Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 261/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 344/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Betriebsprüfung - Beitragsnachforderung - einsweiliger Rechtsschutz - Herstellen der aufschiebenden Wirkung - Kostenfreiheit
zur Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegegen Beitragsforderungen nach Betriebsprüfung
zur Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels gegegen Beitragsforderungen nach Betriebsprüfung
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.08.2009 in Ziffer II dahingehend abgeändert, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Bayreuth aufgehoben.
III. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Mitgliedschaft in und Beitragspflicht zu den Antragsgegnerinnen.
Die 1973 geborene Antragstellerin (Ast.) ist die Tochter der Eheleute H. und C. A ... Diese waren Inhaber eines Pferdebetriebes in A-Stadt. Zusammen mit ihrem Vater gründete die Ast. zum 01.07.1992 die "H. A. Gesellschaft Bürgerlichen Rechts", an welcher sie 20% und ihr Vater 80% Anteile hatte und die zum Zweck die Bewirtschaftung der ca 280 ha großen nach dem Fall der Mauer erworbenen Landwirtschaft in B./Thüringen hatte. Die Ast. durchlief vom 01.08.1993 bis 31.07.1995 eine Ausbildung zur Pferdewirtin, während welcher sie bei der AOK krankenversichert war sowie daran anschließend bis 31.07.1997 eine weitere Ausbildung zur Industriekauffrau bei der in A-Stadt gelegenen Firma H. GmbH ihres Vaters. Dort ist die Ast. noch immer beschäftigt. Wegen des Vorranges der Beschäftigungen als Auszubildende sowie der anschließenden Berufsausübung blieb die Ast. gesetzlich Krankenversicherte der AOK, der BKK C. sowie zuletzt der mh plus BKK. Der entsprechende letzte Bescheid zur Vorrangversicherung datiert vom 10.11.2004.
Nach dem Tod des H. A. im März 2005 wurde seine Ehefrau C. gemäß Handelsregistereintrag vom 09.09.2005 alleinige Geschäftsführerin und Gesellschafterin der H. GmbH, während der 80%-Anteil der A. GbR der Ast. zufiel.
Mit Bescheid vom 26.03.2009/Widerspruchsbescheid vom 07.09.2009 stellten die Antragsgegnerinnen (Ag.) fest, dass ab 01.05.2009 wegen landwirtschaftlicher Unternehmerschaft Versicherungspflicht der Ast. bei ihnen bestehe.
Dagegen hat die Ast. Widerspruch und Klage erhoben und zugleich vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie sei weiterhin hauptberuflich Beschäftigte der H. GmbH, die Inhaberschaft der A. GbR trete dahinter zurück, wie ein Einkommensvergleich anhand der aktuellen Steuerbescheide ergebe. Sie sei als einzige mit den Büroangelegenheiten der H. GmbH vertraut, was ihre ganze Arbeitskraft in Anspruch nehme. Dahinter trete die nur gelegentlich aufgesuchte und rund 50 km entfernt gelegene Landwirtschaft zurück. Die Ag. haben erwidert, die Ast. betreibe eine umfangreiche Landwirtschaft, was sich aus der Betriebsgröße sowie dem Erhalt von Fördermitteln iHv 110.000 EUR ergebe.
Das SG hat das Klageverfahren ausgesetzt und den Antrag mit Beschluss vom 17.08.2009 abgewiesen. Zur Begründung des Beschlusses hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, in Beitragssachen sei die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ausgeschlossen, Gründe davon abzuweichen seien nicht erkennbar. Der Bescheid sei nicht offenbar rechtswidrig. Die Ast. vermenge Entscheidungen zur landwirtschaftlichen Alterskasse mit denen der landwirtschaftlichen Krankenkasse. Die in B. gelegene Landwirtschaft der Ast. überschreite die Mindestgröße, so dass per Gesetz Versicherungspflicht bei den Ag. eingetreten sei. Die Höhe der Einkünfte seien unbeachtlich. Zudem beschäftige die Ast. auf landwirtschaftliche Arbeitnehmer. Sie habe 2008 landwirtschaftliche Fördermittel von über 110.000 EUR erhalten. Nachteile aus der Mitgliedschaft seien nicht erkennbar, zumal die Ag. am 01.07.2009 verbindlich erklärt hätten, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens vom Beitragseinzug abzusehen.
Dagegen hat die Ast. Beschwerde eingelegt und zur Begründung wiederholend vorgebracht, die Landwirtschaft in B. werde extensiv von Arbeitnehmern und Fremdfirmen bewirtschaftet, wobei sie selbst kaum vor Ort sei. Ihre Tätigkeit bestehe in einer vorrangigen Beschäftigung bei der H. GmbH und in Bezug auf die Landwirtschaft in einer Art Vermögensverwaltung, so dass sie nicht landwirtschaftliche Unternehmerin sei. Der wirtschaftliche und zeitliche Aufwand der landwirtschaftlichen Tätigkeiten trete hinter den wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand der Hauptbeschäftigung weit zurück. Die bisherige Krankenkasse habe nicht ihr Einverständnis mit der Vorrangversicherung der Ag. erklärt, diese sei zudem beizuladen. Die Kostenentscheidung des SG sei unzutreffend, weil die Ast. prozessual als Versicherte und nicht als Unternehmerin tätig werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.08.2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2009 herzustellen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Gegen die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts vom 17.08.2009 hat die Ast. Erinnerung eingelegt. Sie nehme als Versicherte und nicht als Unternehmerin gerichtliche Hilfe in Anspruch und zähle damit zum kostenprivilegierten Personenkreis.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nur hinsichtlich der Kostenentscheidung begründet. In der Folge ist auch der Streitwertbeschluss vom 17.08.2009 aufzuheben.
1.
Mit dem streitigen Bescheid vom 26.03.2009 haben die Ag. festgestellt, dass die Ast. in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse als Unternehmerin versicherungspflichtig ist. Diese Entscheidung begegnet keinen Bedenken, die ein Abweichen von der grundsätzlichen Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden
(§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG) rechtfertigen könnten. Zudem ist eine Härte aus dem Sofortvollzug nicht erkennbar.
Bei gesetzlichem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches gegen einen Beitragspflichtbescheid gemäß § 86a Abs.2 Nr.1 SGG - wie vorliegend - kann die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise von Gerichts wegen angeordnet werden, § 86 Abs.1 Nr.2 SGG. Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes steht im Ermessen des Gerichts ("kann") und erfordert eine Interessensabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange bei Gewährung oder Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes sowie eine Abschätzung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung wäre z.B. anzunehmen, falls sich ohne weiteres und in jeder vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkenne ließe, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinen Erfolg verspricht (BT-Drs. 14/5943 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht NJW 1974, 1294).
Im Rahmen der für das Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ergibt sich, dass die Ag. den angefochtenen Bescheid als zuständige Behörde formell, verfahrensmäßig und auf die Rechtsprechung des BSG gestützt zutreffend erlassen hat. Mit dem Übergang des ursprünglich ihrem Vater gehörenden 80%-Anteil an der H. A. Gesellschaft Bürgerlichen Rechts auf die Ast. ist diese Alleininhaberin und entsprechend dem Gesellschaftsvertrag vom 30.06.1992 auch Alleinbetreiberin des landwirtschaftlichen Anwesens in 98673 B./Thüringen geworden. Damit ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die dem letzten Vorrangsversicherungs-Bescheid der Ag. vom 10.11.2004 zu Grunde gelegen hatten. Die Ag. waren deshalb gem. § 48 Abs 1 SGB X berechtigt und verpflichtet, mit dem strittigen Bescheid mit Wirkung ab 01.05.2009 - also mit Wirkung für die Zukunft - die geänderte Beitragspflicht festzustellen. Eventuelle Verfahrensmängel in Form von fehlender vorheriger Anhörung sind im Laufe des Widerspruchsverfahrens geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Ohne Zweifel ist die Ast. als Alleininhaberin und -betreiberin des Anwesens in B. landwirtschaftliche Unternehmerin iSd § 2 Abs. 1 Nr 1 KVLG 1989. Sie ist Arbeitgeberin der dortigen Beschäftigten, erzielt - positive oder negative - Einkünfte aus dieser Landwirtschaft und erhält für deren Betreib unbestritten landwirtschaftliche Fördermittel von zuletzt sechsstelliger Höhe pro Jahr. Mit einer Fläche von 279,47 ha und einem Hektarwert von 856,98 überschreitet die Landwirtschaft zudem die gesetzlichen Grenzwertgrößen deutlich.
Es ist entgegen der Auffassung der Ast. im vorliegenden Verfahren auch kein Fortbestand der Vorrangversicherung wegen einer anderweitigen Beschäftigung erkennbar. Aus der Internetpräsenz der H. GmbH ergibt sich, dass in B. eine Deutsch-Angus-Mutterkuhherde bewirtschaftet wird bestehend aus 125 Muttertieren, den Nachzuchtkälbern sowie gekürten Zuchtbullen. Verkauft wird Angus-Fleisch an Privat- und Geschäftskunden. An gleicher Stelle wird in B. als Ergänzung zur Pferdehaltung in A-Stadt eine Aufzucht von Hengstanwärtern, Junghengsten und Stutfohlen auf 100 ha Wechselweiden beschrieben. Daraus, aus der Höhe der Jahresförderung sowie aus der Gesamtwirtschaftsfläche ergibt sich, dass die Ast. die entsprechende Bewirtschaftung nur mit erheblichem persönlichen und zeitlichen Aufwand betreiben kann, der hinter dem einer abhängigen Beschäftigung zurücktreten müsste. Hinzukommt, dass auf der Homepage der H. GmbH Werbung für das Gestüt und die Zucht in B. betrieben wird und als Kontaktadresse gestuet.g.@h. angegeben ist. Daraus entnimmt der Senat, dass die Ast. auch während ihrer Bürotätigkeit für die H. GmbH ohne weiteres Geschäfte des Gestüts sowie des Zuchtbetriebs in B. wahrnimmt. Dies entspricht auch der typischen Tätigkeit in einem Familienverbund von Mutter und Tochter, wobei besonderes Gewicht auf die Allein-Inhaberschaft und -Geschäftsführerstellung der Mutter der Ast. zu legen ist.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist zusammenfassend kein Grund ersichtlich, von der grundsätzlichen Regelung der sofortigen Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden (§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG) abzuweichen. Die Ast hat darüber hinaus auch im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, inwieweit ihr durch die Beitragspflicht zu den Ag. eine wirtschaftliche Notlage entstehen könnte, die nur durch die Aussetzung der Vollziehung zu verhindern wäre. Dies gilt umso mehr als im Falle der Beitragspflicht zur bisherigen Krankenkasse ein Beitragsausgleich ohne weiteres durchzuführen wäre.
Wegen der Eilbedürftigkeit im vorliegenden Verfahren und aus dem Gedanken der Kostenminderungspflicht hat der Senat von einer Beiladung der bisherigen Krankenkasse der Ast. abgesehen.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 SGG. Die Ast. macht vorliegend geltend, nicht (landwirtschaftliche) Unternehmerin, sondern beitragspflichtige Beschäftigte zu sein. Es liegt also eine Rechtsstreitigkeit einer Versicherten vor. In der Folge ist § 183 SGG anzuwenden, selbst wenn im Ergebnis die Klägerin als Unternehmerin anzusehen ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., Rdn 5a zu § 183). Andernfalls könnte der gesetzlichen Gerichtskostenfreiheit für Versicherte nicht ausreichend Geltung verschafft werden. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ist deshalb aufzuheben und zu entscheiden, dass im gesamten Verfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Damit erweist sich gleichzeitig das Rechtsmittel der Ast. gegen den Streitwertbeschluss des SG als begründet. Insoweit ergeht die Entscheidung gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs 3 GKG.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet, § 177 SGG, § 68 Abs 1 S 3 GKG iVm § 66 Abs 3 S 3 GKG.
II. Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Streitwertbeschluss des Sozialgerichts Bayreuth aufgehoben.
III. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die Mitgliedschaft in und Beitragspflicht zu den Antragsgegnerinnen.
Die 1973 geborene Antragstellerin (Ast.) ist die Tochter der Eheleute H. und C. A ... Diese waren Inhaber eines Pferdebetriebes in A-Stadt. Zusammen mit ihrem Vater gründete die Ast. zum 01.07.1992 die "H. A. Gesellschaft Bürgerlichen Rechts", an welcher sie 20% und ihr Vater 80% Anteile hatte und die zum Zweck die Bewirtschaftung der ca 280 ha großen nach dem Fall der Mauer erworbenen Landwirtschaft in B./Thüringen hatte. Die Ast. durchlief vom 01.08.1993 bis 31.07.1995 eine Ausbildung zur Pferdewirtin, während welcher sie bei der AOK krankenversichert war sowie daran anschließend bis 31.07.1997 eine weitere Ausbildung zur Industriekauffrau bei der in A-Stadt gelegenen Firma H. GmbH ihres Vaters. Dort ist die Ast. noch immer beschäftigt. Wegen des Vorranges der Beschäftigungen als Auszubildende sowie der anschließenden Berufsausübung blieb die Ast. gesetzlich Krankenversicherte der AOK, der BKK C. sowie zuletzt der mh plus BKK. Der entsprechende letzte Bescheid zur Vorrangversicherung datiert vom 10.11.2004.
Nach dem Tod des H. A. im März 2005 wurde seine Ehefrau C. gemäß Handelsregistereintrag vom 09.09.2005 alleinige Geschäftsführerin und Gesellschafterin der H. GmbH, während der 80%-Anteil der A. GbR der Ast. zufiel.
Mit Bescheid vom 26.03.2009/Widerspruchsbescheid vom 07.09.2009 stellten die Antragsgegnerinnen (Ag.) fest, dass ab 01.05.2009 wegen landwirtschaftlicher Unternehmerschaft Versicherungspflicht der Ast. bei ihnen bestehe.
Dagegen hat die Ast. Widerspruch und Klage erhoben und zugleich vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Wege einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie sei weiterhin hauptberuflich Beschäftigte der H. GmbH, die Inhaberschaft der A. GbR trete dahinter zurück, wie ein Einkommensvergleich anhand der aktuellen Steuerbescheide ergebe. Sie sei als einzige mit den Büroangelegenheiten der H. GmbH vertraut, was ihre ganze Arbeitskraft in Anspruch nehme. Dahinter trete die nur gelegentlich aufgesuchte und rund 50 km entfernt gelegene Landwirtschaft zurück. Die Ag. haben erwidert, die Ast. betreibe eine umfangreiche Landwirtschaft, was sich aus der Betriebsgröße sowie dem Erhalt von Fördermitteln iHv 110.000 EUR ergebe.
Das SG hat das Klageverfahren ausgesetzt und den Antrag mit Beschluss vom 17.08.2009 abgewiesen. Zur Begründung des Beschlusses hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, in Beitragssachen sei die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ausgeschlossen, Gründe davon abzuweichen seien nicht erkennbar. Der Bescheid sei nicht offenbar rechtswidrig. Die Ast. vermenge Entscheidungen zur landwirtschaftlichen Alterskasse mit denen der landwirtschaftlichen Krankenkasse. Die in B. gelegene Landwirtschaft der Ast. überschreite die Mindestgröße, so dass per Gesetz Versicherungspflicht bei den Ag. eingetreten sei. Die Höhe der Einkünfte seien unbeachtlich. Zudem beschäftige die Ast. auf landwirtschaftliche Arbeitnehmer. Sie habe 2008 landwirtschaftliche Fördermittel von über 110.000 EUR erhalten. Nachteile aus der Mitgliedschaft seien nicht erkennbar, zumal die Ag. am 01.07.2009 verbindlich erklärt hätten, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens vom Beitragseinzug abzusehen.
Dagegen hat die Ast. Beschwerde eingelegt und zur Begründung wiederholend vorgebracht, die Landwirtschaft in B. werde extensiv von Arbeitnehmern und Fremdfirmen bewirtschaftet, wobei sie selbst kaum vor Ort sei. Ihre Tätigkeit bestehe in einer vorrangigen Beschäftigung bei der H. GmbH und in Bezug auf die Landwirtschaft in einer Art Vermögensverwaltung, so dass sie nicht landwirtschaftliche Unternehmerin sei. Der wirtschaftliche und zeitliche Aufwand der landwirtschaftlichen Tätigkeiten trete hinter den wirtschaftlichen und zeitlichen Aufwand der Hauptbeschäftigung weit zurück. Die bisherige Krankenkasse habe nicht ihr Einverständnis mit der Vorrangversicherung der Ag. erklärt, diese sei zudem beizuladen. Die Kostenentscheidung des SG sei unzutreffend, weil die Ast. prozessual als Versicherte und nicht als Unternehmerin tätig werde.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.08.2009 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerinnen vom 26.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2009 herzustellen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Gegen die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts vom 17.08.2009 hat die Ast. Erinnerung eingelegt. Sie nehme als Versicherte und nicht als Unternehmerin gerichtliche Hilfe in Anspruch und zähle damit zum kostenprivilegierten Personenkreis.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nur hinsichtlich der Kostenentscheidung begründet. In der Folge ist auch der Streitwertbeschluss vom 17.08.2009 aufzuheben.
1.
Mit dem streitigen Bescheid vom 26.03.2009 haben die Ag. festgestellt, dass die Ast. in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse als Unternehmerin versicherungspflichtig ist. Diese Entscheidung begegnet keinen Bedenken, die ein Abweichen von der grundsätzlichen Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden
(§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG) rechtfertigen könnten. Zudem ist eine Härte aus dem Sofortvollzug nicht erkennbar.
Bei gesetzlichem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches gegen einen Beitragspflichtbescheid gemäß § 86a Abs.2 Nr.1 SGG - wie vorliegend - kann die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise von Gerichts wegen angeordnet werden, § 86 Abs.1 Nr.2 SGG. Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes steht im Ermessen des Gerichts ("kann") und erfordert eine Interessensabwägung der relevanten öffentlichen und privaten Belange bei Gewährung oder Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes sowie eine Abschätzung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung wäre z.B. anzunehmen, falls sich ohne weiteres und in jeder vernünftigen Zweifel ausschließenden Weise erkenne ließe, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Rechtsverfolgung des Bürgers keinen Erfolg verspricht (BT-Drs. 14/5943 unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht NJW 1974, 1294).
Im Rahmen der für das Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ergibt sich, dass die Ag. den angefochtenen Bescheid als zuständige Behörde formell, verfahrensmäßig und auf die Rechtsprechung des BSG gestützt zutreffend erlassen hat. Mit dem Übergang des ursprünglich ihrem Vater gehörenden 80%-Anteil an der H. A. Gesellschaft Bürgerlichen Rechts auf die Ast. ist diese Alleininhaberin und entsprechend dem Gesellschaftsvertrag vom 30.06.1992 auch Alleinbetreiberin des landwirtschaftlichen Anwesens in 98673 B./Thüringen geworden. Damit ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die dem letzten Vorrangsversicherungs-Bescheid der Ag. vom 10.11.2004 zu Grunde gelegen hatten. Die Ag. waren deshalb gem. § 48 Abs 1 SGB X berechtigt und verpflichtet, mit dem strittigen Bescheid mit Wirkung ab 01.05.2009 - also mit Wirkung für die Zukunft - die geänderte Beitragspflicht festzustellen. Eventuelle Verfahrensmängel in Form von fehlender vorheriger Anhörung sind im Laufe des Widerspruchsverfahrens geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Ohne Zweifel ist die Ast. als Alleininhaberin und -betreiberin des Anwesens in B. landwirtschaftliche Unternehmerin iSd § 2 Abs. 1 Nr 1 KVLG 1989. Sie ist Arbeitgeberin der dortigen Beschäftigten, erzielt - positive oder negative - Einkünfte aus dieser Landwirtschaft und erhält für deren Betreib unbestritten landwirtschaftliche Fördermittel von zuletzt sechsstelliger Höhe pro Jahr. Mit einer Fläche von 279,47 ha und einem Hektarwert von 856,98 überschreitet die Landwirtschaft zudem die gesetzlichen Grenzwertgrößen deutlich.
Es ist entgegen der Auffassung der Ast. im vorliegenden Verfahren auch kein Fortbestand der Vorrangversicherung wegen einer anderweitigen Beschäftigung erkennbar. Aus der Internetpräsenz der H. GmbH ergibt sich, dass in B. eine Deutsch-Angus-Mutterkuhherde bewirtschaftet wird bestehend aus 125 Muttertieren, den Nachzuchtkälbern sowie gekürten Zuchtbullen. Verkauft wird Angus-Fleisch an Privat- und Geschäftskunden. An gleicher Stelle wird in B. als Ergänzung zur Pferdehaltung in A-Stadt eine Aufzucht von Hengstanwärtern, Junghengsten und Stutfohlen auf 100 ha Wechselweiden beschrieben. Daraus, aus der Höhe der Jahresförderung sowie aus der Gesamtwirtschaftsfläche ergibt sich, dass die Ast. die entsprechende Bewirtschaftung nur mit erheblichem persönlichen und zeitlichen Aufwand betreiben kann, der hinter dem einer abhängigen Beschäftigung zurücktreten müsste. Hinzukommt, dass auf der Homepage der H. GmbH Werbung für das Gestüt und die Zucht in B. betrieben wird und als Kontaktadresse gestuet.g.@h. angegeben ist. Daraus entnimmt der Senat, dass die Ast. auch während ihrer Bürotätigkeit für die H. GmbH ohne weiteres Geschäfte des Gestüts sowie des Zuchtbetriebs in B. wahrnimmt. Dies entspricht auch der typischen Tätigkeit in einem Familienverbund von Mutter und Tochter, wobei besonderes Gewicht auf die Allein-Inhaberschaft und -Geschäftsführerstellung der Mutter der Ast. zu legen ist.
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist zusammenfassend kein Grund ersichtlich, von der grundsätzlichen Regelung der sofortigen Vollziehbarkeit von Beitragsbescheiden (§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG) abzuweichen. Die Ast hat darüber hinaus auch im Beschwerdeverfahren nicht dargelegt, inwieweit ihr durch die Beitragspflicht zu den Ag. eine wirtschaftliche Notlage entstehen könnte, die nur durch die Aussetzung der Vollziehung zu verhindern wäre. Dies gilt umso mehr als im Falle der Beitragspflicht zur bisherigen Krankenkasse ein Beitragsausgleich ohne weiteres durchzuführen wäre.
Wegen der Eilbedürftigkeit im vorliegenden Verfahren und aus dem Gedanken der Kostenminderungspflicht hat der Senat von einer Beiladung der bisherigen Krankenkasse der Ast. abgesehen.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183,193 SGG. Die Ast. macht vorliegend geltend, nicht (landwirtschaftliche) Unternehmerin, sondern beitragspflichtige Beschäftigte zu sein. Es liegt also eine Rechtsstreitigkeit einer Versicherten vor. In der Folge ist § 183 SGG anzuwenden, selbst wenn im Ergebnis die Klägerin als Unternehmerin anzusehen ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., Rdn 5a zu § 183). Andernfalls könnte der gesetzlichen Gerichtskostenfreiheit für Versicherte nicht ausreichend Geltung verschafft werden. Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ist deshalb aufzuheben und zu entscheiden, dass im gesamten Verfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Damit erweist sich gleichzeitig das Rechtsmittel der Ast. gegen den Streitwertbeschluss des SG als begründet. Insoweit ergeht die Entscheidung gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs 3 GKG.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet, § 177 SGG, § 68 Abs 1 S 3 GKG iVm § 66 Abs 3 S 3 GKG.
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