Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4127/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3242/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.06.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Witwenrente streitig.
Die am 1950 geborene Klägerin ist die Witwe des am 05.11.1941 geborenen und am 20.08.2007 verstorbenen A. Q. (Versicherter), mit dem die Klägerin am 20.07.2007 die Ehe eingegangen war. Ihren Angaben zu Folge lebte sie mit dem Versicherten seit August 1974 in einem gemeinsamen Haushalt, zuletzt seit Dezember 1993 in M. (vgl. Aufenthaltsbescheinigungen des Bürgermeisteramts M. ). Die Klägerin war zuletzt als Angestellte in einer Vollzeitbeschäftigung bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe beschäftigt. Seit 01.06.2007 befindet sie sich in Altersteilzeit (bis 30.11.2015), wobei die Erwerbsphase zum 31.08.2011 endet.
Im November 2006 wurde bei dem Versicherten die Diagnose eines metastasierenden Prostatakarzinoms gestellt; wegen des systemischen Tumorgeschehens war weder eine kurative Therapie mittels Operation noch eine Strahlenbehandlung möglich. Seitens des Städtischen Klinikums Karlsruhe wurde eine antiandrogene Behandlung eingeleitet, worauf sich der primär desolate Zustand des Versicherten deutlich besserte. Im Hinblick auf die Reduzierung des erhöhten PSA-Wertes von ca. 300 ng/ml auf 74 ng/ml war von einem guten Ansprechen der Therapie auszugehen. Nachdem bei dem Versicherten während eines Tunesienurlaubs Fieber aufgetreten war, wurde er nach seiner Rückkehr stationär im Klinikum K.-L. aufgenommen, wo er vom 09.06. bis 04.07.2007 behandelt wurde. Das Fieber wurde seitens der behandelnden Ärzte am ehesten dem bekannten Prostatakarzinom mit Wirbelsäulenmetastasen zugeschrieben, wobei gleichzeitig der Verdacht auf pulmonale und hepatische Metastasen geäußert wurde. Da der Kläger wesentliche weiterführende Untersuchungen und zuletzt auch eine Antibiose ablehnte, wurde er bei sich tendenziell verschlechterndem Allgemeinzustand in die häusliche Umgebung entlassen, wo er von der Klägerin gepflegt wurde und am 20.08.2007 verstarb.
Am 30.08.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente. In der Anlage zu diesem Antrag gab sie in Bezug auf die Kürze der Ehezeit an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Versicherten sei bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Zum Nachweis dessen legte die Klägerin zwei Schreiben des Urologen Dr. Sch. vor, in denen u.a. ausgeführt ist, eine bei dem Versicherten durchgeführte maximale Androgenblockade habe zum Absinken des PSA-Wertes geführt, so dass eine Hormonempfindlichkeit des Tumors bestanden habe, die für die Behandlung auch im Sinne des Erreichens einer Schmerzreduzierung habe ausgenutzt werden können. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sei der Versicherte verstorben, wobei ihm, Dr. Sch. , die genaue Todesursache nicht bekannt sei. Der Versicherte sei von seiner Frau bis zu seinem Ableben gepflegt worden. Eine Überlebensprognose oder eine Beurteilung des Krankheitsverlaufes habe im Juni oder Juli 2007 zu keinem Zeitpunkt abgegeben werden können. Im Hinblick auf die Kürze der Ehezeit machte die Klägerin geltend, es sei nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Vielmehr seien für die Eheschließung gleichgewichtige andere Motive maßgeblich gewesen. Die Heirat sei bereits oft angedacht worden und immer wieder Thema in der Familie gewesen. Wegen der aus Sicht des Versicherten umständlichen Formalitäten (tunesische Abstammung) und teilweise aus finanziellen Gründen (Eheschließung nach tunesischer Tradition großes Familienfest) sei die Eheschließung viele Jahre lang nicht in die Tat umgesetzt worden, dann jedoch durch die von der Krankheit geprägte Lebenserfahrung, dass Träume nicht auf ewig aufbewahrt werden sollten, erfolgt, wobei sie die Chance auf einen neuen Start nach der Krankheit erwartet hätten. Weder sie noch der Versicherte hätten zum Zeitpunkt der Eheschließung geahnt, dass sich dessen gesundheitliche Lage schon bald dramatisch verschlechtern werde. Selbst wenn der Tod bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen wäre, hätten sie die Ehe gleichwohl geschlossen, um so ihr langes Zusammenleben zu "krönen". Auch in diesem Falle hätte nicht der Versorgungsgedanke, sondern die Liebe im Vordergrund gestanden. Für sie und den Versicherten sei die eheähnliche Lebensgemeinschaft nicht die endgültig gewählte Lebensform gewesen. Der Versicherte habe sich über ihre Versorgung keine Gedanken gemacht, da sie aus dessen Sicht mit ihrer eigenen Altersvorsorge abgesichert gewesen sei. Als Angestellte bei der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe habe sie Einkünfte von monatlich ca. 1.400,- EUR Netto und eine entsprechende Altersvorsorge gehabt.
Im Rahmen der von der Beklagten durchgeführten weiteren Ermittlungen teilte die Standesbeamtin im Bürgermeisteramt M. O. ausweislich ihres Schreibens vom 25.04.2008 mit, bei der Heirat der Klägerin mit dem Versicherten am 20.07.2007 habe es sich um eine Nottrauung gehandelt, die in der Wohnung des Ehepaares vollzogen worden sei. Obwohl die für eine Ehe in Deutschland erforderlichen Dokumente nicht vollständig vorgelegen hätten, sei mit Zustimmung der vorgesetzten Behörde die Notfalltrauung vorgenommen worden. Eine erste Anfrage nach den erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung habe die Klägerin im November 2006 an sie gerichtet. Wegen einem in der dann im Januar 2007 vorgelegten Geburtsurkunde des Versicherten enthaltenen Scheidungsvermerk und dessen Versicherung, nie verheiratet gewesen zu sein, sei die Echtheit der Urkunde und vor allem der Personenstand zu überprüfen gewesen, was mit einem sich bis Juli 2007 hinziehenden Nachrichtenaustausch mit der Deutschen Botschaft geführt habe. Im Juni oder Anfang Juli habe die Klägerin mitgeteilt, dass der Versicherte an Krebs erkrankt sei und den Wunsch habe baldmöglichst zu heiraten. Am 20.07.2007 habe sie von der Klägerin dann gegen 8:00 Uhr die telefonische Nachricht erhalten, dass es dem Versicherten sehr schlecht ginge und davon ausgegangen werden müsse, dass er die nächsten Tage nicht überleben werde. Die Klägerin sei daraufhin über die Möglichkeit einer Nottrauung unterrichtet worden. Nach der per Fax erfolgten Bestätigung der schweren Erkrankung und der Erforderlichkeit einer Nottrauung durch Dr. Sch. sei sie dann selbst ans Krankenbett des Versicherten gefahren, habe sich von dessen Geschäftsfähigkeit überzeugt und die Klägerin und den Versicherten gegen 14:00 Uhr getraut. Die Beklagte holte noch eine sozialmedizinische Stellungnahme ein und lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 16.05.2008 mit der Begründung ab, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), wonach beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung Ziel dessen die Erlangung einer Versorgung sei, sei nicht widerlegt. Vielmehr sprächen die konkreten Umstände der Eheschließung, nämlich die standesamtliche Notfalltrauung, die die lebensgefährliche Erkrankung eines Verlobten sowie die entsprechende ärztliche Bestätigung voraussetze, gerade für eine Versorgungsehe. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin u.a. geltend, die Folgerung, wonach auf Grund der Begleitumstände der Eheschließung auf eine Versorgungsabsicht geschlossen werde, sei nicht zwingend. Auch in derart bedrängten Situationen könnten andere Beweggründe für die Heirat im Vordergrund gestanden haben, nämlich wie bei ihr der Wunsch, dem Versicherten in seiner Krankheit beizustehen oder den schon viele Jahre vor sich her geschobenen Heiratswunsch doch noch zu erfüllen. Hierfür spreche insbesondere das lange Zusammenleben, die familiäre Integration und die immer wieder verschobenen, aber dennoch geäußerten Heiratswünsche bereits vor dem Auftreten der lebensbedrohlichen Erkrankung. Damit sei die gesetzliche Vermutung widerlegt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2008 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 18.09.2008 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Versicherten Dr. Sch. , Internist, und Dr. Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. Sch. hat eine letzte Behandlung des Versicherten am 04.06.2007 und eine zunehmende Verschlechterung ab ca. Mai 2007 angegeben. Dr. Sch. hat vom Auftreten erster Beschwerden im Bereich des Skelettsystems ab etwa Anfang Juli 2007 sowie von einer Verschlechterung des Gesamtzustandes ab Mitte Juli 2007 berichtet. Mit Urteil vom 22.06.2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt. Ihr und dem Versicherten sei zum Zeitpunkt der Eheschließung bewusst gewesen, dass er voraussichtlich innerhalb eines Jahres sterben werde. Zum Zeitpunkt der Noteheschließung sei es dem Versicherten sehr schlecht gegangen; eine auf Heilung gerichtete ärztliche Behandlung habe nicht mehr stattgefunden. Hinreichende Anhaltspunkte, dass bereits seit 1974 eine Heirat wiederholt ins Auge gefasst worden sei, bestünden nicht, da die Klägerin sich erstmals im November 2006 nach den erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung erkundigt habe.
Am 17.07.2009 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, ausreichende Tatsachen vorgetragen zu haben, die gegen die gesetzliche Vermutung sprächen, dass die Begründung eines Anspruchs auf Witwenrente nicht das alleinige oder auch überwiegende Motiv der Eheschließung gewesen sei. Sie und der Versicherte hätten bereits seit 1974 zusammengelebt und seit Jahren den festen Plan gehabt, die Ehe zu schließen, wobei diese Pläne aus verschiedenen Gründen immer wieder verschoben worden seien. Eine solch lange eheähnliche Gemeinschaft stelle nicht den Regelfall dar. Das lange Zusammenleben bringe zum Ausdruck, dass sie und der Versicherte sich auf ein dauerhaftes Zusammenleben eingerichtet hätten. Entgegen der gesetzlichen Vermutung, die die öffentliche Hand vor "Sozialpiraten" schützen wolle, hätten sie sich weder kurzfristig zusammen getan noch hätten sie kurzfristige Ziele verfolgt. Schließlich habe sie eine ausreichende eigene Versorgung, selbst wenn diese auf Grund ihres Vorruhestandes gemindert sein sollte. Als Alleinerbin ihrer Mutter habe sie zudem noch Vermögen in Form einer schuldenfreien Mietwohnung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.06.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2008 zu verurteilen, ihr ab 01.09.2007 Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns.
Gemäß § 46 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente bzw. unter besonderen weiteren Voraussetzungen auf große Witwenrente.
Für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen ist nach Abs. 2a dieser Regelung, der mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist, der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 53/08 R).
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten dauerte weniger als ein Jahr, nämlich vom 20.07.2007 bis 20.08.2007. Damit ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt.
"Besondere Umstände", die die gesetzliche Vermutung widerlegen würden, liegen nicht vor.
Als besondere Umstände i.S. des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, auch zum gesamten Nachfolgenden). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasste. Eine Versorgungsehe ist nur dann zu verneinen, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwogen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig waren. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle spielte.
Eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen Gründe im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Vom hinterbliebenen Ehegatten behauptete innere Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand i.S. des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eintrat, wie beispielsweise beim Unfalltod, bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich auftrat und schnell zum Tode führte (z.B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung).
Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen die Ehe geschlossen wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden.
Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 292 der Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung ist zunächst zu klären, ob die Eheschließungsmotive der Ehegatten in irgendeiner Form durch objektive Tatsachen nach außen traten. Ermittlungen im Bereich der privaten Lebenssphäre der Ehegatten und zu deren (höchst-)persönlichen, inneren Motiven für die Heirat sind grundsätzlich nicht anzustellen, es sei denn, der Hinterbliebene, der hierüber naturgemäß in erster Linie Angaben machen kann, beruft sich hierauf und ist zur Auskunft bereit. Das Gesetz zwingt ihn aber nicht zu entsprechenden Angaben. Der hinterbliebene Ehegatte muss dann aber mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" i.S. des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht.
Unter Berücksichtigung dessen ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist, die Klägerin mithin die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt hat. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem bereits mit dem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war und vor dem Hintergrund des Vorbringens der Klägerin nicht festzustellen ist, dass die Ehe gleichwohl in erster Linie (oder zumindest gleichwertig) anderen Zwecken dienen sollte, als der Begründung eines Anspruchs auf Witwenrente. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend sieht sich der Senat zu dem Hinweis veranlasst, dass die Behauptung der Klägerin im Verwaltungsverfahren, wonach der Tod des Versicherten bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei, in klarem Widerspruch steht zu den konkreten Umständen der Eheschließung, die am Nachmittag des 20.07.2007 als sog. Nottrauung erfolgt ist, nachdem die Klägerin sich am Morgen dieses Tages telefonisch an die Standesbeamtin O. gewandt und von dem schlechten Gesundheitszustandes des Versicherten berichtet hat, worauf diese unverzüglich von dem behandelnden Arzt Dr. Sch. per Telefax eine Bescheinigung über die Unaufschiebbarkeit der Eheschließung beschafft und sich zur "Eheschließung bei lebensgefährlicher Erkrankung" im Sinne des § 7 Personenstandsgesetz (PStG) in die Wohnung der Klägerin und des Versicherten begeben hat. Damit ist offenkundig, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung mit einem alsbaldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war.
Damit ist entsprechend den obigen Darlegungen von dem Regelfall auszugehen, wonach bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist. Wenn auch bei einer schweren Erkrankung mit ungünstiger Verlaufsprognose - wie sie vorliegend bei dem Versicherten vorgelegen hat - der Nachweis, dass die Ehe überwiegend oder zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen wurde, nicht gänzlich ausgeschlossen ist, so hat die Klägerin gleichwohl hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände, die umso gewichtiger sein müssen, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist, nicht vorgebracht. Insoweit kommt insbesondere dem Umstand, dass die Klägerin mit dem Versicherten bereits mehr als 30 Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Klägerin, seit dem Jahr 1974 sei wiederholt eine Heirat ins Auge gefasst worden. Denn gerade die Tatsache, dass Anzeichen für eine Umsetzung dieser Pläne erst nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten in Form einer Rückfrage beim Standesamt M. nach den erforderlichen Unterlagen erkennbar geworden sind, spricht wiederum eher für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung als dagegen. Ungeachtet dessen hat der Senat an der Richtigkeit der Darlegungen der Klägerin nicht zuletzt auch deshalb Zweifel, als diese bereits im Verwaltungsverfahren wahrheitswidrig vorgebracht hat, zum Zeitpunkt der Eheschließung von einer Genesung des Versicherten überzeugt gewesen zu sein, was angesichts der dargelegten Umstände der Eheschließung tatsächlich nicht der Fall gewesen sein konnte.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Witwenrente streitig.
Die am 1950 geborene Klägerin ist die Witwe des am 05.11.1941 geborenen und am 20.08.2007 verstorbenen A. Q. (Versicherter), mit dem die Klägerin am 20.07.2007 die Ehe eingegangen war. Ihren Angaben zu Folge lebte sie mit dem Versicherten seit August 1974 in einem gemeinsamen Haushalt, zuletzt seit Dezember 1993 in M. (vgl. Aufenthaltsbescheinigungen des Bürgermeisteramts M. ). Die Klägerin war zuletzt als Angestellte in einer Vollzeitbeschäftigung bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe beschäftigt. Seit 01.06.2007 befindet sie sich in Altersteilzeit (bis 30.11.2015), wobei die Erwerbsphase zum 31.08.2011 endet.
Im November 2006 wurde bei dem Versicherten die Diagnose eines metastasierenden Prostatakarzinoms gestellt; wegen des systemischen Tumorgeschehens war weder eine kurative Therapie mittels Operation noch eine Strahlenbehandlung möglich. Seitens des Städtischen Klinikums Karlsruhe wurde eine antiandrogene Behandlung eingeleitet, worauf sich der primär desolate Zustand des Versicherten deutlich besserte. Im Hinblick auf die Reduzierung des erhöhten PSA-Wertes von ca. 300 ng/ml auf 74 ng/ml war von einem guten Ansprechen der Therapie auszugehen. Nachdem bei dem Versicherten während eines Tunesienurlaubs Fieber aufgetreten war, wurde er nach seiner Rückkehr stationär im Klinikum K.-L. aufgenommen, wo er vom 09.06. bis 04.07.2007 behandelt wurde. Das Fieber wurde seitens der behandelnden Ärzte am ehesten dem bekannten Prostatakarzinom mit Wirbelsäulenmetastasen zugeschrieben, wobei gleichzeitig der Verdacht auf pulmonale und hepatische Metastasen geäußert wurde. Da der Kläger wesentliche weiterführende Untersuchungen und zuletzt auch eine Antibiose ablehnte, wurde er bei sich tendenziell verschlechterndem Allgemeinzustand in die häusliche Umgebung entlassen, wo er von der Klägerin gepflegt wurde und am 20.08.2007 verstarb.
Am 30.08.2007 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente. In der Anlage zu diesem Antrag gab sie in Bezug auf die Kürze der Ehezeit an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Versicherten sei bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Zum Nachweis dessen legte die Klägerin zwei Schreiben des Urologen Dr. Sch. vor, in denen u.a. ausgeführt ist, eine bei dem Versicherten durchgeführte maximale Androgenblockade habe zum Absinken des PSA-Wertes geführt, so dass eine Hormonempfindlichkeit des Tumors bestanden habe, die für die Behandlung auch im Sinne des Erreichens einer Schmerzreduzierung habe ausgenutzt werden können. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sei der Versicherte verstorben, wobei ihm, Dr. Sch. , die genaue Todesursache nicht bekannt sei. Der Versicherte sei von seiner Frau bis zu seinem Ableben gepflegt worden. Eine Überlebensprognose oder eine Beurteilung des Krankheitsverlaufes habe im Juni oder Juli 2007 zu keinem Zeitpunkt abgegeben werden können. Im Hinblick auf die Kürze der Ehezeit machte die Klägerin geltend, es sei nicht gerechtfertigt anzunehmen, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat die Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Vielmehr seien für die Eheschließung gleichgewichtige andere Motive maßgeblich gewesen. Die Heirat sei bereits oft angedacht worden und immer wieder Thema in der Familie gewesen. Wegen der aus Sicht des Versicherten umständlichen Formalitäten (tunesische Abstammung) und teilweise aus finanziellen Gründen (Eheschließung nach tunesischer Tradition großes Familienfest) sei die Eheschließung viele Jahre lang nicht in die Tat umgesetzt worden, dann jedoch durch die von der Krankheit geprägte Lebenserfahrung, dass Träume nicht auf ewig aufbewahrt werden sollten, erfolgt, wobei sie die Chance auf einen neuen Start nach der Krankheit erwartet hätten. Weder sie noch der Versicherte hätten zum Zeitpunkt der Eheschließung geahnt, dass sich dessen gesundheitliche Lage schon bald dramatisch verschlechtern werde. Selbst wenn der Tod bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen wäre, hätten sie die Ehe gleichwohl geschlossen, um so ihr langes Zusammenleben zu "krönen". Auch in diesem Falle hätte nicht der Versorgungsgedanke, sondern die Liebe im Vordergrund gestanden. Für sie und den Versicherten sei die eheähnliche Lebensgemeinschaft nicht die endgültig gewählte Lebensform gewesen. Der Versicherte habe sich über ihre Versorgung keine Gedanken gemacht, da sie aus dessen Sicht mit ihrer eigenen Altersvorsorge abgesichert gewesen sei. Als Angestellte bei der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe habe sie Einkünfte von monatlich ca. 1.400,- EUR Netto und eine entsprechende Altersvorsorge gehabt.
Im Rahmen der von der Beklagten durchgeführten weiteren Ermittlungen teilte die Standesbeamtin im Bürgermeisteramt M. O. ausweislich ihres Schreibens vom 25.04.2008 mit, bei der Heirat der Klägerin mit dem Versicherten am 20.07.2007 habe es sich um eine Nottrauung gehandelt, die in der Wohnung des Ehepaares vollzogen worden sei. Obwohl die für eine Ehe in Deutschland erforderlichen Dokumente nicht vollständig vorgelegen hätten, sei mit Zustimmung der vorgesetzten Behörde die Notfalltrauung vorgenommen worden. Eine erste Anfrage nach den erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung habe die Klägerin im November 2006 an sie gerichtet. Wegen einem in der dann im Januar 2007 vorgelegten Geburtsurkunde des Versicherten enthaltenen Scheidungsvermerk und dessen Versicherung, nie verheiratet gewesen zu sein, sei die Echtheit der Urkunde und vor allem der Personenstand zu überprüfen gewesen, was mit einem sich bis Juli 2007 hinziehenden Nachrichtenaustausch mit der Deutschen Botschaft geführt habe. Im Juni oder Anfang Juli habe die Klägerin mitgeteilt, dass der Versicherte an Krebs erkrankt sei und den Wunsch habe baldmöglichst zu heiraten. Am 20.07.2007 habe sie von der Klägerin dann gegen 8:00 Uhr die telefonische Nachricht erhalten, dass es dem Versicherten sehr schlecht ginge und davon ausgegangen werden müsse, dass er die nächsten Tage nicht überleben werde. Die Klägerin sei daraufhin über die Möglichkeit einer Nottrauung unterrichtet worden. Nach der per Fax erfolgten Bestätigung der schweren Erkrankung und der Erforderlichkeit einer Nottrauung durch Dr. Sch. sei sie dann selbst ans Krankenbett des Versicherten gefahren, habe sich von dessen Geschäftsfähigkeit überzeugt und die Klägerin und den Versicherten gegen 14:00 Uhr getraut. Die Beklagte holte noch eine sozialmedizinische Stellungnahme ein und lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 16.05.2008 mit der Begründung ab, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI), wonach beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung Ziel dessen die Erlangung einer Versorgung sei, sei nicht widerlegt. Vielmehr sprächen die konkreten Umstände der Eheschließung, nämlich die standesamtliche Notfalltrauung, die die lebensgefährliche Erkrankung eines Verlobten sowie die entsprechende ärztliche Bestätigung voraussetze, gerade für eine Versorgungsehe. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin u.a. geltend, die Folgerung, wonach auf Grund der Begleitumstände der Eheschließung auf eine Versorgungsabsicht geschlossen werde, sei nicht zwingend. Auch in derart bedrängten Situationen könnten andere Beweggründe für die Heirat im Vordergrund gestanden haben, nämlich wie bei ihr der Wunsch, dem Versicherten in seiner Krankheit beizustehen oder den schon viele Jahre vor sich her geschobenen Heiratswunsch doch noch zu erfüllen. Hierfür spreche insbesondere das lange Zusammenleben, die familiäre Integration und die immer wieder verschobenen, aber dennoch geäußerten Heiratswünsche bereits vor dem Auftreten der lebensbedrohlichen Erkrankung. Damit sei die gesetzliche Vermutung widerlegt. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2008 zurückgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 18.09.2008 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Versicherten Dr. Sch. , Internist, und Dr. Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. Sch. hat eine letzte Behandlung des Versicherten am 04.06.2007 und eine zunehmende Verschlechterung ab ca. Mai 2007 angegeben. Dr. Sch. hat vom Auftreten erster Beschwerden im Bereich des Skelettsystems ab etwa Anfang Juli 2007 sowie von einer Verschlechterung des Gesamtzustandes ab Mitte Juli 2007 berichtet. Mit Urteil vom 22.06.2009 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt. Ihr und dem Versicherten sei zum Zeitpunkt der Eheschließung bewusst gewesen, dass er voraussichtlich innerhalb eines Jahres sterben werde. Zum Zeitpunkt der Noteheschließung sei es dem Versicherten sehr schlecht gegangen; eine auf Heilung gerichtete ärztliche Behandlung habe nicht mehr stattgefunden. Hinreichende Anhaltspunkte, dass bereits seit 1974 eine Heirat wiederholt ins Auge gefasst worden sei, bestünden nicht, da die Klägerin sich erstmals im November 2006 nach den erforderlichen Unterlagen für eine Eheschließung erkundigt habe.
Am 17.07.2009 hat die Klägerin dagegen beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, ausreichende Tatsachen vorgetragen zu haben, die gegen die gesetzliche Vermutung sprächen, dass die Begründung eines Anspruchs auf Witwenrente nicht das alleinige oder auch überwiegende Motiv der Eheschließung gewesen sei. Sie und der Versicherte hätten bereits seit 1974 zusammengelebt und seit Jahren den festen Plan gehabt, die Ehe zu schließen, wobei diese Pläne aus verschiedenen Gründen immer wieder verschoben worden seien. Eine solch lange eheähnliche Gemeinschaft stelle nicht den Regelfall dar. Das lange Zusammenleben bringe zum Ausdruck, dass sie und der Versicherte sich auf ein dauerhaftes Zusammenleben eingerichtet hätten. Entgegen der gesetzlichen Vermutung, die die öffentliche Hand vor "Sozialpiraten" schützen wolle, hätten sie sich weder kurzfristig zusammen getan noch hätten sie kurzfristige Ziele verfolgt. Schließlich habe sie eine ausreichende eigene Versorgung, selbst wenn diese auf Grund ihres Vorruhestandes gemindert sein sollte. Als Alleinerbin ihrer Mutter habe sie zudem noch Vermögen in Form einer schuldenfreien Mietwohnung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.06.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2008 zu verurteilen, ihr ab 01.09.2007 Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet, ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemanns.
Gemäß § 46 Abs. 1 bzw. Abs. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente bzw. unter besonderen weiteren Voraussetzungen auf große Witwenrente.
Für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen ist nach Abs. 2a dieser Regelung, der mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001 (BGBl I 403) eingeführt worden ist, der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestehen nicht (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 53/08 R).
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten dauerte weniger als ein Jahr, nämlich vom 20.07.2007 bis 20.08.2007. Damit ist der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt.
"Besondere Umstände", die die gesetzliche Vermutung widerlegen würden, liegen nicht vor.
Als besondere Umstände i.S. des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, auch zum gesamten Nachfolgenden). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasste. Eine Versorgungsehe ist nur dann zu verneinen, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwogen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig waren. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle spielte.
Eine abschließende Typisierung oder Pauschalierung der von der Versorgungsabsicht verschiedenen Gründe im Rahmen des § 46 Abs. 2a SGB VI ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Lebenssachverhalten nicht möglich. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Vom hinterbliebenen Ehegatten behauptete innere Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich - isoliert - zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen. Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand i.S. des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eintrat, wie beispielsweise beim Unfalltod, bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich auftrat und schnell zum Tode führte (z.B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung).
Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen die Ehe geschlossen wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden.
Der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI wird nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 292 der Zivilprozessordnung der volle Beweis erbracht wird. Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Im Rahmen der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung ist zunächst zu klären, ob die Eheschließungsmotive der Ehegatten in irgendeiner Form durch objektive Tatsachen nach außen traten. Ermittlungen im Bereich der privaten Lebenssphäre der Ehegatten und zu deren (höchst-)persönlichen, inneren Motiven für die Heirat sind grundsätzlich nicht anzustellen, es sei denn, der Hinterbliebene, der hierüber naturgemäß in erster Linie Angaben machen kann, beruft sich hierauf und ist zur Auskunft bereit. Das Gesetz zwingt ihn aber nicht zu entsprechenden Angaben. Der hinterbliebene Ehegatte muss dann aber mit der Versagung des geltend gemachten Anspruchs auf Witwen- oder Witwerrente rechnen, wenn nach Ausschöpfung des Amtsermittlungsgrundsatzes "besondere Umstände" i.S. des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht festgestellt werden können. Denn die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht.
Unter Berücksichtigung dessen ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist, die Klägerin mithin die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt hat. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem bereits mit dem baldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war und vor dem Hintergrund des Vorbringens der Klägerin nicht festzustellen ist, dass die Ehe gleichwohl in erster Linie (oder zumindest gleichwertig) anderen Zwecken dienen sollte, als der Begründung eines Anspruchs auf Witwenrente. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.
Ergänzend sieht sich der Senat zu dem Hinweis veranlasst, dass die Behauptung der Klägerin im Verwaltungsverfahren, wonach der Tod des Versicherten bei der Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei, in klarem Widerspruch steht zu den konkreten Umständen der Eheschließung, die am Nachmittag des 20.07.2007 als sog. Nottrauung erfolgt ist, nachdem die Klägerin sich am Morgen dieses Tages telefonisch an die Standesbeamtin O. gewandt und von dem schlechten Gesundheitszustandes des Versicherten berichtet hat, worauf diese unverzüglich von dem behandelnden Arzt Dr. Sch. per Telefax eine Bescheinigung über die Unaufschiebbarkeit der Eheschließung beschafft und sich zur "Eheschließung bei lebensgefährlicher Erkrankung" im Sinne des § 7 Personenstandsgesetz (PStG) in die Wohnung der Klägerin und des Versicherten begeben hat. Damit ist offenkundig, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung mit einem alsbaldigen Ableben des Versicherten zu rechnen war.
Damit ist entsprechend den obigen Darlegungen von dem Regelfall auszugehen, wonach bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist. Wenn auch bei einer schweren Erkrankung mit ungünstiger Verlaufsprognose - wie sie vorliegend bei dem Versicherten vorgelegen hat - der Nachweis, dass die Ehe überwiegend oder zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen wurde, nicht gänzlich ausgeschlossen ist, so hat die Klägerin gleichwohl hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände, die umso gewichtiger sein müssen, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist, nicht vorgebracht. Insoweit kommt insbesondere dem Umstand, dass die Klägerin mit dem Versicherten bereits mehr als 30 Jahre in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt hat, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Entsprechendes gilt für das Vorbringen der Klägerin, seit dem Jahr 1974 sei wiederholt eine Heirat ins Auge gefasst worden. Denn gerade die Tatsache, dass Anzeichen für eine Umsetzung dieser Pläne erst nach Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten in Form einer Rückfrage beim Standesamt M. nach den erforderlichen Unterlagen erkennbar geworden sind, spricht wiederum eher für die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung als dagegen. Ungeachtet dessen hat der Senat an der Richtigkeit der Darlegungen der Klägerin nicht zuletzt auch deshalb Zweifel, als diese bereits im Verwaltungsverfahren wahrheitswidrig vorgebracht hat, zum Zeitpunkt der Eheschließung von einer Genesung des Versicherten überzeugt gewesen zu sein, was angesichts der dargelegten Umstände der Eheschließung tatsächlich nicht der Fall gewesen sein konnte.
Nach alledem kann die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
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