen. Im Satz 2 heißt es weiter, dass dadurch alte PKW mit hohen Emissionen durch neue, sauberere ersetzt würden. Satz 3 stellt schließlich auf einen Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffbelastung der Luft und der Stärkung der Nachfrage ab.

Anders als die Beklagte und das LSG Nordrhein-Westfalen (Az.: L 20 B 59/09 ER) dies meinen kann daraus keine Zweckgleichheit gefolgert werden. Es ist auf den manifestierten Willen des Gesetzgebers abzustellen. Deutlicher als in einer Richtlinie, die nach der Bundeshauhaltsordnung (BHO) ihre Zwecksetzung selbst bestimmen muss, kann der gesetzgeberische Wille nicht zum Ausdruck kommen. Grundlegend für die Schaffung des Instrumentes der Umwelt-prämie war die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Belebung der Konjunktur (insbesondere der angeschlagenen Autobauer) und Umweltschutzaspekte. Insofern ist völlig unbestritten, dass modernere, saubere PKW die Luftqualität verbessern und damit dem Umweltschutz dienen. Dass durch eine Stärkung der Binnennachfrage auch die Kauflust und ggf. Kaufkraft der Bürger erhöht wird, ist ein Annex zur Konjunkturbelebung. Die Bundesregierung wollte aber nicht dem Bürger dazu verhelfen sich ein Auto kaufen zu können. Sie wollte erreichen, dass mehr Autos verkauft werden. Diese Zielsetzung ist, wenn auch nur im Detail, eine völlig andere. Es ist aber gerade die vom Gesetzgeber gewählte Zielsetzung, die im Bereich der
Zweckgebundenheit zu berücksichtigen ist. Die Argumentation, die Kaufkraft der Bürger werde mit der Prämie verbessert und damit ein Bereich abgedeckt wie auch das SGB II ihn abdecken würde (vgl. LSG Nordrhein-Westfahlen aaO), kann daher nicht überzeugen. Dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II durch die Prämie ggf. animiert würden sich neuere PKW zu kaufen ist daher nur ein Nebeneffekt, nicht aber das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Umweltprämie.

Die Umweltprämie ist auch zweckgebunden. Sie wird, zwingend, nur ausgezahlt, wenn der Nachweis erbracht wird, dass ein nach Nr. 4.2 der RiLi erfasstes Altfahrzeug abgewrackt wurde und ein nach Nr. 4.3 gefördertes Neufahrzeug angeschafft wurde (vgl. Nr. 6.1 bis 6.3 der RiLi). Damit werden die vom BSG (B 14/7b AS 16/06) aufgestellten Grundsätze gewahrt. Die Zweckbindung erlaubt es dem Zuwendungsempfänger, schon im Zeitpunkt des Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen für den Erhalt der Zuwendung, nicht, diese (Umweltprämie) für andere Zwecke zu verwenden. Auf Grund der Auszahlungsmodalitäten wäre eine nachträgliche, anderweitige Verwendung zwar möglich, darauf kann es aber nicht ankommen. Dadurch würde nämlich die Schutzrichtung der Nr. 6.3 der RiLi umgangen werden. Durch diese Vorgehensweise wird der Antragssteller nämlich in die Vorleistungspflicht geschickt. Er hat die Zweckbindung zunächst herbeizuführen bevor er die entsprechende Leistung überhaupt erhält. Dies erfolgt vor allem um zu verhindern, dass nach dem Erhalt der Prämie der Reglungszweck der RiLi doch verfehlt würde. Es wäre nämlich möglich, dass ein Altfahrzeug doch nicht verschrottet, oder ein Neufahrzeug doch nicht angeschafft werden würde. Dann würde zwar nach den grundsätzlichen Reglungen der §§ 48, 49 VwVfG und der BHO diese Zuwendungen zurückgefordert werden können, der Gesetzgeber wollte aber bei der Umweltprämie dieses Risi-ko nicht eingehen. Daher wurde der Bürger durch die vorangehende Verschrottung und den vorangehenden Kauf des Neufahrzeuges gezwungen, die später erst auszubezahlende Prämie schon vor deren Erhalt zweckgerichtet zu verwenden. Es kann daher nicht argumentiert werden, dass eine ausbezahlte Prämie später doch für andere Zwecke verwendet werden könnte. Die Prämie ist faktisch ein bloßes Substitut für schon zweckgerichtet getätigte Ausgaben
seitens des Bürgers. Sie darf daher auch nicht anders beurteilt werden.

Dadurch zeigt der Gesetzgeber auch noch einmal im Verfahren zur Gewährung der Umweltprämie, dass es ihm verstärkt darauf ankommt, dass die von ihm gewünschten Zwecke, Kauf eines Neuwagens der gebeutelten Autohersteller und Verschrottung eines alten, umweltschädlicheren PKWs, sicher gestellt werden. Da der Antragssteller nach Nr. 1.2 S. 1 und S. 3 der RiLi keinen Anspruch auf die Prämie hat und diese unter Haushaltsvorbehalt steht, kann dieser sogar in Vorleistung gegangen sein und erhält dann trotzdem keine Prämie. Auch daraus ist erkennbar, welchen Zweck der Gesetzgeber eigentlich verfolgt. Nämlich den oben genannten. Die wirtschaftliche Lage des Bürgers ist allenfalls zweitrangig, wie sich aus der Nr. 1.2 S. 3 der RiLi ergibt.

bb Auch die Gerechtfertigkeitsklausel steht der Nichtberücksichtigung der Umweltprämie nicht entgegen. Leistungen nach dem SGB II sind nach allgemeiner Übung vieler ARGEn dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn die zweckgebundene Einnahme den halben Regelsatz übersteigt. Diese Übung wird im Falle einer einmaligen Prämie in Höhe von 2.500,- Euro auf eine harte Probe gestellt. Es ist dabei nicht überzeugend, wenn ein Vergleich einer einmal gezahlten Prämie für einen PKW, der mehrere Jahre vorhalten soll, mit der Regelleistung eines Monats angestellt werden würde. Selbst die Verteilung über einen Zeitraum von 6 Monaten erscheint hinsichtlich der üblichen Lebensdauer eines Neuwagens keine gerechte Vergleichsgrundlage zu bieten. Üblicherweise verbleibt ein privater PKW mindestens 3 Jahre in einer Familie. Verteilt man die Prämie daher auf 3 Jahre (36 Monate), ergäbe sich ein monatlicher Vorteil in Höhe von rund 70,- Euro. Selbst wenn weiter Berücksichtigung finden würde, dass ggf. ein Kredit in dieser Höhe erspart worden ist, so dass auch der Vorteil der ersparten Zinsen zu berücksichtigen wäre, würde nicht einmal ein Zinssatz von über 100% dazu führen, dass der halbe Regelsatz erreicht werden würde.

Diese interne Handhabung hinsichtlich des halben Regelsatzes hat weder normative Wirkung, noch bindet es die Kammer. Jedoch zeigt sie, dass bei verständiger Betrachtung der Umweltprämie, selbst nach den eigenen, internen Weisungen der ARGEn diese nicht ungerechtfertigt hoch wären.

Es ist weiter zu beachten, dass selbst bei Berücksichtigung der Umweltprämie im Monat des Zuflusses die Konsequenz allenfalls sein dürfte, dass für diesen Monat ein überschießendes Einkommen vorläge und damit die Leistungen ggf. in diesem Monat ungerechtfertigt wären. Bei einer Verteilung über einen längeren Zeitraum hingegen (wofür die Kammer sich hier ent-schieden hat) wäre das o. g. zu berücksichtigen.

Schließlich ist die Situation auch mit der der Eigenheimzulage vergleichbar. Anders als das LSG Nordrhein-Westfahlen dies, bei der von diesem gebotenen summarischen Prüfung, ent-schieden hat, ist die Situation sehr wohl vergleichbar.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des LSG kann die Kammer hinsichtlich Artikel 13 Grundgesetz nicht teilen. Soweit das LSG darauf abstellt, dass ein Haus und ein PKW schon wegen des Artikels 13 GG unterschiedlich behandelt werden müssten, weil die Wohnung den besonderen Schutz des Artikels 13 GG genießt, überdehnt das LSG den Schutzbereich des Artikels 13 GG. Der Schutzbereich umfasst allein die (Un-)Verletzlichkeit der Wohnung im Sinne eines Abwehrrechts (vgl. dazu statt vieler nur Jarass/Pieroth GG, Artikel 13 Rn 1ff.). Nicht aber die Garantie eine Wohnung zu haben. Das Recht auf menschenwürdiges Wohnen kann aus Artikel 1 GG in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 GG abgeleitet werden. Das Recht auf die Errichtung eines Hauses, oder einer Wohnung folgt allenfalls aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 GG, bzw. Artikel 14 GG. Wobei das Bundesverfassungsgericht mehrfach klar gestellt hat, dass es kein Grundrecht dergestalt gibt, welches jedem Menschen das Recht einräumt Eigentümer eines Hauses werden zu können. Wem die finanziellen Mittel trotz aller staatlichen Hilfen feh-len, der muss sich auch auf Miete verweisen lassen.

Da die Eigenheimzulage und die Errichtung eines Eigenheimes nicht unter dem besonderen Schutz des Artikel 13 GG stehen, kann hieraus auch keine Privilegierung der Eigenheimzulage vor der Umweltprämie gefolgert werden (vgl. zur Frage der Eigenheimzulage ausführlich BSG B 4 AS 19/07 R), wie das LSG dies, in Anschauung der nur summarischen Prüfung, ange-nommen hat.

Es ist dem LSG Nordrhein-Westfahlen dahingehend zu folgen, dass mit der Eigenheimzulage eine Investition von erheblichem Wert, auch für das Alter und von nicht unerheblicher Dauer gefördert wird (bzw. wurde, da dieses Mittel abgeschafft worden ist). Die Eigenheimzulage wurde allerdings auch in einem viel größeren Umfang gewährt. Vereinfacht ausgedrückt wurde ein Gegenstand mit einer hohen Lebensdauer, einem hohen finanziellen Wert und einer großen Bedeutung für das Alter durch eine hohe Gesamtsumme gefördert. Im Falle der Umweltprämie wird ein Gegenstand von weniger hoher Lebensdauer, weniger hohem finanziellem Wert und einer weniger hohen Bedeutung für das Alter in einer weniger hohen Summe gefördert. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Neuwagen aber trotzdem eine erheblich lange Zeit bei einer Familie verbleibt und verbleiben soll (vgl. oben), in dieser Zeit eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und außerdem auch die Situation der Empfänger von Leistungen nach dem SGB II auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessert.

Nach § 14 Satz 1 SGB II ist es das erklärte Ziel des SGB II den Arbeitssuchenden bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern. Die weiteren Leistungen (insbesondere nach § 19 SGB II) sollen den Arbeitssuchenden in der Regel nur bei dem Primärziel der Eingliederung flankierend und unterstützend zur Seite stehen. Es ist hierbei anerkannt, dass mobile Arbeitssuchende eine bessere Chance auf Vermittlung haben als immobile. Ein neuer Wagen stellt diese Mobilität deutlich sicherer, verlässlicher und nachhaltiger zur Verfügung als der hier abgewrackte Wagen BJ 1993. Durch den Neuwagen gewinnt daher auch die Vermittelbarkeit des Arbeitssuchenden an Schwung, so dass ein Zweck des § 14 SGB II gerade gefördert wird. Dem würde die Behörde aber entgegenwirken, wenn sie diese positiven Aspekte durch die negativen Aspekte der Berücksichtigung der zweckgebundenen Einnahme (Umweltprämie) abschwächen, wenn nicht sogar völlig aufheben würde.

Unter Berücksichtigung des oben genannten wird daher die Situation der Klägerin durch die Nichtberücksichtigung der Umweltprämie als Einkommen nicht dergestalt verbessert, dass Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt erscheinen würden.

cc Ob die Umweltprämie ggf. eine Art von Surrogat für einen geschützten Vermögensgegenstand (angemessenes Kfz) darstellt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen aaO) kann daher offen bleiben.

b) Die Kammer kann und darf, wegen der Vorläufigkeit der Bewilligung (vgl. oben), andere Aspekte die zu einer Aufhebung oder Rücknahme berechtigen würden hier nicht prüfen. Insbesondere hinsichtlich der Frage des Vermögens der Klägerin, immerhin hat sie einen Vermö-gensgegenstand mit einem nicht unerheblichen Wert erhalten, kann und darf die Kammer keine Feststellungen treffen, da insofern die Bewilligungsbescheide noch dem Vorbehalt der Vorläufigkeit unterfallen. Nur hinsichtlich der Frage der Einkommensqualität der Umweltprämie hat sich die Beklagte, wie dargelegt, abschließend positioniert. Nur hierzu war daher die gerichtliche Überprüfung, auch in materieller Hinsicht möglich. Hilfsargumente, die die Aufhebung, bzw. Rücknahme rechtfertigen würden, darf die Kammer daher nicht berücksichtigen.

Es kommt daher auch nicht darauf an, wie die Klägerin den Neuwagenkauf finanziert hat, obschon die eingereichten Unterlagen die Behauptungen der Klägerin voll stützen. Die Verkäufe der Lebensversicherungen sind nachgewiesen und das Privatdarlehen erscheint glaubhaft. Es kommt weiter nicht darauf an, welchen Wiederverkaufswert der Neuwagen der Klägerin hat. Allgemein beträgt der Wertverlust eines Neuwagens im ersten Jahr jedoch rund 20%. Da dies allerdings nur für die Frage der Höhe des Vermögens von Bedeutung ist, die die Kammer hier aus Rechtsgründen nicht weiter vertiefen kann (vgl. oben), kann auch dies im Ergebnis offen bleiben.

Da die Klägerin auch keine höheren als die ihr (ursprünglich) bewilligten Leistungen erstrebt, hat die Kammer auch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen des SGB II dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 428 Nr. 3 Rn 16ff.). Im Übrigen schließt sich die Kammer jedoch bezüglich dieser Feststellungen und der Feststellungen zur Angemessen-heit der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 136 Absatz 3 SGG den Feststellungen der Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden an und macht diese ausdrücklich zum Gegenstand der Urteilsbegründung.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.

IV. Die Zulassung der Sprungrevision beruht auf § 161 Absatz 2 S. 1, i V. m. § 160 Absatz 2 Nr. 1 SGG, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Auf Grund der Vielzahl der gewährten Um-weltprämien, auch an Empfänger von Leistungen nach dem SGB II und der Ankündigung der zuständigen Verwaltungsstellen entsprechende Anweisungen an die JobCenter zu erteilen, regelmäßig die Umweltprämie als Einkommen zu werten, hat die Rechtsfrage Bedeutung für eine Vielzahl von gleich gelagerten rechtlichen Situationen.
Rechtskraft
Aus
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