L 6 U 1369/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2615/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1369/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27.11.2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um das Vorliegen eines Arbeitsunfalles.

Die im Jahre 1993 geborene Klägerin war seit 2002 Mitglied des beigeladenen Reitervereins. Dieser bot für Kinder Reitstunden zum Preis von EUR 10 an. Am Nachmittag des 02.12.2003 absolvierte die Klägerin eine solche Reitstunde auf dem Gelände des Beigeladenen und dem von diesem gehaltenen Pferd "Hardy". Anschließend führte sie das Pferd in den Stall, wo es abgesattelt und abhalftert wurde. Als sie dem Pferd eine von zu Hause mitgebrachte Mohrrübe füttern wollte, biss ihr dieses in die rechte Hand. Dabei verlor die Klägerin das Endglied des rechten Mittelfingers; darüber hinaus erlitt sie weitere, zwischenzeitlich vernarbte Bissverletzungen an der rechten Hand.

In der Folgezeit machte die Klägerin zunächst gegenüber dem Beigeladenen zivilrechtliche Ansprüche wegen der Folgen des Bisses geltend. Dabei trug die Klägerin vor, es habe im Verein die generelle Anweisung bestanden, das jeweilige Pferd nach dem Beenden des Reitens zu füttern und zu putzen. Der Beigeladene bestritt eine solche Anweisung und machte darüber hinaus geltend, auch die Belohnung des Pferdes mit einer Mohrrübe sei ohne ihren Auftrag erfolgt. Nachdem von Seiten der Haftpflichtversicherung des Beigeladenen auf die Möglichkeit des Vorliegens eines Arbeitsunfalles und eine sich daraus ergebende Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) hingewiesen worden war, wurde das Zivilverfahren mit Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 26.07.2007 gemäß § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ausgesetzt.

Bereits am 23.03.2007 hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung begehrt. Nach Abgabe der Sache an die Beklagte, deren Mitglied das Unternehmen des Beigeladenen war, lehnte diese die Anerkennung des Unfallereignisses vom 02.12.2003 als Arbeitsunfall "und die Gewährung von Entschädigungsleistungen" mit Bescheid vom 31.07.2007 und Widerspruchsbescheid vom 20.09.2007 ab.

Die von der Klägerin am 23.09.2007 erhobene Klage wies das Sozialgericht Konstanz mit Urteil vom 27.11.2008 ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, das Unfallereignis vom 02.12.2003 sei nicht als Arbeitsunfall anzusehen. Die Klägerin sei im Unfallzeitpunkt nicht gesetzlich unfallversichert gewesen. Weder sei sie bei dem Reiterverein beschäftigt gewesen noch liege eine Tätigkeit wie eine Beschäftigte vor. Sofern die Klägerin das Pferd nach dem Absatteln entsprechend einer generellen Anweisung des Vereins geputzt und gefüttert habe, sei dies auf Grund ihrer Pflichten als Vereinsmitglied erfolgt und die Tätigkeit daher nicht gesetzlich unfallversichert. Unabhängig davon unterfalle das "Belohnen" des Pferdes, bei dem sich die Verletzung ereignet habe, als geringfügige Handlung selbst dann nicht der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn dies seinerzeit von den Vereinsmitgliedern erwartet worden sei. Andernfalls fehle es an einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung der Handlung und liege erst recht kein Versicherungsschutz vor. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 28.02.2009 zugestellt.

Am 23.03.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 27.11.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2007 aufzuheben und festzustellen, dass ihr Unfall vom 02.12.2003 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der vom Senat mit Beschluss vom 17.9.2009 einfach zum Verfahren beigeladene Reitverein Ü. e.V. stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Konstanz sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Klägerin erstrebt bei sachdienlicher Auslegung ihres Klage- und Berufungsbegehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Anerkennung eines Arbeitsunfalls "und die Gewährung von Leistungen" ablehnenden Verwaltungsentscheidungen der Beklagten sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalls. Einem auf Gewährung von Entschädigung (z. B. Heilbehandlung, Verletztengeld oder Verletztenrente) gerichteten Leistungs- oder Verpflichtungsantrag kommt angesichts des Umstandes, dass die Beklagte nicht eine bestimmte Entschädigung, sondern "die Gewährung von Leistungen" insgesamt abgelehnt hat, keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. zu alledem BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 12, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).

Die so gefasste Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31.07.2007 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 20.09.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Denn bei dem Unfallereignis vom 02.12.2003 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall, da es nicht infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) eingetreten ist. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil vom 24.11.2008 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Klarstellend weist auch der Senat darauf hin, dass die Gabe einer Mohrrübe nicht als Fütterung des Pferdes, sondern lediglich als Belohnung anzusehen ist. Angesichts der Geringfügigkeit dieser Tätigkeit erscheint bereits fraglich, ob sie - wie für einen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erforderlich (vgl. Franke/Molkentin, SGB VII, 2. Aufl. 2007, RdNr. 212 zu § 2) - einen wirtschaftlichen Wert aufweist. Hierauf kommt es aber im Ergebnis nicht an. Denn die Voraussetzungen für eine Tätigkeit wie ein Versicherter liegen auch im Übrigen nicht vor. Soweit eine Belohnung der Pferde im Verein nach Beendigung einer Reitstunde üblich war bzw. erwartet wurde, ist eine entsprechende Handlung als unversicherte Betätigung aufgrund der Mitgliedschaft der Klägerin im Reiterverein anzusehen. Soweit eine derartige Übung oder Erwartung nicht bestand, fehlt es an einer dem Verein wesentlich dienenden Tätigkeit (vgl. auch zu diesem Erfordernis Franke/Molkentin, a.a.O., RdNr. 213) und an einer hierauf gerchteten Handlungstendenz.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sich dieser nicht durch die Stellung von Anträgen am Verfahren beteiligt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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