L 10 R 5354/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 579/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5354/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1951 in der T. geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war seit März 1976 in Deutschland als Matrose und Bauhilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Er ist seit 1994 arbeitslos.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 15.07.2004 lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. (vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Ausschluss von relevanten psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen) mit Bescheid vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2005 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 28.02.2005 Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben. Nach Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen (u.a. Arzt für Orthopädie Dr. K.: aus orthopädischer Sicht sei der Kläger bei rezidivierendem HWS-Syndrom und Lumbalgien, Spreizfuß und Diabetes mellitus in der Lage, leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten) hat das Sozialgericht ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. erhoben. Der Sachverständige hat eine leichtgradige depressive Störung bei rezidivierend verlaufender Depression, eine Somatisierungsstörung (insbesondere eine chronische Schmerzsymptomatik bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen), eine Persönlichkeitsstörung mit histrionischen Zügen und einem Tremor diagnostiziert und den Kläger für in der Lage gehalten, bei Beachtung qualitativer Einschränkungen (Ausschluss von Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel über 15 kg, gelegentlich 20 kg, von gleichförmigen, einseitigen Körperhaltungen oder Zwangshaltungen, häufigem Bücken, von Arbeiten in ungünstiger Körperhaltung, mit Bedienen von komplizierten Anlagen oder gefährlichen Maschinen, von Tätigkeiten mit hohen Anforderungen an die konzentrative Leistungsfähigkeit, mit besonderer Verantwortung oder mit besonderer geistiger Beanspruchung, unter erheblichem Zeitdruck, in Wechselschicht oder Nachtschicht, in ungünstigen klimatischen Einflüssen) regelmäßig fünf Tage in der Woche sechs bis acht Stunden zu arbeiten. Im Hinblick auf den weder klinisch noch computertomographisch entsprechend ausgeprägten körperlichen Befund der Wirbelsäule (kein wesentlicher Kompressionseffekt, keine wesentlichen Einengungen des Spinalkanals oder Hinweise auf Nervenwurzelreizungen) sei von einer ausgeprägten psychogenen Komponente bei Erleben und Wahrnehmung der Schmerzsymptomatik auszugehen. Es bestehe eine einfach strukturierte Primärpersönlichkeit mit histrionischen und dissozialen Tendenzen mit erhöhter Ängstlichkeit, Neigung zur Dramatisierung, Betonung von und Fixierung auf somatische Störungen und Beschwerden. Eine depressive Symptomatik sei bei der Untersuchung nicht mehr nachweisbar gewesen. Unter ärztlicher Behandlung sei eine deutliche Beschwerdebesserung binnen drei bis sechs Monaten möglich. Der Kläger sei auch noch in der Lage, arbeitstäglich viermal 500 Meter in zumutbarem Zeitaufwand zurückzulegen.

Beim Kläger sind wegen eines Bandscheibenvorfalls Lendenwirbelsäulenoperationen am 01.06.2006 (Nucleotomie L 4/L 5 und L 5/L 6) und am 10.07.2006 (Re-Nucleotomie L 4/L 5 und L 5/L 6 via Hemilaminektomie L 5 mit dorso-lateraler Spondylodese) erfolgt, mit anschließender medizinischer Rehabilitation in der S.-Klinik Z. (am 09.08.2006 entlassen als arbeitsunfähig und voraussichtlich leistungsfähig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab Anfang 2007).

Der Facharzt für Anästhesie, Allgemeinmedizin und Spezielle Schmerztherapie Dr. Sch.-L. hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein weiteres Gutachten für das Sozialgericht erstattet. Er hat beim Kläger nach Untersuchung am 19.10.2006 ein inkomplettes Querschnittsyndrom mit Sensibilitätsstörungen in Höhe von LWK 3/4, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine arterielle Hypertonie, einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eine Adipositas per magna diagnostiziert. Abweichend von den bisherigen gutachterlichen Beurteilungen des Leistungsvermögens sei wegen der neuen Befundkonstellation nach den beiden Wirbelsäulenoperationen seit Juli 2006 ein regelmäßiges Arbeiten nicht mehr möglich. Wegen der von ihm angegebenen Sensibilitätsstörungen und der Kraftminderung an den unteren Extremitäten sei der Kläger im Alltag bereits für einfache Bewegungsabläufe deutlich eingeschränkt und könne nur mit Hilfe eines Korsetts und mit Gehstützen über kurze Distanz und kurze Zeit gehen. Eine Wegstrecke von 500 Metern könne er nur mit einer Begleitperson zurücklegen.

Nach einer weiteren Wirbelsäulenoperation am 15.11.2007 (ossäre Dekompression L 4 - S 1 beidseits, Neurolyse L 5 rechts) mit anschließender komplikationsloser Rehabilitation in der S.-Klinik Z. und einer arthroskopischen Innenmeniskusresektion am rechten Kniegelenk in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses B. am 21.05.2008 hat das Sozialgericht ein weiteres nervenärztliches Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. St. eingeholt, der den Kläger nach drei Untersuchungen am 27.05.2008, am 30.06.2008 und am 18.09.2008 für in der Lage erachtet hat, regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich einer leichten Wechseltätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Vermeidung gleichförmiger Körperhaltungen, von häufigem Bücken sowie Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 5 kg nachzugehen. Außer einem leichten essentiellen Tremor ohne relevante Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit bestünden beim Kläger weder eine neurologische Erkrankung noch eine psychische Störung von Krankheitswert. Eine Querschnitts-symptomatik des Rückenmarks sei im Hinblick darauf auszuschließen, dass keine Paresen und Muskelatrophien an Armen, Beinen oder Füßen feststellbar seien. Sowohl hinsichtlich der psychischen Beschwerden als auch bezogen auf seine körperlichen Einschränkungen habe der Kläger, wie bereits im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. , ein unverkennbares Aggravationsverhalten gezeigt. Er habe bei der ersten Begutachtung zahlreiche, angeblich von ihm begangene Straftaten geschildert, dies aber bei der zweiten Untersuchung in Abrede gestellt. Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, wie von Dr. S. noch diskutiert, könne aber ausgeschlossen werden. Die vom Bundeszentralregister nicht bestätigten und wenig glaubhaften Äußerungen seien auf die Darstellung einer Erwerbsminderung ausgerichtet gewesen.

Mit Urteil vom 30.10.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich zur Begründung auf die Gutachten von Dr. St. und Dr. M. sowie den Reha-Entlassungsbericht der S. Klinik Z. gestützt. Hiernach sei der Kläger nicht erwerbsgemindert, weil er unter Beachtung qualitativer Einschränkungen noch leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten könne. Die von Dr. Sch.-L. thematisierte Querschnittssymptomatik und Einschränkungen der Wegefähigkeit des Klägers habe Dr. St. zweifelsfrei ausgeschlossen. Eine zu einer quantitativen Leistungseinschränkung führende Schmerzsituation als Folge der Wirbelsäulenoperationen sei nicht nachgewiesen. Insbesondere habe der Kläger bei Dr. St. zu keinem Zeitpunkt schmerzgeplagt gewirkt. Als Bauhilfsarbeiter sei der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar und daher auch nicht berufsunfähig.

Mit seiner am 20.11.2008 eingelegten Berufung hat der Kläger unter Vorlage des Entlassungsberichts des Krankenhaus B. vom 29.09.2008 weiter geltend gemacht, wegen einer motorischen Schwäche seiner unteren Extremitäten, einer Instabilität seiner Wirbelsäule und den damit verbundenen Schmerzen nicht in der Lage zu sein, mindestens drei Stunden täglich auch nur einer leichten Tätigkeit nachzugehen oder die sozialmedizinisch relevante Gehstrecke zurückzulegen.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30.10.2008 und den Bescheid vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise auf Zeit, ab dem 01.04.2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Auf Anfragen des Senats hat der Facharzt für Orthopädie Dr. K. mitgeteilt, zu den Rückenbeschwerden des Klägers sei ab August 2008 eine Sprunggelenksarthrose mit rezidivierender Schwellung im rechten Sprunggelenk hinzugekommen. Der Kläger sei wahrscheinlich aus orthopädischer Sicht in der Lage, leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Gehstrecke sei während der Behandlung kurzzeitig (Oktober bis Mitte November 2008) durch den Zinkleimverband eingeschränkt gewesen. Derzeit könne der Kläger viermal täglich einen Fußweg von jeweils 500 Meter in jeweils 20 Minuten zurücklegen.

Die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses B. hat angegeben, Gefühl, Motorik und Durchblutung im Unterschenkel und den Fußgelenken seien bei der ambulanten Untersuchung des Klägers am 28.04.2008 - bei instabiler Innenbandführung des rechten Kniegelenks - regelrecht gewesen. Am 22.05.2008 sei der rechte Innenmeniskus operiert worden. Arbeitsunfähigkeit habe für den Behandlungszeitraum und danach noch für weitere 10 bis 12 Tage bestanden. Über den weiteren Verlauf sei nichts bekannt.

Das Krankenhaus Balingen, Klinik für Innere Medizin, hat berichtet, der Kläger sei im September 2008 wegen Blutzuckerentgleisung, therapieresistenter Schmerzen und Anämie unklarer Genese stationär aufgenommen worden. Die Schmerzen im rechten Bein seien am ehesten durch eine arthroskopische Innenmeniskusresektion im rechten Kniegelenk bedingt. Eine berufliche Tätigkeit werde durch die grenzwertige Anämie nicht eingeschränkt. Der Blutzuckerspiegel sei während des stationären Aufenthaltes gut eingestellt gewesen. Eine diesbezügliche Einschränkung der beruflichen Tätigkeit hänge von der Compliance des Klägers ab.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 21.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2005 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger im Berufungsverfahren unverändert an seinem erstinstanzlichen Vortrag festhält, er sei wegen einer motorischen Schwäche seiner unteren Extremitäten, einer Instabilität seiner Wirbelsäule und den damit verbundenen Schmerzen nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich auch nur einer leichten Tätigkeit nachzugehen oder die sozialmedizinisch relevante Gehstrecke zurückzulegen, trifft dies nicht zu. Bereits die Ermittlungen des Sozialgerichts haben die Behauptungen nicht bestätigt und auch aus den nochmaligen Nachfragen des Senats bei den behandelnden Ärzten ergibt sich nichts anderes.

Der Orthopäde Dr. K. hat eine motorische Schwäche der Beine, eine Instabilität der Wirbelsäule und Schmerzen gerade nicht berichtet. Die Rückenbeschwerden bestehen nach seinen Angaben unverändert und führen zu einer deutlichen Reduzierung der Belastbarkeit des Achsenorgans (Ausschluss von Zwangshaltungen, von Lasten über 5 kg und von Arbeiten in Hitze, Kälte, Nässe oder Zugluft), schließen jedoch nach seiner Einschätzung bei Beachtung der von ihm mitgeteilten qualitativen Einschränkungen eine täglich sechsstündige leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht aus. Daneben ist eine weitere Behandlung des Klägers wegen akuter Beschwerden der Wirbelsäule nicht dokumentiert und wird vom Kläger auch nicht behauptet.

Eine rentenrelevante Leistungsminderung des Klägers vermag der Senat auch nicht wegen der Gesundheitsstörungen am rechten Bein festzustellen. Dr. K. hat die Belastbarkeit der unteren Extremitäten wegen der im August 2008 diagnostizierten Sprunggelenksarthrose mit rezidivierender Schwellung im rechten Sprunggelenk als nur leicht reduziert bezeichnet und unter Berücksichtigung dieser Erkrankung eine sechs Stunden täglich umfassende leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes für zumutbar gehalten. Die am 28.04.2008 diagnostizierte und am 22.05.2008 operierte Instabilität des Innenbands des rechten Kniegelenks hat nach Auskunft der behandelnden Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Krankenhauses B. lediglich zu einer Arbeitsunfähigkeit ab 28.04.2008 bis 10 bis 12 Tage nach der Entlassung aus der stationären Behandlung am 23.05.2008 geführt. Da der Kläger sich im Anschluss an die Entlassung nicht mehr wegen Beschwerden des rechten Kniegelenks bei den operierenden Ärzten vorgestellt hat und solche Beschwerden auch von Dr. K. nicht erwähnt werden, begründet die fachfremd geäußerte Vermutung von Dr. T. , die während des - wegen Beschwerden auf internistischem Fachgebiet erfolgten - stationären Aufenthalts in der der Klinik für Innere Medizin des Krankenhauses B. im September 2008 beklagten Schmerzen im Bereich des rechten Beines seien am ehesten durch die arthroskopische Innenmeniskusresektion vom Mai 2008 bedingt, keinen erheblichen Zweifel daran, dass die Kniegelenksoperation erfolgreich verlaufen ist. Hiergegen spricht bereits, dass der Kläger auch vor der Diagnose der Kniegelenkserkrankung solche Gesundheitsstörungen beklagt hatte, die er im Übrigen selbst auf die Wirbelsäulenerkrankung zurückführte. Weitere medizinische Ermittlungen in dieser Hinsicht sind damit nicht angezeigt. Den Antrag des Klägers auf Einholung eines orthopädischen Gutachtens lehnt der Senat daher ab.

Schließlich ergibt sich eine quantitative Leistungsminderung auch nicht aus dem vom Kläger mit der Berufungsbegründung vorgelegten Bericht der Klinik für Innere Medizin des Krankenhauses B. über eine stationäre Behandlung vom 23.09. bis 29.09.2008. Die zur stationären Aufnahme führende Blutzuckerentgleisung ist kurzfristig behoben worden und nach Angabe der behandelnden Ärzte im Übrigen von der Compliance des Klägers abhängig. Die daneben diagnostizierte Anämie hat nach ihrer Mitteilung keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers.

Der Kläger kann somit zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. St. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Er ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich. Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Allerdings kann nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung.

Hat der Versicherte - wie der seit 1994 arbeitslose Kläger - keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.

Nach diesen Grundsätzen besteht auch kein Rentenanspruch des Klägers wegen fehlender Wegefähigkeit. Die von Dr. K. berichtete Sprunggelenkserkrankung hat nämlich lediglich für den Zeitraum des von ihm verordneten Zinkleimverbandes von Oktober bis Mitte November 2008 und damit nur vorübergehend zu einer Einschränkung der Gehfähigkeit geführt. Entsprechendes gilt für die Innenmeniskusresektion am rechten Kniegelenk. Bei der ersten Untersuchung durch Dr. St. am 27.05.2008 hat der Kläger wegen der kurz davor erfolgten Kniegelenksoperation noch einen Verband getragen. Bei der zweiten Untersuchung am 18.09.2008 ist das Knie unauffällig gewesen und hat problemlos bewegt werden können. Der Kläger hat in diesem Termin ohne Gehstöcke mit flottem Schritt das Untersuchungszimmer durchschreiten können. Hiermit stimmt überein, dass das von Dr. St. berichtete Fehlen erheblicher Gebrauchsspuren an den Gehstöcken auf eine nur geringe Nutzung durch den Kläger hinweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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