L 11 AS 506/09 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AS 1402/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 506/09 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die etwaige Befangenheit des Vorsitzenden der Kammer des Erstgerichts kann im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Verfahrensmangel geltend gemacht werden, wenn am Verhalten des Richters in der mündlichen Verhandlung Anstoss genommen wird, der betroffene Beteiligte aber nach der Erörteung der Sach- und Rechtslage einen Antrag zur Sache gestellt hat
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 30.06.2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

I.
Strittig ist zwischen den Beteiligten die Bewilligung weiterer Bewerbungskosten in Höhe von 185,00 EUR.
Auf den Antrag vom 13.09.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 19.03.2008 Bewerbungskosten in Höhe von 30,00 EUR. Die Klägerin habe zwar am 05.01.2008 Aufwendungen für 43 Bewerbungen geltend gemacht, jedoch nur sechs Bewerbungen nachgewiesen. Den Widerspruch wies sie mit der Begründung zurück, in den Unterlagen für 37 Bewerbungen hätten individuelle Anschreiben bzw. die Antworten der Arbeitgeber gefehlt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte berücksichtige nicht, dass sich die Bewerbungsmodalitäten komplett geändert hätten und daher der schriftliche Nachweis eines Erstkontakts nicht möglich sei. Dennoch würden für solche Kontakte Kosten anfallen.
Das Sozialgericht hat die Klage auf Bewilligung weiterer Bewerbungskosten in Höhe von 185,00 EUR nach mündlicher Verhandlung, in der die Klägerin persönlich erschienen war, mit der Begründung abgewiesen, Fehler in der von der Beklagten gemäß § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm §§ 45 Satz 2 Nr 1, 46 Abs 1 SGB III getroffenen Ermessensentscheidung sei nicht erkennbar. Es sei bereits zweifelhaft, ob bei der von der Klägerin beschriebenen Art der Bewerbung (per Email/Telefon) überhaupt die Voraussetzungen des § 45 Satz 2 Nr 1 SGB III vorlägen; jedenfalls dürften die gewährten 30,00 EUR problemlos die Gesamtkosten für alle 43 Fälle abgedeckt haben.
Die am 10.07.2009 zugestellte Ausfertigung des Urteils vom 30.06.2009 hat die Klägerin am 27.07.2009 an das Landessozialgericht gesandt und mitgeteilt, sie lehne die Entscheidung ab. Ihr Begehren sei vom Richter in der mündlichen Verhandlung vor zehn Leuten ins Lächerliche gezogen worden, so dass ihr Ansehen ruiniert worden sei. Dies verstoße gegen das Grundgesetz.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Akte des Sozialgerichts Nürnberg sowie der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.
Der Senat hat über eine Nichtzulassungsbeschwerde zu entscheiden. Weil die Klägerin deutlich gemacht hat, mit dem Urteil nicht einverstanden zu sein, ist ihr Schreiben vom 27.07.2009 dahin auszulegen, dass sie ein statthaftes Rechtsmittel einlegen wollte. Hierfür kommt allein die Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht, worüber sie auch in der Rechtsmittelbelehrung unterrichtet worden ist.
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet.
Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen.
Nach § 144 Abs 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Das Sozialgericht ist nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung abgewichen. Auch eine grundsätzliche Bedeutung hat die Klägerin nicht geltend gemacht; ihre Beschwerdeschrift kann allenfalls im Sinne der Geltendmachung eines Verfahrensmangels gedeutet werden.
Das Urteil des Sozialgerichts leidet nicht an einem Verfahrensmangel. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, so dass es nicht um die Richtigkeit der Entscheidung gehen kann, sondern lediglich um das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil. Dabei kann nur ein der Beurteilung des Landessozialgerichts unterliegender Verfahrensmangel zur Zulassung führen. Nicht der Beurteilung des Landessozialgerichts unterliegt ein Mangel, bei dem Heilung eingetreten ist. Gemäß § 202 SGG iVm § 295 ZPO kann die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn der Beteiligte auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet, oder wenn er bei der nächsten mündlichen Verhandlung, die aufgrund des betreffenden Verfahrens stattgefunden hat oder in der darauf Bezug genommen ist, den Mangel nicht gerügt hat, obgleich er erschienen und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste. Unter der "nächsten" mündlichen Verhandlung ist nicht notwendig ein neuer Termin zu verstehen; vielmehr genügt ein Verfahrensabschnitt, der sich innerhalb der mündlichen Verhandlung an jenen Verfahrensabschnitt anschließt, in dem der geltend gemachte Verfahrensmangel geschehen sein soll (BSG SozR 3-1500 § 61 Nr 1 mwN).
Mit ihrer Behauptung, der Vorsitzende Richter habe ihr Begehren in der mündlichen Verhandlung lächerlich gemacht, bringt die Klägerin zum Ausdruck, der Richter habe sich unsachlich geäußert. Dies kann einen Befangenheitsgrund darstellen, der allerdings rechtzeitig geltend zu machen ist. Gemäß § 202 SGG iVm § 43 ZPO kann ein Beteiligter einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9.Aufl, § 60 Rdnr 11a mwN). Wer Vertrauen in die Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters bekundet, kann nicht im nachhinein das Ergebnis der sachlichen Befassung beseitigen.
Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2009 ist die Sach- und Rechtslage mit der Klägerin eingehend erörtert worden. Abschließend hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere Bewerbungskosten in Höhe von 185,00 EUR zu bewilligen, ohne die jetzt vorgetragenen, angeblich während der Erörterung entstandenen Bedenken geltend zu machen. Die Klägerin hat daher mit ihrer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung ein Ablehnungsrecht verloren. Vor diesem Hintergrund kann die etwaige Befangenheit des Richters der ersten Instanz auch in der Beschwerdeinstanz nicht mehr gerügt werden.
Aus diesen Gründen war die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Nach § 145 Abs 4 SGG wird das Urteil mit der Ablehnung der Beschwerde rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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