Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 4424/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1396/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.11.2008 abgeändert. Der Bescheid der Be-klagten vom 13.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2005 wird aufgehoben. Als Folge des Arbeitsunfalls vom 15.04.2004 wird ein chronischer lokaler Schmerz an der linken ventralen Thoraxwand festgestellt.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 15.04.2004.
Der am 1967 geborene Kläger wurde am 15.04.2004 bei seiner Tätigkeit als Schreiner bei der Firma Sch. Haus KG, H. wegen eines technischen Defekts einer von einem Arbeitskollegen be-nutzten Nagelpistole von einem 12 cm langen Nagel mit einem Durchmesser von 3 mm im Be-reich des Brustkorbs getroffen. Nach Ausschluss eines Pericard- und Pleuraergusses sowie einer Verletzung innerer Organe wurde der Kläger zur kardiopulmonalen Überwachung im Uni-versitätsklinikum T. über 24 Stunden aufgenommen und bei unauffälligem kardiopulmonalen Status und reizloser Wunde am 16.04.2004 aus der stationären Behandlung entlassen (Entlassungsbericht des Prof. Dr. Z. , Universitätsklinikum T. ).
Der Kläger war bis 28.05.2004 arbeitsunfähig. Anschließend nahm er seine Tätigkeit bei der Firma Sch. - weiterhin mit Einsatz einer Nagelpistole - wieder auf, arbeitete allerdings nur noch wenige Tage, da der bis 31.07.2004 befristete Arbeitsvertrag durch die Firma Sch. nicht ver-längert wurde und der Kläger noch Überstundenausgleich und Urlaub nahm.
Vom 01.03.2005 bis 03.03.2005 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Berufs-genossenschaftlichen Unfallklinik T. , wo wegen einer schmerzhaften Verdickung im Narben-bereich der Einschusswunde eine Excision einer subcutanen Weichteilverhärtung erfolgte (Ent-lassungsbericht des Prof. Dr. W. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. ). Anlässlich der postoperativen Vorstellung des Klägers am 07.03.2005 berichtete der Chirurg Dr. v. P. erstmals über einen psychisch sehr desolaten Zustand des Klägers, da postoperativ das akute Ereignis wieder hochgekommen sei. Die Behandlung einer vermuteten posttraumatischen Belastungsstörung (Befundbericht des Dipl.-Psych. B. ) durch den Dipl.-Psych. P. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. , blieb erfolglos, weshalb - so der Dipl.-Psych. P. - eine fachärztliche psychiatrische diagnostische Einschätzung empfohlen wurde.
Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. St. , Universitätsklinikum T. , verneinte in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten eine posttraumatische Belastungsstörung, es liege nur eine persönlichkeitsbedingte Fehlverarbeitung in Folge einer erlebten Kränkung durch das Verhalten des Arbeitgebers vor. Mit Bescheid vom 13.10.2005 führte die Beklagte aus, ein Anspruch auf Leistungen auf Grund der persönlichkeitsbedingten Fehlverarbeitung bestehe nicht. Den hier-gegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 zurück.
Der Kläger hat am 22.12.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und unter Vorlage eines Attests des Anästhesisten Dr. L. (als Unfallfolge anzusehendes chronisches Schmerz-syndrom) geltend gemacht, auf Grund des von Dr. L. diagnostizierten chronischen Schmerz-syndroms, welches als Unfallfolge angesehen werden könne, seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben.
Das Sozialgericht hat u.a. ein Gutachten von Prof. Dr. W. , Klinik für Neurologie, Bezirks-krankenhaus G. und auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der Psychiaterin Dr. E. eingeholt. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, bezüglich der ge-klagten Schmerzen sei von einem lokalen, wahrscheinlich neuropathischen Schmerz auf Grund einer Verletzung eines Endastes eines Interkostalnerven durch den Unfall auszugehen (MdE 10 v.H.). Der vom Kläger empfundenen psychischen Beeinträchtigung könne hingegen keine Stö-rung von Krankheitswert zugeordnet werden, insbesondere bestehe keine posttraumatische Belastungsstörung. Dr. E. hat ausgeführt, ihrer Auffassung nach seien die Voraussetzungen einer posttraumatischen Belastungsstörung gegeben, außerdem seien eine ausgeprägte depressive Störung und chronische Schmerzsymptomatik vorhanden, die im Rahmen dieser Störung ent-standen seien.
Mit Urteil vom 27.11.2008 hat das Sozialgericht die - in der mündlichen Verhandlung auf Ver-letztenrente gerichtete - Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, da die noch vorliegenden Folgen des Unfalls keine MdE um min-destens 20 v.H. über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus bedingten. Zwar sei nach dem über-zeugenden Gutachten von Prof. Dr. W. unfallbedingt ein chronisches Schmerzsyndrom im Be-reich der Narbe am Brustbein entstanden, dies führe jedoch nicht zu einer MdE in renten-berechtigendem Grad. Darüber hinaus lägen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine Gesundheitsstörungen vor, die als Folgen des Unfalls anzuerkennen wären.
Gegen das am 27.02.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.03.2009 Berufung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sein Begehren auf die Feststellung eines lokalen Schmerzsyndroms an der Thoraxwand beschränkt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.11.2008 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2005 aufzuheben und als Folgen des Unfalls vom 15.04.2004 einen chronischen lokalen Schmerz an der linken ventralen Thoraxwand festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, mit der der Kläger nur noch die Fest-stellung eines lokalen Schmerzes an der linken Thoraxwand als Unfallfolge begehrt, ist be-gründet. Die begehrte Feststellung ist daher unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts und Aufhebung der angefochtenen Bescheide auszusprechen.
Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen - weil diese andernfalls bei zu treffender Feststellung von Unfall-folgen einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden - sowie - weil die Beklagte jed-wede Entschädigung ablehnt, weil keine Unfallfolgen verblieben seien - die gerichtliche Fest-stellung fortbestehender Unfallfolgen. Einen solchen Antrag hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt. Dem ursprünglich auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages wäre bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zugekommen (vgl. zu der gleichgelagerten Konstellation der Verneinung eines Arbeitsunfalles wegen fehlenden Versicherungsschutzes BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) und dieses Leistungsbegehren hat der Kläger deshalb in der mündlichen Ver-handlung auch nicht weiter verfolgt.
Nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.2009 nur noch die Feststellung eines chronischen lokalen Schmerzes an der linken Thoraxwand beantragt und das auf die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung gerichtete Begehren nicht mehr aufrecht erhalten hat, hat der Senat auch nur über die Feststellung des chronischen lokalen Schmerzes als Unfallfolge zu entscheiden.
Infolge des Unfallereignisses vom 15.04.2004 leidet der Kläger an einem chronischen neuro-pathischen Schmerz im Bereich der ehemaligen Einschusswunde.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ur-sächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursa-chenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die we-gen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaft-lichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die un-versicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeits-unfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung er-wiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen ge-nügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Ein-wirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrschein-lichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Ab-wägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachen-zusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ur-sächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Be-teiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. hat auf Grund seiner Untersuchung im Bereich der ehemaligen Einschusswunde einen lokalen, wahrscheinlich neuropathischen Schmerz auf Grund einer Verletzung eines Endastes eines Interkostalnerven beschrieben. Diese Beurteilung ist für den Senat überzeugend, zumal insoweit - so der behandelnde Anästhesist Dr. L. im seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht - die Schmerztherapie zu einer deutlichen Beschwerdereduktion führte. Auch der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. W. eine Bes-serung der Schmerzen durch Schmerzmedikamente, lokale Infiltrationen und durch ein TENS-Gerät angegeben. Das Vorliegen eines derartigen Schmerzsyndroms und dessen Verursachung durch den Unfall hat die Beklagte auch nicht bestritten, sondern dem Kläger deswegen bereits ein TENS-Gerät gewährt. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte insoweit lediglich ausgeführt, dass die von Prof. Dr. W. mit 10 v.H. eingeschätzte MdE als großzügig bemessen erscheine. Dies ist jedoch für die Frage, ob das Schmerzsyndrom als Unfallfolge festzustellen ist, ohne Be-deutung. Soweit der Bevollmächtigte der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, das Schmerzsyndrom könne er nicht als Unfallfolge anerkennen, da nicht sicher sei, ob dieses jetzt noch vorliege, handelt es sich um eine durch nichts veranlasste Mutmaßung. Denn die Schmerzen bestehen - so die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. W. - durchgängig seit dem Unfall in Jahr 2004 und bedürfen seitdem der bereits dargelegten Schmerztherapie. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit glaubhaft angegeben, dass sich hieran seit der Untersuchung durch Prof. Dr. W. keine Änderungen er-geben haben und er sich auch weiterhin wegen seiner Schmerzen in regelmäßiger ärztlicher Be-handlung befindet. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln, zumal Prof. Dr. W. das Schmerzsyndrom als chronisch und auf eine Nervenschädigung rückführbar beschrieben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 15.04.2004.
Der am 1967 geborene Kläger wurde am 15.04.2004 bei seiner Tätigkeit als Schreiner bei der Firma Sch. Haus KG, H. wegen eines technischen Defekts einer von einem Arbeitskollegen be-nutzten Nagelpistole von einem 12 cm langen Nagel mit einem Durchmesser von 3 mm im Be-reich des Brustkorbs getroffen. Nach Ausschluss eines Pericard- und Pleuraergusses sowie einer Verletzung innerer Organe wurde der Kläger zur kardiopulmonalen Überwachung im Uni-versitätsklinikum T. über 24 Stunden aufgenommen und bei unauffälligem kardiopulmonalen Status und reizloser Wunde am 16.04.2004 aus der stationären Behandlung entlassen (Entlassungsbericht des Prof. Dr. Z. , Universitätsklinikum T. ).
Der Kläger war bis 28.05.2004 arbeitsunfähig. Anschließend nahm er seine Tätigkeit bei der Firma Sch. - weiterhin mit Einsatz einer Nagelpistole - wieder auf, arbeitete allerdings nur noch wenige Tage, da der bis 31.07.2004 befristete Arbeitsvertrag durch die Firma Sch. nicht ver-längert wurde und der Kläger noch Überstundenausgleich und Urlaub nahm.
Vom 01.03.2005 bis 03.03.2005 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Berufs-genossenschaftlichen Unfallklinik T. , wo wegen einer schmerzhaften Verdickung im Narben-bereich der Einschusswunde eine Excision einer subcutanen Weichteilverhärtung erfolgte (Ent-lassungsbericht des Prof. Dr. W. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. ). Anlässlich der postoperativen Vorstellung des Klägers am 07.03.2005 berichtete der Chirurg Dr. v. P. erstmals über einen psychisch sehr desolaten Zustand des Klägers, da postoperativ das akute Ereignis wieder hochgekommen sei. Die Behandlung einer vermuteten posttraumatischen Belastungsstörung (Befundbericht des Dipl.-Psych. B. ) durch den Dipl.-Psych. P. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. , blieb erfolglos, weshalb - so der Dipl.-Psych. P. - eine fachärztliche psychiatrische diagnostische Einschätzung empfohlen wurde.
Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. St. , Universitätsklinikum T. , verneinte in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten eine posttraumatische Belastungsstörung, es liege nur eine persönlichkeitsbedingte Fehlverarbeitung in Folge einer erlebten Kränkung durch das Verhalten des Arbeitgebers vor. Mit Bescheid vom 13.10.2005 führte die Beklagte aus, ein Anspruch auf Leistungen auf Grund der persönlichkeitsbedingten Fehlverarbeitung bestehe nicht. Den hier-gegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 zurück.
Der Kläger hat am 22.12.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und unter Vorlage eines Attests des Anästhesisten Dr. L. (als Unfallfolge anzusehendes chronisches Schmerz-syndrom) geltend gemacht, auf Grund des von Dr. L. diagnostizierten chronischen Schmerz-syndroms, welches als Unfallfolge angesehen werden könne, seien die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben.
Das Sozialgericht hat u.a. ein Gutachten von Prof. Dr. W. , Klinik für Neurologie, Bezirks-krankenhaus G. und auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der Psychiaterin Dr. E. eingeholt. Prof. Dr. W. hat ausgeführt, bezüglich der ge-klagten Schmerzen sei von einem lokalen, wahrscheinlich neuropathischen Schmerz auf Grund einer Verletzung eines Endastes eines Interkostalnerven durch den Unfall auszugehen (MdE 10 v.H.). Der vom Kläger empfundenen psychischen Beeinträchtigung könne hingegen keine Stö-rung von Krankheitswert zugeordnet werden, insbesondere bestehe keine posttraumatische Belastungsstörung. Dr. E. hat ausgeführt, ihrer Auffassung nach seien die Voraussetzungen einer posttraumatischen Belastungsstörung gegeben, außerdem seien eine ausgeprägte depressive Störung und chronische Schmerzsymptomatik vorhanden, die im Rahmen dieser Störung ent-standen seien.
Mit Urteil vom 27.11.2008 hat das Sozialgericht die - in der mündlichen Verhandlung auf Ver-letztenrente gerichtete - Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, da die noch vorliegenden Folgen des Unfalls keine MdE um min-destens 20 v.H. über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus bedingten. Zwar sei nach dem über-zeugenden Gutachten von Prof. Dr. W. unfallbedingt ein chronisches Schmerzsyndrom im Be-reich der Narbe am Brustbein entstanden, dies führe jedoch nicht zu einer MdE in renten-berechtigendem Grad. Darüber hinaus lägen auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine Gesundheitsstörungen vor, die als Folgen des Unfalls anzuerkennen wären.
Gegen das am 27.02.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.03.2009 Berufung eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er sein Begehren auf die Feststellung eines lokalen Schmerzsyndroms an der Thoraxwand beschränkt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.11.2008 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 13.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2005 aufzuheben und als Folgen des Unfalls vom 15.04.2004 einen chronischen lokalen Schmerz an der linken ventralen Thoraxwand festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, mit der der Kläger nur noch die Fest-stellung eines lokalen Schmerzes an der linken Thoraxwand als Unfallfolge begehrt, ist be-gründet. Die begehrte Feststellung ist daher unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts und Aufhebung der angefochtenen Bescheide auszusprechen.
Der Kläger erstrebt bei sachdienlicher Auslegung seines prozessualen Begehrens (§ 123 SGG) im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen - weil diese andernfalls bei zu treffender Feststellung von Unfall-folgen einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden - sowie - weil die Beklagte jed-wede Entschädigung ablehnt, weil keine Unfallfolgen verblieben seien - die gerichtliche Fest-stellung fortbestehender Unfallfolgen. Einen solchen Antrag hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch gestellt. Dem ursprünglich auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages wäre bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zugekommen (vgl. zu der gleichgelagerten Konstellation der Verneinung eines Arbeitsunfalles wegen fehlenden Versicherungsschutzes BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) und dieses Leistungsbegehren hat der Kläger deshalb in der mündlichen Ver-handlung auch nicht weiter verfolgt.
Nachdem der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.2009 nur noch die Feststellung eines chronischen lokalen Schmerzes an der linken Thoraxwand beantragt und das auf die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung gerichtete Begehren nicht mehr aufrecht erhalten hat, hat der Senat auch nur über die Feststellung des chronischen lokalen Schmerzes als Unfallfolge zu entscheiden.
Infolge des Unfallereignisses vom 15.04.2004 leidet der Kläger an einem chronischen neuro-pathischen Schmerz im Bereich der ehemaligen Einschusswunde.
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ur-sächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursa-chenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die we-gen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaft-lichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die un-versicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeits-unfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung er-wiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen ge-nügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Ein-wirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrschein-lichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Ab-wägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachen-zusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ur-sächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Be-teiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. W. hat auf Grund seiner Untersuchung im Bereich der ehemaligen Einschusswunde einen lokalen, wahrscheinlich neuropathischen Schmerz auf Grund einer Verletzung eines Endastes eines Interkostalnerven beschrieben. Diese Beurteilung ist für den Senat überzeugend, zumal insoweit - so der behandelnde Anästhesist Dr. L. im seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht - die Schmerztherapie zu einer deutlichen Beschwerdereduktion führte. Auch der Kläger hat gegenüber Prof. Dr. W. eine Bes-serung der Schmerzen durch Schmerzmedikamente, lokale Infiltrationen und durch ein TENS-Gerät angegeben. Das Vorliegen eines derartigen Schmerzsyndroms und dessen Verursachung durch den Unfall hat die Beklagte auch nicht bestritten, sondern dem Kläger deswegen bereits ein TENS-Gerät gewährt. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte insoweit lediglich ausgeführt, dass die von Prof. Dr. W. mit 10 v.H. eingeschätzte MdE als großzügig bemessen erscheine. Dies ist jedoch für die Frage, ob das Schmerzsyndrom als Unfallfolge festzustellen ist, ohne Be-deutung. Soweit der Bevollmächtigte der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, das Schmerzsyndrom könne er nicht als Unfallfolge anerkennen, da nicht sicher sei, ob dieses jetzt noch vorliege, handelt es sich um eine durch nichts veranlasste Mutmaßung. Denn die Schmerzen bestehen - so die Angaben des Klägers gegenüber Prof. Dr. W. - durchgängig seit dem Unfall in Jahr 2004 und bedürfen seitdem der bereits dargelegten Schmerztherapie. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung insoweit glaubhaft angegeben, dass sich hieran seit der Untersuchung durch Prof. Dr. W. keine Änderungen er-geben haben und er sich auch weiterhin wegen seiner Schmerzen in regelmäßiger ärztlicher Be-handlung befindet. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln, zumal Prof. Dr. W. das Schmerzsyndrom als chronisch und auf eine Nervenschädigung rückführbar beschrieben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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