L 10 LW 3774/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 LW 2362/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 3774/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.06.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme eines Bescheides über die Aufhebung der Fest-stellung ihrer Versicherungspflicht nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Die am 1957 geborene Klägerin übernahm im Jahre 2001 von ihren Eltern deren landwirtschaft-liches Unternehmen und bewirtschaftete es in der Folgezeit. Mit Bescheid vom 11.04.2002 be-freite die Beklagte die Klägerin wegen Überschreitung der Einkommensgrenzen bis zum 28.02.2002 von der Versicherungspflicht und stellte für die Folgezeit, also ab dem 01.03.2002 Versicherungspflicht nach dem ALG fest. Das landwirtschaftliche Unternehmen umfasste da-mals Intensivobstanbau (2,75 ha), Grünlandfläche (12,75 ha), Forst (0,1 ha) sowie Hof- und Gar-tenfläche (0,26 ha). Die Klägerin bezog Fördermittel nach EU-Recht und versteuerte Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, geriet jedoch im Hinblick auf ihre Beitragspflicht in der landwirt-schaftlichen Sozialversicherung regelmäßig in Zahlungsrückstand.

Mit Schreiben vom 28.08.2005 übersandte die Klägerin der Landwirtschaftlichen Sozialver-sicherung Baden-Württemberg und damit auch der Beklagten einen "Pachtvertrag" vom 28.08.2005, der von ihr und dem selbstständigen Handelsvertreter S. G. (G) unterschrieben war. In diesem einseitigen Schriftstück steht, dass die Klägerin ihren "gesamten landwirtschaftlichen Betrieb" zum 01.09.2005 bis voraussichtlich 31.12.2010 an G verpachte, dass dieser sämtliche MEKA-Maßnahmen übernehme und die Betriebsform nicht verändere, dass das Konto für die Überweisung der Zuschüsse bestehen bleibe und dass der Pachtvertrag zwischen der Verpächterin und dem Pächter ausgehandelt und die Zuschüsse mit dem Pachtpreis verrechnet würden. Zur Feststellung im Einzelnen wird auf die Kopie dieses Pachtvertrages in den Verwaltungsakten Bezug genommen. Ausgehend von einer Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen an G hob die Beklagte mit Bescheid vom 14.09.2005 den Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht mit Wirkung ab dem 01.09.2005 auf.

Anlässlich eines Betriebsbesuches am 17.10.2006 gab die Mutter der Klägerin gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten an, ihre Tochter würde das landwirtschaftliche Unternehmen führen. In der Obstanlage wurden die Klägerin und G angetroffen. Nachdem G keinerlei inhaltliche An-gaben zu den Apfelsorten, zur Verarbeitung und zum Pflanzenschutz machen konnte, wohl aber die Klägerin über die entsprechende Fachkenntnis verfügte, führte die Beklagte weitere Er-mittlungen durch. Es stellte sich dabei heraus, dass die Klägerin auch nach Vorlage des "Pacht-vertrages" als Landwirt Fördermittel beim Landwirtschaftsamt beantragt und erhalten hatte, dass dem Finanzamt eine Verpachtung des landwirtschaftlichen Unternehmens nicht bekannt ge-worden war und dass sie weiterhin auf ihren Namen das geerntete Obst beim Obstgroßmarkt gegen Barzahlung abgab.

Mit Bescheid vom 10.11.2006 und Widerspruchsbescheid vom 04.07.2007 nahm die Beklagte den Bescheid vom 14.09.2005 zurück. Nach Darstellung des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetz-buch (SGB X) führte die Beklagte aus, die Klägerin sei auch ab dem 01.09.2005 Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes. Sie firmiere gegenüber allen anderen Stellen weiterhin als Landwirt, nur der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Baden-Württemberg habe sie die Verpachtung gemeldet. Maßgebend seien jedoch die tatsächlichen Bewirtschaftungsverhältnisse. Dabei berücksichtigte die Beklagte auch den Umstand, dass sich die Grünlandfläche zum 01.01.2006 auf 1,72 ha verringert hatte. Gleichwohl - so die Beklagte im Widerspruchsbescheid - sei die Mindestgröße überschritten, dies schon allein mit dem Intensivobstanbau, der mit 2,75 ha die Mindestgröße von 2,20 ha überschreite. Nachdem die Klägerin Arbeitslosengeld II und För-dermittel erhalte sowie über Grundvermögen verfüge, stelle die Beitragsnachforderung (damals 4.674,50 EUR) keine unbillige Härte dar. Im Übrigen reduziere sich bei einer solch schweren Ver-letzung der Pflichten das Ermessen der Verwaltung auf Null. Auch im Interesse der Ver-sichertengemeinschaft könne von einer rückwirkenden Aufhebung des Bescheides vom 14.09.2005 nicht abgesehen werden.

Das hiergegen am 03.08.2007 angerufene Sozialgericht Konstanz, gegenüber dem G in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, keine Pacht gezahlt zu haben, hat mit Urteil vom 26.06.2008 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Bescheid vom 14.09.2005 sei rechtswidrig gewesen, weil ein Ereignis, das den Wegfall der Versicherungspflicht mit Wir-kung ab dem 01.09.2005 hätte bewirken können, nicht vorliege. Insbesondere sei die Ver-sicherungspflicht der Klägerin nicht zum 31.08.2005 durch die Aufgabe der Tätigkeit als land-wirtschaftliche Unternehmerin beendet worden. Hieran ändere auch die von der Klägerin und G unterzeichnete Erklärung mit dem Datum 28.08.2005 nichts. Maßgebend sei, ob der Vertrag auch "gelebt" werde. Scheingeschäfte seien nach § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Für eine Fortsetzung der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin spreche der Um-stand, dass sie gegenüber den Landwirtschaftsbehörden und dem Finanzamt sowie den Kunden weiterhin als landwirtschaftliche Unternehmerin aufgetreten sei. G habe nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung weder regelmäßige Pachtzahlungen noch eigene Verträge mit Lieferanten und Kunden angegeben. Seine Angaben zeugten allenfalls von einem gemeinsamen Wirtschaften mit der Klägerin, nicht aber von einer Betriebsübernahme. Dies stehe in Überein-stimmung mit den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die in Bezug auf die landwirtschaftliche Tätigkeit von "wir" gesprochen habe. Ein gemeinsames Wirtschaften aber lasse nicht den Schluss zu, dass die Klägerin den Betrieb vollständig an G abgegeben habe. Er-messensfehler seien nicht erkennbar.

Gegen das ihr am 09.07.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.08.2008 Berufung ein-gelegt. Sie hält den "Pachtvertrag" weiterhin für maßgebend.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 26.06.2008 und den Bescheid vom 10.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Zutreffend sind das Sozialgericht und die Beklagte davon ausgegangen, dass Rechtsgrundlage für den streitigen Bescheid § 45 SGB X ist, dessen Inhalt die Beklagte im angefochtenen Wider-spruchsbescheid zutreffend wiedergab. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wieder-holungen Bezug.

Der Bescheid vom 14.09.2005 war rechtswidrig, weil die Klägerin als Landwirt weiterhin ver-sicherungspflichtig nach § 1 ALG war. Die Beklagte legte im angefochtenen Widerspruchs-bescheid zutreffend die Voraussetzungen für den Eintritt dieser Versicherungspflicht dar (Be-treiben eines landwirtschaftlichen Unternehmens, das die Mindestgröße erreicht) und führte ebenso zutreffend aus, dass diese Voraussetzungen allein schon mit der Bewirtschaftung der Obstanlage erfüllt waren und sind, weil insoweit die von der Vertreterversammlung für Unternehmen des Intensivobstanbaus festgelegte Mindestgröße von 2,20 ha überschritten war. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 3 SGG ab und folgt der Begründung des Widerspruchsbescheides. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Berechnung nach dem durchschnittlichen Hektarwert (für den Unternehmenssitz der Klägerin: 1.546,00 DM) die von der Vertreterversammlung der Beklagten auf 5.000 DM festgelegte Mindestgröße für Unternehmen der reinen Landwirtschaft mit einem derartigen durchschnittlichen Hektarwert überschritten wird (Grünland 1,72 ha + Obstanbaufläche 2,75 ha = 4,47 ha; 4,47 ha x 1.546,00 DM = 6.910,62 DM). Dies würde auch zutreffen, wenn - wofür allerdings keinerlei Belege vorliegen - die Behauptung der Klägerin zuträfe, die Obstanbaufläche sei auf 1,95 ha reduziert worden (Grünland 1,72 ha + Obstanbaufläche 1,95 ha = 3,67 ha; 3,67 ha x 1.546,00 DM = 5.673,82 DM).

Zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass sich an dieser Versicherungspflicht zum 01.09.2005 nichts änderte, insbesondere nicht durch eine Verpachtung, und dass die Klägerin insoweit unrichtige Angaben machte, indem sie behauptete, sie habe ihr landwirtschaftliches Unternehmen an G verpachtet. Denn tatsächlich lag eine derartige Verpachtung nicht vor. We-sentlicher Vertragsbestandteil eines Pachtvertrages ist neben der Gebrauchsüberlassung auch die Entrichtung der Pacht. Denn nach § 581 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Pächter verpflichtet, dem Verpächter die vereinbarte Pacht zu entrichten. Vorliegend wurde aber zwischen der Klägerin und G noch nicht einmal ein Pachtzins konkret vereinbart. In dem von der Klägerin diesbezüg-lich vorgelegten Schriftstück vom 28.08.2005 ist vielmehr dokumentiert, dass der Pachtzins erst noch ausgehandelt werden solle. Nach den Angaben von G in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht ist dies jedoch nicht erfolgt. G hat hierzu angegeben, die Pachtzahlung an die Klägerin spiele keine Rolle, es könnten 20,00 DM oder auch 20,00 EUR sein, er habe keine Pacht gezahlt. Damit fehlt es für die Annahme eines Pachtvertrages an einem wesentlichen Vertrags-bestandteil, über den die Klägerin und G sich hätten einigen müssen.

Im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass Scheingeschäfte nach § 117 Abs.1 BGB nichtig sind und ein solches hier vorliegt. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Dar-stellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Auch der Senat geht somit auf Grund der vor-liegenden, vom Sozialgericht aufgeführten Indizien davon aus, dass die Erklärungen von G und der Klägerin im vorgelegten Schriftstück vom 28.08.2005 nur zum Schein abgegeben wurden. Hierfür spricht insbesondere, dass weder seitens der Klägerin noch von G Konsequenzen aus einem Pachtvertrag gezogen wurden (die Klägerin trat weiterhin gegenüber dem Landwirt-schaftsamt und dem Finanzamt sowie dem Obstgroßhandel als landwirtschaftliche Unter-nehmerin auf, während G selbst überhaupt nicht in Erscheinung trat; er gab - so seine Angaben gegenüber dem Sozialgericht - in seiner Steuererklärung auch keine Einnahmen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit an). Soweit G tatsächliche Arbeit in der Landwirtschaft erbrachte, kann lediglich von einer Mithilfe im landwirtschaftlichen Unternehmen der Klägerin ausgegangen werden. Das Sozialgericht hat zutreffend dargestellt, dass ein solches - allenfalls gemeinsames Wirtschaften - keine Übernahme des Betriebes darstellt. Hinzu kommt, dass G gar nicht in der Lage war, das landwirtschaftliche Unternehmen der Klägerin zu führen, weil er - was durch das Protokoll über den Betriebsbesuch dokumentiert ist und von der Klägerin auch nicht bestritten wird - über keinerlei Fachkenntnisse verfügte, insbesondere nicht über den Obstanbau als Schwerpunkt des landwirtschaftlichen Unternehmens.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin bewusst und gewollt und damit vorsätz-lich falsche Angaben machte, indem sie gegenüber der Beklagten behauptete, ihr Unternehmen verpachtet zu haben. Denn die Klägerin wusste genau, dass sie wie bisher ihr Unternehmen der Landwirtschaft betreiben wird. Auf das von ihr vorgelegte Schriftstück vom 28.08.2005 kann sich die Klägerin somit nicht berufen. Denn die dortigen Erklärungen standen - wie dargelegt und wie der Klägerin bekannt war - mit der tatsächlichen Absicht der Unterzeichnenden nicht in Einklang.

Zutreffend haben die Beklagte und das Sozialgericht auch erkannt, dass die Anwendung des § 45 SGB X regelmäßig die Ausübung von Ermessen voraussetzt. Insoweit sind die Gerichte dann bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides darauf beschränkt, diesen Be-scheid auf Ermessensfehler zu überprüfen. Derartige Ermessensfehler, die zur Rechtswidrigkeit und Aufhebung des Bescheides führen würden, liegen indessen hier nicht vor. Denn in einem Fall wie hier, wenn der Betroffene vorsätzliche Falschangaben macht, ist eine Ermessensaus-übung nicht erforderlich (so genannte Ermessensreduzierung auf Null, vgl. BSG, Urteil vom 11.04.2002, B 3 P 8/01 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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