Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 5839/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1418/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1951 in Leipzig geborene Klägerin ließ sich von September 1966 bis März 1968 in Sachsen zur Fernmeldelinienbaumonteurin ausbilden, übte diesen Beruf jedoch sodann nicht aus. Sie war als Versand- und Heimarbeiterin, als Produktionsarbeiterin und zuletzt von Februar 1988 bis 23. Oktober 1989 als Serviererin in einem Hotel in G. beschäftigt. Am 04./05. November 1989 reiste die Klägerin ins Bundesgebiet ein. Nach Beschäftigungen als Kellnerin (November 1989 bis April 1992), Verkäuferin (Mai 1992 bis November 1993), zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit und einer Beschäftigung als Produktionshelferin (April 1995 bis 2001) war sie für die E. Transport Logistik GmbH, E., als Kurierfahrerin beschäftigt. In dieser Beschäftigung erlitt sie am 05. Juni 2003 in Belgien einen Verkehrsunfall, der zu Frakturen des Schenkelhalses rechts, des Schulterblatts rechts, des Schlüsselbeines rechts, des Oberkieferknochens rechts und des Daches der rechten Augenhöhle sowie zu einer schweren Lungenkontusion und zu einer Kopfplatzwunde führte (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. B. vom 12. Juni 2003; Bericht des Unfallchirurgen Prof. Dr. P. vom 03. Juli 2003). Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen zahlt seit 18. März 2005 wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. (Bescheid vom 10. April 2007). Das Arbeitsverhältnis mit der E. Transport Logistik GmbH endete, nachdem diese das Arbeitsverhältnis zunächst gekündigt hatte, aufgrund eines Vergleichs beim Arbeitsgericht Karlsruhe. Seit März 2005 werden Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen, seit 01. Juni 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Zeitweise übte die Klägerin zugleich eine geringfügige Beschäftigung (Beförderung behinderter Kinder in eine Kindertagesstätte) aus, nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats als Beifahrerin.
Die Klägerin hatte nach einem Heilverfahren in der Z.-Klinik S. B. vom 01. März bis 05. April 2001 (Entlassungsbericht Dr. W. vom 26. April 2001) im April 2001 einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt, der abgelehnt wurde (Bescheid vom 07. Juni 2001, Widerspruchsbescheid vom 13. November 2001). Einen weiteren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellte sie im Oktober 2004, worauf nach Beiziehung von Berichten über die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung und des Gutachtens des Prof. Dr. P. vom 28. Juli 2004 für die Allianz Versicherungs-AG Fachärztin für Chirurgie Dr. L. das Gutachten vom 10. Dezember 2004 erstattete. Der Antrag blieb wiederum erfolglos (Bescheid vom 14. Dezember 2004, Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005, Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe [SG] vom 28. Juli 2006 - S 4 R 1935/05 -).
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Antrag vom 25. April 2007. Die Beklagte zog von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen Unterlagen bei, u.a. die mund-kiefer-gesichtschirurgischen Gutachten des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. Dr. R. vom 05. Mai 2006 (mit ergänzender Stellungnahme vom 24. November 2006) sowie vom 02. März 2007, und veranlasste Untersuchungen auf der klinischen Begutachtungsstation in Karlsruhe am 03. Juli 2007. Arzt für Orthopädie Dr. S. nannte im Gutachten vom selben Tag eine beginnende Sekundärarthrose des rechten Hüftgelenks nach Schenkelhalsfraktur mit endgradiger Funktionseinschränkung des rechten Hüftgelenks und Minderung der Belastbarkeit, wiederkehrende Kreuzschmerzen mit endgradiger Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei leichter skoliotischer Fehlhaltung und leichter präsakraler Osteochondrose ohne Hinweise auf eine Nervenwurzelreizung, leichte Hüftgelenksarthrose links mit endgradiger Funktionseinschränkung sowie Osteoporose der Wirbelsäule ohne pathologische Fraktur. Ganztägiges Stehen und Gehen, häufiges Bücken, chronische Zwangshaltung mit Hebe- und Tragebelastungen über zehn kg, Arbeiten in tiefer Hocke und im Knien, häufiges Treppen-, Leitersteigen seien nicht mehr möglich. Auch reines Sitzen sei nicht mehr durchzuführen. Vollschichtig zumutbar seien leichte Arbeiten in wechselnder Haltung bei nicht eingeschränkter Wegefähigkeit. Die Tätigkeit als Kurierfahrerin sei nicht mehr durchführbar. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. fügte unter dem 09. Juli 2007 auf seinem Fachgebiet hinzu eine umschriebene herabgesetzte Empfindung unter dem rechten Auge ohne Hirnnervensymptomatik sowie "ohne eigenständigen Krankheitswert akzentuiertes Krankheitsverhalten". Auf seinen Fachgebieten ließen sich keine weiterreichenden quantitativen Leistungsminderungen herleiten. Internist Medizinaldirektor L. schloss sich im zusammenfassenden Gutachten vom 17. August 2007 diesen Beurteilungen an. Durch Bescheid vom 22. August 2007 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie sei nicht mehr in der Lage, irgendwelche Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden zu leisten. Verschiedene weitere Erkrankungen seien nicht berücksichtigt worden. Internist L. sah keinen Bedarf an weiterer Sachaufklärung (Stellungnahme vom 20. September 2007). Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 08. November 2007. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Der bisherige Beruf sei die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Kurierfahrerin, die dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei, so dass die Klägerin auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden könne.
Zur Begründung der am 06. Dezember 2007 beim SG erhobenen Klage trug die Klägerin vor, ihr Bein sei rechts um etwa 1,5 cm verkürzt. Die Hüftgelenksbeweglichkeit und Rotation seien eingeschränkt. Sie leide an einer posttraumatischen Hüftgelenksarthrose rechts. Ein sinnvoller Therapieeinsatz sei nicht möglich. Es bestehe ein Übergewicht, ein Schulter-Arm-Syndrom rechts und ein Beckenschiefstand rechts. Ferner leide sie unter einer Sehminderung, einer herabgesetzten Empfindung unter dem rechten Auge, einer Minderung der Beweglichkeit und Belastbarkeit der Rumpfwirbelsäule, einer Osteochondrose und einer verminderten Knochendichte. Die Ausübung des Berufs als Kurierfahrerin und auch eine sechsstündige Erwerbstätigkeit sei nicht mehr möglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte Facharzt für Chirurgie Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er gab unter dem 15. Mai 2008 an, es bestünden anhaltende Hüft- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden rechts sowie eine reaktive Depression bei progredientem Beschwerdebild. Zu einer Befundverbesserung sei es nicht gekommen, eher zu einer Verschlechterung. Die Ausübung des Berufs als Kurierfahrerin sei nicht mehr möglich, wohl aber eine leichte körperliche Arbeit unter wechselnden Bedingungen. Dies sei "drei bis sechs Stunden täglich möglich". Ein endoprothetischer Ersatz des rechten Hüftgelenks sei indiziert. Beigefügt war der Arztbrief des Radiologen Dr. Re. vom 23. März 2006 über eine Kernspintomographie der Brust- und Lendenwirbelsäule.
Durch Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2009 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden täglich auszuüben, was aus den Feststellungen des Dr. S., des Dr. Br. und des Internisten L. folge. Dem habe auch der Zeuge Dr. K. letztlich nicht widersprochen. Mithin seien die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt. Zwar könne die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Kurierfahrerin nicht mehr sechs Stunden täglich verrichten. Da sie diesen Beruf allerdings als kurzzeitig angelernte Kraft ausgeübt und keine Berufsausbildung in diesem Beruf habe sowie in ihm auch nicht über mindestens zwei Jahre angelernt worden sei, genieße sie keinen Berufsschutz.
Gegen den am 26. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. März 2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat zunächst auf ihre Begründung der Klage Bezug genommen. Der Zeuge Dr. K. habe letztlich gemeint, sie könne auch leichte Tätigkeiten nur noch unter sechs Stunden täglich leisten. Dies hätte zumindest Anlass geben müssen, ein neues Gutachten einzuholen. Inzwischen sei sie bei einem Allgemeinmediziner in Behandlung. Schließlich sei dabei zu verbleiben, dass die Tätigkeit als Kurierfahrerin und auch eine sechsstündige Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2007 zu verurteilen, ihr ab 01. Mai 2007 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Der Senat hat das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. Bu. vom 24. Juni 2009 eingeholt. Er hat an Diagnosen genannt: Polytrauma mit Schenkelhalsfraktur rechts und posttraumatische Beinverkürzung rechts, initiale Sekundärarthrose rechts, Pfannendachverdichtung links im Sinne einer Präcoxarthrose; Lumboischialgie rechts mit pseudoradikulärer Symptomatik bei geringgradiger Skoliose ohne Anhalt für Wurzelreizsyndrom bei Kalksalzminderung; Tendinitis calcarea rechts des Schultergelenks mit Bewegungsstörung; ferner Jochbeinbruch mit Sehminderung sowie Tinnitus rechts. Die vom behandelnden Arzt Dr. K. angesprochene etwaige Notwendigkeit eines endoprothetischen Ersatzes des Hüftgelenks sei nicht nachvollziehbar. Eine wesentliche posttraumatische Arthrose habe sich nicht entwickelt. Im Bereich des rechten Schultergelenks bestehe eine eher leichte Bewegungsstörung. Möglich seien leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von gelegentlich zehn kg bei Verwendung eines vollständigen Beinlängenausgleichs. Zu vermeiden seien Arbeiten in gleichförmiger, insbesondere in nach vorne gebeugter Körperhaltung, Überkopfarbeiten und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. In diesem Rahmen seien Tätigkeiten von sechs Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche möglich. Die Einschränkungen hätten sich seit dem Abschluss der Untersuchungen auf der klinischen Beobachtungsstation im Juli 2007 nicht verschlechtert; insoweit sei dem behandelnden Chirurgen Dr. K. nicht zu folgen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 17. Februar 2009 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 22. August 2007 (Widerspruchsbescheid vom 08. November 2007) die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt.
1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Gesundheitszustand der Klägerin ist für das vorrangig betroffene orthopädische Fachgebiet geklärt worden durch das Gutachten Dr. Bu. vom 24. Juni 2009. Hiernach steht im Vordergrund der Zustand nach dem anlässlich des Verkehrsunfalls vom 05. Juni 2003 erlittenen Polytrauma mit Schenkelhalsfraktur rechts und posttraumatischer Beinverkürzung rechts, initialer Sekundärarthrose rechts sowie Pfannendachverdichtung links im Sinne einer Präcoxarthrose. Hinzu kommt - wobei der Ursachenzusammenhang mit dem Unfall in der Rentenversicherung dahingestellt bleiben kann - eine Lumboischialgie rechts mit pseudoradikulärer Symptomatik bei geringgradiger Skoliose ohne Anhalt für Wurzelreizsyndrom bei Kalksalzminderung. Ferner besteht eine Tendinitis calcarea rechts des Schultergelenks mit Bewegungsstörung, ein Zustand nach Jochbeinbruch mit Sehminderung sowie ein Tinnitus rechts. Eine wesentliche posttraumatische Arthrose des Hüftgelenks hat sich nach den Erkenntnissen des Sachverständigen nicht entwickelt. Im Bereich des rechten Schultergelenks besteht eine eher leichte Bewegungsstörung. Die vom behandelnden Arzt Dr. K. (schriftliche Zeugenaussage vom 15. Mai 2008) angedeutete Notwendigkeit eines endoprothetischen Ersatzes des Hüftgelenks, der im Übrigen bisher nicht weiterverfolgt worden ist, ist nach der Einschätzung des Sachverständigen, die aufgrund der von ihm erhobenen Befunde schlüssig ist, nicht nachvollziehbar. Ansonsten hat sich nach dessen überzeugender Darlegung gegenüber den Befunden der Begutachtung durch Arzt für Orthopädie Dr. S. auf der klinischen Begutachtungsstation am 03. Juli 2007 keine merkliche Verschlimmerung herausgestellt. Das Leistungsprofil, wonach leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von gelegentlich zehn kg bei Verwendung eines - vorhandenen - vollständigen Beinlängenausgleichs möglich bleiben, während Arbeiten in gleichförmiger, insbesondere in nach vorne gebeugter Körperhaltung, Überkopfarbeiten und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten zu vermeiden sind, überzeugt nach alledem. Eine zeitliche Einschränkung unter den täglichen Umfang von sechs Stunden lässt sich nicht begründen.
Wesentliche Störungen auf anderen medizinischen Fachgebieten, welche zu weiteren Ermittlungen Anlass gegeben hätten, lassen sich nicht erkennen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. hatte im Gutachten vom 09. Juli 2007 eine umschriebene herabgesetzte Empfindung unter dem rechten Auge ohne Hirnnervensymptomatik sowie ein akzentuiertes Krankheitsverhalten (ohne eigenständigen Krankheitswert) genannt. Insoweit ist im Berufungsverfahren nichts Neues vorgebracht worden oder ersichtlich geworden. Soweit die Klägerin zuletzt die Behandlung bei einem Allgemeinmediziner nennt, ist dies auch auf Nachfrage nicht weiter im Sinne einer schwerwiegenden Symptomatik präzisiert worden. Dass aus der Sehminderung des rechten Auges, über die die Klägerin seit dem Arbeitsunfall klagt (S. 4 des Gutachtens des Dr. Bu.), sich eine Leistungsminderung ergibt, ist aufgrund der vorliegenden ärztlichen Berichte nicht erkennbar.
Eine weitere Befragung des Chirurgen Dr. K. war entbehrlich. Wenn dieser in der Zeugenaussage vom 15. Mai 2008 eine Erwerbstätigkeit von "drei bis sechs Stunden täglich" für möglich gehalten hat, schließt dies volle sechs Stunden ein. Im Übrigen würde selbst eine zeugenschaftliche Präzisierung, es seien "unter sechs Stunden" gemeint, nicht zur Notwendigkeit weiterer Ermittlungen führen, nachdem der Gerichtssachverständige Dr. Bu. eine überzeugende abweichende Meinung vertreten und einzelne Äußerungen des behandelnden Arztes, wie die Notwendigkeit einer Endoprothese und die Erkennbarkeit wesentlicher Verschlimmerungen, als widerlegt angenommen hat.
2. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bisheriger Beruf der Klägerin war danach die letzte ausgeübte Beschäftigung als Kurierfahrerin. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin diese Beschäftigung nicht mehr verrichten kann, besteht kein Berufsschutz für diese Beschäftigung mit der Folge eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Klägerin. Denn sie ist auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; SozR 3-2600 § 43 Nr. 26) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -).
Die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Kurierfahrerin erfordert bei Weitem nicht eine Anlernzeit von über zwölf Monaten und ist solchen Tätigkeiten auch nicht aus qualitativen Erwägungen, etwa wegen der tarifvertraglichen Einstufung, gleichgestellt. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Die Beschäftigung der Klägerin ist damit höchstens der Stufe des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Demgemäß muss sich die Klägerin auf alle ungelernten Tätigkeiten des Arbeitsmarkts verweisen lassen. Solche kann sie, ohne dass hier die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich wäre, noch sechs Stunden täglich ausüben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die am 1951 in Leipzig geborene Klägerin ließ sich von September 1966 bis März 1968 in Sachsen zur Fernmeldelinienbaumonteurin ausbilden, übte diesen Beruf jedoch sodann nicht aus. Sie war als Versand- und Heimarbeiterin, als Produktionsarbeiterin und zuletzt von Februar 1988 bis 23. Oktober 1989 als Serviererin in einem Hotel in G. beschäftigt. Am 04./05. November 1989 reiste die Klägerin ins Bundesgebiet ein. Nach Beschäftigungen als Kellnerin (November 1989 bis April 1992), Verkäuferin (Mai 1992 bis November 1993), zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit und einer Beschäftigung als Produktionshelferin (April 1995 bis 2001) war sie für die E. Transport Logistik GmbH, E., als Kurierfahrerin beschäftigt. In dieser Beschäftigung erlitt sie am 05. Juni 2003 in Belgien einen Verkehrsunfall, der zu Frakturen des Schenkelhalses rechts, des Schulterblatts rechts, des Schlüsselbeines rechts, des Oberkieferknochens rechts und des Daches der rechten Augenhöhle sowie zu einer schweren Lungenkontusion und zu einer Kopfplatzwunde führte (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. B. vom 12. Juni 2003; Bericht des Unfallchirurgen Prof. Dr. P. vom 03. Juli 2003). Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen zahlt seit 18. März 2005 wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. (Bescheid vom 10. April 2007). Das Arbeitsverhältnis mit der E. Transport Logistik GmbH endete, nachdem diese das Arbeitsverhältnis zunächst gekündigt hatte, aufgrund eines Vergleichs beim Arbeitsgericht Karlsruhe. Seit März 2005 werden Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen, seit 01. Juni 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Zeitweise übte die Klägerin zugleich eine geringfügige Beschäftigung (Beförderung behinderter Kinder in eine Kindertagesstätte) aus, nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats als Beifahrerin.
Die Klägerin hatte nach einem Heilverfahren in der Z.-Klinik S. B. vom 01. März bis 05. April 2001 (Entlassungsbericht Dr. W. vom 26. April 2001) im April 2001 einen ersten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung gestellt, der abgelehnt wurde (Bescheid vom 07. Juni 2001, Widerspruchsbescheid vom 13. November 2001). Einen weiteren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellte sie im Oktober 2004, worauf nach Beiziehung von Berichten über die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung und des Gutachtens des Prof. Dr. P. vom 28. Juli 2004 für die Allianz Versicherungs-AG Fachärztin für Chirurgie Dr. L. das Gutachten vom 10. Dezember 2004 erstattete. Der Antrag blieb wiederum erfolglos (Bescheid vom 14. Dezember 2004, Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005, Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe [SG] vom 28. Juli 2006 - S 4 R 1935/05 -).
Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist der Antrag vom 25. April 2007. Die Beklagte zog von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen Unterlagen bei, u.a. die mund-kiefer-gesichtschirurgischen Gutachten des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. Dr. R. vom 05. Mai 2006 (mit ergänzender Stellungnahme vom 24. November 2006) sowie vom 02. März 2007, und veranlasste Untersuchungen auf der klinischen Begutachtungsstation in Karlsruhe am 03. Juli 2007. Arzt für Orthopädie Dr. S. nannte im Gutachten vom selben Tag eine beginnende Sekundärarthrose des rechten Hüftgelenks nach Schenkelhalsfraktur mit endgradiger Funktionseinschränkung des rechten Hüftgelenks und Minderung der Belastbarkeit, wiederkehrende Kreuzschmerzen mit endgradiger Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei leichter skoliotischer Fehlhaltung und leichter präsakraler Osteochondrose ohne Hinweise auf eine Nervenwurzelreizung, leichte Hüftgelenksarthrose links mit endgradiger Funktionseinschränkung sowie Osteoporose der Wirbelsäule ohne pathologische Fraktur. Ganztägiges Stehen und Gehen, häufiges Bücken, chronische Zwangshaltung mit Hebe- und Tragebelastungen über zehn kg, Arbeiten in tiefer Hocke und im Knien, häufiges Treppen-, Leitersteigen seien nicht mehr möglich. Auch reines Sitzen sei nicht mehr durchzuführen. Vollschichtig zumutbar seien leichte Arbeiten in wechselnder Haltung bei nicht eingeschränkter Wegefähigkeit. Die Tätigkeit als Kurierfahrerin sei nicht mehr durchführbar. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. fügte unter dem 09. Juli 2007 auf seinem Fachgebiet hinzu eine umschriebene herabgesetzte Empfindung unter dem rechten Auge ohne Hirnnervensymptomatik sowie "ohne eigenständigen Krankheitswert akzentuiertes Krankheitsverhalten". Auf seinen Fachgebieten ließen sich keine weiterreichenden quantitativen Leistungsminderungen herleiten. Internist Medizinaldirektor L. schloss sich im zusammenfassenden Gutachten vom 17. August 2007 diesen Beurteilungen an. Durch Bescheid vom 22. August 2007 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, sie sei nicht mehr in der Lage, irgendwelche Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden zu leisten. Verschiedene weitere Erkrankungen seien nicht berücksichtigt worden. Internist L. sah keinen Bedarf an weiterer Sachaufklärung (Stellungnahme vom 20. September 2007). Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 08. November 2007. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Der bisherige Beruf sei die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Kurierfahrerin, die dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei, so dass die Klägerin auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden könne.
Zur Begründung der am 06. Dezember 2007 beim SG erhobenen Klage trug die Klägerin vor, ihr Bein sei rechts um etwa 1,5 cm verkürzt. Die Hüftgelenksbeweglichkeit und Rotation seien eingeschränkt. Sie leide an einer posttraumatischen Hüftgelenksarthrose rechts. Ein sinnvoller Therapieeinsatz sei nicht möglich. Es bestehe ein Übergewicht, ein Schulter-Arm-Syndrom rechts und ein Beckenschiefstand rechts. Ferner leide sie unter einer Sehminderung, einer herabgesetzten Empfindung unter dem rechten Auge, einer Minderung der Beweglichkeit und Belastbarkeit der Rumpfwirbelsäule, einer Osteochondrose und einer verminderten Knochendichte. Die Ausübung des Berufs als Kurierfahrerin und auch eine sechsstündige Erwerbstätigkeit sei nicht mehr möglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte Facharzt für Chirurgie Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Er gab unter dem 15. Mai 2008 an, es bestünden anhaltende Hüft- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden rechts sowie eine reaktive Depression bei progredientem Beschwerdebild. Zu einer Befundverbesserung sei es nicht gekommen, eher zu einer Verschlechterung. Die Ausübung des Berufs als Kurierfahrerin sei nicht mehr möglich, wohl aber eine leichte körperliche Arbeit unter wechselnden Bedingungen. Dies sei "drei bis sechs Stunden täglich möglich". Ein endoprothetischer Ersatz des rechten Hüftgelenks sei indiziert. Beigefügt war der Arztbrief des Radiologen Dr. Re. vom 23. März 2006 über eine Kernspintomographie der Brust- und Lendenwirbelsäule.
Durch Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2009 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, die Klägerin sei in der Lage, leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden täglich auszuüben, was aus den Feststellungen des Dr. S., des Dr. Br. und des Internisten L. folge. Dem habe auch der Zeuge Dr. K. letztlich nicht widersprochen. Mithin seien die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt. Zwar könne die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Kurierfahrerin nicht mehr sechs Stunden täglich verrichten. Da sie diesen Beruf allerdings als kurzzeitig angelernte Kraft ausgeübt und keine Berufsausbildung in diesem Beruf habe sowie in ihm auch nicht über mindestens zwei Jahre angelernt worden sei, genieße sie keinen Berufsschutz.
Gegen den am 26. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26. März 2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie hat zunächst auf ihre Begründung der Klage Bezug genommen. Der Zeuge Dr. K. habe letztlich gemeint, sie könne auch leichte Tätigkeiten nur noch unter sechs Stunden täglich leisten. Dies hätte zumindest Anlass geben müssen, ein neues Gutachten einzuholen. Inzwischen sei sie bei einem Allgemeinmediziner in Behandlung. Schließlich sei dabei zu verbleiben, dass die Tätigkeit als Kurierfahrerin und auch eine sechsstündige Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 22. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. November 2007 zu verurteilen, ihr ab 01. Mai 2007 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Der Senat hat das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. Bu. vom 24. Juni 2009 eingeholt. Er hat an Diagnosen genannt: Polytrauma mit Schenkelhalsfraktur rechts und posttraumatische Beinverkürzung rechts, initiale Sekundärarthrose rechts, Pfannendachverdichtung links im Sinne einer Präcoxarthrose; Lumboischialgie rechts mit pseudoradikulärer Symptomatik bei geringgradiger Skoliose ohne Anhalt für Wurzelreizsyndrom bei Kalksalzminderung; Tendinitis calcarea rechts des Schultergelenks mit Bewegungsstörung; ferner Jochbeinbruch mit Sehminderung sowie Tinnitus rechts. Die vom behandelnden Arzt Dr. K. angesprochene etwaige Notwendigkeit eines endoprothetischen Ersatzes des Hüftgelenks sei nicht nachvollziehbar. Eine wesentliche posttraumatische Arthrose habe sich nicht entwickelt. Im Bereich des rechten Schultergelenks bestehe eine eher leichte Bewegungsstörung. Möglich seien leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von gelegentlich zehn kg bei Verwendung eines vollständigen Beinlängenausgleichs. Zu vermeiden seien Arbeiten in gleichförmiger, insbesondere in nach vorne gebeugter Körperhaltung, Überkopfarbeiten und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. In diesem Rahmen seien Tätigkeiten von sechs Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche möglich. Die Einschränkungen hätten sich seit dem Abschluss der Untersuchungen auf der klinischen Beobachtungsstation im Juli 2007 nicht verschlechtert; insoweit sei dem behandelnden Chirurgen Dr. K. nicht zu folgen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist in der Sache unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 17. Februar 2009 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 22. August 2007 (Widerspruchsbescheid vom 08. November 2007) die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt.
1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Gesundheitszustand der Klägerin ist für das vorrangig betroffene orthopädische Fachgebiet geklärt worden durch das Gutachten Dr. Bu. vom 24. Juni 2009. Hiernach steht im Vordergrund der Zustand nach dem anlässlich des Verkehrsunfalls vom 05. Juni 2003 erlittenen Polytrauma mit Schenkelhalsfraktur rechts und posttraumatischer Beinverkürzung rechts, initialer Sekundärarthrose rechts sowie Pfannendachverdichtung links im Sinne einer Präcoxarthrose. Hinzu kommt - wobei der Ursachenzusammenhang mit dem Unfall in der Rentenversicherung dahingestellt bleiben kann - eine Lumboischialgie rechts mit pseudoradikulärer Symptomatik bei geringgradiger Skoliose ohne Anhalt für Wurzelreizsyndrom bei Kalksalzminderung. Ferner besteht eine Tendinitis calcarea rechts des Schultergelenks mit Bewegungsstörung, ein Zustand nach Jochbeinbruch mit Sehminderung sowie ein Tinnitus rechts. Eine wesentliche posttraumatische Arthrose des Hüftgelenks hat sich nach den Erkenntnissen des Sachverständigen nicht entwickelt. Im Bereich des rechten Schultergelenks besteht eine eher leichte Bewegungsstörung. Die vom behandelnden Arzt Dr. K. (schriftliche Zeugenaussage vom 15. Mai 2008) angedeutete Notwendigkeit eines endoprothetischen Ersatzes des Hüftgelenks, der im Übrigen bisher nicht weiterverfolgt worden ist, ist nach der Einschätzung des Sachverständigen, die aufgrund der von ihm erhobenen Befunde schlüssig ist, nicht nachvollziehbar. Ansonsten hat sich nach dessen überzeugender Darlegung gegenüber den Befunden der Begutachtung durch Arzt für Orthopädie Dr. S. auf der klinischen Begutachtungsstation am 03. Juli 2007 keine merkliche Verschlimmerung herausgestellt. Das Leistungsprofil, wonach leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten von gelegentlich zehn kg bei Verwendung eines - vorhandenen - vollständigen Beinlängenausgleichs möglich bleiben, während Arbeiten in gleichförmiger, insbesondere in nach vorne gebeugter Körperhaltung, Überkopfarbeiten und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten zu vermeiden sind, überzeugt nach alledem. Eine zeitliche Einschränkung unter den täglichen Umfang von sechs Stunden lässt sich nicht begründen.
Wesentliche Störungen auf anderen medizinischen Fachgebieten, welche zu weiteren Ermittlungen Anlass gegeben hätten, lassen sich nicht erkennen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. hatte im Gutachten vom 09. Juli 2007 eine umschriebene herabgesetzte Empfindung unter dem rechten Auge ohne Hirnnervensymptomatik sowie ein akzentuiertes Krankheitsverhalten (ohne eigenständigen Krankheitswert) genannt. Insoweit ist im Berufungsverfahren nichts Neues vorgebracht worden oder ersichtlich geworden. Soweit die Klägerin zuletzt die Behandlung bei einem Allgemeinmediziner nennt, ist dies auch auf Nachfrage nicht weiter im Sinne einer schwerwiegenden Symptomatik präzisiert worden. Dass aus der Sehminderung des rechten Auges, über die die Klägerin seit dem Arbeitsunfall klagt (S. 4 des Gutachtens des Dr. Bu.), sich eine Leistungsminderung ergibt, ist aufgrund der vorliegenden ärztlichen Berichte nicht erkennbar.
Eine weitere Befragung des Chirurgen Dr. K. war entbehrlich. Wenn dieser in der Zeugenaussage vom 15. Mai 2008 eine Erwerbstätigkeit von "drei bis sechs Stunden täglich" für möglich gehalten hat, schließt dies volle sechs Stunden ein. Im Übrigen würde selbst eine zeugenschaftliche Präzisierung, es seien "unter sechs Stunden" gemeint, nicht zur Notwendigkeit weiterer Ermittlungen führen, nachdem der Gerichtssachverständige Dr. Bu. eine überzeugende abweichende Meinung vertreten und einzelne Äußerungen des behandelnden Arztes, wie die Notwendigkeit einer Endoprothese und die Erkennbarkeit wesentlicher Verschlimmerungen, als widerlegt angenommen hat.
2. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bisheriger Beruf der Klägerin war danach die letzte ausgeübte Beschäftigung als Kurierfahrerin. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin diese Beschäftigung nicht mehr verrichten kann, besteht kein Berufsschutz für diese Beschäftigung mit der Folge eines Anspruchs auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit für die Klägerin. Denn sie ist auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar.
Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; SozR 3-2600 § 43 Nr. 26) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -).
Die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Beschäftigung als Kurierfahrerin erfordert bei Weitem nicht eine Anlernzeit von über zwölf Monaten und ist solchen Tätigkeiten auch nicht aus qualitativen Erwägungen, etwa wegen der tarifvertraglichen Einstufung, gleichgestellt. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Die Beschäftigung der Klägerin ist damit höchstens der Stufe des angelernten Arbeiters zuzuordnen. Demgemäß muss sich die Klägerin auf alle ungelernten Tätigkeiten des Arbeitsmarkts verweisen lassen. Solche kann sie, ohne dass hier die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich wäre, noch sechs Stunden täglich ausüben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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