Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 512/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 256/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Verweisbarkeit bei Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, insbesondere auf die Tätigkeiten als einfacher Tagespförtner sowie als Verpacker von Kleinteilen.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1946 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er absolvierte keine Berufsausbildung. Er war nach eigenen Angaben zunächst von 1963 bis 1972 als Friseur, anschließend bis 1975 als Geschäftsführer im Bereich der Gastronomie tätig. Von 1975 bis 1995 arbeitete er als selbstständiger Gastronom und von 1996 bis 1997 als selbstständiger Feinkosthändler. Vom 1. August 1997 bis 30. September 1998 war er als Kellner und von 22. Februar 2000 bis 22. Februar 2001 als Warenlieferant tätig. Zuletzt arbeitete er bis 9. April 2002 als selbstständiger Handelsvertreter. Anschließend bezog er bis 24. August 2002 Krankengeld. Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 15. Mai 2002 bestand vor allem wegen eines Impingementsyndroms der linken Schulter bei Supraspinatussehnenfraktur und einer Gonarthrose rechts weiterhin Arbeitsunfähigkeit, die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei aber nicht sicher beurteilbar. Die Beklagte führte vom 17. Juli bis 14. August 2002 eine medizinische Reha-Maßnahme auf orthodisch-rheumatologischem Fachgebiet durch, aus der der Kläger arbeitsunfähig entlassen wurde. Nach operativer Versorgung der linken Schulter seien dem Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sowie die Tätigkeit als Vertreter für den Lebensmittelgroßhandel wieder vollschichtig zumutbar.
Dennoch beantragte der Kläger am 20. August 2002 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 14. November 2002 ab. Es lägen weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück.
Mit der zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage (ursprüngliches Az.: S 7 RJ 5006/03 It) verfolgte der Kläger den Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente weiter. Aufgrund seiner Gesundheitsstörungen sei er nicht mehr in der Lage, auch leichteste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Das Sozialgericht holte Befundberichte des HNO-Arztes Dr. B. vom 27. März 2003, der H. Kliniken B-Stadt vom 7. April 2003, des Internisten Dr. R. vom 24. Februar 2004 sowie des Internisten und Kardiologen Dr. N. vom 13. April 2004 ein und beauftragte die Orthopädin Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. B. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 13. Juli 2004 eine Minderbelastbarkeit beider Kniegelenke bei Knorpelschäden mit Reizzustand und Bewegungseinschränkung und Zustand nach zweimaliger Operation beidseits sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, links mehr als rechts, bei Rotatorenmanschettensyndrom, Ruptur der langen Bizepssehne beidseits und degenerativen Veränderungen nach Zustand nach Operation der rechten Schulter. Die Beweglichkeit des Kniegelenks sei beidseits deutlich eingeschränkt, beide Schultern seien aktiv ganz erheblich, aber auch passiv bewegungseingeschränkt. Die Befunde hätten sich verschlechtert. Ferner bestünden ein Tinnitus und eine chronische Sinusitis. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger nur mit erheblichen Einschränkungen eingesetzt werden. Denkbar sei allenfalls eine Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist, jedoch mit möglichen Sprachschwierigkeiten. Aufgrund der degenerativen Veränderungen und Reizzustände beider Kniegelenke könne der Kläger ferner allenfalls eine Wegstrecke von 200 m zurücklegen.
Zu den Einwendungen der Beklagten führte Dr. B. am 27. September 2004 ergänzend aus, dass der Kläger noch die genannten Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne. Er könne auch leichte Tätigkeiten wie Sortierer, Bürohilfe oder Kassierer ausüben.
Das Sozialgericht vertagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2005 und holte eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, Agentur für Arbeit K. vom 2. Februar 2007 ein. Die Verweisungstätigkeit "Kassier in einer Selbstbedienungstankstelle" komme danach nicht in Betracht, weil die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt werden könnten. Kritisch zu beurteilen sei auch die Tätigkeit "Mitarbeiter im Eingangsbereich eines Hallen-/Erlebnisbades", da Tätigkeiten in überwiegend sitzender Art nicht in nennenswertem Umfang vorhanden seien. Darüber hinaus setze die Tätigkeit ein intaktes Hörvermögen voraus. Entsprechendes gelte für die Tätigkeit als einfacher Pförtner und Verweisungsmöglichkeiten im Arbeitsfeld leichter Montier-, Sortier-, Verpackungs- und Maschinenarbeiten. Die Beklagte verwies den Kläger mit Schriftsatz vom 13. Februar 2007 auf die Tätigkeiten als Warenaufmacher oder Verpacker.
Das Sozialgericht holte einen weiteren Befundbericht des HNO-Arztes Dr. B. vom 22. März 2007 und der H. Kliniken B-Stadt vom 9. Mai 2007 ein. Der ferner beauftragte HNO-Arzt Dr. W. stellte in einem Gutachten vom 21. Juli 2007 einen beidseitigen Tinnitus und eine chronische Rhinopharyngitis sicca nach mehreren Nasennebenhöhlenoperationen fest. Seit 2002 hätten sich die Befunde im HNO-Bereich nicht wesentlich verändert. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten aus HNO-Sicht mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens, auch durch den Tinnitus, liege nicht vor. Auch sei die Bewegungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, Schwindelbeschwerden bestünden nicht.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie S. beschrieb in seinem Gutachten vom 5. Oktober 2007 eine schleichende Veränderung des psychischen Befundes. Es habe sich eine ängstliche und depressive Grundstimmung entwickelt. Er stellte deshalb eine Dysthymia, eine Angststörung, eine Somatisierungsstörung mit Tinnitus aurium beidseits, auf neurologischem Fachgebiet ein Cervikobrachialsyndrom, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine geringgradige Polyneuropathie unklarer Genese, eine Lumboischialgie mit Wurzelreizsymptomatik L5/S1 ohne Ausfallerscheinungen und einen Zustand nach cerebraler
transitorischer ischämischer Attacke ohne sicheres verbliebenes neurologisches Defizit fest. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch sechs Stunden und mehr täglich ausgeübt werden. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr wie die Tätigkeit als Kassierer oder Pförtner seien nicht mehr zumutbar. Denkbar seien leichte
beobachtende Tätigkeiten wie die Bildschirmüberwachung. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Wegefähigkeit gegeben. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem Untersuchungszeitpunkt.
Für einen erneuten Antrag des Klägers vom 5. September 2005 auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom 13. September 2005 nicht zuständig und leitete diesen an die zuständige Krankenkasse (B. Ersatzkasse) weiter. Die Erwerbsfähigkeit könne durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation weder wesentlich gebessert noch wiederhergestellt werden noch könne hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 24. Januar 2008 ab. Das berufliche Leistungsvermögen sei zwar qualitativ, nicht jedoch quantitativ eingeschränkt. Das Sozialgericht stützte sich dabei auf die Gutachten der Dr. B. und des Dr. W ... Auch sei die Wegefähigkeit gegeben, da der Kläger eine Arbeitsstelle mit dem Pkw erreichen könne. Er besitze sowohl einen Führerschein als auch einen Pkw. Es könne offen bleiben, ob eine Vielzahl ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege und der Kläger deshalb überdurchschnittlich stark leistungsgemindert sei. Die Beklagte habe nämlich die zumutbaren Verweisungstätigkeiten eines Warenaufmachers und Verpackers von Kleinteilen benannt. Die vom Gericht eingeholte berufskundliche Stellungnahme setze sich hiermit inhaltlich nicht auseinander. Zwar liege es nahe, dass der Kläger ab September 2007 erwerbsgemindert ist, da der Nervenarzt S. als positiv vorhandenes Leistungsvermögen lediglich leichte beobachtende Tätigkeiten nannte. Allerdings habe der Kläger auch in dem dann maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum von Februar 2002 bis September 2007 nicht drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt. In diesem Zeitraum seien nur fünf Monate belegt.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, sein körperlicher Zustand lasse es nicht zu, länger als drei Stunden täglich zu arbeiten. Er könne nicht mehr als 100 Meter laufen und seine Hände schliefen ständig ein.
Der Senat hat eine ergänzende berufskundliche Stellungnahme vom 14. Januar 2009 eingeholt. Bei der von der Beklagten als Verweisungstätigkeit genannten Tätigkeit als Warenaufmacher handele es sich um eine alte Tätigkeitsbezeichnung; heute würden diese Arbeiten neben anderen von sog. "Helfern - Lager/Versand", teilweise von Verpackern oder von Mitarbeitern im Bereich teilautomatisierter Produktionsprozesse erledigt. Aufgrund der orthopädisch festgestellten Gesundheitsstörungen an beiden Kniegelenken und
an beiden Schultergelenken sei der Verweis auf die Tätigkeit eines Helfers im Lager und Versand und eines Verpackers nicht zumutbar.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. B. im Juli 2004 beim Kläger keinesfalls Leistungseinschränkungen in so großem Maße vorhanden gewesen seien, dass sich daraus die Voraussetzungen des Begriffs `Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen´ bestätigen ließen. Nach den vorliegenden Gutachten sei auch noch im September 2007 ein vollschichtiges Leistungsvermögen vorhanden gewesen. Auch dem Tinnitus könne nach den Feststellungen des HNO-Arztes Dr. W. frühestens ab September 2007 eine rentenrechtlich erhebliche Bedeutung zugemessen werden.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme der Dr. B. vom 25. Mai 2009 eingeholt. Aufgrund der Leistungseinschätzung, die sich aufgrund der medizinischen Reha-Maßnahme vom 17. Juli bis 14. August 2002 ergibt, sei keineswegs davon auszugehen, dass am 20. August 2002 die Erwerbsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich gesunken sei. Zum Zeitpunkt des Gutachtens am 23. Juni 2004 habe eine qualitative, jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung bestanden. Es sei z.B. für die Tätigkeit eines Pförtners, eines Telefonisten oder ähnlich gearteter Tätigkeiten eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr je Arbeitstag anzunehmen. Auch das neurologische Gutachten des Nervenarztes S. und das HNO-ärztliche Gutachten des Dr. W. hätten qualitative, jedoch keine quantitativen Leistungseinschränkungen ergeben.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. Juni 2009 ihre Auffassung bestätigt gesehen. Der Senat hat den Beteiligten eine berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 12. März 2009 übersandt, die - in einem anderen Rentenverfahren - Aussagen zur Tätigkeit als Pförtner trifft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Januar 2008 und den Bescheid vom 12. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet, weil diesem kein Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3 SGB VI.
a) Für die Zeit ab September 2007 hat das Sozialgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es jedenfalls an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI einer Rente wegen Erwerbsminderung fehlt. In dem maßgeblichen Zeitraum vom Februar 2002 bis September 2007 sind nur fünf Monate mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegt. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist der Senat auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils und sieht von einer erneuten Darstellung der Gründe ab.
b) Für die Zeit vor September 2007 liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI bei dem Kläger nicht vor. Dies ergibt sich vor allem aus den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten der Dr. B., des Dr. W. und des Nervenarztes S ... Nach allen vorliegenden Gutachten war der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet wurde dies durch Dr. W. festgestellt. Unstreitig besteht beim Kläger ein beidseitiger Tinnitus sowie eine chronische Rhinopharyngitis sicca nach mehreren Nebenhöhlenoperationen. Die Tinnitusbeschwerden sind erstmals nach einer Nasennebenhöhlenoperation aufgetreten und bestehen seit nunmehr ca. 15 Jahren. Eine wesentliche vestibuläre Störung lässt sich nicht nachweisen. Der Tinnitus beeinträchtigt das Hörvermögen aber nicht nachweisbar. Schwindelbeschwerden bestehen nicht. Die Nasennebenhöhlen gelten als ausgeheilt. Beschwerden bestehen noch aufgrund eines zu weiten Nasenlumen, so dass es zu chronischen Nasenrachenbeschwerden kommt. Dadurch bedingt sind lediglich qualitative Leistungseinschränkungen: Aufgrund des Tinnitus sind Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit und an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen ausgeschlossen, durch die Nasenrachenbeschwerden Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Staub, Dampf, Rauch oder Reizstoffen.
Auch der von Dr. W. vermutete Verdacht einer durch das HNO-ärztliche Beschwerdebild verursachten depressiven Verstimmung bestätigte sich nicht in der angenommen Schwere. Der begutachtende Neurologe und Psychiater S. bestätigte zwar eine chronisch depressive Verstimmung, die sich in einer ängstlichen und depressiven Grundstimmung äußerte. Die wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen Leistungsvermögens entstanden jedoch durch das Schmerzsyndrom, dem die orthopädischen Beschwerden zugrunde liegen. Insgesamt bestätigte er eine leichte Verschlechterung des psychiatrisch-psychosomatischen Symptomenkomplexes seit den Reha-Berichten aus dem Jahre 2002. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht kann der Gutachter aber ausdrücklich erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung im September 2007 feststellen. Erst ab diesem Zeitpunkt sind eine Dysthymie, eine ängstliche Grundstimmung und Somatisierungstendenzen nachweisbar. Aber auch ab diesem Zeitpunkt sieht der Sachverständige noch leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden und mehr täglich zumutbar - allerdings mit erheblichen qualitativen Leistungseinschränkungen.
Entscheidend für den Rechtsstreit ist damit, ob die Gesundheitsbeschwerden auf orthopädischem Fachgebiet zu einer Erwerbsminderung führen. Dies ist nach dem Gutachten der Dr. B. und deren ergänzenden Stellungnahme zu verneinen. Dr. B. machte in ihrer ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat deutlich, dass das Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes weder zum Zeitpunkt der Antragstellung im August 2002 noch bis zum Zeitpunkt ihres Gutachtens im Juni 2004 auf unter sechs Stunden täglich gesunken war. Sie stützt sich dabei zum einen auf den Reha-Entlassungsbericht vom 11. September 2002. Es bestand zum damaligen Zeitpunkt ein Impingementsyndrom der linken Schulter bei Supraspinatussehnenruptur und knöchener subacromialer Enge mit Funktionsdefizit, eine mediale Gonarthrose Grad I links mit geringem Funktionsdefizit, ein Zustand nach Impingementsyndrom der rechten Schulter und Zustand nach subcromialer Dekompression vom Februar 2001 mit geringem Funktionsdefizit, ein Cervikalsyndrom bei degenerativen HWS-Veränderungen und muskulärer Dysbalance mit ebenfalls nur geringem Funktionsdefizit sowie ein Lumbalsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, Wirbelsäulenfehlstatik und muskulärer Dysbalance mit geringem Funktionsdefizit. Nach Einschätzung der Reha-Klinik bestand ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Vertreter im Lebensmittelgroßhandel als auch für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Es bestanden nur Einschränkungen qualitativer Art: Eingeschränkt waren Tätigkeiten mit häufiger Überkopfarbeit, häufigem Knien, häufigem Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, häufigem Bücken, häufigen gebückten Zwangshaltungen sowie häufigem Heben und Bewegen von schweren Lasten ohne technische Hilfsmittel. Der Kläger stimmte nach dem Entlassungsbericht damals dieser Einschätzung zu.
Auch die ambulante Untersuchung durch Dr. B. ergab eine Minderbelastbarkeit beider Kniegelenke bei Knorpelschäden mit Reizzustand und Bewegungseinschränkung, Zustand nach zweimaliger Operation beidseits, sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke bei Rotatorenmanschettensyndrom, Ruptur der langen Bizepssehne beidseits und degenerativen Veränderungen nach Zustand nach Operation der rechten Schulter. Die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke war zwar zum Teil erheblich eingeschränkt, es bestand jedoch noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen je Arbeitstag für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung die Vielzahl qualitativer Einschränkungen hinweist, schließen diese vorliegend ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht aus. Versicherte sind trotz vollschichtigen Leistungsvermögens dann als erwerbsgemindert anzusehen, wenn besondere gesundheitliche Einschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen, die eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich machen. Dies sind insbesondere die sogenannten Seltenheits- oder Katalogfälle, wie sie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat (vgl. BSG Urteil vom 14.09.1995, Az.: 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200, § 1246 RVO Nr. 50). Bei Vorliegen der dort genannten Umstände ist davon auszugehen, dass einem Versicherten der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt verschlossen ist, sofern keine konkret zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann (BSG, SozR 2200 § 1246 Nrn. 75, 81, 90, 104, 117, 136 u.a.). Der Arbeitsmarkt ist dem Kläger aber auch unter diesen Gesichtspunkten nicht verschlossen. Zwar sind nur noch sitzende Tätigkeiten in geschlossenen Räumen zumutbar. Unzumutbar sind insbesondere Arbeiten mit Besteigen von Treppen, Leitern, und Gerüsten, im Knien und in der Hocke, Arbeiten, die ein aktives Anheben der Arme über 50 Grad aus der Waagerechten erfordern, sowie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 5 kg oder Arbeiten im Freien.
Bei Annahme einer Summierung von Leistungseinschränkungen ist dem Kläger jedoch der Arbeitsmarkt für die Zeit bis September 2007 nicht verschlossen gewesen, da von der Beklagten zumutbare Verweisungstätigkeiten als einfacher Tagespförtner sowie als Verpacker von Kleinteilen benannt wurden. Allerdings ist die Verweisungstätigkeit "Kassierer in einer Selbstbedienungstankstelle" nach der eingeholten berufskundlichen Stellungnahme keine Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen ausgeübt wird. Es sind ferner auch Lasten mit einem Gewicht von über 5 kg zu heben und die Entnahme von Waren aus Regalen erfordert teilweise ein aktives Anheben der Arme über 50 Grad. Letzteres ist dem Kläger aufgrund der Schulterbeschwerden ebenfalls nicht mehr zuzumuten. Die Tätigkeit als Kassierer in einem Hallenbad bzw. "Mitarbeiter im Eingangsbereich eines Hallen-/Erlebnisbades" umfasst die Tätigkeit im Eingangsbereich eines Hallenbades und stellt im Ergebnis keine überwiegend sitzende Tätigkeit dar. Tätigkeiten in überwiegend sitzender Art, wie für den Kläger erforderlich, sind nach der berufskundlichen Stellungnahme nicht in nennenswertem Umfang vorhanden.
Ein Mindestmaß an körperlicher Flexibilität und Mobilität ist bei der Tätigkeit als Helfer im Lager und Versand (früher Warenaufmacher) erforderlich. In diesen Berufen wird Heben und Tragen von schweren Lasten gefordert; dies ist dem Kläger nicht mehr zumutbar. Auch handelt es sich nicht um überwiegend sitzende Tätigkeiten. So sind Helfer im Bereich Lager und Versand an ständig wechselnden Einsatzorten tätig und müssen z.B. Container, Waggons oder Lkw entladen und anschließende Transportarbeiten erledigen.
Allerdings gibt es im Bereich des einfachen Tagespförtners gemäß den individuellen Arbeitsplatzanforderungen Tätigkeiten, die überwiegend in sitzender Position ausgeübt werden. Das Hörvermögen des Klägers ist nicht beeinträchtigt. Pförtner kontrollieren in Eingangsbereichen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Die Aufgabenschwerpunkte unterscheiden sich je nach Art des Betriebes oder der Behörde. Regelmäßig kontrollieren sie Ausweise, stellen Besucherkarten für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Darüber hinaus können bei einigen Betrieben/Behörden sonstige Tätigkeiten wie Aushändigen von Formularen, Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck, Verwalten von Schlüsseln, Kfz-Kontrolle, einfache Bürotätigkeiten, Telefondienst etc. anfallen. Es handelt sich um leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Arbeit als Pförtner wird überwiegend im Sitzen, nur zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung und keinen dauernden Zeitdruck. Arbeitsplätze stehen in nennenswertem Umfang auch Betriebsfremden zur Verfügung (siehe Auskunft des LAA Hessen vom 12. März 2009). Die Bedenken der Dr. B. bezogen sich hierbei lediglich auf eventuelle Sprachschwierigkeiten. Nach den HNO-ärztlichen Gutachten liegt aber zum einen eine wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens nicht vor, zum anderen kann sich ein ausländischer Versicherter gegenüber einer Verweisung auf eine Tätigkeit nicht auf mangelnde deutsche Sprachkenntnisse berufen. Wenn er seine Muttersprache spricht, ist die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu erhalten, nicht aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt (KassKomm-Niesel, § 240 SGB VI Rdnr. 85).
Da bereits eine Verweisbarkeit auf den einfachen Tagespförtner besteht, kann der Senat im Ergebnis die Frage offen lassen, ob eine Verweisbarkeit als Verpacker von Kleinteilen in Betracht kommt. Dies wird jedoch ebenfalls zu bejahen sein. Nach der vorliegenden berufskundlichen Stellungnahme ist dies zwar zu verneinen, da dies nicht mehr dem gesundheitlichen Restleistungsvermögen entspreche. Dies wird jedoch nicht näher begründet. Darüber hinaus handelt es sich, wie sich aus der der Stellungnahme beigelegten Stellungnahme vom 2. November 1999 ergibt, um eine leichte Arbeit. Verpacker sortieren zu schützende Waren, nehmen ggf. auch Qualitätsprüfungen vor und füllen sie in dafür vorgesehene Standardverpackungen. Bei kleinen Lieferaufträgen, z.B. an den Einzelhandel, stellen sie das gewünschte Sortiment von Einzelprodukten zusammen, wählen nach Größe und Beschaffenheit geeignete Behälter und sichern die Transportfähigkeit durch Zugabe von Füll- und Stopfmaterialien. Je nach Größe und Gewicht der Produkte und Verpackungen kann die Tätigkeit körperlich beanspruchend sein. Die Beklagte verwies den Kläger auf die Verteilung von Kleinteilen, wie sie z.B. bei Masseartikeln (Nägel, Schrauben), in der Autoindustrie und bei teuren Produktionsgütern wie Uhren oder Schmuck anfallen. Auch in der industriellen Fertigung gibt es eine sehr große Zahl von Aus-, Ein- und Umverpackungsbereichen. Es handelt sich oftmals nicht um Fließband- oder Akkordarbeit. Je nach individueller Arbeitsplatzgestaltung ist eine überwiegend sitzende Tätigkeit z.B. bei der Handverpackung am Packtisch möglich.
Im Ergebnis muss sich der Kläger deshalb auf die Tätigkeit als einfacher Tagespförtner oder als Verpacker von Kleinteilen verweisen lassen. Die Umstellungsfähigkeit ist gegeben.
Die Wegefähigkeit ist ebenfalls als gegeben zu beurteilen. Zwar kann dem Kläger nicht mehr ein fiktiver Weg zwischen Wohnung - Haltestelle - Arbeitsplatz und zurück zugemutet werden, den er viermal täglich mit einer Wegstrecke von mehr als 500 m in ca. zwanzig Minuten zurücklegen kann. Nach dem Gutachten der Dr. B. ist die Wegefähigkeit auf 200 m begrenzt - auch unter Verwendung von Hilfsmitteln. Allerdings besaß der Kläger einen Führerschein und einen Pkw, so dass die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem Kfz zurückgelegt werden konnte. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, z.B. mit einem Kfz oder einem Fahrrad, ist der Arbeitsmarkt nicht verschlossen (KassKomm-Niesel, § 43 SGB VI Rdnr. 42, 44).
Damit ist nach Überzeugung des Senats unter Verweis auf die Tätigkeiten als einfacher Tagespförtner oder als Verpacker von KIeinteilen ein Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gegeben, so dass nach § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt.
Allerdings dehnt § 240 SGB VI aus Gründen des Vertrauensschutzes als Sondervorschrift zu der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 2. Januar 1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus. Da der Kläger 1946 geboren wurde, fällt er somit unter diese Vertrauensschutzregelung.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von dem "bisherigen Beruf auszugehen. Der Kläger hat keine Berufsausbildung und verrichtete verschiedene Tätigkeiten, die als ungelernte Tätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. BSG SozR 2200 Nr. 140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO; für Angestellte: BSGE 55, 45; 57, 291) einzustufen ist. Dabei ist nicht von den selbstständigen Tätigkeiten, sondern von denen auszugehen, die in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeführt wurden. Zuletzt war der Kläger als Vertreter im Lebensmittelgroßhandel versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Tätigkeit übte er bis 1. November 2001 in abhängiger Beschäftigung, anschließend als Selbstständiger aus. Der Kläger hat hierbei keine Berufsausbildung abgeschlossen. Nach eigenen Angaben im Rentenantrag bezeichnete er diese Tätigkeit (bis 22. Februar 2001) als Warenlieferant. Es handelt sich um eine ungelernte, allenfalls um eine angelernte Tätigkeit, so dass kein Berufsschutz besteht.
Da somit es für die Zeit vor September 2007 an den medizinischen Voraussetzungen eines Rentenanspruchs, für die Zeit ab September 2007 an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt, war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Grunde nach § 160 Abs. 2 Nm. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1946 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er absolvierte keine Berufsausbildung. Er war nach eigenen Angaben zunächst von 1963 bis 1972 als Friseur, anschließend bis 1975 als Geschäftsführer im Bereich der Gastronomie tätig. Von 1975 bis 1995 arbeitete er als selbstständiger Gastronom und von 1996 bis 1997 als selbstständiger Feinkosthändler. Vom 1. August 1997 bis 30. September 1998 war er als Kellner und von 22. Februar 2000 bis 22. Februar 2001 als Warenlieferant tätig. Zuletzt arbeitete er bis 9. April 2002 als selbstständiger Handelsvertreter. Anschließend bezog er bis 24. August 2002 Krankengeld. Nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK) vom 15. Mai 2002 bestand vor allem wegen eines Impingementsyndroms der linken Schulter bei Supraspinatussehnenfraktur und einer Gonarthrose rechts weiterhin Arbeitsunfähigkeit, die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei aber nicht sicher beurteilbar. Die Beklagte führte vom 17. Juli bis 14. August 2002 eine medizinische Reha-Maßnahme auf orthodisch-rheumatologischem Fachgebiet durch, aus der der Kläger arbeitsunfähig entlassen wurde. Nach operativer Versorgung der linken Schulter seien dem Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sowie die Tätigkeit als Vertreter für den Lebensmittelgroßhandel wieder vollschichtig zumutbar.
Dennoch beantragte der Kläger am 20. August 2002 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 14. November 2002 ab. Es lägen weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit vor. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück.
Mit der zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage (ursprüngliches Az.: S 7 RJ 5006/03 It) verfolgte der Kläger den Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente weiter. Aufgrund seiner Gesundheitsstörungen sei er nicht mehr in der Lage, auch leichteste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Das Sozialgericht holte Befundberichte des HNO-Arztes Dr. B. vom 27. März 2003, der H. Kliniken B-Stadt vom 7. April 2003, des Internisten Dr. R. vom 24. Februar 2004 sowie des Internisten und Kardiologen Dr. N. vom 13. April 2004 ein und beauftragte die Orthopädin Dr. B. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. B. diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 13. Juli 2004 eine Minderbelastbarkeit beider Kniegelenke bei Knorpelschäden mit Reizzustand und Bewegungseinschränkung und Zustand nach zweimaliger Operation beidseits sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, links mehr als rechts, bei Rotatorenmanschettensyndrom, Ruptur der langen Bizepssehne beidseits und degenerativen Veränderungen nach Zustand nach Operation der rechten Schulter. Die Beweglichkeit des Kniegelenks sei beidseits deutlich eingeschränkt, beide Schultern seien aktiv ganz erheblich, aber auch passiv bewegungseingeschränkt. Die Befunde hätten sich verschlechtert. Ferner bestünden ein Tinnitus und eine chronische Sinusitis. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger nur mit erheblichen Einschränkungen eingesetzt werden. Denkbar sei allenfalls eine Tätigkeit als Pförtner oder Telefonist, jedoch mit möglichen Sprachschwierigkeiten. Aufgrund der degenerativen Veränderungen und Reizzustände beider Kniegelenke könne der Kläger ferner allenfalls eine Wegstrecke von 200 m zurücklegen.
Zu den Einwendungen der Beklagten führte Dr. B. am 27. September 2004 ergänzend aus, dass der Kläger noch die genannten Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten könne. Er könne auch leichte Tätigkeiten wie Sortierer, Bürohilfe oder Kassierer ausüben.
Das Sozialgericht vertagte den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2005 und holte eine berufskundliche Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, Agentur für Arbeit K. vom 2. Februar 2007 ein. Die Verweisungstätigkeit "Kassier in einer Selbstbedienungstankstelle" komme danach nicht in Betracht, weil die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen nicht ausreichend berücksichtigt werden könnten. Kritisch zu beurteilen sei auch die Tätigkeit "Mitarbeiter im Eingangsbereich eines Hallen-/Erlebnisbades", da Tätigkeiten in überwiegend sitzender Art nicht in nennenswertem Umfang vorhanden seien. Darüber hinaus setze die Tätigkeit ein intaktes Hörvermögen voraus. Entsprechendes gelte für die Tätigkeit als einfacher Pförtner und Verweisungsmöglichkeiten im Arbeitsfeld leichter Montier-, Sortier-, Verpackungs- und Maschinenarbeiten. Die Beklagte verwies den Kläger mit Schriftsatz vom 13. Februar 2007 auf die Tätigkeiten als Warenaufmacher oder Verpacker.
Das Sozialgericht holte einen weiteren Befundbericht des HNO-Arztes Dr. B. vom 22. März 2007 und der H. Kliniken B-Stadt vom 9. Mai 2007 ein. Der ferner beauftragte HNO-Arzt Dr. W. stellte in einem Gutachten vom 21. Juli 2007 einen beidseitigen Tinnitus und eine chronische Rhinopharyngitis sicca nach mehreren Nasennebenhöhlenoperationen fest. Seit 2002 hätten sich die Befunde im HNO-Bereich nicht wesentlich verändert. Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten aus HNO-Sicht mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens, auch durch den Tinnitus, liege nicht vor. Auch sei die Bewegungsfähigkeit nicht beeinträchtigt, Schwindelbeschwerden bestünden nicht.
Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie S. beschrieb in seinem Gutachten vom 5. Oktober 2007 eine schleichende Veränderung des psychischen Befundes. Es habe sich eine ängstliche und depressive Grundstimmung entwickelt. Er stellte deshalb eine Dysthymia, eine Angststörung, eine Somatisierungsstörung mit Tinnitus aurium beidseits, auf neurologischem Fachgebiet ein Cervikobrachialsyndrom, ein Carpaltunnelsyndrom beidseits, eine geringgradige Polyneuropathie unklarer Genese, eine Lumboischialgie mit Wurzelreizsymptomatik L5/S1 ohne Ausfallerscheinungen und einen Zustand nach cerebraler
transitorischer ischämischer Attacke ohne sicheres verbliebenes neurologisches Defizit fest. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch sechs Stunden und mehr täglich ausgeübt werden. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr wie die Tätigkeit als Kassierer oder Pförtner seien nicht mehr zumutbar. Denkbar seien leichte
beobachtende Tätigkeiten wie die Bildschirmüberwachung. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Wegefähigkeit gegeben. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem Untersuchungszeitpunkt.
Für einen erneuten Antrag des Klägers vom 5. September 2005 auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erklärte sich die Beklagte mit Schreiben vom 13. September 2005 nicht zuständig und leitete diesen an die zuständige Krankenkasse (B. Ersatzkasse) weiter. Die Erwerbsfähigkeit könne durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation weder wesentlich gebessert noch wiederhergestellt werden noch könne hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 24. Januar 2008 ab. Das berufliche Leistungsvermögen sei zwar qualitativ, nicht jedoch quantitativ eingeschränkt. Das Sozialgericht stützte sich dabei auf die Gutachten der Dr. B. und des Dr. W ... Auch sei die Wegefähigkeit gegeben, da der Kläger eine Arbeitsstelle mit dem Pkw erreichen könne. Er besitze sowohl einen Führerschein als auch einen Pkw. Es könne offen bleiben, ob eine Vielzahl ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege und der Kläger deshalb überdurchschnittlich stark leistungsgemindert sei. Die Beklagte habe nämlich die zumutbaren Verweisungstätigkeiten eines Warenaufmachers und Verpackers von Kleinteilen benannt. Die vom Gericht eingeholte berufskundliche Stellungnahme setze sich hiermit inhaltlich nicht auseinander. Zwar liege es nahe, dass der Kläger ab September 2007 erwerbsgemindert ist, da der Nervenarzt S. als positiv vorhandenes Leistungsvermögen lediglich leichte beobachtende Tätigkeiten nannte. Allerdings habe der Kläger auch in dem dann maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum von Februar 2002 bis September 2007 nicht drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt. In diesem Zeitraum seien nur fünf Monate belegt.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger ausgeführt, sein körperlicher Zustand lasse es nicht zu, länger als drei Stunden täglich zu arbeiten. Er könne nicht mehr als 100 Meter laufen und seine Hände schliefen ständig ein.
Der Senat hat eine ergänzende berufskundliche Stellungnahme vom 14. Januar 2009 eingeholt. Bei der von der Beklagten als Verweisungstätigkeit genannten Tätigkeit als Warenaufmacher handele es sich um eine alte Tätigkeitsbezeichnung; heute würden diese Arbeiten neben anderen von sog. "Helfern - Lager/Versand", teilweise von Verpackern oder von Mitarbeitern im Bereich teilautomatisierter Produktionsprozesse erledigt. Aufgrund der orthopädisch festgestellten Gesundheitsstörungen an beiden Kniegelenken und
an beiden Schultergelenken sei der Verweis auf die Tätigkeit eines Helfers im Lager und Versand und eines Verpackers nicht zumutbar.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. B. im Juli 2004 beim Kläger keinesfalls Leistungseinschränkungen in so großem Maße vorhanden gewesen seien, dass sich daraus die Voraussetzungen des Begriffs `Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen´ bestätigen ließen. Nach den vorliegenden Gutachten sei auch noch im September 2007 ein vollschichtiges Leistungsvermögen vorhanden gewesen. Auch dem Tinnitus könne nach den Feststellungen des HNO-Arztes Dr. W. frühestens ab September 2007 eine rentenrechtlich erhebliche Bedeutung zugemessen werden.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme der Dr. B. vom 25. Mai 2009 eingeholt. Aufgrund der Leistungseinschätzung, die sich aufgrund der medizinischen Reha-Maßnahme vom 17. Juli bis 14. August 2002 ergibt, sei keineswegs davon auszugehen, dass am 20. August 2002 die Erwerbsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich gesunken sei. Zum Zeitpunkt des Gutachtens am 23. Juni 2004 habe eine qualitative, jedoch keine quantitative Leistungseinschränkung bestanden. Es sei z.B. für die Tätigkeit eines Pförtners, eines Telefonisten oder ähnlich gearteter Tätigkeiten eine Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr je Arbeitstag anzunehmen. Auch das neurologische Gutachten des Nervenarztes S. und das HNO-ärztliche Gutachten des Dr. W. hätten qualitative, jedoch keine quantitativen Leistungseinschränkungen ergeben.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. Juni 2009 ihre Auffassung bestätigt gesehen. Der Senat hat den Beteiligten eine berufskundliche Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 12. März 2009 übersandt, die - in einem anderen Rentenverfahren - Aussagen zur Tätigkeit als Pförtner trifft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 24. Januar 2008 und den Bescheid vom 12. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet, weil diesem kein Anspruch auf eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) zusteht.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, § 43 Abs. 3 SGB VI.
a) Für die Zeit ab September 2007 hat das Sozialgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es jedenfalls an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI einer Rente wegen Erwerbsminderung fehlt. In dem maßgeblichen Zeitraum vom Februar 2002 bis September 2007 sind nur fünf Monate mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegt. Gemäß § 153 Abs. 2 SGG verweist der Senat auf die Begründung des sozialgerichtlichen Urteils und sieht von einer erneuten Darstellung der Gründe ab.
b) Für die Zeit vor September 2007 liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI bei dem Kläger nicht vor. Dies ergibt sich vor allem aus den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten der Dr. B., des Dr. W. und des Nervenarztes S ... Nach allen vorliegenden Gutachten war der Kläger noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten.
Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet wurde dies durch Dr. W. festgestellt. Unstreitig besteht beim Kläger ein beidseitiger Tinnitus sowie eine chronische Rhinopharyngitis sicca nach mehreren Nebenhöhlenoperationen. Die Tinnitusbeschwerden sind erstmals nach einer Nasennebenhöhlenoperation aufgetreten und bestehen seit nunmehr ca. 15 Jahren. Eine wesentliche vestibuläre Störung lässt sich nicht nachweisen. Der Tinnitus beeinträchtigt das Hörvermögen aber nicht nachweisbar. Schwindelbeschwerden bestehen nicht. Die Nasennebenhöhlen gelten als ausgeheilt. Beschwerden bestehen noch aufgrund eines zu weiten Nasenlumen, so dass es zu chronischen Nasenrachenbeschwerden kommt. Dadurch bedingt sind lediglich qualitative Leistungseinschränkungen: Aufgrund des Tinnitus sind Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit und an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen ausgeschlossen, durch die Nasenrachenbeschwerden Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Staub, Dampf, Rauch oder Reizstoffen.
Auch der von Dr. W. vermutete Verdacht einer durch das HNO-ärztliche Beschwerdebild verursachten depressiven Verstimmung bestätigte sich nicht in der angenommen Schwere. Der begutachtende Neurologe und Psychiater S. bestätigte zwar eine chronisch depressive Verstimmung, die sich in einer ängstlichen und depressiven Grundstimmung äußerte. Die wesentlichen Beeinträchtigungen des beruflichen Leistungsvermögens entstanden jedoch durch das Schmerzsyndrom, dem die orthopädischen Beschwerden zugrunde liegen. Insgesamt bestätigte er eine leichte Verschlechterung des psychiatrisch-psychosomatischen Symptomenkomplexes seit den Reha-Berichten aus dem Jahre 2002. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht kann der Gutachter aber ausdrücklich erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung im September 2007 feststellen. Erst ab diesem Zeitpunkt sind eine Dysthymie, eine ängstliche Grundstimmung und Somatisierungstendenzen nachweisbar. Aber auch ab diesem Zeitpunkt sieht der Sachverständige noch leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden und mehr täglich zumutbar - allerdings mit erheblichen qualitativen Leistungseinschränkungen.
Entscheidend für den Rechtsstreit ist damit, ob die Gesundheitsbeschwerden auf orthopädischem Fachgebiet zu einer Erwerbsminderung führen. Dies ist nach dem Gutachten der Dr. B. und deren ergänzenden Stellungnahme zu verneinen. Dr. B. machte in ihrer ergänzenden Stellungnahme gegenüber dem Senat deutlich, dass das Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes weder zum Zeitpunkt der Antragstellung im August 2002 noch bis zum Zeitpunkt ihres Gutachtens im Juni 2004 auf unter sechs Stunden täglich gesunken war. Sie stützt sich dabei zum einen auf den Reha-Entlassungsbericht vom 11. September 2002. Es bestand zum damaligen Zeitpunkt ein Impingementsyndrom der linken Schulter bei Supraspinatussehnenruptur und knöchener subacromialer Enge mit Funktionsdefizit, eine mediale Gonarthrose Grad I links mit geringem Funktionsdefizit, ein Zustand nach Impingementsyndrom der rechten Schulter und Zustand nach subcromialer Dekompression vom Februar 2001 mit geringem Funktionsdefizit, ein Cervikalsyndrom bei degenerativen HWS-Veränderungen und muskulärer Dysbalance mit ebenfalls nur geringem Funktionsdefizit sowie ein Lumbalsyndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen, Wirbelsäulenfehlstatik und muskulärer Dysbalance mit geringem Funktionsdefizit. Nach Einschätzung der Reha-Klinik bestand ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Vertreter im Lebensmittelgroßhandel als auch für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Es bestanden nur Einschränkungen qualitativer Art: Eingeschränkt waren Tätigkeiten mit häufiger Überkopfarbeit, häufigem Knien, häufigem Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, häufigem Bücken, häufigen gebückten Zwangshaltungen sowie häufigem Heben und Bewegen von schweren Lasten ohne technische Hilfsmittel. Der Kläger stimmte nach dem Entlassungsbericht damals dieser Einschätzung zu.
Auch die ambulante Untersuchung durch Dr. B. ergab eine Minderbelastbarkeit beider Kniegelenke bei Knorpelschäden mit Reizzustand und Bewegungseinschränkung, Zustand nach zweimaliger Operation beidseits, sowie eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke bei Rotatorenmanschettensyndrom, Ruptur der langen Bizepssehne beidseits und degenerativen Veränderungen nach Zustand nach Operation der rechten Schulter. Die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke war zwar zum Teil erheblich eingeschränkt, es bestand jedoch noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen je Arbeitstag für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Soweit der Kläger zur Begründung der Berufung die Vielzahl qualitativer Einschränkungen hinweist, schließen diese vorliegend ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht aus. Versicherte sind trotz vollschichtigen Leistungsvermögens dann als erwerbsgemindert anzusehen, wenn besondere gesundheitliche Einschränkungen oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen bestehen, die eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr möglich machen. Dies sind insbesondere die sogenannten Seltenheits- oder Katalogfälle, wie sie das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat (vgl. BSG Urteil vom 14.09.1995, Az.: 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200, § 1246 RVO Nr. 50). Bei Vorliegen der dort genannten Umstände ist davon auszugehen, dass einem Versicherten der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt verschlossen ist, sofern keine konkret zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann (BSG, SozR 2200 § 1246 Nrn. 75, 81, 90, 104, 117, 136 u.a.). Der Arbeitsmarkt ist dem Kläger aber auch unter diesen Gesichtspunkten nicht verschlossen. Zwar sind nur noch sitzende Tätigkeiten in geschlossenen Räumen zumutbar. Unzumutbar sind insbesondere Arbeiten mit Besteigen von Treppen, Leitern, und Gerüsten, im Knien und in der Hocke, Arbeiten, die ein aktives Anheben der Arme über 50 Grad aus der Waagerechten erfordern, sowie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 5 kg oder Arbeiten im Freien.
Bei Annahme einer Summierung von Leistungseinschränkungen ist dem Kläger jedoch der Arbeitsmarkt für die Zeit bis September 2007 nicht verschlossen gewesen, da von der Beklagten zumutbare Verweisungstätigkeiten als einfacher Tagespförtner sowie als Verpacker von Kleinteilen benannt wurden. Allerdings ist die Verweisungstätigkeit "Kassierer in einer Selbstbedienungstankstelle" nach der eingeholten berufskundlichen Stellungnahme keine Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen ausgeübt wird. Es sind ferner auch Lasten mit einem Gewicht von über 5 kg zu heben und die Entnahme von Waren aus Regalen erfordert teilweise ein aktives Anheben der Arme über 50 Grad. Letzteres ist dem Kläger aufgrund der Schulterbeschwerden ebenfalls nicht mehr zuzumuten. Die Tätigkeit als Kassierer in einem Hallenbad bzw. "Mitarbeiter im Eingangsbereich eines Hallen-/Erlebnisbades" umfasst die Tätigkeit im Eingangsbereich eines Hallenbades und stellt im Ergebnis keine überwiegend sitzende Tätigkeit dar. Tätigkeiten in überwiegend sitzender Art, wie für den Kläger erforderlich, sind nach der berufskundlichen Stellungnahme nicht in nennenswertem Umfang vorhanden.
Ein Mindestmaß an körperlicher Flexibilität und Mobilität ist bei der Tätigkeit als Helfer im Lager und Versand (früher Warenaufmacher) erforderlich. In diesen Berufen wird Heben und Tragen von schweren Lasten gefordert; dies ist dem Kläger nicht mehr zumutbar. Auch handelt es sich nicht um überwiegend sitzende Tätigkeiten. So sind Helfer im Bereich Lager und Versand an ständig wechselnden Einsatzorten tätig und müssen z.B. Container, Waggons oder Lkw entladen und anschließende Transportarbeiten erledigen.
Allerdings gibt es im Bereich des einfachen Tagespförtners gemäß den individuellen Arbeitsplatzanforderungen Tätigkeiten, die überwiegend in sitzender Position ausgeübt werden. Das Hörvermögen des Klägers ist nicht beeinträchtigt. Pförtner kontrollieren in Eingangsbereichen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Die Aufgabenschwerpunkte unterscheiden sich je nach Art des Betriebes oder der Behörde. Regelmäßig kontrollieren sie Ausweise, stellen Besucherkarten für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Darüber hinaus können bei einigen Betrieben/Behörden sonstige Tätigkeiten wie Aushändigen von Formularen, Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck, Verwalten von Schlüsseln, Kfz-Kontrolle, einfache Bürotätigkeiten, Telefondienst etc. anfallen. Es handelt sich um leichte körperliche Tätigkeiten in geschlossenen, temperierten Räumen. Die Arbeit als Pförtner wird überwiegend im Sitzen, nur zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung und keinen dauernden Zeitdruck. Arbeitsplätze stehen in nennenswertem Umfang auch Betriebsfremden zur Verfügung (siehe Auskunft des LAA Hessen vom 12. März 2009). Die Bedenken der Dr. B. bezogen sich hierbei lediglich auf eventuelle Sprachschwierigkeiten. Nach den HNO-ärztlichen Gutachten liegt aber zum einen eine wesentliche Beeinträchtigung des Hörvermögens nicht vor, zum anderen kann sich ein ausländischer Versicherter gegenüber einer Verweisung auf eine Tätigkeit nicht auf mangelnde deutsche Sprachkenntnisse berufen. Wenn er seine Muttersprache spricht, ist die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu erhalten, nicht aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt (KassKomm-Niesel, § 240 SGB VI Rdnr. 85).
Da bereits eine Verweisbarkeit auf den einfachen Tagespförtner besteht, kann der Senat im Ergebnis die Frage offen lassen, ob eine Verweisbarkeit als Verpacker von Kleinteilen in Betracht kommt. Dies wird jedoch ebenfalls zu bejahen sein. Nach der vorliegenden berufskundlichen Stellungnahme ist dies zwar zu verneinen, da dies nicht mehr dem gesundheitlichen Restleistungsvermögen entspreche. Dies wird jedoch nicht näher begründet. Darüber hinaus handelt es sich, wie sich aus der der Stellungnahme beigelegten Stellungnahme vom 2. November 1999 ergibt, um eine leichte Arbeit. Verpacker sortieren zu schützende Waren, nehmen ggf. auch Qualitätsprüfungen vor und füllen sie in dafür vorgesehene Standardverpackungen. Bei kleinen Lieferaufträgen, z.B. an den Einzelhandel, stellen sie das gewünschte Sortiment von Einzelprodukten zusammen, wählen nach Größe und Beschaffenheit geeignete Behälter und sichern die Transportfähigkeit durch Zugabe von Füll- und Stopfmaterialien. Je nach Größe und Gewicht der Produkte und Verpackungen kann die Tätigkeit körperlich beanspruchend sein. Die Beklagte verwies den Kläger auf die Verteilung von Kleinteilen, wie sie z.B. bei Masseartikeln (Nägel, Schrauben), in der Autoindustrie und bei teuren Produktionsgütern wie Uhren oder Schmuck anfallen. Auch in der industriellen Fertigung gibt es eine sehr große Zahl von Aus-, Ein- und Umverpackungsbereichen. Es handelt sich oftmals nicht um Fließband- oder Akkordarbeit. Je nach individueller Arbeitsplatzgestaltung ist eine überwiegend sitzende Tätigkeit z.B. bei der Handverpackung am Packtisch möglich.
Im Ergebnis muss sich der Kläger deshalb auf die Tätigkeit als einfacher Tagespförtner oder als Verpacker von Kleinteilen verweisen lassen. Die Umstellungsfähigkeit ist gegeben.
Die Wegefähigkeit ist ebenfalls als gegeben zu beurteilen. Zwar kann dem Kläger nicht mehr ein fiktiver Weg zwischen Wohnung - Haltestelle - Arbeitsplatz und zurück zugemutet werden, den er viermal täglich mit einer Wegstrecke von mehr als 500 m in ca. zwanzig Minuten zurücklegen kann. Nach dem Gutachten der Dr. B. ist die Wegefähigkeit auf 200 m begrenzt - auch unter Verwendung von Hilfsmitteln. Allerdings besaß der Kläger einen Führerschein und einen Pkw, so dass die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mit dem Kfz zurückgelegt werden konnte. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, z.B. mit einem Kfz oder einem Fahrrad, ist der Arbeitsmarkt nicht verschlossen (KassKomm-Niesel, § 43 SGB VI Rdnr. 42, 44).
Damit ist nach Überzeugung des Senats unter Verweis auf die Tätigkeiten als einfacher Tagespförtner oder als Verpacker von KIeinteilen ein Leistungsvermögen des Klägers von mindestens sechs Stunden täglich für zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gegeben, so dass nach § 43 Abs. 3 SGB VI keine Erwerbsminderung vorliegt.
Allerdings dehnt § 240 SGB VI aus Gründen des Vertrauensschutzes als Sondervorschrift zu der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI den Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf vor dem 2. Januar 1961 geborene und berufsunfähig gewordene Versicherte aus. Da der Kläger 1946 geboren wurde, fällt er somit unter diese Vertrauensschutzregelung.
Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist von dem "bisherigen Beruf auszugehen. Der Kläger hat keine Berufsausbildung und verrichtete verschiedene Tätigkeiten, die als ungelernte Tätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (vgl. z.B. BSG SozR 2200 Nr. 140 und SozR 3-2200 Nr. 27 je zu § 1246 RVO; für Angestellte: BSGE 55, 45; 57, 291) einzustufen ist. Dabei ist nicht von den selbstständigen Tätigkeiten, sondern von denen auszugehen, die in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeführt wurden. Zuletzt war der Kläger als Vertreter im Lebensmittelgroßhandel versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Tätigkeit übte er bis 1. November 2001 in abhängiger Beschäftigung, anschließend als Selbstständiger aus. Der Kläger hat hierbei keine Berufsausbildung abgeschlossen. Nach eigenen Angaben im Rentenantrag bezeichnete er diese Tätigkeit (bis 22. Februar 2001) als Warenlieferant. Es handelt sich um eine ungelernte, allenfalls um eine angelernte Tätigkeit, so dass kein Berufsschutz besteht.
Da somit es für die Zeit vor September 2007 an den medizinischen Voraussetzungen eines Rentenanspruchs, für die Zeit ab September 2007 an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt, war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Grunde nach § 160 Abs. 2 Nm. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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