L 10 AL 372/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 124/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 372/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein für eine Fortsetzungsfeststellungsklage vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Es kommt damit in Betracht bei Präjudiziabilität, bei einem Schadens- und Rehabilitationsinteresse sowie Wiederholungsgefahr. Ausreichend ist, dass der Kläger entsprechende Tatsachen vorträgt, ohne dass große Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind. Der Rechtssuchende hat lediglich darzulegen, welche der oben genannten Umstände sein Feststellungsinteresse begründen (vgl BSG 7.Senat vom 28.08.2007, Az. B 7/7a AL 16/06 R).
2. In einem nur vom Bevollmächtigten gegen seine Zurückweisung im Widerspruchsverfahren geführten Rechtsstreit ist eine Kostenentscheidung nicht nach § 193 SGG, sondern nach § 197a SGG zu treffen und Gebühren nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben (vgl LSG Baden-Württemberg 13.Senat vom 03.01.2007, Az. L 13 AL 4889/05 W-B).
3. Auf eine Berufung in der Hauptsache ist auch die Kostenentscheidung des Erstgerichts zu überprüfen; diese kann geändert werden, auch wenn es zu Lasten des Berufungsführers bei der Entscheidung in der Hauptsache bleibt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 9.Aufl. 2008, § 193 Rdnr 16).
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.10.2007 in Punkt II aufgehoben. Im Übrigen wird zu Berufung zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zurückweisung des Klägers als Bevollmächtigter und Beistand im Widerspruchsverfahren der S. H. (H) gegen die Beklagte.

Der 1968 geborene Kläger zeigte sich im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 09.01.2006 bei der Beklagten unter Vorlage einer auf ihn persönlich lautenden Vollmacht im Widerspruchsverfahren der H an. Dabei erklärte er, als Mitglied der S. Arbeitslosen Initiative (S.) die H und weitere Arbeitslose vertreten zu wollen.

Am 10.01.2006 nahm der Kläger in Begleitung der H in den Räumen der Agentur für Arbeit A-Stadt Akteneinsicht in die von der Beklagten geführten Akten der H. Am 12.01.2006 und 17.01.2006 fanden weitere Vorsprachen des Klägers statt.

Nach einer Anhörung wies die Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2006 den Kläger als Bevollmächtigten und Beistand der H zurück. Nach § 13 Abs 5 SGB X seien Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie nicht befugt seien, geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen. Das Handeln des Klägers sei ein auf Wiederholung gerichtetes Tätigwerden gewesen. Bei der Vorsprache am 10.01.2006 habe er sich wiederholt nach dem Ersatz seiner Kosten erkundigt, es sei deshalb davon auszugehen, dass er die Vertretungstätigkeit gewerblich ausüben wolle. Es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn der Kläger als Mitglied einer Selbsthilfeorganisation Arbeitslose beim Gang zur Arbeitsagentur begleiten würde, soweit dabei im Vordergrund die soziale Beratung und Herabsetzung von Zugangsschwellen im Vordergrund stünden. Die Grenze zur Rechtsberatung und -besorgung sei aber dann überschritten, wenn geschäftsmäßig Arbeitslose vertreten würden. Die Voraussetzungen der §§ 73 Abs 6 Satz 1 SGG iVm 157 ZPO seien nicht gegeben. Aus der Satzung der S. e.V. ergebe sich weder, dass dieser Verein eine Rechtsbeistandschaft seiner Mitglieder übernehme, noch wie diese Rechtsvertretung organisatorisch geregelt sei.

Den hiergegen am 17.02.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2006 zurück.

Ab dem 14.02.2006 wurde H von der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Das Widerspruchsverfahren der H wurde mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.2006 abgeschlossen.

Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 20.02.2006 hat der Kläger am 20.03.2006 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.

Mit Urteil vom 17.10.2007 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen. Es bestünde kein Feststellungsinteresse des Klägers bezüglich der Vertretung der H im Widerspruchsverfahren mehr. Zum einen sei diese bereits im Widerspruchsverfahren vom DGB vertreten worden, zum anderen sei dieses Widerspruchsverfahren bereits abgeschlossen. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben. Außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten.

Hiergegen hat der Kläger am 11.12.2007 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Eine Berufungsbegründung hat der Kläger nicht vorgelegt. Im Erörterungstermin vom 16.06.2008 hat der Kläger erklärt, er habe seine Beistandschaft zurückgezogen, nachdem diese von Herrn G. - Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit A-Stadt - in Frage gestellt worden sei. Am 17.01.2006 habe der Direktor der Agentur für Arbeit S. mitgeteilt, dass der Kläger als Beistand tätig sein könne. Auf eine im Erörterungstermin vom 16.06.2008 gesetzte Frist zur Berufungsbegründung hat der Kläger auch nach einer Erinnerung mit Schreiben des Gerichts vom 07.07.2009 nicht reagiert.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.10.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2006 aufzuheben und festzustellen, dass die Zurückweisung des Klägers als Bevollmächtigter oder Beistand im Widerspruchsverfahren der H rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.10.2007 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Beklagtenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Der Senat konnte entscheiden, obwohl der Kläger zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Der Kläger war zum Termin ordnungsgemäß geladen und wurde in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch im Falle seines Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig verworfen.

Die am 20.03.2006 erhobene Anfechtungsklage war zunächst zulässig. Sie hat sich jedoch durch den Abschluss des Widerspruchsverfahrens der H am 02.06.2006 erledigt.

Hat sich der Verwaltungsakt vor dem Urteil durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (Fortsetzungsfeststellungsklage § 131 Abs 1 Satz 3 SGG).

Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes ist wie das berechtigte Interesse bei der allgemeinen Feststellungsklage zu behandeln (vgl BSG 7.Senat vom 28.08.2007, Az. B 7/7a AL 16/06 R) und ist damit Zulässigkeitsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage. Ein für diese Feststellung vorausgesetztes schutzwürdiges Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art sein. Es kommt damit in Betracht bei Präjudiziabilität, d.h. wenn die Entscheidung in einem anderen Rechtsstreit von Bedeutung sein kann; bei einem Schadensinteresse, Rehabilitationsinteresse sowie Wiederholungsgefahr (vgl BSG 7.Senat aaO.)

Ausreichend ist, dass der Kläger entsprechende Tatsachen vorträgt, ohne dass große Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind. Der Rechtssuchende hat lediglich darzulegen, welche der oben genannten Umstände sein Feststellungsinteresse begründen (vgl BSG 7.Senat aaO mwN).

Vorliegend hat der Kläger weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren im Ansatz dargelegt, welches berechtigte Interesse er an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides haben könnte. Weder das Klageverfahren noch das Berufungsverfahren sind vom Kläger - auch nach weiterer Fristsetzung und Mahnung - begründet worden. Der Kläger hat somit seiner - wenn auch herabgesetzten -Substantiierungspflicht - in keiner Weise Genüge getan. Nachdem H noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens die Bevollmächtigung beendete, ist ein solches Interesse auch nicht zu erkennen.

Das SG hat die Klage somit zu Recht als unzulässig verworfen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VWGO). Danach hat der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen. Entgegen der Auffassung des SG war eine Kostenentscheidung nicht nach § 193 SGG, sondern nach § 197a SGG zu treffen; weder der Kläger noch die Beklagte gehören zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. In einem nur vom Bevollmächtigten gegen seine Zurückweisung im Widerspruchsverfahren geführten Rechtsstreit sind Gebühren nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) zu erheben (vgl LSG Baden-Württemberg 13.Senat vom 03.01.2007, Az. L 13 AL 4889/05 W-B).

Auf die Berufung in der Hauptsache war auch die Kostenentscheidung zu überprüfen; diese kann geändert werden, auch wenn es bei der Entscheidung in der Hauptsache bleibt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 9.Aufl. 2008, § 193 Rdnr 16). Das Urteil des SG war damit in Punkt II seiner Entscheidung aufzuheben und es waren dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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