L 10 R 4080/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2729/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4080/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.08.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbs-minderung streitig.

Die am 1953 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige, hat keine Ausbildung absolviert. Im Jahr 1972 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über und nahm nach Erziehung ihrer Kinder erstmals im September 1988 eine berufliche Tätigkeit als Reinemachefrau auf. Seit 20.11.1993 ist die Klägerin arbeitslos.

Am 31.10.2006 beantragte die Klägerin (erneut) die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Zur Begründung ihres Antrags gab sie als Gesundheitsstörungen "Bluthochdruck, Brustkrebs, Bronchitis, Kopfschmerzsyndrom, Magen, Darm, Leber" an. Die Beklagte veranlasste das Gut-achten der Internistin Dr. H.-Z. auf Grund Untersuchung vom 28.11.2006, die eine operierte und bestrahlte bösartige Neubildung der linken Brustdrüse ohne derzeitige weitere Tumor-manifestation, eine depressive Verstimmung mit Somatisierung, einen behandlungsbedürftigen Bluthochdruck, eine geringgradige Wirbelsäulenfehlhaltung mit Verspannung der Schulternackenmuskulatur sowie Fußdeformitäten diagnostizierte. In Zusammenschau der Befunde hielt sie eine leichte berufliche Tätigkeit ohne besonderen Zeitdruck, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung und ohne besondere Beanspruchung der linken oberen Extremität für vollschichtig möglich. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinemachefrau wollte sie der Klägerin lediglich noch drei- bis unter sechsstündig zumuten.

Mit Bescheid vom 04.12.2006 und Widerspruchsbescheid vom 28.06.2007 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stun-den täglich verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen liege weder volle noch teilweise Er-werbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor.

Dagegen hat die Klägerin am 23.07.2007 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, an den Folgen einer Brustkrebserkrankung, einer depressiven Verstimmung mit Somatisierung, einem Bluthochdruck, Wirbelsäulenproblemen, Fußdeformitäten, Übergewicht, einer Fettleber und Gallensteinen zu leiden. Hierdurch liege volle Erwerbsminderung vor.

Das SG hat Dr. K. und den Psychiater R. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Dr. K. hat von internistischer Seite eine behandlungsbedürftige Hypertonie, eine chronische Hepatitis sowie eine endoskopisch festgestellte kleine Hiatushernie beschrieben und über von der Klägerin geklagte rezidivierende abdominelle Beschwerden berichtet. Er hat die Klägerin für fähig er-achtet, leichte körperliche Arbeiten ohne übermäßigen Stress ca. sechs Stunden täglich zu ver-richten. Zur Einschätzung der als Folge des operierten Mammacarzinoms aufgetretenen depressiven Verstimmung sowie der orthopädischen Leiden hat er sich nicht in der Lage gesehen. Der Psychiater R. hat von sporadischen Vorstellungen der Klägerin berichtet und als Gesundheitsstörungen eine Dysthymia, eine chronisch depressive Grundstimmung mit Antriebsstörung und rezidivierenden mittelgradigen depressiven Episoden mit Schlafstörungen, Unruhezustände und Ängste seit mindestens fünf Jahren, eine Somatisierungsstörung mit mannigfachen körperlichen Beschwerden im Bereich des Achsenskeletts und einen Zustand nach Operation eines Mammacarzinoms links im Mai 2005 und Radiation und Chemotherapie aufge-führt. Er hat die Klägerin in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Reinigungskraft täglich maximal drei Stunden mit Pausen für belastbar erachtet. Auch leichte körperliche Tätigkeiten hat er ledig-lich ca. drei Stunden täglich (mit Pausen von zehn Minuten stündlich) für möglich gehalten. Das SG hat sodann das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. erhoben, der die Klägerin am 27.03.2008 nervenärztlich untersucht hat. Dr. B. hat eine depressive Entwicklung mit funktioneller Schlafstörung, vermehrter psychovegetativer Labilität, rezidivierende HWS-Beschwerden, LWS-Beschwerden sowie angegebene Schultergelenksbeschwerden beidseits beschrieben und den Verdacht auf rezidivierende sensible Ulnarisirritationen links geäußert. Aus nervenärztlicher Sicht hat er die Klägerin für fähig erachtet, leichte bis gelegentlich mittel-schwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Diese Tätigkeiten sollten ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere nervöse Anspannung, ohne andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht, zur ebener Erde und nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen durchgeführt werden. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG das weitere nervenärztliche Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. auf Grund Untersuchung vom 30.10.2008 erhoben. Dieser hat eine rezidivierende depressive Störung (gegenwertig mittelgradige Episode), eine schwere und anhalte somatoforme Schmerzstörung, einen chronischen Schmerzmittelmissbrauch, eine chronische Cervikobrachialgie beidseits, ein chronisches lumbales Syndrom sowie einen Zustand nach Operation wegen Mammacarzinoms linksseitig diagnostiziert. Prof. Dr. B. hat die Klägerin nicht mehr für fähig erachtet, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in irgend einer Weise zu verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.08.2009 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten von Dr. H.-Z. und des Dr. B. abgewiesen und ausgeführt, das Gutachten des Prof. Dr. B. sei u.a. des-halb nicht verwertbar, weil der Sachverständige die Untersuchung und die Anamneseerhebung in Gegenwart des Ehemanns der Klägerin und dessen Sohn durchgeführt habe, sich offensichtlich im Wesentlichen von der Meinung der Dolmetscherin habe leiten lassen und die Beschwerde-angaben der Klägerin nicht kritisch hinterfragt habe, obwohl er von einer Aggravation ausgegangen sei und einen ausgeprägten sekundären Krankheitsgewinn angenommen habe.

Am 28.08.2009 hat die Klägerin dagegen Berufung eingelegt und unter Hinweis auf das Gut-achten des Prof. Dr. B. geltend gemacht, nicht mehr in der Lage zu sein, berufliche Tätigkeiten drei oder mehr Stunden täglich zu verrichten. Zu Unrecht habe das SG Bedenken gegen das Gut-achten des Prof. Dr. B. vorgebracht. Soweit es zu Grunde gelegt habe, dass ihre Untersuchung in Anwesenheit des Ehemanns und des Sohnes durchgeführt worden sei, sei dies unzutreffend. Vielmehr habe der Sachverständige sie alleine in Gegenwart der Dolmetscherin angehört und erst später Gespräche mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn geführt. Zu Unrecht sei das SG auch davon ausgegangen, dass Prof. Dr. B. sich im Wesentlichen von der Meinung der Dolmetscherin habe leiten lassen. Insoweit handele es sich um keinen Fakt, sondern ausschließlich um eine Mutmaßung des Gerichts.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.08.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 28.06.2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil oh-ne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug ge-nommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerechte eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig; sie ist je-doch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 04.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klä-gerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, wes-halb sie weder Anspruch auf Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung hat.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin bei Beachtung der näher aufgeführten qualitativen Einschränkungen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat schließt sich dieser Leistungsbeurteilung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren weist der Senat darauf hin, dass das SG das Gutachten des Prof. Dr. B. zu Recht als unverwertbar erachtet und deshalb sei-ner Beurteilung nicht zugrunde gelegt hat. Die zahlreichen Mängel im Gutachten des Prof. Dr. B., die dessen Leistungsbeurteilung als wenig nachvollziehbar und überzeugend erscheinen lassen, hat das SG ausführlich dargelegt und zutreffend gewertet. Eine andere Beurteilung ist insoweit selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn man das Vorbringen der Klägerin im Berufungs-verfahren, wonach ihr Ehemann und ihr Sohn bei der Untersuchung tatsächlich nicht anwesend gewesen seien, als wahr unterstellt und darüber hinaus auch davon ausgeht, dass die im Gut-achten in der Tat dokumentierte Meinung der Dolmetscherin keinen Eingang in die Einschätzung des Sachverständigen gefunden hat. Denn das Gutachten lässt - wie das SG hinreichend deutlich gemacht hat - bereits eine kritische Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen der Klägerin vermissen, was insbesondere vor dem Hintergrund der in Übereinstimmung mit Dr. B. auch von Prof. Dr. B. festgestellten Aggravationstendenzen der Klägerin zwingend geboten ge-wesen wäre.

Die Berufung der Klägerin kann damit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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