Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 238/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 7/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Bewertung der Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 mit 20 Minuten ist nicht zu beanstanden. Es ist unerheblich, ob das vom Vertragsarzt verwendete Abrechnungsprogramm ihm diesen Zeitumfang anzeigt.
Gesprächsleistungen können weder ganz noch teilweise an nichtärztliches Personal delegiert werden.
Gesprächsleistungen können weder ganz noch teilweise an nichtärztliches Personal delegiert werden.
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Berichtigungsantrag für die neun Quartale II und IV/05 bis I/07 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung in Höhe von 8.719,21 EUR.
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung seit 2003 zugelassen.
In den Quartalen II/05 bis I/07 setzte der Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar des Klägers wie folgt fest:
Quartal II/05 III/05 IV/05 I/06
Honorarbescheid v. 29.06.2006 12.08.2006 28.11.2006 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 42.808,31 39.948,45 42.823,12 40.007,19
Quartal II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid v. 29.06.2006 17.03.2007 28.11.2006 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 42.808,31 37.027,83 42.823,12 40.007,19
Die Beklagte hörte den Kläger unter Datum vom 29.01.2008 wegen einer Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen für die Quartale II/05 bis I/07 an. Darin gab sie dem Kläger allgemeine rechtliche Hinweise und bat um Stellungnahme zu den Rechnungsergebnissen aufgrund der Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger gab unter Datum vom 14.03.2008 an, bei ihm handele es sich nur um eine Überschreitung bei Tageszeitprofilen. Die Überschreitungen seien immer dienstags und donnerstags vorgekommen. Dies liege daran, dass seine Praxis am Montag, Mittwoch und Freitag bis 13:00 Uhr geöffnet sei und er am Dienstag und Donnerstag von 7:00 Uhr morgens bis 19:00 Uhr abends in der Praxis tätig sei. Dies seien seine Hauptarbeitstage, an denen er die meisten Patienten habe, besonders bei den Abendsprechstunden. Es sei unmöglich, genau um 19:00 Uhr die Praxis zu schließen, weil der Warteraum noch voll sei. Außerdem habe er in Zeiten seiner Praxisabwesenheit (Krankheit/Urlaub) nie einen Vertreter eingesetzt.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 11.08.2008 im Rahmen der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung II/05 bis I/07 der Praxis des Klägers die Honorarbescheide für die Quartale II/05 und IV/05 bis I/07 auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 8.719,21 EUR netto. Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab in der jeweils gültigen Fassung aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt. Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit werde gleichrangig ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt. Bei der Ermittlung der Zeitprofile blieben Leistungen im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme außerhalb der Sprechstundenzeit und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis sowie – bei Belegärzten – Visiten außer Betracht. Betrage die so ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 87 Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die Berechnungsergebnisse der Praxis hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:
Quartalsübersicht Quartal Anzahl Tage ) 12 Stunden Anzahl Tage ) 16 Stunden Zeitsumme Quartalsprofil
II/05 6 1 655:15
III/05 2 - 542:16
IV/05 5 1 584:28
I/06 8 - 620:06
II/06 12 1 674:20
III/06 5 - 593:37
IV/06 12 2 674:20
I/07 18 1 721:01
Tagesübersicht (Beispiele) Behandlungstag Zeitergebnis in Std. 14.05.2005 17:10
03.05.2005 15:12
04.10.2005 14:23
25.10.2005 16:54
10.01.2006 14:54
21.03.2006 15:21
11.04.2006 16:29
02.05.2006 14:06
22.08.2006 14:12
21.09.2006 15:17
05.10.2006 16:36
17.10.2006 15:57
16.11.2006 16:06
20.02.2007 15:49
01.03.2007 17:09
Die durchschnittliche Fallzahl der Praxis betrage in den geprüften Quartalen 885 Fälle und liege ca. 19 % unter dem Durchschnitt der Fachgruppe. In allen acht geprüften Quartalen weise das Tagesprofil Zeiten über 12 Stunden aus. Besonders in den Quartalen IV/06 und I/07 sei der Anteil dieser Tage relativ hoch und die Zeiten selbst seien ebenfalls sehr hoch, z. B. am 05.10.2006 16:26 Stunden und am 16.11.2006 16:06 Stunden. Die Zeiten resultierten vorrangig aus der Kombination des Ordinationskomplexes und der Gesprächsleistung nach Nr. 03120. Beispielsweise seien allein auf diese Leistungen am Dienstag, dem 09.01.2007, 10:10 Stunden entfallen. Unter Hinzurechnung weiterer tagesbezogener Einzelleistungen ergebe sich für diesen Tag eine Arbeitszeit von 14:41 Stunden. Bei dem Ordinationskomplex handele es sich um eine Quartalspauschale, die aber dann, wenn zusätzlich die Nr. 03120 EBM abgerechnet werde, auf das Tagesprofil im Umfang von zusammen 20 Minuten angerechnet werde. Bei der Nebeneinanderabrechnung der Leistungen nach den Nummern 03110 bis 03112 und 03120 sei eine Dauer der Arzt/Patienten/Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nummer 03120. Bei den im Tagesprofil ausgewiesenen Leistungen handele es sich nur um Leistungen für GKV-Versicherte. Die Zeit, die für die Behandlung von Privatpatienten oder Patienten sonstiger Kostenträger sowie für organisatorische Maßnahmen innerhalb der Praxis benötigt werde, sei bei dieser Berechnung unberücksichtigt geblieben. Diese Berechnungen enthielten auch keine Arbeitspausen zur Befriedigung persönlicher vitaler Bedürfnisse (Essen, Trinken etc.). Es werde davon ausgegangen, dass hierfür zwei weitere Stunden täglich anfielen. Die Tagesprofile führten den Nachweis einer rechnerisch-sachlich nicht vollständig plausiblen Abrechnung im Prüfzeitraum. Die Verpflichtung zur genauen Abrechnung gehöre zu den elementaren Grundpflichten eines Vertragsarztes. Die quartalsbezogenen abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen seien unrichtig. Im Wege der Schätzung habe sie die Berichtigung aus der Addition der Zeit in über zwölf Stunden quartalsbezogen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit (Angaben in Minuten) errechnet. Über den aus diesem Verhältnis ermittelten Überschreitungsprozentsatz seien die Nettohonoraranforderungen der jeweiligen Quartale reduziert worden. Im Einzelnen setze sie die Kürzungen wie folgt fest:
Quartal
II/05: 954,06 EUR
IV/05: 909,88 EUR
I/06: 730,27 EUR
II/06: 1.113,91 EUR
III/06: 538,90 EUR
IV/06: 1.853,45 EUR
I/07: 2.618,74 EUR
Hiergegen legte der Kläger am 28.08.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, es liege in der Eigendisposition des Arztes und in seinem Ermessen, wie er seine Arbeitszeit aufteile. Wenn er an manchen Wochentagen oder Tagen des Monats oder des Quartals reduziert tätig sei und dafür an festen Tagen mehr als üblich, so könne ihm dies nicht insgesamt angelastet werden, indem ein Abzug der verdienten Honorare erfolge. Er erhalte, bezogen auf die Gesamtstundenzahl auf das Quartal verteilt, nicht mehr, als wenn die Tage, in denen er länger für die Patienten gearbeitet habe, auf die Tage umgelegt würden, in denen er weniger gearbeitet habe. Er habe die Leistung erbracht und die Abrechnung sei richtig. Es sei nicht verständlich, wie die Schätzung der Beklagten zustande gekommen sei. Nicht vollziehbar sei insbesondere, inwieweit eine pauschalierte Schätzung in Höhe des Nettofachgruppenhonorars zu der Rückforderung geführt habe. Man müsse die gesamte Arbeitszeit eines Monats durch die Arbeitstage teilen, um dann auch festzustellen, dass die quartalsmäßige Arbeitszeit nicht überschritten sei.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe in allen geprüften Quartalen (außer dem Quartal III/05) Tagesprofile von 15 bis über 17 Stunden erreicht. Hinzu komme die Anzahl der Tage in Quartalen mit über 12 bzw. 16 Stunden Behandlungszeit (zwischen fünf und 18 Tagen/Quartal über 12 Stunden, davon zum Teil 1-2 Tage/Quartal über 16 Stunden). Danach hätte der Kläger regelmäßig Patienten von z. B. 7:00 Uhr morgens ununterbrochen (d. h. ohne die Zeit für Pausen, für die Behandlung von Privatpatienten, für die Anweisung und Überwachung von Praxispersonal, für den Wechsel zwischen den Behandlungsräumen) bis spät in den Abend (bei 15 Stunden wäre dies 22 Uhr, bei 17 Stunden 24 Uhr) behandelt. Zusätzlich kämen tatsächlich noch Zeiten für Leistungen dazu, die nicht im Tagesprofil, sondern nur im Quartalsprofil erfasst werden, so dass die tägliche Arbeitszeit noch höher ausfalle. Nach den bei ihr angegebenen Sprechstundenzeiten sei die Praxis dienstags und donnerstags nur von 7:30 Uhr bis 12:30 Uhr und dann erst wieder von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr (d. h. insgesamt 7:30 Stunden) geöffnet. Es sei nicht plausibel, dass Patienten regelmäßig noch zwischen 22:00 Uhr bis 24:00 Uhr eine Arztpraxis aufsuchten. Aber selbst lange Arbeitszeiten erklärten keine ununterbrochenen Arbeitszeiten von 15 bis 17 Stunden. Auf das Quartalszeitprofil komme es nicht an. Zwar finde man die hohen Tageszeitprofile überwiegend an Dienstagen und Donnerstagen. Es sei allerdings auffällig, dass der Kläger montags, mittwochs und freitags trotz der von ihm angegebenen Kurzpraxisöffnungszeiten von 5:30 bis 6:30 Stunden Zeitprofile über weit mehr Stunden erreiche (Beispiele: Mittwoch, 03.01.2007 – 11:41 Stunden; Montag 15.01.2007 – 11:39 Stunden; Mittwoch, 21.03.2007 – 9:53 Stunden; Montag 16.10.2006 – 12:33 Stunden; Mittwoch, 01.11.2006 – 11:06 Stunden; Freitag 25.08.2006 – 9:08 Stunden; Mittwoch, 03.05.2006 – 12:08 Stunden). Es stelle sich auch die Frage, weshalb der Kläger bei eher unterdurchschnittlichem Patientenaufkommen regelmäßig Arbeitszeiten von über 12 Stunden hätte. Ein überwiegender Teil der Zeit des Tagesprofils entfalle auf Gesprächsleitungen (Kombination des Ordinationskomplexes mit der Beratungsleistung).
Beispiele:
Datum Gesamtzeit des Tagesprofils Gesamtzeit aller Gesprächsleistungen (Nr. 03120 mit Ordinationskomplex, Nrn. 35100, 35110 Zeit durch Kombination des Ordinationskomplexes mit der Nr. 03120
08.01.2007 13:26 12:48 12:00
05.10.2006 16:36 14:30 11:50
05.09.2006 12:54 9:52 8:00
02.05.2006 14:06 10:20 9:00
12.01.2006 14:04 12:28 10:20
25.10.2005 16:54 14:14 11:50
14.04.2005 17:10 14:34 13:30
Das würde bedeuten, dass er z. B. am Montag, 08.01.2007, von 7:00 Uhr morgens bis 19:00 Uhr abends ununterbrochen (ohne Pausen, ohne die Erbringung von anderen Leistungen) nur Gespräche geführt hätte. Dies sei nicht plausibel. Aus alledem folge der Schluss, dass die Leistungsinhalte der abgerechneten Leistungen nicht immer vollständig erbracht worden sein könne und daher keine korrekten Abrechnungen vorlägen. Der Kläger habe hier zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die gewählte Berechnungsmethode sei nicht zu beanstanden. Es lägen unplausible Tagesprofile vor, weshalb die Honorarrückforderung sich an den Tagesprofilüberschreitungen orientiere. Die Honorarrückforderung sei nicht anhand des Nettofachgruppenhonorars berechnet worden, sondern es lägen die individuellen Honorare des Klägers zugrunde. Ferner lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzugs ab.
Hiergegen hat der Kläger am 21.04.2009 zum Aktenzeichen S 12 KA 238/09 die Klage erhoben. Einen gleichzeitig erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Aktenzeichen S 12 KA 246/09 ER erledigten die Beteiligten durch einen außergerichtlichen Vergleich, indem dem Kläger Ratenzahlung in Höhe von 872 EUR pro Quartal eingeräumt worden war.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er überschreite in keinem Quartal die Zahl von 780 Stunden. Teilweise liege er um 200 Stunden darunter. Er sei weiterhin der Auffassung, dass er seine Arbeitszeit auf Schwerpunkttage konzentrieren könne. Beispielhaft verweise er auf die Tageslisten für den 25.10.2005, 02.10.2007, 10.01.2006. Hieraus werde ersichtlich, dass die Leistung erbracht worden sei. Es falle auf, dass sehr oft Beratungsgespräche beanstandet worden seien. Er könne Beratungsgespräche schnell und langsam ausführen, er könne auch dies parallel im gleichen Zeitraum für mehrere durchführen. In der Addition ergäben sich dann zwar erhöhte Stundenzahlen, jedoch sei die Leistung zeitgleich dennoch erbracht worden. Seine Praxis sei so organisiert, dass er mehrere Behandlungszimmer habe, die durch Türen verbunden seien, so könne er quasi in kürzester Zeit mehrere Patienten sozusagen parallel behandeln. Er habe sehr qualifiziertes Fachpersonal, auf das er Tätigkeiten delegieren könne, wie z. B. Blutabnehmen, Luftdruckprüfen, Impfen, Wiegen etc. Die Beklagte hätte ihn auch, wenn bereits aus dem Jahr 2005 Auffälligkeiten sich ergeben hätten, zeitnah informieren müssen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Abrechnung habe er weiterhin so abgerechnet, wie er die Leistung erbracht habe. Von den Beanstandungen habe er erst am 12.08.2005 erfahren. Er habe gerade zu Beginn seiner Praxistätigkeit sehr viele Beratungsgespräche gehabt. Es sei nur ein Teilaspekt der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugrunde gelegt worden, da nur die statistischen Vergleichsprüfungen herangezogen worden seien und keine Einzelfallprüfung. Eine vorherige Beratung sei nicht erfolgt. Im Rahmen des Schätzungsermessens habe die Beklagte nicht die von ihm geschilderten Praxisbesonderheiten berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid trägt sie ergänzend vor, für die Erstellung der Tagesprofile würden nur solche Leistungen berücksichtigt werden, deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil aufwiesen. Der Kläger könne die Auffälligkeiten nicht dadurch erklären, dass er die Gespräche "schnell" ausführe. Der EBM 2005 fordere eine bestimmte Gesprächsdauer, die nicht reduziert werden könne, indem man die Gesprächsgeschwindigkeit erhöhe. Der zeitliche Leistungsaufwand sei identisch, unabhängig davon, ob ein Gespräch, für welches die Leistungslegende eine Mindestzeit von 10 Minuten vorschreibe, aufgenommen und dann unterbrochen und später fortgesetzt werde. Der obligate Leistungsinhalt müsse vollständig erbracht werden unter Wahrung der geforderten Mindestzeit. Die Möglichkeit der Delegation habe in den Prüfzeiten Berücksichtigung gefunden. In der Prüfzeit werde lediglich die ärztliche Zeit abgebildet. Es handele sich um den Leistungsanteil, der zwingend durch den Arzt erbracht werden müsse. So könnten z. B. technische Untersuchungen von nichtärztlichen Mitarbeitern übernommen werden, nicht jedoch die im Zusammenhang damit stehende Befundung und Befundbewertung. Sie sei nicht gehalten, dem Kläger über eine zeitnahe Durchführung eines Plausibilitätsverfahrens die Möglichkeit zu eröffnen, auf Zeitüberschreitungen zu reagieren. Zeitüberschreitungen seien ein Indiz für eine fehlerhafte Abrechnung, die zu Lasten des Arztes gehe. Der Kläger könne sich auch nicht in Ansehung der zwischen der Leistungserbringung bzw. Abrechnung und Rückforderung verstrichenen Zeit auf einen Vertrauenstatbestand berufen. Die Prüfstelle X-Stadt habe den Kläger bereits im Januar 2008 über die zeitbezogene Überprüfung der betreffenden Quartale informiert und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Soweit der Kläger einen Zeitraum von drei Jahren als zu lange rügt, berücksichtige er nicht das Versendungsdatum der Honorarbescheide. Diese seien wie folgt versandt worden:
Quartal Versand
II/05 neu 01.08.2006
IV/05 neu 14.01.2008
I/06 26.02.2007
II/06 19.03.2007
III/06 02.05.2007
IV/06 11.06.2007
I/07 neu 28.04.2008
Hier stehe grundsätzlich die Möglichkeit offen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Zustellung des Honorarbescheides die Honorarabrechnung nachträglich zu korrigieren, wobei dieser Zeitraum, der mit Ausnahme des Quartals II/05 eingehalten worden wäre, im Falle der Plausibilitätsprüfung keine Bedeutung habe. Die zweijährige Ausschlussfrist greife nicht. Die vom Kläger angeführte Rechtssprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung, die hier nicht gelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 ist rechtmäßig.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u. a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – L 7 KA 56/03 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tagesprofile zu erstellen.
Der angegriffene Bescheid ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Eine Darstellung, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderberechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 bei der Erstellung der Tagesprofile erfolgt, ist nicht erforderlich. Die Beklagte war nicht verpflichtet anzugeben, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderabrechnung stattgefunden hat. Für eine Anhörung reicht die Übersendung der Tagesprofile mit einem Anhörungsschreiben aus, denn die Tageszeitprofile erbringen den Indizienbeweis für die inplausible Abrechnung (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 - juris, Rdnr. 25), so dass für die Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X und für die Begründung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich keine weitergehende Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich ist (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER ).
Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM 2005 erstellt. Soweit sie bei einer Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 davon ausgeht, dass hierfür im Behandlungsfall 20 Minuten anzusetzen sind, ist dies zutreffend.
Ziffer 04120 EBM 2005 "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten" kann für je vollendete 10 Minuten angesetzt werden und wird mit 150 Punkten berücksichtigt. Nach dem EBM 2005 ist aber bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 04110 und 04111 und 04120 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 04120. Es ist von der Kammer daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 mit 20 Minuten bewertet, ebenso wie es unerheblich ist, ob das vom Vertragsarzt verwendete Abrechnungsprogramm ihm diesen Zeitumfang anzeigt (vgl. bereits LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER – und die vorausgehende Entscheidung der Kammer, SG Marburg, Beschl. v. 02.07.2009 – S 12 KA 235/09 ER –).
Auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit des vom Kläger benutzten Softwareprogramms, das die Dauer von zwanzig Minuten nicht hat erkennen lassen, kommt es nicht an. Maßgeblich für die Abrechnung sind allein die Bestimmungen des EBM 2005. Der mit der Abrechnung geltend gemachte Zeitaufwand, der zu den inplausiblen Zeiten geführt hat, beruht allein auf der Abrechnung des Klägers. Soweit der Kläger eine fehlende zeitnahe Information des Beklagten rügt, räumt er letztlich ein, er hätte anders abgerechnet, wäre ihm bewusst geworden, dass er einen plausiblen Zeitaufwand überschreite. Die Abrechnung von Leistungen kann sich aber allein an der Erbringung der Leistung orientieren und nicht an vermeintlichen Zeitkontingenten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung. Von daher bedarf es auch keiner Beratung vor Durchführung einer Plausibilitätsprüfung. Letztlich räumt der Kläger damit ein, vorsätzlich mit seiner Abrechnung gegen die Leistungslegende verstoßen zu haben. Von der Kammer war nicht zu prüfen, inwieweit damit der Betrugstatbestand des § 263 StGB erfüllt wird.
Der Kläger verkennt auch den Vorwurf der inplausiblen Abrechnung, wenn er sich auf die Einhaltung der Quartalsprofile beruft. Mit der Überschreitung der Tagesprofile wird hinreichend nachgewiesen, dass an diesen Tagen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr möglich war. Dies trifft insbesondere auf die Beratungsleistungen zu, die eine strikte Zeitvorgabe durch den EBM 2005 haben. Erst bei Erreichen der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer ist der Leistungsinhalt vollständig erbracht und kann die Leistung abgerechnet werden. Ein Zusammenhang mit den Quartalsprofilen besteht nicht.
Aufgrund der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer ist der Einwand des Klägers, er könne Beratungsgespräche schnell und langsam ausführen oder er könne auch parallel im gleichen Zeitraum Beratungsgespräche für mehrere Patienten durchführen, ohne Bedeutung. Beratung setzt das persönliche Gespräch des Arztes mit einem Patienten, ggf. im Beisein von dessen Angehörigen, voraus. Eine schnellere Beratung, die die vorgegebene Dauer nicht erreicht, kann als eine solche Beratungsleistung nicht abgerechnet werden. Ebf. ist es ausgeschlossen, mehrere Patienten parallel zu beraten. Allenfalls denkbar wäre eine abwechselnde Beratung, die zu einer zeitlichen Addition der individuellen Beratungsteile führen würde. Eine solchermaßen "parallel" laufende Beratung müsste bei zwei Patienten dann mindestens vierzig Minuten dauern.
Delegationsfähige Leistungen werden bei den Tagesprofilen nicht mitgerechnet. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass nur solche Leistungen berücksichtigt werden, deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil aufweisen. In der Prüfzeit wird lediglich die ärztliche Zeit abgebildet.
Bei der Plausibilitätsprüfung handelt es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Der Hinweis auf eine fehlende Einzelfallprüfung liegt daher neben der Sache. Mit dem Nachweis der Inplausibilität wird der zulässige Nachweis einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem Einzelfall bedarf es dann nicht. Wie auch immer geartete Praxisbesonderheiten können daher nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die Einwände des Klägers, wie bereits ausgeführt, nicht geeignet, solche Besonderheiten darzulegen.
Nicht zu beanstanden war auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigsten vier Tagesprofilen von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliegt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 04.06.2008 - S 12 KA 528/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Im Rahmen des Schätzungsermessens waren daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten des Klägers zu berücksichtigen.
Auf einen Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend hält oder dass sie von einer Berichtigung absehen werde. Nichtstun allein kann einen Vertrauenstatbestand nicht begründen.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = BSGE 98, 169 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde), so dass dahinstehen kann, ob die Vertragsautonomie der Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages die Vereinbarung einer kürzeren Frist zulässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Berichtigungsantrag für die neun Quartale II und IV/05 bis I/07 aufgrund einer zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung in Höhe von 8.719,21 EUR.
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung seit 2003 zugelassen.
In den Quartalen II/05 bis I/07 setzte der Beklagte durch Honorarbescheid das Honorar des Klägers wie folgt fest:
Quartal II/05 III/05 IV/05 I/06
Honorarbescheid v. 29.06.2006 12.08.2006 28.11.2006 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 42.808,31 39.948,45 42.823,12 40.007,19
Quartal II/06 III/06 IV/06 I/07
Honorarbescheid v. 29.06.2006 17.03.2007 28.11.2006 20.01.2007
Nettohonorar gesamt in EUR 42.808,31 37.027,83 42.823,12 40.007,19
Die Beklagte hörte den Kläger unter Datum vom 29.01.2008 wegen einer Plausibilitätsprüfung nach Zeitprofilen für die Quartale II/05 bis I/07 an. Darin gab sie dem Kläger allgemeine rechtliche Hinweise und bat um Stellungnahme zu den Rechnungsergebnissen aufgrund der Plausibilitätsprüfung.
Der Kläger gab unter Datum vom 14.03.2008 an, bei ihm handele es sich nur um eine Überschreitung bei Tageszeitprofilen. Die Überschreitungen seien immer dienstags und donnerstags vorgekommen. Dies liege daran, dass seine Praxis am Montag, Mittwoch und Freitag bis 13:00 Uhr geöffnet sei und er am Dienstag und Donnerstag von 7:00 Uhr morgens bis 19:00 Uhr abends in der Praxis tätig sei. Dies seien seine Hauptarbeitstage, an denen er die meisten Patienten habe, besonders bei den Abendsprechstunden. Es sei unmöglich, genau um 19:00 Uhr die Praxis zu schließen, weil der Warteraum noch voll sei. Außerdem habe er in Zeiten seiner Praxisabwesenheit (Krankheit/Urlaub) nie einen Vertreter eingesetzt.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 11.08.2008 im Rahmen der zeitbezogenen Plausibilitätsprüfung der Honorarabrechnung II/05 bis I/07 der Praxis des Klägers die Honorarbescheide für die Quartale II/05 und IV/05 bis I/07 auf und setzte die unter Prüfungsvorbehalt gezahlte Vergütung neu fest. Hieraus errechnete sie eine von ihr festgesetzte Honorarrückforderung in Höhe von insgesamt 8.719,21 EUR netto. Zur Begründung führte sie aus, für die Prüfung nach Zeitprofilen würden primär die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab in der jeweils gültigen Fassung aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde gelegt. Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit werde gleichrangig ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt. Bei der Ermittlung der Zeitprofile blieben Leistungen im organisierten Notfalldienst, Leistungen aus der unvorhergesehenen Inanspruchnahme außerhalb der Sprechstundenzeit und bei Unterbrechung der Sprechstunde mit Verlassen der Praxis sowie – bei Belegärzten – Visiten außer Betracht. Betrage die so ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tageszeitprofilen an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als zwölf Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 87 Stunden, erfolgten weitere Überprüfungen. Diese hätten zum Ziel, mit Hilfe ergänzender Tatsachenfeststellungen und Bewertungen festzustellen, ob gegen die rechtliche Ordnungsmäßigkeit verstoßen worden sei oder nicht. Die Berechnungsergebnisse der Praxis hätten bezogen auf die Grenzwerte folgende Zeitwerte ergeben:
Quartalsübersicht Quartal Anzahl Tage ) 12 Stunden Anzahl Tage ) 16 Stunden Zeitsumme Quartalsprofil
II/05 6 1 655:15
III/05 2 - 542:16
IV/05 5 1 584:28
I/06 8 - 620:06
II/06 12 1 674:20
III/06 5 - 593:37
IV/06 12 2 674:20
I/07 18 1 721:01
Tagesübersicht (Beispiele) Behandlungstag Zeitergebnis in Std. 14.05.2005 17:10
03.05.2005 15:12
04.10.2005 14:23
25.10.2005 16:54
10.01.2006 14:54
21.03.2006 15:21
11.04.2006 16:29
02.05.2006 14:06
22.08.2006 14:12
21.09.2006 15:17
05.10.2006 16:36
17.10.2006 15:57
16.11.2006 16:06
20.02.2007 15:49
01.03.2007 17:09
Die durchschnittliche Fallzahl der Praxis betrage in den geprüften Quartalen 885 Fälle und liege ca. 19 % unter dem Durchschnitt der Fachgruppe. In allen acht geprüften Quartalen weise das Tagesprofil Zeiten über 12 Stunden aus. Besonders in den Quartalen IV/06 und I/07 sei der Anteil dieser Tage relativ hoch und die Zeiten selbst seien ebenfalls sehr hoch, z. B. am 05.10.2006 16:26 Stunden und am 16.11.2006 16:06 Stunden. Die Zeiten resultierten vorrangig aus der Kombination des Ordinationskomplexes und der Gesprächsleistung nach Nr. 03120. Beispielsweise seien allein auf diese Leistungen am Dienstag, dem 09.01.2007, 10:10 Stunden entfallen. Unter Hinzurechnung weiterer tagesbezogener Einzelleistungen ergebe sich für diesen Tag eine Arbeitszeit von 14:41 Stunden. Bei dem Ordinationskomplex handele es sich um eine Quartalspauschale, die aber dann, wenn zusätzlich die Nr. 03120 EBM abgerechnet werde, auf das Tagesprofil im Umfang von zusammen 20 Minuten angerechnet werde. Bei der Nebeneinanderabrechnung der Leistungen nach den Nummern 03110 bis 03112 und 03120 sei eine Dauer der Arzt/Patienten/Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nummer 03120. Bei den im Tagesprofil ausgewiesenen Leistungen handele es sich nur um Leistungen für GKV-Versicherte. Die Zeit, die für die Behandlung von Privatpatienten oder Patienten sonstiger Kostenträger sowie für organisatorische Maßnahmen innerhalb der Praxis benötigt werde, sei bei dieser Berechnung unberücksichtigt geblieben. Diese Berechnungen enthielten auch keine Arbeitspausen zur Befriedigung persönlicher vitaler Bedürfnisse (Essen, Trinken etc.). Es werde davon ausgegangen, dass hierfür zwei weitere Stunden täglich anfielen. Die Tagesprofile führten den Nachweis einer rechnerisch-sachlich nicht vollständig plausiblen Abrechnung im Prüfzeitraum. Die Verpflichtung zur genauen Abrechnung gehöre zu den elementaren Grundpflichten eines Vertragsarztes. Die quartalsbezogenen abgegebenen Abrechnungssammelerklärungen seien unrichtig. Im Wege der Schätzung habe sie die Berichtigung aus der Addition der Zeit in über zwölf Stunden quartalsbezogen im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit (Angaben in Minuten) errechnet. Über den aus diesem Verhältnis ermittelten Überschreitungsprozentsatz seien die Nettohonoraranforderungen der jeweiligen Quartale reduziert worden. Im Einzelnen setze sie die Kürzungen wie folgt fest:
Quartal
II/05: 954,06 EUR
IV/05: 909,88 EUR
I/06: 730,27 EUR
II/06: 1.113,91 EUR
III/06: 538,90 EUR
IV/06: 1.853,45 EUR
I/07: 2.618,74 EUR
Hiergegen legte der Kläger am 28.08.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, es liege in der Eigendisposition des Arztes und in seinem Ermessen, wie er seine Arbeitszeit aufteile. Wenn er an manchen Wochentagen oder Tagen des Monats oder des Quartals reduziert tätig sei und dafür an festen Tagen mehr als üblich, so könne ihm dies nicht insgesamt angelastet werden, indem ein Abzug der verdienten Honorare erfolge. Er erhalte, bezogen auf die Gesamtstundenzahl auf das Quartal verteilt, nicht mehr, als wenn die Tage, in denen er länger für die Patienten gearbeitet habe, auf die Tage umgelegt würden, in denen er weniger gearbeitet habe. Er habe die Leistung erbracht und die Abrechnung sei richtig. Es sei nicht verständlich, wie die Schätzung der Beklagten zustande gekommen sei. Nicht vollziehbar sei insbesondere, inwieweit eine pauschalierte Schätzung in Höhe des Nettofachgruppenhonorars zu der Rückforderung geführt habe. Man müsse die gesamte Arbeitszeit eines Monats durch die Arbeitstage teilen, um dann auch festzustellen, dass die quartalsmäßige Arbeitszeit nicht überschritten sei.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe in allen geprüften Quartalen (außer dem Quartal III/05) Tagesprofile von 15 bis über 17 Stunden erreicht. Hinzu komme die Anzahl der Tage in Quartalen mit über 12 bzw. 16 Stunden Behandlungszeit (zwischen fünf und 18 Tagen/Quartal über 12 Stunden, davon zum Teil 1-2 Tage/Quartal über 16 Stunden). Danach hätte der Kläger regelmäßig Patienten von z. B. 7:00 Uhr morgens ununterbrochen (d. h. ohne die Zeit für Pausen, für die Behandlung von Privatpatienten, für die Anweisung und Überwachung von Praxispersonal, für den Wechsel zwischen den Behandlungsräumen) bis spät in den Abend (bei 15 Stunden wäre dies 22 Uhr, bei 17 Stunden 24 Uhr) behandelt. Zusätzlich kämen tatsächlich noch Zeiten für Leistungen dazu, die nicht im Tagesprofil, sondern nur im Quartalsprofil erfasst werden, so dass die tägliche Arbeitszeit noch höher ausfalle. Nach den bei ihr angegebenen Sprechstundenzeiten sei die Praxis dienstags und donnerstags nur von 7:30 Uhr bis 12:30 Uhr und dann erst wieder von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr (d. h. insgesamt 7:30 Stunden) geöffnet. Es sei nicht plausibel, dass Patienten regelmäßig noch zwischen 22:00 Uhr bis 24:00 Uhr eine Arztpraxis aufsuchten. Aber selbst lange Arbeitszeiten erklärten keine ununterbrochenen Arbeitszeiten von 15 bis 17 Stunden. Auf das Quartalszeitprofil komme es nicht an. Zwar finde man die hohen Tageszeitprofile überwiegend an Dienstagen und Donnerstagen. Es sei allerdings auffällig, dass der Kläger montags, mittwochs und freitags trotz der von ihm angegebenen Kurzpraxisöffnungszeiten von 5:30 bis 6:30 Stunden Zeitprofile über weit mehr Stunden erreiche (Beispiele: Mittwoch, 03.01.2007 – 11:41 Stunden; Montag 15.01.2007 – 11:39 Stunden; Mittwoch, 21.03.2007 – 9:53 Stunden; Montag 16.10.2006 – 12:33 Stunden; Mittwoch, 01.11.2006 – 11:06 Stunden; Freitag 25.08.2006 – 9:08 Stunden; Mittwoch, 03.05.2006 – 12:08 Stunden). Es stelle sich auch die Frage, weshalb der Kläger bei eher unterdurchschnittlichem Patientenaufkommen regelmäßig Arbeitszeiten von über 12 Stunden hätte. Ein überwiegender Teil der Zeit des Tagesprofils entfalle auf Gesprächsleitungen (Kombination des Ordinationskomplexes mit der Beratungsleistung).
Beispiele:
Datum Gesamtzeit des Tagesprofils Gesamtzeit aller Gesprächsleistungen (Nr. 03120 mit Ordinationskomplex, Nrn. 35100, 35110 Zeit durch Kombination des Ordinationskomplexes mit der Nr. 03120
08.01.2007 13:26 12:48 12:00
05.10.2006 16:36 14:30 11:50
05.09.2006 12:54 9:52 8:00
02.05.2006 14:06 10:20 9:00
12.01.2006 14:04 12:28 10:20
25.10.2005 16:54 14:14 11:50
14.04.2005 17:10 14:34 13:30
Das würde bedeuten, dass er z. B. am Montag, 08.01.2007, von 7:00 Uhr morgens bis 19:00 Uhr abends ununterbrochen (ohne Pausen, ohne die Erbringung von anderen Leistungen) nur Gespräche geführt hätte. Dies sei nicht plausibel. Aus alledem folge der Schluss, dass die Leistungsinhalte der abgerechneten Leistungen nicht immer vollständig erbracht worden sein könne und daher keine korrekten Abrechnungen vorlägen. Der Kläger habe hier zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die gewählte Berechnungsmethode sei nicht zu beanstanden. Es lägen unplausible Tagesprofile vor, weshalb die Honorarrückforderung sich an den Tagesprofilüberschreitungen orientiere. Die Honorarrückforderung sei nicht anhand des Nettofachgruppenhonorars berechnet worden, sondern es lägen die individuellen Honorare des Klägers zugrunde. Ferner lehnte die Beklagte den Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzugs ab.
Hiergegen hat der Kläger am 21.04.2009 zum Aktenzeichen S 12 KA 238/09 die Klage erhoben. Einen gleichzeitig erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Aktenzeichen S 12 KA 246/09 ER erledigten die Beteiligten durch einen außergerichtlichen Vergleich, indem dem Kläger Ratenzahlung in Höhe von 872 EUR pro Quartal eingeräumt worden war.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er überschreite in keinem Quartal die Zahl von 780 Stunden. Teilweise liege er um 200 Stunden darunter. Er sei weiterhin der Auffassung, dass er seine Arbeitszeit auf Schwerpunkttage konzentrieren könne. Beispielhaft verweise er auf die Tageslisten für den 25.10.2005, 02.10.2007, 10.01.2006. Hieraus werde ersichtlich, dass die Leistung erbracht worden sei. Es falle auf, dass sehr oft Beratungsgespräche beanstandet worden seien. Er könne Beratungsgespräche schnell und langsam ausführen, er könne auch dies parallel im gleichen Zeitraum für mehrere durchführen. In der Addition ergäben sich dann zwar erhöhte Stundenzahlen, jedoch sei die Leistung zeitgleich dennoch erbracht worden. Seine Praxis sei so organisiert, dass er mehrere Behandlungszimmer habe, die durch Türen verbunden seien, so könne er quasi in kürzester Zeit mehrere Patienten sozusagen parallel behandeln. Er habe sehr qualifiziertes Fachpersonal, auf das er Tätigkeiten delegieren könne, wie z. B. Blutabnehmen, Luftdruckprüfen, Impfen, Wiegen etc. Die Beklagte hätte ihn auch, wenn bereits aus dem Jahr 2005 Auffälligkeiten sich ergeben hätten, zeitnah informieren müssen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Abrechnung habe er weiterhin so abgerechnet, wie er die Leistung erbracht habe. Von den Beanstandungen habe er erst am 12.08.2005 erfahren. Er habe gerade zu Beginn seiner Praxistätigkeit sehr viele Beratungsgespräche gehabt. Es sei nur ein Teilaspekt der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugrunde gelegt worden, da nur die statistischen Vergleichsprüfungen herangezogen worden seien und keine Einzelfallprüfung. Eine vorherige Beratung sei nicht erfolgt. Im Rahmen des Schätzungsermessens habe die Beklagte nicht die von ihm geschilderten Praxisbesonderheiten berücksichtigt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid trägt sie ergänzend vor, für die Erstellung der Tagesprofile würden nur solche Leistungen berücksichtigt werden, deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil aufwiesen. Der Kläger könne die Auffälligkeiten nicht dadurch erklären, dass er die Gespräche "schnell" ausführe. Der EBM 2005 fordere eine bestimmte Gesprächsdauer, die nicht reduziert werden könne, indem man die Gesprächsgeschwindigkeit erhöhe. Der zeitliche Leistungsaufwand sei identisch, unabhängig davon, ob ein Gespräch, für welches die Leistungslegende eine Mindestzeit von 10 Minuten vorschreibe, aufgenommen und dann unterbrochen und später fortgesetzt werde. Der obligate Leistungsinhalt müsse vollständig erbracht werden unter Wahrung der geforderten Mindestzeit. Die Möglichkeit der Delegation habe in den Prüfzeiten Berücksichtigung gefunden. In der Prüfzeit werde lediglich die ärztliche Zeit abgebildet. Es handele sich um den Leistungsanteil, der zwingend durch den Arzt erbracht werden müsse. So könnten z. B. technische Untersuchungen von nichtärztlichen Mitarbeitern übernommen werden, nicht jedoch die im Zusammenhang damit stehende Befundung und Befundbewertung. Sie sei nicht gehalten, dem Kläger über eine zeitnahe Durchführung eines Plausibilitätsverfahrens die Möglichkeit zu eröffnen, auf Zeitüberschreitungen zu reagieren. Zeitüberschreitungen seien ein Indiz für eine fehlerhafte Abrechnung, die zu Lasten des Arztes gehe. Der Kläger könne sich auch nicht in Ansehung der zwischen der Leistungserbringung bzw. Abrechnung und Rückforderung verstrichenen Zeit auf einen Vertrauenstatbestand berufen. Die Prüfstelle X-Stadt habe den Kläger bereits im Januar 2008 über die zeitbezogene Überprüfung der betreffenden Quartale informiert und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Soweit der Kläger einen Zeitraum von drei Jahren als zu lange rügt, berücksichtige er nicht das Versendungsdatum der Honorarbescheide. Diese seien wie folgt versandt worden:
Quartal Versand
II/05 neu 01.08.2006
IV/05 neu 14.01.2008
I/06 26.02.2007
II/06 19.03.2007
III/06 02.05.2007
IV/06 11.06.2007
I/07 neu 28.04.2008
Hier stehe grundsätzlich die Möglichkeit offen, innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Zustellung des Honorarbescheides die Honorarabrechnung nachträglich zu korrigieren, wobei dieser Zeitraum, der mit Ausnahme des Quartals II/05 eingehalten worden wäre, im Falle der Plausibilitätsprüfung keine Bedeutung habe. Die zweijährige Ausschlussfrist greife nicht. Die vom Kläger angeführte Rechtssprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung, die hier nicht gelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Der Honorarrückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2009 ist rechtmäßig.
Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.
Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört u. a. auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.
Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß – somit ohne Verstoß gegen gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes – erbracht worden sind. Solche Verstöße können z. B. darin liegen, dass die Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche spezielle Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 10 m.w.N.). Zur Feststellung, ob abgerechnete Leistungen vollständig erbracht worden sind, ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; SozR 3-2500 § 83 Nr. 1). Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt unkorrekte Abrechnungen nachweisen zu können. Die Beweisführung mit Tagesprofilen ist dem Indizienbeweis zuzuordnen. Für ihre Erstellung sind bestimmte Anforderungen erforderlich. Für die Ermittlung der Gesamtbehandlungszeit des Arztes an einem Tag dürfen nur solche Leistungen in die Untersuchung einbezogen werden, die ein Tätigwerden des Arztes selbst voraussetzen. Delegationsfähige Leistungen haben außer Betracht zu bleiben. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die für die einzelnen ärztlichen Leistungen zugrunde zu legenden Durchschnittszeiten so bemessen sein müssen, dass ein erfahrener, geübter und zügig arbeitender Arzt die Leistungen im Durchschnitt in kürzerer Zeit schlechterdings nicht ordnungsgemäß und vollständig erbringen kann. Der Qualifizierung als Durchschnittszeit entspricht es, dass es sich hierbei nicht um die Festlegung absoluter Mindestzeiten handelt, sondern um eine Zeitvorgabe, die im Einzelfall durchaus unterschritten werden kann. Die Durchschnittszeit stellt sich aber bei einer ordnungsgemäßen und vollständigen Leistungserbringung als der statistische Mittelwert dar (vgl. BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.10.2007 – L 7 KA 56/03 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris Rdnr. 21). Als Nachweis für eine Falschabrechnung des Quartals genügt bereits ein beliebiger falsch abgerechneter Tag (BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1).
Ausgehend hiervon war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Tagesprofile zu erstellen.
Der angegriffene Bescheid ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Eine Darstellung, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderberechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 bei der Erstellung der Tagesprofile erfolgt, ist nicht erforderlich. Die Beklagte war nicht verpflichtet anzugeben, bei welchen Behandlungsfällen eine Nebeneinanderabrechnung stattgefunden hat. Für eine Anhörung reicht die Übersendung der Tagesprofile mit einem Anhörungsschreiben aus, denn die Tageszeitprofile erbringen den Indizienbeweis für die inplausible Abrechnung (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 – 6 RKa 70/91 – SozR 3-2500 § 95 Nr. 4 - juris, Rdnr. 25), so dass für die Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X und für die Begründung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X grundsätzlich keine weitergehende Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlich ist (vgl. LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER ).
Der angegriffene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Tagesprofile auf der Grundlage der Zeitangaben im EBM 2005 erstellt. Soweit sie bei einer Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 davon ausgeht, dass hierfür im Behandlungsfall 20 Minuten anzusetzen sind, ist dies zutreffend.
Ziffer 04120 EBM 2005 "Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten" kann für je vollendete 10 Minuten angesetzt werden und wird mit 150 Punkten berücksichtigt. Nach dem EBM 2005 ist aber bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 04110 und 04111 und 04120 eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 04120. Es ist von der Kammer daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Nebeneinanderabrechnung der Ziffern 04110 und 04111 mit der Ziffer 04120 EBM 2005 mit 20 Minuten bewertet, ebenso wie es unerheblich ist, ob das vom Vertragsarzt verwendete Abrechnungsprogramm ihm diesen Zeitumfang anzeigt (vgl. bereits LSG Hessen, Beschl. v. 10.11.2009 – L 4 KA 70/09 B ER – und die vorausgehende Entscheidung der Kammer, SG Marburg, Beschl. v. 02.07.2009 – S 12 KA 235/09 ER –).
Auf eine eventuelle Fehlerhaftigkeit des vom Kläger benutzten Softwareprogramms, das die Dauer von zwanzig Minuten nicht hat erkennen lassen, kommt es nicht an. Maßgeblich für die Abrechnung sind allein die Bestimmungen des EBM 2005. Der mit der Abrechnung geltend gemachte Zeitaufwand, der zu den inplausiblen Zeiten geführt hat, beruht allein auf der Abrechnung des Klägers. Soweit der Kläger eine fehlende zeitnahe Information des Beklagten rügt, räumt er letztlich ein, er hätte anders abgerechnet, wäre ihm bewusst geworden, dass er einen plausiblen Zeitaufwand überschreite. Die Abrechnung von Leistungen kann sich aber allein an der Erbringung der Leistung orientieren und nicht an vermeintlichen Zeitkontingenten im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung. Von daher bedarf es auch keiner Beratung vor Durchführung einer Plausibilitätsprüfung. Letztlich räumt der Kläger damit ein, vorsätzlich mit seiner Abrechnung gegen die Leistungslegende verstoßen zu haben. Von der Kammer war nicht zu prüfen, inwieweit damit der Betrugstatbestand des § 263 StGB erfüllt wird.
Der Kläger verkennt auch den Vorwurf der inplausiblen Abrechnung, wenn er sich auf die Einhaltung der Quartalsprofile beruft. Mit der Überschreitung der Tagesprofile wird hinreichend nachgewiesen, dass an diesen Tagen eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr möglich war. Dies trifft insbesondere auf die Beratungsleistungen zu, die eine strikte Zeitvorgabe durch den EBM 2005 haben. Erst bei Erreichen der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer ist der Leistungsinhalt vollständig erbracht und kann die Leistung abgerechnet werden. Ein Zusammenhang mit den Quartalsprofilen besteht nicht.
Aufgrund der in der Leistungslegende vorgegebenen Dauer ist der Einwand des Klägers, er könne Beratungsgespräche schnell und langsam ausführen oder er könne auch parallel im gleichen Zeitraum Beratungsgespräche für mehrere Patienten durchführen, ohne Bedeutung. Beratung setzt das persönliche Gespräch des Arztes mit einem Patienten, ggf. im Beisein von dessen Angehörigen, voraus. Eine schnellere Beratung, die die vorgegebene Dauer nicht erreicht, kann als eine solche Beratungsleistung nicht abgerechnet werden. Ebf. ist es ausgeschlossen, mehrere Patienten parallel zu beraten. Allenfalls denkbar wäre eine abwechselnde Beratung, die zu einer zeitlichen Addition der individuellen Beratungsteile führen würde. Eine solchermaßen "parallel" laufende Beratung müsste bei zwei Patienten dann mindestens vierzig Minuten dauern.
Delegationsfähige Leistungen werden bei den Tagesprofilen nicht mitgerechnet. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass nur solche Leistungen berücksichtigt werden, deren Prüfzeit eine Eignung im Tageszeitprofil aufweisen. In der Prüfzeit wird lediglich die ärztliche Zeit abgebildet.
Bei der Plausibilitätsprüfung handelt es sich nicht um eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Der Hinweis auf eine fehlende Einzelfallprüfung liegt daher neben der Sache. Mit dem Nachweis der Inplausibilität wird der zulässige Nachweis einer nicht ordnungsgemäßen Abrechnung erbracht. Einer weitergehenden Einzelfallprüfung oder des Nachweises in jedem Einzelfall bedarf es dann nicht. Wie auch immer geartete Praxisbesonderheiten können daher nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die Einwände des Klägers, wie bereits ausgeführt, nicht geeignet, solche Besonderheiten darzulegen.
Nicht zu beanstanden war auch die Annahme, dass bei Tagesprofilen von über 16 Stunden bzw. bei wenigsten vier Tagesprofilen von über 12 Stunden im Quartal eine ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht mehr vorliegt (vgl. SG Marburg, Urt. v. 04.06.2008 - S 12 KA 528/07 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris). Im Rahmen des Schätzungsermessens waren daher auch nicht vermeintliche Praxisbesonderheiten des Klägers zu berücksichtigen.
Auf einen Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand dahingehend gesetzt, dass sie die Abrechnungsweise des Klägers für zutreffend hält oder dass sie von einer Berichtigung absehen werde. Nichtstun allein kann einen Vertrauenstatbestand nicht begründen.
Verjährung bzw. Ausschluss einer Berichtigung wegen Zeitablaufs ist nicht eingetreten. Die Beklagte kann eine Berichtigung innerhalb von vier Jahren vornehmen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 28.03.2007 - B 6 KA 22/06 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 35 = BSGE 98, 169 = GesR 2007, 461 = USK 2007-35 = ZMGR 2008, 144, juris Rdnr. 16 m. w. N.). Soweit die Beklagte eine kürzere Ausschlussfrist von zwei Jahren vorsieht, gilt dies nicht bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschabrechnung und bei Honorarberichtigungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen (vgl. Ziff. 8.6 der ab dem Quartal II/05 geltenden Honorarvereinbarung, die insoweit fortgeführt wurde), so dass dahinstehen kann, ob die Vertragsautonomie der Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages die Vereinbarung einer kürzeren Frist zulässt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Verfahrenskosten.
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