L 1 KR 16/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 2428/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 16/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine abhängige Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV einer Ehefrau bei ihrem behinderten Ehemann liegt vor, wenn ein Arbeitsverhältnis bewusst beibehalten wird, auch wenn sie gleichzeitig ihren Ehemann betreut und anleitet.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob die Klägerin bei ihrer Tätigkeit für das Unternehmen ihres Ehemannes in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 18. November 2005 abhängig beschäftigt gewesen ist.

Der 2005 verstorbene Ehemann der Klägerin übte seinen Beruf als Schädlingsbekämpfer zunächst als Angestellter aus. Im Jahre 1984 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei welchem er schwerste Schädelverletzungen erlitt. Von den Folgen des Unfalles hat er sich nie mehr völlig erholt. Er litt an Gleichgewichtsstörungen, einer intellektuellen Minderleistung sowie Depressionen. Er war zu 90 % schwerbehindert. Seinen Arbeitsplatz verlor er letztlich infolge seiner Behinderung. Er erwarb zum 1. Januar 1993 die Schädlingsbekämpfung K. Die Initiative hierzu ging von der Klägerin aus, welche auch die Bücher geprüft und sich mit dem Steuerberater beraten hatte. Zur Finanzierung griffen die Eheleute auf gemeinsames Kapital zurück und nahmen einen Kredit auf, der durch eine Bürgschaftserklärung der Klägerin und die Abtretung ihrer Lebensversicherung abgesichert wurde. Die eine Bürgschaft zur Absicherung eines Darlehens aus dem Darlehensvertrag vom 4. April 2003 wurde bis zu einer Höhe von 35.000,- Euro übernommen. Die andere zur Absicherung des Darlehens vom 10. Februar 2004 bis zu einer Höhe von 19.200,- Euro. Die Klägerin gab ihre eigene Berufstätigkeit auf und wurde Angestellte ihres Ehemannes. In dem zwischen den Eheleuten geschlossenen schriftlichen Einstellungsvertrag vom 14. Dezember 1992 heißt es unter anderem, dass die Klägerin als kaufmännische Angestellte eingestellt werde. Zu ihren Aufgaben und Pflichten gehörten alle anfallenden Arbeiten im Büro sowie der Einkauf. Die gewöhnliche Arbeitszeit betrage mindestens 38 Stunden und richte sich nach den betrieblichen Bedürfnissen unter Berücksichtigung der sonstigen Pflichten des Angestellten im gemeinsamen Haushalt. Sie werde von den Vertragsparteien im beiderseitigen Einvernehmen geregelt. Nach dem Vertrag erhielt die Klägerin ein Gehalt von Brutto 2000,- DM und hatte einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub von 30 Werktagen. Ab 1995 betrug das Gehalt 3.200,- DM. Bis zum Jahr 2003 erhielt die Klägerin auch Weihnachtsgeld.

Das Gehalt wurde ihr regelmäßig auf ein privates Girokonto überwiesen und im Unternehmen als Betriebsausgabe gebucht. Es wurde Lohnsteuer entrichtet.

Der Betrieb wurde zunächst in den Räumen des Herrn K weitergeführt, dann in angemieteten Räumen und später im Privathaus der Klägerin, in welchem diese dem Unternehmen Räume vermietete. Die Miete betrug ab 1. Dezember 1995 zunächst 2.436,30 DM monatlich. Es war eine Staffelmiete vereinbart.

Die Klägerin widmete sich den kaufmännischen und unternehmerischen Angelegenheiten des Unternehmens. Sie war die ganze Zeit die treibende Kraft. Der Ehemann war formal der Inhaber, jedoch - nach Angaben der Klägerin - selbst zur Führung des Unternehmens nicht in der Lage. So unterzeichnete sie die Gewerbeanmeldung, erwirkte die öffentlich-rechtlichen Zuwendungen und erfüllte die Unternehmerpflichten, z. B. die Nachweise und Berichte über Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen. Sie nahm auch die Verbandstätigkeiten war. Sie schickte ihren Mann zu den Kunden. Die Klägerin analysierte die von ihm dort genommenen Befallsproben, bestimmte den Schädling und gab ihrem Mann vor, wie er konkret vorgehen sollte. Eigene Entscheidungen des Ehemannes gab es nicht. Aus diesem Grund erwarb sie selbst auch die Qualifikation eines staatlich anerkannten Schädlingsbekämpfers. Zu mehr war der Ehemann aufgrund seines gesundheitlichen und psychischen Zustandes nicht in der Lage.

Am 19. November 2005 meldete die Klägerin ein eigenes Gewerbe an und hat die Firma fortgeführt.

Sie beantragte im Dezember 2006 bei der Beklagten festzustellen, dass ihre Tätigkeit im Unternehmen ihres Ehemannes nicht sozialversicherungspflichtig gewesen sei sowie die Erstattung der zu Unrecht entrichteten Beiträge. Sie habe von Anfang an sämtliche Verhandlungen mit Kunden, Lieferanten, dem Steuerbüro, den Banken und Versicherungen geführt. Ihr Ehemann habe sich ausschließlich um die Ausführung der praktischen Einsätze vor Ort gekümmert. Hingegen habe sie auch sämtliche kaufmännischen Angelegenheiten abgewickelt. Ihre durchschnittliche Arbeitszeit habe sich von Anfang an regelmäßig auf mehr als 60 Stunden an allen sieben Wochentagen erstreckt. Die Bestimmungen des schriftlichen Einstellungsvertrages hätten die Praxis nicht wiedergegeben. Die Eheleute hätten dem Schriftstück keine inhaltliche Bedeutung beigemessen. So habe die Klägerin auch nie mehr als eine Woche Urlaub im Jahr gehabt. Ferner sprächen gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung auch das zur Verfügung Stellen der Betriebsräume und die Absicherung des Darlehens für den Erwerb des Unternehmens durch die Abtretung von Rechten aus Lebensversicherungen über 17.292,- DM sowie die Bürgschaftsübernahmen.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 17. April 2007 mit, dass sie zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 18. November 2005 in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2007 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 3. September 2007 vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobene Klage. Die Klägerin hat vorgebracht, die Entrichtung von Beiträgen und die Abführung von Lohnsteuern stellten kein Indiz für eine Sozialversicherungspflicht dar. Vielmehr habe die steuerliche Behandlung völlig außer Acht zu bleiben. Die Klägerin habe mit der Abtretung der Ansprüche aus ihrer privaten Lebensversicherung sowie der Übernahme zweier Bürgschaften zur Absicherung privater Verbindlichkeiten ein erhebliches unternehmerisches Risiko übernommen. Sie habe letztlich ebenso wie ihr Ehemann für die Unternehmensverbindlichkeiten gehaftet.

In der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2008 hat die Klägerin u. a. angegeben, dass das Büro von 7.00 bis 22.00 Uhr geöffnet gewesen sei und sie im Wesentlichen immer erreichbar und fasst immer anwesend gewesen sei. Das dass Unternehmen als Einzelunternehmen geführt worden sei, habe daran gelegen, dass das Unternehmen von Herrn K mit der Maßgabe übernommen worden sei, den Betrieb als kleines Familienunternehmen weiterzuführen. Sie habe sich informiert. Sie hätten daraufhin entschieden, ihn als Einzelunternehmen weiter zu betreiben. Ihr Ehemann sollte als Schädlingsbekämpfer gegenüber den Kunden als Unternehmensinhaber in Erscheinung treten. Es habe sich insofern um ein Zugeständnis ihrerseits gehandelt, insbesondere um das Selbstwertgefühl ihres schwer behinderten Ehemannes zu erhalten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2008 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Klägerin sei aufgrund eines Einstellungsvertrages tätig gewesen. Sie habe ein jedenfalls nicht völlig unangemessenes und über ein Taschengeld deutlich hinausgehendes Gehalt bezogen. Auch sei die Vertragsgestaltung bewusst gewählt worden. Der ursprüngliche Firmeninhaber habe dies ausdrücklich gewünscht. Der Ehemann sollte nach außen hin in Erscheinung treten. Die Eheleute müssten sich an die von ihnen gewählte Vertragsgestaltung auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht festhalten lassen. Es unterliege nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (Bezugnahme auf Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R -). Die Regelungen des Einstellungsvertrages seien von den Beteiligten auch tatsächlich vollzogen worden. Neben dem Festgehalt habe die Klägerin bis 2003 auch Weihnachtsgeld erhalten. Das Gehalt sei auf ihr privates Konto gezahlt worden und habe ihr frei zur Verfügung gestanden. Sofern die Klägerin in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt habe, vom Gehalt jeweils 500 Euro an ihren Ehemann zurück überwiesen zu haben, habe dies wohl allein steuerrechtliche Gründe gehabt, ebenso die Vermietung der Betriebsräume zu einem recht hohen Mietzins von monatlich etwa 2.400,- DM. Auch hier zeige sich, dass die Klägerin und ihr Ehemann die Vertragsverhältnisse bewusst ausgestaltet und vollzogen hätten. Wäre eine echte Mitunternehmerschaft gewollt gewesen, hätte die Klägerin die Betriebsräume nicht vermietet, sondern dem Unternehmen als Einlage zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich der Arbeitszeiten hätten sich die Klägerin und ihr Ehemann offenbar auf ein deutlich höheres Maß als die vertraglich vereinbarte Mindestarbeitszeit von 28 Wochenstunden im beiderseitigen Einvernehmen geeinigt. Dass die Urlaubsregelung des Arbeitsvertrages nicht praktiziert worden sei, sei bei Familienbetrieben nicht unüblich, bei welchen alle Familienangehörigen ein gesteigertes Interesse am Erhalt des Unternehmens hätten. Letztlich gelte aber auch für leitende Angestellte, dass diese regelmäßig bereit seien, überdurchschnittliche Leistungen auch in zeitlicher Hinsicht zu erbringen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt sie vor, der Arbeitsvertrag sei abgeschlossen worden, da ein Steuerberater dies für erforderlich erachtet habe. Nur soweit dieser einen Entgeltcharakter habe, nämlich in Höhe des angemessenen Verhältnisses von Leistung zu Gegenleistung, könne er Grundlage eines steuerlich anerkannten Vertragsverhältnisses sein. Jegliches darüber hinaus gehendes Engagement (Mehrstunden, Urlaubsverzicht, Feiertags-, Wochenend- und Nachtarbeit, höherwertige oder andersartige Tätigkeit, die Übernahme von Wirkungskreisen, die nicht vom Arbeitsvertrag mit der Bezeichnung "Bürohilfe" umfasst seien, tatsächliche faktische Geschäftsführung oder kaufmännische Leitung) beruhe auf familienhafter Basis und sei nicht geeignet, sie in ein vertragliches Korsett einzupassen (Bezugnahme auf Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 28. Juli 1983 - IV R 103/82 -). Während die Finanzgerichtsbarkeit eine Aufspaltung des Arbeitsentgeltes in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil kenne, gäbe es im Sozialversicherungsrecht nur ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis. Dieses sei hier gerade nicht vom schriftlichen Arbeitsvertrag geprägt. Die Klägerin sei auch nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen, da sie großteils in Räumen in ihrem Privathaus tätig gewesen sei. Schließlich sei auch die Anmeldung und die Abführung von Beiträgen irrtümlich erfolgt und kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Die Klägerin habe einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen gehabt. Sie allein habe den Betrieb geführt. Ihr Ehemann sei auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten angewiesen gewesen. Bloß weil sie keine Überordnung zu ihrem Mann, sondern eine Gleichberechtigung gesucht und gelebt habe, mache sie dies nicht umgekehrt zur abhängig Beschäftigten, auch soweit sie ihren psychisch und körperlich angeschlagenen Mann aufbauen und unterstützen habe wollen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil vom Sozialgericht Berlin vom 11. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. April 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. August 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Firma Schädlingsbekämpfung K in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 18. November 2005 nicht der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für richtig. Es habe sich hier um ein jahrelang gelebtes Beschäftigungsverhältnis gehandelt, das nach einem Motivwechsel nunmehr im Nachhinein als selbständig dargestellt werde.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten lag vor und war Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Berufung musste Erfolg versagt bleiben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Rentenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, 6. Buch - SGB VI -) Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG-Urteile vom 8. August 1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 8. Dezember 1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45) (so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 0/04 R - Juris). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -). Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nichtversicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R - USK 2002 - 42). Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 8. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R USK 9975).

Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist das SG zutreffend von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV ausgegangen. Auf dessen Darlegungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen, insbesondere zum gelebten Arbeitsverhältnis, den Umständen, die gegen ein gemeinsames Unternehmen sprechen und zur Einschätzung des Unternehmensrisikos durch die Bürgschaftsübernahmen und Abtretung der Lebensversicherung als untergeordnet.

Für eine tatsächlich dem Arbeitsvertrag entsprechende abhängige Beschäftigung spricht hier, dass die Eheleute über Jahre gegenüber der Steuerbehörde von einer lohnsteuerpflichtigen Beschäftigung der Klägerin ausgegangen sind, welche gleichzeitig Betriebsausgaben darstellten. Die Eheleute hatten kein gemeinsames Unternehmen. Von der Integration in den Betriebsablauf ist bei der Klägerin als der Büromitarbeiterin des Unternehmens auszugehen, unabhängig davon, ob sie ihre Tätigkeiten in den Büroräumen oder in Privaträumen im selben Anwesen ausgeübt hat. Angesichts der regelmäßigen Einnahmen kann auch nicht von bloßer familienhafter Mithilfe der Klägerin ausgegangen werden. Ganz allgemein kann nach der Rechtsprechung des BSG davon ausgegangen werden, dass eine an sich rechtlich bestehende Abhängigkeit durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein kann, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheidet (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R - SozR 3-2400 § 7 Nr. 17). Der verstorbene Ehemann der Klägerin war hier der alleine haftende Einzelunternehmer. Er war zwar aufgrund seines schlechten physischen und psychischen Zustandes auf die Mithilfe seiner Ehefrau angewiesen. Er war zum erfolgreichen Betreiben des Schädlingsbekämpfungsunternehmens auf seine Frau angewiesen gewesen. Er war aber jedoch nicht nur ein Strohmann seiner Ehefrau, auch wenn er die wesentliche Arbeit von der Klägerin ausführen ließ und diese ihn in vielem anleitete. Er war vielmehr für Außenstehende der allein haftende Einzelunternehmer. Er verfügte auch über die notwendige Qualifikation und war - bis zum Schluss - in seinem Unternehmen als Schädlingsbekämpfer tätig. In den ersten Jahren verfügte sogar nur er über diese für den Betrieb notwendige Qualifikation. Dass ihn die Klägerin zum Ausgleich seiner Behinderung weit mehr unterstützen musste, als dies im normalen Arbeitsleben - und auch unter gleichberechtigten Gesellschaftern - üblich ist, sollte nach dem übereinstimmenden Willen sowohl der Klägerin als auch ihres Ehemannes gerade unmaßgeblich sein. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, müssen sich die Beteiligten an die von ihnen gewählte Konstruktion halten lassen. Die Klägerin war bewusst die Angestellte ihres Ehemannes, obwohl sie gleichzeitig auch die Funktion einer Betreuerin hatte. Dass sie sich allem Anschein nach vorbildlich um ihren kranken und behinderten Ehemann gekümmert und diesem beigestanden hat, kann nicht im Rahmen eines Rechtsstreites gegen die Krankenkasse innerhalb der Prüfung des § 7 SGB IV honoriert werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache. Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt
Rechtskraft
Aus
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