L 4 KR 237/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 373/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 237/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Sozialversicherungspflicht bei einem Ehegattenarbeitsverhältnis.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Augsburg vom 11. Juni 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers vom 01.08.1993 bis 31.12.1999 in der Firma seiner Ehefrau (Beigeladene zu 1) streitig.

Der 1969 geborene Kläger begann am 01.06.1990 im Betrieb seines Schwiegervaters eine Lehre, die wegen Lehrverkürzung bereits nach 18 Monaten beendet wurde. Im Anschluss daran arbeitete er im gleichen Betrieb als Geselle. Am 24.05.1995 erhielt der Kläger seinen Meisterbrief als "Textilreiniger".

1993 umfasste der Betrieb seines Schwiegervaters mehrere Standorte: Die G.Reinigung in der V.Passage mit weiterem Standort am V. sowie eine Teppichreinigung am V ... Im Mai 1993 übernahm die Beigeladene zu 1) die Chemische Reinigung am V. (G.-Reinigung) sowie die Filiale in der V.Passage. Während die Beigeladene zu 1) weiterhin im Betrieb ihres Vaters C-Straße angestellt war, erledigte der Kläger die Betriebsleitung der Firma seiner Ehefrau, d.h. des Betriebssitzes V. und der Filiale in der V.Passage. Im April 2000 übernahm die Beigeladene zu 1) auch den Restbetrieb ihres Vaters (C-Straße) sowie eine weitere Reinigung am K ...

Nach einer Tumorerkrankung 2003 nahm der Kläger ab 01.04.2006 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Anwendungstechniker für Textilchemie auf.

Vom 01.08.1993 bis 31.12.1999 war der Kläger bei der Beklagten versichert, danach bei der BKK AKS (jetzige BKK Essanelle, Beigeladene zu 6) und ab 01.04.2002 bei der BKK Mobil Oil (Beigeladene zu 5).

Auf Antrag des Klägers auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status teilte die Beigeladene zu 5) mit Bescheid vom 23.06.2004 dem Kläger mit, dass eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorläge.

Dieser Auffassung schloss sich auch die Beigeladene zu 6) an und verneinte mit Bescheid vom 30.09.2004 ebenfalls die Versicherungspflicht.

Unter Hinweis auf den Bescheid der Beigeladenen zu 5) ließ der Kläger am 07.07.2004 durch die Firma Assekuranz-Consulting - J. G. & Partner - eine Statusfeststellung beantragen.

Es wurden vorgelegt ein Arbeitsvertrag, Lohnkonten, Darlehensverträge und der Feststellungsbogen zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung. Nach dem Arbeitsvertrag erhielt der Kläger als Vergütung ein monatliches Arbeitsentgelt von 2.000,- DM und eine Gewinnbeteiligung. U.a. ist in dem Arbeitsvertrag auch ein Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub geregelt. In dem genannten Feststellungsbogen gab der Kläger u.a. an, seit 1993 eine Tätigkeit als Betriebsleiter auszuüben. An Weisungen der Betriebsinhaberin sei er nicht gebunden und ein Weisungsrecht werde tatsächlich auch nicht ausgeübt. Er könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Das Arbeitsentgelt entspreche nicht dem ortsüblichen Gehalt, jedoch werde eine Gewinnbeteiligung gewährt. Zudem gab der Kläger ein Darlehen in Höhe von 9.000,- EUR an die Betriebsinhaberin an. Darüber hinaus verwies er auf eine Vereinbarung zwischen ihm und seiner Ehefrau vom 01.08.1993 über die Zahlung eines jährlichen Betrages von 600,- DM zusätzlich zum Gehalt, wobei diese Summe als Gewinnbeteiligung galt.

Am 22.11.2001 teilte die Beigeladene zu 1) dem Kläger Einzelprokura. Seit 30.05.1994 wurden bei der Beklagten jährlich Lohnfortzahlungserstattungen (insgesamt über 2.010,20 EUR) geltend gemacht.

Mit streitigem Bescheid vom 26.04.2005 lehnte die Beklagte Versicherungsfreiheit ab. Das sich anschließende Widerspruchsverfahren blieb mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2005 erfolglos.

Mit der dagegen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und sich im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen berufen.

Auf Anfrage des SG, welches Ziel der Kläger mit der Klage verfolge, teilte der Kläger mit, sein Ziel sei es, die RV-Beiträge von 1993 bis 1999 erstattet zu erhalten.

Mit Urteil vom 11.06.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und sich mit ausführlicher Begründung der Auffassung der Beklagten angeschlossen

Gegen das SG-Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen ließ der Kläger Lohnkonten und eine Auflistung von Kontenblättern vorlegen. Diese würden belegen, dass der Kläger immer wieder Privateinlagen auf die Konten der Firma B. & A. geleistet habe, um die wirtschaftlichen Defizite auszugleichen. Des Weiteren wurden Einkommensteuerbescheide u.a. für 1998 und 1999 sowie ein Betriebsprüfungsbericht vom 11.12.2003 vorgelegt, wobei anzumerken ist, dass bereits 1998 eine Betriebsprüfung stattgefunden hatte und auch ein entsprechender Bericht vorliegt. Aus den vom Kläger vorgelegten Einkommensteuerbescheiden geht hervor, dass sein Einkommen als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit gewertet wurde und der Kläger eine Arbeitnehmersparzulage erhalten hat.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11.06.2008 und den zugrunde-liegenden Bescheid der Beklagten vom 26.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.09.2005 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger in der Zeit vom 01.08.1993 bis 31.12.1999 nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen ist.

Der Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen zu 4) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 4) halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich aber als nicht begründet. Der Kläger war in der Zeit vom 01.08.1993 bis 31.12.1999 in der Firma seiner Ehefrau versicherungspflichtig beschäftigt.

Dies hat das SG im angefochtenen Urteil vom 11.06.2008 zutreffend festgestellt. Es durfte auch die Klage als zulässig erachten, denn nach Auffassung des Senats (vgl. Urteil vom 18.10.2007, L 4 KR 79/06 und spätere Urteile) ist dem Kläger ein Rechtsschutzinteresse auf gesonderte Statusfeststellung zuzubilligen. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Elementenfeststellungsklage hinsichtlich des möglichen späteren Begehrens auf Beitragserstattung. Dabei kommt im Ergebnis den durchgeführten Betriebsprüfungen wohl eine Bedeutung bei der materiellen Würdigung des klägerischen Anliegens zu, hindert aber nicht das Rechtsschutzinteresse an der endgültigen Klärung des am 07.07.2004 gestellten Antrags (vgl. dazu BSG vom 24.06.2008, B 12 KR 24/07 R, Rdnr.18).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs.1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.

Ergänzend wird zu den Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil, denen sich der Senat gemäß § 153 Abs.2 SGG anschließt, darauf hingewiesen, dass keine vollständige Unabhängigkeit der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der klägerischen Tätigkeit besteht. Richtig ist zwar, dass zwischen beiden Rechtsgebieten keine Bindungswirkung besteht, also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum und Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen wird; jedoch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahmeverhältnisses. Dies hat der Gesetzgeber in § 28p SGB IV berücksichtigt, wonach bei den Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§ 10 Abs.2 Beitragsverfahrensverordnung). Auch hier findet sich der Bezug in § 1 Abs.1 Nr.1 Sozialversicherungsentgeltverordnung als Nachfolgevorschrift der früheren Arbeitsentgeltverordnung.

Für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers spricht im Übrigen der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 02.05.1993, auch wenn dieser, wie vom Kläger vorgetragen, erst nachträglich geschlossen wurde. Zur Bedeutung eines schriftlichen Arbeitsvertrags wird insoweit auf das Urteil des BSG vom 24.01.2007 (SozR 4-2400 § 7 Nr.7, NZS 2007, 648 bis 653) verwiesen.
Hinzu kommt, dass der Kläger nicht Mitinhaber der Betriebe seiner Ehefrau war. Weder lag eine Mitunternehmerschaft vor, noch wurde ein Unternehmerrisiko getragen. Auch die Gewährung eines oder mehrerer Darlehen ändert daran nichts. Zwar kann die Gewährung eines Kredits ein Indiz gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sein. Durch die Gewährung eines Darlehens erhält der Darlehensgeber jedoch keine Befugnisse, die Geschicke des Betriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch kein Betriebsrisiko, denn die Tragung dieses Risikos findet ihre Rechtfertigung (allein) in den eherechtlichen Beziehungen.

Das Vorbringen des Klägers, er habe eigenverantwortlich gehandelt und ihm seien keine Weisungen erteilt worden, weil ihm seine Ehefrau bei der Berufsausübung im Wesentlichen freie Hand gelassen habe, ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Denn die Abhängigkeit unter Familienangehörigen ist im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt als in Betrieben außerhalb eines Familienverbundes.

Der Kläger war laufend Angestellter. So wurde ihm auch erst am 22.11.2001 eine Einzelprokura erteilt, was jedoch auch nicht das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit begründet.

Das Urteil des SG Augsburg entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des Senats zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung bei Ehegattenarbeitsverhältnissen (so u.a. Urteile vom 23.04.2009, L 4 KR 229/07 und L 4 KR 118/07, Urteile vom 11.12.2008, L 4 KR 356/06 und L 4 KR 97/08, Urteil vom 07.08.2008, L 4 KR 85/07 und Urteil vom 23.10.2008, L 4 KR 155/07).

Somit ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Augsburg vom 02.11.2005 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang. Der Kläger ist unterlegen.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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