Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1751/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 10 U 1751/01 in Bezug auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1999 durch gerichtlichen Vergleich vom 13.11.2003 erledigt ist.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin ficht (nur noch) den gerichtlichen Teilvergleich im Berufungsverfahren L 10 U 1751/01 wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte an und begehrt insoweit die Fort-setzung des Verfahrens.
Die Klägerin betreibt seit Jahren ein Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüber-lassung und ist in Folge dessen Mitglied der Beklagten. Auf der Grundlage des mit Wirkung zum 01.01.1998 neu erlassenen Gefahrtarifs (Gefahrtarif 1998) wurde die Klägerin mit Bescheid vom 31.03.1998 zu diesem Gefahrtarif veranlagt (Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998). Der Wi-derspruch wurde wegen (angenommener) Fristversäumnis als unzulässig zurückgewiesen (Wi-derspruchsbescheid vom 20.08.1999). Auf der Grundlage dieser Veranlagung erging für das Bei-tragsjahr 1998 der Beitragsbescheid vom 27.04.1999. Auch der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.1999 zurückgewiesen. Die - u. a. - gegen diese Bescheide erhobenen Klagen wurden vom Sozialgericht Ulm verbunden und mit Urteil vom 16.02.2001 (S 5 U 2150/99) abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat über die von der Klägerin gegen dieses Urteil eingelegte Berufung schlossen die Be-teiligten im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 sowie im Hinblick auf die nach dem Beitragsbescheid für das Jahr 1998 ergangenen Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000 folgenden
"Teilvergleich: 1. bezüglich des Veranlagungsbescheides vom 31. März 1998 sind sich die Beteiligten ei-nig, dass in dieser Frage die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1696/03 abgewartet werden soll, dem die Beklagte folgen wird. 2. die außergerichtliche Kostenübernahme folgt der dortigen Entscheidung. 3. Bezüglich der Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000 wird die Beklagte einer für sie eventuell negativen Entscheidung zum Beitrag für 1998 folgen. 4. Insoweit ist dieses Berufungsverfahren erledigt. v. u. g."
Im Übrigen, also im Hinblick auf den Beitragsbescheid vom 27.04.1999 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 20.08.1999 für das Jahr 1998 wies der Senat die Berufung der Kläge-rin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.02.2001 zurück. Die von der Klägerin hier-gegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht (BSG) mit Be-schluss vom 07.09.2004 (B 2 U 394/03 B) zurückgewiesen.
Am 06.02.2009 beantragte die Klägerin beim Sozialgericht Ulm die Wiederaufnahme des Ver-fahrens S 5 U 2150/99. Nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 17.03.2009 (S 11 U 460/09) die Klage an das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) verwiesen hat, hat die Klägerin auf Anfrage des Senats ihr Begehren dahingehend konkretisiert (Schriftsatz vom 29.05.2009), dass der Teilvergleich im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 wegen arglistiger Täuschung angefochten werde und sie sich im Übrigen hinsichtlich der Resti-tutionsklage auf § 580 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) stütze. Ein Strafver-fahren gegen die Verantwortlichen sei nicht eingeleitet worden, weil ausgelotet werden solle, ob es in der Sache noch Verhandlungsmöglichkeiten gebe. Im Übrigen nimmt die Klägerin vor allem auf Schriftsätze aus einem Rechtsstreit zwischen ihrem Prozessbevollmächtigten und der Beklagten vor dem Landgericht H. und dem H. Oberlandesgericht wegen Unterlassung einer Erklärung sowie ein Verfahren in R.-P. betreffend den Gefahrtarif 1995 und weitere Schriftsätze in anderer Sache Bezug.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsverfahren L 10 U 1751/01 im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 fortzusetzen und deshalb das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.02.2001 abzuändern und den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20.08.1999 aufzuheben, hilfsweise die Zeugen, wie im Schriftsatz vom 02.12.2009 aufgeführt, zu vernehmen.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 durch gerichtlichen Vergleich erledigt ist, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die ursprünglich im Hinblick auf den Beitragsbescheid für das Jahr 1998 von der Klägerin be-gehrte Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens ist von der Klägerin in der mündlichen Ver-handlung vor dem Senat zurückgenommen worden. Gegenstand der Entscheidung des Senats ist deshalb nur noch das Begehren der Klägerin auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens im Hin-blick auf den Veranlagungsbescheid zu dem ab dem 01.01.1998 in Kraft gesetzten Gefahrtarif der Beklagten.
Über den von der Klägerin insoweit gestellten Antrag auf Aufhebung des Veranlagungs-bescheides kann der Senat nicht sachlich entscheiden. Denn das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.02.2001 ist im Hinblick auf diesen Veranlagungsbescheid durch Abschluss des gerichtlichen Vergleichs (Prozessvergleichs) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.11.2003 erledigt; dessen Anfechtung bleibt ohne Erfolg. Diese Erledigungswirkung ist vom Senat durch Urteil festzustellen, da die Klägerin unter Anfechtung des Vergleichs die Fortführung des Berufungsverfahrens begehrt.
Ein Vergleich ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (BSG, Urteil vom 17.05.1989, 10 RKg 16/88 in SozR 1500 § 101 Nr. 8 unter Hinweis auf § 779 Abs. 1 Bürger-liches Gesetzbuch - BGB -). Er hat eine Doppelnatur. So ist er einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits Prozesshandlung (BSG, a.a.O. und Urteil vom 24.01.1991, 2 RU 51/90), welche gemäß § 101 Abs. 1 SGG Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt.
Die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs kann daher darauf beruhen, dass entweder der materiell-rechtliche Vertrag nach den Bestimmungen des BGB nichtig oder wirksam an-gefochten ist oder die zum Abschluss des Vergleichs notwendigen Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen sind, insbesondere die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben (BSG, Urteil vom 17.05.1989 und vom 24.01.1991). Gleiches gilt nach § 779 Abs. 1 BGB, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.
Prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Prozessvergleichs sind nicht ersichtlich. Auf Grund des im Termin zur mündlichen Verhandlung angefertigten Protokolls steht fest (§ 122 SGG i.V.m. § 165 Zivilprozessordnung [ZPO]), dass die Beteiligten die im Tatbestand wiedergegebenen und - nach nochmaligen Vorspielen (§ 122 i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 ZPO) genehmigten - Erklärungen auch abgegeben haben.
Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleichs, etwa nach den §§ 116 ff. BGB oder für seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB.
Soweit die Klägerin ihre Zustimmung zum Abschluss des Prozessvergleichs anficht, führt dies nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit ihrer Erklärung und damit des materiell-rechtlichen Vertrages. Zwar erklärt die Klägerin die Anfechtung ihrer Willenserklärung, doch genügt dies nicht. Voraussetzung einer wirksamen Anfechtung (und damit der Herbeiführung der Nichtigkeit der Willenserklärung) ist vielmehr das Vorliegen eines zur Anfechtung be-rechtigenden Irrtums.
Nicht jeder Irrtum berechtigt den Erklärenden zu einer Anfechtung. Vielmehr führt das Gesetz in den §§ 119, 120 und 123 BGB die rechtlich maßgebenden Irrtümer und sonstigen An-fechtungsgründe abschließend auf. Ein solcher Anfechtungsgrund liegt nicht vor.
Insbesondere besteht kein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB, wie ihn die Klägerin be-hauptet. Danach kann die Willenserklärung anfechten, wer zur Abgabe einer solchen durch arg-listige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Hier ist eine von der Klägerin behauptete und für die Zustimmung zum gerichtlichen Vergleich ursächlich gewordene Täuschung durch die Beklagte nicht nachgewiesen.
Die Klägerin hat schon nicht konkret dargelegt, in welcher Hinsicht und durch welches Handeln oder Unterlassen sie durch die Beklagte überhaupt getäuscht worden sein will. Die bloße Be-zugnahme auf Schriftsätze in dem zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten anhängigen Zivilrechtsstreit wegen Unterlassens einer Erklärung und Schriftsätze aus einem sozialgerichtlichen Verfahren in Rheinland-Pfalz betreffend den Gefahrtarif 1995 ge-nügen für einen substanziierten Sachvortrag nicht. Der Senat schließt sich insoweit den Aus-führungen des Sozialgerichts Koblenz im Urteil vom 10.06.2009, S 1 U 139/08 betreffend den Gefahrtarif 1995 sowie des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in den Urteilen vom 27.07.2009, L 2 U 256/08 und L 2 U 260/08, jeweils betreffend den Gefahrtarif 2001 bzw. 2007 und dort von Klägerseite erhobener identischer Vorwürfe an die Beklagte, an. Zutreffend weisen diese Gerichte darauf hin, dass die erhobenen Vorwürfe jeglicher objektiv fassbaren Grundlage entbehren. Nichts anderes gilt für den Schriftsatz vom 02.12.2009. Denn in diesem Schriftsatz wiederholt die Klägerin lediglich ihren bisherigen Vortrag, wiederum teilweise unter Bezugnahme auf nicht beigefügte Unterlagen.
In diesem Zusammenhang weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Prozessbevoll-mächtigte der Klägerin den Gefahrtarif 1995 (im erwähnten Verfahren vor dem Sozialgericht K.), den Gefahrtarif 1998 (im anhängigen Rechtsstreit) und den Gefahrtarif 2001 bzw. 2007 (in den erwähnten Verfahren vor dem LSG R.-P.) mit der Behauptung angreift, die Beklagte habe Daten manipuliert, ohne zwischen den einzelnen Gefahrtarifen, den im Einzelnen maßgebenden Daten und der jeweiligen prozessualen Situation (vorliegend: Anfechtung eines Vergleiches) zu differenzieren. Auch hieraus wird die Pauschalität seines Vorbringens deutlich.
Auch im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin nicht ansatzweise dargelegt, dass, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die in den vorgelegten Schriftsätzen aufgestellten Be-hauptungen für die behauptete arglistige Täuschung hinsichtlich des hier in Rede stehenden Ge-fahrtarifs 1998 und den abgeschlossenen Prozessvergleich von Bedeutung sein sollen. Der Vor-trag der Klägerin spricht vielmehr gegen eine Relevanz der Vorwürfe. Beispielhaft sei auf den Vortrag der Klägerin in ihren Schriftsätzen hingewiesen, wonach es bis zum Jahre 1995 zu einer Überdeckung aus den für Zeitunternehmen geltenden Tarifklassen in Höhe von 600 Mio. DM gekommen sein soll. Aus welchen Gründen hieraus eine arglistige Täuschung im Hinblick auf den Gefahrtarif 1998 abzuleiten sein soll, ist schon deshalb nicht erkennbar, weil - zum einen - nach dem eigenen Vortrag der Klägerin beim Gefahrtarif 1998 auf eine gänzlich andere Tarif-form umgestellt wurde und die - so der weitere Vortrag der Klägerin - bisherigen Daten hierfür nicht verwertbar gewesen sein sollen. Dann aber wäre auch die behauptete Überdeckung bis 1995 ohne Bedeutung gewesen. Zum anderen war der Klägerin schon im früheren Berufungs-verfahren L 10 U 1751/01 und damit im Zeitpunkt des Abschlusses des Teilvergleichs nach ih-rem eigenen Vortrag eine erhebliche Überdeckung bekannt. So trug sie in diesem Verfahren vor, allein im Jahr 1998 seien (allein) von den Zeitarbeitsunternehmen über 200 Mio. DM mehr an Beiträgen erhoben, als Ausgaben getätigt worden seien (Schriftsatz vom 16.05.2001, vgl. Bl. 52, 54/55 und insbesondere Bl. 56 der Senatsakte L 10 U 1751/01). Nichts anderes gilt in Bezug auf den Vortrag der Klägerin, dem Gefahrtarif 1998 fehle eine hinreichende Datenbasis. Welche, dem Gefahrtarif 1998 zu Grunde liegenden Daten aus welchen Gründen und mit welcher Folge unrichtig sein sollen, ist nicht erkennbar. Insbesondere behauptet die Klägerin nur pauschal, für die nachträgliche Auswertung von Zahlen sei das Computerprogramm ungeeignet gewesen. Da-bei trägt die Klägerin selbst vor, durch Eingabe von drei Nullen sei eine Weiterarbeit möglich gewesen. Aber selbst wenn die Behauptungen der Klägerin einen wahren Kern hätten, würde dies nur die Frage der Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs betreffen. Eine arglistige Täuschung ließe sich hieraus auch nicht ansatzweise ableiten. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin überhaupt einem Irrtum unterlag. Denn schon im Schriftsatz vom 16.05.2001 warf sie der Beklagten gerade im Hinblick auf den Gefahrtarif 1998 falsche Angaben vor und führte aus, es sei "offenkundig, dass die Feststellung der Gefahrklassen ... nicht korrekt ist" (Bl. 56 der Se-natsakte L 10 U 1751/01).
Über ein solcher Art nicht substanziiertes Vorbringen ist kein Beweis zu erheben. Der Senat lehnt deshalb die hilfsweise gestellten Anträge auf Vernehmung von Zeugen mangels Angabe der Entscheidungsrelevanz der zu beweisenden Tatsache ab.
Hinzu kommt, dass die behauptete Täuschung die Klägerin gerade im Hinblick auf ihre Zu-stimmung zum Teilvergleich beeinflusst haben muss. Insoweit wäre darzulegen gewesen, in-wieweit ein - nach dem Gesagten aber ohnehin nicht bewiesener - Irrtum für den Abschluss des Teilvergleiches ursächlich geworden sein soll. Denn es erschließt sich nicht als selbstverständ-lich, dass - von der Klägerin als unwahr behauptete - Erklärungen der Beklagten zu den tatsäch-lichen Grundlagen des Gefahrtarifs, auf dem der Veranlagungsbescheid beruhte, maßgebend für den Abschluss des Teilvergleichs waren. Insoweit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen behaupteter Täuschung und angefochtener Erklärung weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit dem Teilvergleich unterwarfen sich die Beteiligten nämlich im Hinblick auf den Ver-anlagungsbescheid - die Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000, die ebenfalls Gegen-stand der vergleichsweisen Regelung waren, sind vom Begehren der Klägerin auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens nicht umfasst - dem Ausgang eines anderen Rechtsstreits mit nicht identischen Beteiligten, den allerdings der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die dortige Klägerseite betrieb und der zum damaligen Zeitpunkt bereits bis zu einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gediehen war. Gegenstand dieser Verfassungsbeschwerde war das Urteil des BSG vom 24.06.2003, B 2 U 21/02 R, das seinerseits den auch von der Klägerin angegriffenen Gefahrtarif 1998 der Beklagten zum Gegenstand hatte und das dessen Rechtmäßigkeit auch im Verhältnis zu Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung bejahte. Dieser Inhalt des Vergleichs folgt schon aus der Bezugnahme auf das Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 1696/03 mit der Verpflichtung der Beklagten, dem dortigen Ausgang zu folgen, und wird durch den sonstigen Akteninhalt bestätigt. Bereits vor der mündlichen Verhandlung hatte der frühere Berichterstatter mit Verfügung vom 03.11.2003 darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt im Wesentlichen dem der vom BSG im Verfahren B 2 U 21/02 R entschiedenen Revision entsprechen dürfte.
Somit war Inhalt des angefochtenen Teilvergleichs nur das Versprechen der Beteiligten, sich im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid am Ausgang des Verfahrens vor dem BVerfG zu orien-tieren, sich also dem Ausgang dieses "Musterverfahrens" zu unterwerfen. Für die Beklagte be-deutete dies eine Verpflichtung zur neuen Entscheidung über die Veranlagung im Falle eines der Klägerin günstigen Ausgangs des "Musterverfahrens", für die Klägerin die Bestandskraft des Veranlagungsbescheides in dem Falle, dass das BVerfG das Urteil des BSG nicht beanstanden würde (so schon der Senat auf Seite 7 seines Urteiles vom 13.11.2003). Da das BVerfG die Ver-fassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG nicht zur Entscheidung annahm (Beschluss vom 03.07.2007), trat entsprechend der vergleichsweisen Regelung die Bestandskraft des Ver-anlagungsbescheides ein.
Selbst wenn die Klägerin sich somit über die Grundlagen des Gefahrtarifs geirrt haben sollte, nach ihrer Behauptung durch falsche Äußerungen der Beklagten getäuscht worden sein sollte, hatte dies keine nachgewiesenen Auswirkungen auf ihre Zustimmung zum Teilvergleich. Denn mit einer derartigen Anknüpfung an ein "Musterverfahren" wird die rechtliche Prüfung gerade von den Umständen des konkreten Einzelfalles abgelöst und auf die grundsätzlichen und den Einzelfall übergreifenden Rechtsfragen konzentriert, die im "Musterverfahren" mit den dort von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen geklärt werden sollen. Maßgebend sein soll-te damit nicht mehr das einzelne Vorbringen der Beteiligten vor und während des Rechtsstreits, sondern die höchstrichterliche Lösung der aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfragen. Wird ein gerichtlicher Vergleich aber unabhängig vom einzelnen Sachvortrag abgeschlossen, ist die-ser Vergleich selbst dann nicht anfechtbar, wenn der Sachvortrag wahrheitswidrige Be-hauptungen enthält (Palm in Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Auflage, § 123 Rdnr. 26 m.w.N.). Dies gilt im vorliegenden Fall erst recht. Gerade weil nach dem Vergleich ausschließ-lich die im "Musterverfahren" von den (anderen) Tatsachengerichten getroffenen Tatsachenfest-stellungen maßgebend sein mussten, hatte ein - egal wodurch hervorgerufener - Irrtum der Klägerin über die tatsächlichen Grundlagen des vorliegenden Verfahrens auf die Zustimmung zum gerichtlichen Vergleich keine für den Senat erkennbaren Auswirkungen; selbst die Klägerin behauptet solches nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet keine Anwendung, weil der Rechtsstreit bei Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 02.01.2002 bereits anhängig war (s. hierzu im Einzelnen und m.w.N. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, Rdnr. 12 Vor § 183) und im Falle einer erfolgreichen Wiederaufnahmeklage bzw. Vergleichsanfechtung das ursprüngliche Be-rufungsverfahren fortgesetzt würde. Nichts anderes kann für eine erfolglose Wiederaufnahmeklage bzw. Vergleichsanfechtung gelten. Denn für die Anwendung des maßgebenden Rechts kann es nicht auf den Ausgang des Rechtsstreits ankommen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin ficht (nur noch) den gerichtlichen Teilvergleich im Berufungsverfahren L 10 U 1751/01 wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte an und begehrt insoweit die Fort-setzung des Verfahrens.
Die Klägerin betreibt seit Jahren ein Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüber-lassung und ist in Folge dessen Mitglied der Beklagten. Auf der Grundlage des mit Wirkung zum 01.01.1998 neu erlassenen Gefahrtarifs (Gefahrtarif 1998) wurde die Klägerin mit Bescheid vom 31.03.1998 zu diesem Gefahrtarif veranlagt (Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998). Der Wi-derspruch wurde wegen (angenommener) Fristversäumnis als unzulässig zurückgewiesen (Wi-derspruchsbescheid vom 20.08.1999). Auf der Grundlage dieser Veranlagung erging für das Bei-tragsjahr 1998 der Beitragsbescheid vom 27.04.1999. Auch der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.1999 zurückgewiesen. Die - u. a. - gegen diese Bescheide erhobenen Klagen wurden vom Sozialgericht Ulm verbunden und mit Urteil vom 16.02.2001 (S 5 U 2150/99) abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat über die von der Klägerin gegen dieses Urteil eingelegte Berufung schlossen die Be-teiligten im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 sowie im Hinblick auf die nach dem Beitragsbescheid für das Jahr 1998 ergangenen Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000 folgenden
"Teilvergleich: 1. bezüglich des Veranlagungsbescheides vom 31. März 1998 sind sich die Beteiligten ei-nig, dass in dieser Frage die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1696/03 abgewartet werden soll, dem die Beklagte folgen wird. 2. die außergerichtliche Kostenübernahme folgt der dortigen Entscheidung. 3. Bezüglich der Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000 wird die Beklagte einer für sie eventuell negativen Entscheidung zum Beitrag für 1998 folgen. 4. Insoweit ist dieses Berufungsverfahren erledigt. v. u. g."
Im Übrigen, also im Hinblick auf den Beitragsbescheid vom 27.04.1999 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 20.08.1999 für das Jahr 1998 wies der Senat die Berufung der Kläge-rin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.02.2001 zurück. Die von der Klägerin hier-gegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundessozialgericht (BSG) mit Be-schluss vom 07.09.2004 (B 2 U 394/03 B) zurückgewiesen.
Am 06.02.2009 beantragte die Klägerin beim Sozialgericht Ulm die Wiederaufnahme des Ver-fahrens S 5 U 2150/99. Nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 17.03.2009 (S 11 U 460/09) die Klage an das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) verwiesen hat, hat die Klägerin auf Anfrage des Senats ihr Begehren dahingehend konkretisiert (Schriftsatz vom 29.05.2009), dass der Teilvergleich im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 wegen arglistiger Täuschung angefochten werde und sie sich im Übrigen hinsichtlich der Resti-tutionsklage auf § 580 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) stütze. Ein Strafver-fahren gegen die Verantwortlichen sei nicht eingeleitet worden, weil ausgelotet werden solle, ob es in der Sache noch Verhandlungsmöglichkeiten gebe. Im Übrigen nimmt die Klägerin vor allem auf Schriftsätze aus einem Rechtsstreit zwischen ihrem Prozessbevollmächtigten und der Beklagten vor dem Landgericht H. und dem H. Oberlandesgericht wegen Unterlassung einer Erklärung sowie ein Verfahren in R.-P. betreffend den Gefahrtarif 1995 und weitere Schriftsätze in anderer Sache Bezug.
Die Klägerin beantragt,
das Berufungsverfahren L 10 U 1751/01 im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 fortzusetzen und deshalb das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.02.2001 abzuändern und den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20.08.1999 aufzuheben, hilfsweise die Zeugen, wie im Schriftsatz vom 02.12.2009 aufgeführt, zu vernehmen.
Die Beklagte beantragt,
festzustellen, dass der Rechtsstreit im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid vom 31.03.1998 durch gerichtlichen Vergleich erledigt ist, hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
Die ursprünglich im Hinblick auf den Beitragsbescheid für das Jahr 1998 von der Klägerin be-gehrte Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens ist von der Klägerin in der mündlichen Ver-handlung vor dem Senat zurückgenommen worden. Gegenstand der Entscheidung des Senats ist deshalb nur noch das Begehren der Klägerin auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens im Hin-blick auf den Veranlagungsbescheid zu dem ab dem 01.01.1998 in Kraft gesetzten Gefahrtarif der Beklagten.
Über den von der Klägerin insoweit gestellten Antrag auf Aufhebung des Veranlagungs-bescheides kann der Senat nicht sachlich entscheiden. Denn das Berufungsverfahren gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16.02.2001 ist im Hinblick auf diesen Veranlagungsbescheid durch Abschluss des gerichtlichen Vergleichs (Prozessvergleichs) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.11.2003 erledigt; dessen Anfechtung bleibt ohne Erfolg. Diese Erledigungswirkung ist vom Senat durch Urteil festzustellen, da die Klägerin unter Anfechtung des Vergleichs die Fortführung des Berufungsverfahrens begehrt.
Ein Vergleich ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (BSG, Urteil vom 17.05.1989, 10 RKg 16/88 in SozR 1500 § 101 Nr. 8 unter Hinweis auf § 779 Abs. 1 Bürger-liches Gesetzbuch - BGB -). Er hat eine Doppelnatur. So ist er einerseits ein materiell-rechtlicher Vertrag und andererseits Prozesshandlung (BSG, a.a.O. und Urteil vom 24.01.1991, 2 RU 51/90), welche gemäß § 101 Abs. 1 SGG Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt.
Die Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs kann daher darauf beruhen, dass entweder der materiell-rechtliche Vertrag nach den Bestimmungen des BGB nichtig oder wirksam an-gefochten ist oder die zum Abschluss des Vergleichs notwendigen Prozesshandlungen nicht wirksam vorgenommen sind, insbesondere die Beteiligten nicht wirksam zugestimmt haben (BSG, Urteil vom 17.05.1989 und vom 24.01.1991). Gleiches gilt nach § 779 Abs. 1 BGB, wenn der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht oder der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.
Prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Prozessvergleichs sind nicht ersichtlich. Auf Grund des im Termin zur mündlichen Verhandlung angefertigten Protokolls steht fest (§ 122 SGG i.V.m. § 165 Zivilprozessordnung [ZPO]), dass die Beteiligten die im Tatbestand wiedergegebenen und - nach nochmaligen Vorspielen (§ 122 i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 Abs. 1 ZPO) genehmigten - Erklärungen auch abgegeben haben.
Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit des Prozessvergleichs, etwa nach den §§ 116 ff. BGB oder für seine Unwirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB.
Soweit die Klägerin ihre Zustimmung zum Abschluss des Prozessvergleichs anficht, führt dies nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit ihrer Erklärung und damit des materiell-rechtlichen Vertrages. Zwar erklärt die Klägerin die Anfechtung ihrer Willenserklärung, doch genügt dies nicht. Voraussetzung einer wirksamen Anfechtung (und damit der Herbeiführung der Nichtigkeit der Willenserklärung) ist vielmehr das Vorliegen eines zur Anfechtung be-rechtigenden Irrtums.
Nicht jeder Irrtum berechtigt den Erklärenden zu einer Anfechtung. Vielmehr führt das Gesetz in den §§ 119, 120 und 123 BGB die rechtlich maßgebenden Irrtümer und sonstigen An-fechtungsgründe abschließend auf. Ein solcher Anfechtungsgrund liegt nicht vor.
Insbesondere besteht kein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB, wie ihn die Klägerin be-hauptet. Danach kann die Willenserklärung anfechten, wer zur Abgabe einer solchen durch arg-listige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Hier ist eine von der Klägerin behauptete und für die Zustimmung zum gerichtlichen Vergleich ursächlich gewordene Täuschung durch die Beklagte nicht nachgewiesen.
Die Klägerin hat schon nicht konkret dargelegt, in welcher Hinsicht und durch welches Handeln oder Unterlassen sie durch die Beklagte überhaupt getäuscht worden sein will. Die bloße Be-zugnahme auf Schriftsätze in dem zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten anhängigen Zivilrechtsstreit wegen Unterlassens einer Erklärung und Schriftsätze aus einem sozialgerichtlichen Verfahren in Rheinland-Pfalz betreffend den Gefahrtarif 1995 ge-nügen für einen substanziierten Sachvortrag nicht. Der Senat schließt sich insoweit den Aus-führungen des Sozialgerichts Koblenz im Urteil vom 10.06.2009, S 1 U 139/08 betreffend den Gefahrtarif 1995 sowie des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in den Urteilen vom 27.07.2009, L 2 U 256/08 und L 2 U 260/08, jeweils betreffend den Gefahrtarif 2001 bzw. 2007 und dort von Klägerseite erhobener identischer Vorwürfe an die Beklagte, an. Zutreffend weisen diese Gerichte darauf hin, dass die erhobenen Vorwürfe jeglicher objektiv fassbaren Grundlage entbehren. Nichts anderes gilt für den Schriftsatz vom 02.12.2009. Denn in diesem Schriftsatz wiederholt die Klägerin lediglich ihren bisherigen Vortrag, wiederum teilweise unter Bezugnahme auf nicht beigefügte Unterlagen.
In diesem Zusammenhang weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Prozessbevoll-mächtigte der Klägerin den Gefahrtarif 1995 (im erwähnten Verfahren vor dem Sozialgericht K.), den Gefahrtarif 1998 (im anhängigen Rechtsstreit) und den Gefahrtarif 2001 bzw. 2007 (in den erwähnten Verfahren vor dem LSG R.-P.) mit der Behauptung angreift, die Beklagte habe Daten manipuliert, ohne zwischen den einzelnen Gefahrtarifen, den im Einzelnen maßgebenden Daten und der jeweiligen prozessualen Situation (vorliegend: Anfechtung eines Vergleiches) zu differenzieren. Auch hieraus wird die Pauschalität seines Vorbringens deutlich.
Auch im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin nicht ansatzweise dargelegt, dass, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die in den vorgelegten Schriftsätzen aufgestellten Be-hauptungen für die behauptete arglistige Täuschung hinsichtlich des hier in Rede stehenden Ge-fahrtarifs 1998 und den abgeschlossenen Prozessvergleich von Bedeutung sein sollen. Der Vor-trag der Klägerin spricht vielmehr gegen eine Relevanz der Vorwürfe. Beispielhaft sei auf den Vortrag der Klägerin in ihren Schriftsätzen hingewiesen, wonach es bis zum Jahre 1995 zu einer Überdeckung aus den für Zeitunternehmen geltenden Tarifklassen in Höhe von 600 Mio. DM gekommen sein soll. Aus welchen Gründen hieraus eine arglistige Täuschung im Hinblick auf den Gefahrtarif 1998 abzuleiten sein soll, ist schon deshalb nicht erkennbar, weil - zum einen - nach dem eigenen Vortrag der Klägerin beim Gefahrtarif 1998 auf eine gänzlich andere Tarif-form umgestellt wurde und die - so der weitere Vortrag der Klägerin - bisherigen Daten hierfür nicht verwertbar gewesen sein sollen. Dann aber wäre auch die behauptete Überdeckung bis 1995 ohne Bedeutung gewesen. Zum anderen war der Klägerin schon im früheren Berufungs-verfahren L 10 U 1751/01 und damit im Zeitpunkt des Abschlusses des Teilvergleichs nach ih-rem eigenen Vortrag eine erhebliche Überdeckung bekannt. So trug sie in diesem Verfahren vor, allein im Jahr 1998 seien (allein) von den Zeitarbeitsunternehmen über 200 Mio. DM mehr an Beiträgen erhoben, als Ausgaben getätigt worden seien (Schriftsatz vom 16.05.2001, vgl. Bl. 52, 54/55 und insbesondere Bl. 56 der Senatsakte L 10 U 1751/01). Nichts anderes gilt in Bezug auf den Vortrag der Klägerin, dem Gefahrtarif 1998 fehle eine hinreichende Datenbasis. Welche, dem Gefahrtarif 1998 zu Grunde liegenden Daten aus welchen Gründen und mit welcher Folge unrichtig sein sollen, ist nicht erkennbar. Insbesondere behauptet die Klägerin nur pauschal, für die nachträgliche Auswertung von Zahlen sei das Computerprogramm ungeeignet gewesen. Da-bei trägt die Klägerin selbst vor, durch Eingabe von drei Nullen sei eine Weiterarbeit möglich gewesen. Aber selbst wenn die Behauptungen der Klägerin einen wahren Kern hätten, würde dies nur die Frage der Rechtmäßigkeit des Gefahrtarifs betreffen. Eine arglistige Täuschung ließe sich hieraus auch nicht ansatzweise ableiten. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin überhaupt einem Irrtum unterlag. Denn schon im Schriftsatz vom 16.05.2001 warf sie der Beklagten gerade im Hinblick auf den Gefahrtarif 1998 falsche Angaben vor und führte aus, es sei "offenkundig, dass die Feststellung der Gefahrklassen ... nicht korrekt ist" (Bl. 56 der Se-natsakte L 10 U 1751/01).
Über ein solcher Art nicht substanziiertes Vorbringen ist kein Beweis zu erheben. Der Senat lehnt deshalb die hilfsweise gestellten Anträge auf Vernehmung von Zeugen mangels Angabe der Entscheidungsrelevanz der zu beweisenden Tatsache ab.
Hinzu kommt, dass die behauptete Täuschung die Klägerin gerade im Hinblick auf ihre Zu-stimmung zum Teilvergleich beeinflusst haben muss. Insoweit wäre darzulegen gewesen, in-wieweit ein - nach dem Gesagten aber ohnehin nicht bewiesener - Irrtum für den Abschluss des Teilvergleiches ursächlich geworden sein soll. Denn es erschließt sich nicht als selbstverständ-lich, dass - von der Klägerin als unwahr behauptete - Erklärungen der Beklagten zu den tatsäch-lichen Grundlagen des Gefahrtarifs, auf dem der Veranlagungsbescheid beruhte, maßgebend für den Abschluss des Teilvergleichs waren. Insoweit ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen behaupteter Täuschung und angefochtener Erklärung weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit dem Teilvergleich unterwarfen sich die Beteiligten nämlich im Hinblick auf den Ver-anlagungsbescheid - die Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000, die ebenfalls Gegen-stand der vergleichsweisen Regelung waren, sind vom Begehren der Klägerin auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens nicht umfasst - dem Ausgang eines anderen Rechtsstreits mit nicht identischen Beteiligten, den allerdings der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die dortige Klägerseite betrieb und der zum damaligen Zeitpunkt bereits bis zu einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gediehen war. Gegenstand dieser Verfassungsbeschwerde war das Urteil des BSG vom 24.06.2003, B 2 U 21/02 R, das seinerseits den auch von der Klägerin angegriffenen Gefahrtarif 1998 der Beklagten zum Gegenstand hatte und das dessen Rechtmäßigkeit auch im Verhältnis zu Unternehmen der Arbeitnehmerüberlassung bejahte. Dieser Inhalt des Vergleichs folgt schon aus der Bezugnahme auf das Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 1696/03 mit der Verpflichtung der Beklagten, dem dortigen Ausgang zu folgen, und wird durch den sonstigen Akteninhalt bestätigt. Bereits vor der mündlichen Verhandlung hatte der frühere Berichterstatter mit Verfügung vom 03.11.2003 darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt im Wesentlichen dem der vom BSG im Verfahren B 2 U 21/02 R entschiedenen Revision entsprechen dürfte.
Somit war Inhalt des angefochtenen Teilvergleichs nur das Versprechen der Beteiligten, sich im Hinblick auf den Veranlagungsbescheid am Ausgang des Verfahrens vor dem BVerfG zu orien-tieren, sich also dem Ausgang dieses "Musterverfahrens" zu unterwerfen. Für die Beklagte be-deutete dies eine Verpflichtung zur neuen Entscheidung über die Veranlagung im Falle eines der Klägerin günstigen Ausgangs des "Musterverfahrens", für die Klägerin die Bestandskraft des Veranlagungsbescheides in dem Falle, dass das BVerfG das Urteil des BSG nicht beanstanden würde (so schon der Senat auf Seite 7 seines Urteiles vom 13.11.2003). Da das BVerfG die Ver-fassungsbeschwerde gegen das Urteil des BSG nicht zur Entscheidung annahm (Beschluss vom 03.07.2007), trat entsprechend der vergleichsweisen Regelung die Bestandskraft des Ver-anlagungsbescheides ein.
Selbst wenn die Klägerin sich somit über die Grundlagen des Gefahrtarifs geirrt haben sollte, nach ihrer Behauptung durch falsche Äußerungen der Beklagten getäuscht worden sein sollte, hatte dies keine nachgewiesenen Auswirkungen auf ihre Zustimmung zum Teilvergleich. Denn mit einer derartigen Anknüpfung an ein "Musterverfahren" wird die rechtliche Prüfung gerade von den Umständen des konkreten Einzelfalles abgelöst und auf die grundsätzlichen und den Einzelfall übergreifenden Rechtsfragen konzentriert, die im "Musterverfahren" mit den dort von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen geklärt werden sollen. Maßgebend sein soll-te damit nicht mehr das einzelne Vorbringen der Beteiligten vor und während des Rechtsstreits, sondern die höchstrichterliche Lösung der aufgeworfenen grundsätzlichen Rechtsfragen. Wird ein gerichtlicher Vergleich aber unabhängig vom einzelnen Sachvortrag abgeschlossen, ist die-ser Vergleich selbst dann nicht anfechtbar, wenn der Sachvortrag wahrheitswidrige Be-hauptungen enthält (Palm in Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Auflage, § 123 Rdnr. 26 m.w.N.). Dies gilt im vorliegenden Fall erst recht. Gerade weil nach dem Vergleich ausschließ-lich die im "Musterverfahren" von den (anderen) Tatsachengerichten getroffenen Tatsachenfest-stellungen maßgebend sein mussten, hatte ein - egal wodurch hervorgerufener - Irrtum der Klägerin über die tatsächlichen Grundlagen des vorliegenden Verfahrens auf die Zustimmung zum gerichtlichen Vergleich keine für den Senat erkennbaren Auswirkungen; selbst die Klägerin behauptet solches nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a SGG findet keine Anwendung, weil der Rechtsstreit bei Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 02.01.2002 bereits anhängig war (s. hierzu im Einzelnen und m.w.N. Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, Rdnr. 12 Vor § 183) und im Falle einer erfolgreichen Wiederaufnahmeklage bzw. Vergleichsanfechtung das ursprüngliche Be-rufungsverfahren fortgesetzt würde. Nichts anderes kann für eine erfolglose Wiederaufnahmeklage bzw. Vergleichsanfechtung gelten. Denn für die Anwendung des maßgebenden Rechts kann es nicht auf den Ausgang des Rechtsstreits ankommen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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