S 128 AS 32434/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
128
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 128 AS 32434/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Fahrtkosten.

Der Kläger bezog Leistungen vom Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 und vom 8. Januar 2008 lud der Beklagte den Kläger zu zwei Meldeterminen nach § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Die Meldetermine fanden am 8. Januar 2008 und am 21. Januar 2008 statt und wurden vom Kläger auch wahrgenommen.

Am 24. Januar 2008 beantragte der Kläger beim Beklagten Fahrtkostenerstattung in Höhe von insgesamt 8,40 EUR (Preis für vier S-Bahn-Einzelfahrscheine á 2,10 EUR) und berief sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Dezember 2007 (B 14/7b AS 50/06 R). Der Beklagte bat den Kläger um Übersendung der Original-Fahrscheine bis zum 7. März 2008.

Mit Bescheid vom 12. März 2008 versagte der Beklagte die Fahrtkostenerstattung, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Der Kläger wendete sich hiergegen und teilte mit, nicht über Einzelfahrscheine zu verfügen. Er übersandte Kopien von Monatsfahrscheinen der Berliner S-Bahn, unter anderem für Januar 2008 (Preis 33,50 EUR). Zwischenzeitlich lud der Beklagte den Kläger zu einem Meldetermin am 10. April 2008 (Schreiben vom 19. März 2008). Nach Wahrnehmung des Termins beantragte der Kläger beim Beklagten mit Schreiben vom 11. April 2008 auch insoweit Fahrtkostenerstattung in Höhe von 4,20 EUR. Er übermittelte die Kopie eines Monatsfahrscheins für April 2008 (Preis 33,50 EUR). Die Monatsfahrscheine hatte der Kläger unabhängig von den Meldeterminen erworben.

Der Beklagte bat nunmehr um Übermittlung entsprechender Formanträge. Nachdem der Kläger diese eingereicht hatte, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2008 die "am 21.01.2008 gestellten Anträge auf Erstattung von Reisekosten" ab. Im Betreff wurde auch auf den Meldetermin am 10. April 2008 Bezug genommen. Da der Kläger Monatsfahrscheine der Berliner S-Bahn nutze, seien ihm keine weiteren Kosten entstanden. Zudem würden Kosten für öffentliche Verkehrsmittel prozentual durch den Regelsatz abgedeckt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22. September 2008 (W.) zurück.

Der Kläger wendete sich außerdem gegen ein Schreiben des Beklagten vom 30. Juli 2008. Der Widerspruch hiergegen wurde durch Widerspruchsbescheid vom 22. September 2008 (W .../08) zurückgewiesen.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 22. September 2008 hat der Kläger am 17. Oktober 2008 Klage erhoben. In Bezug auf die Reisekosten führt er aus, ihm stünden nur 0,47 EUR Fahrgeld am Tag zur Verfügung. Er könne nicht schlechter stehen als ein Hilfebedürftiger ohne Monatsfahrschein. Wenigstens müssten ihm die Aufwendungen für den Monatsfahrschein anteilig (33,50 EUR geteilt durch 30 Tage) ersetzt werden.

Mit Bescheid vom 26. November 2008 hat der Beklagte einen Antrag auf Erstattung von Bewerbungskosten vom 18. November 2008 abgelehnt. Mit Schreiben an den Beklagten vom 28. November 2008 legte der Kläger hiergegen Widerspruch und auch "gleich" Klage ein.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2010 hat der Kläger die Klage gegen das Schreiben des Beklagten vom 30. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 (W./08) zurückgenommen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat die Kammer das Verfahren gegen den Bescheid vom 26. November 2008 abgetrennt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 6. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 (W./08) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm die Fahrtkosten zu den Meldeterminen am 8. Januar 2008 und am 21. Januar 2008 sowie am 10. April 2008 in Höhe von 12,60 EUR zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage auch in Bezug auf die Reisekosten zum Meldetermin am 10. April 2008 zulässig. Hierüber hat, dies entnimmt die Kammer dem Betreff im Bescheid vom 6. August 2008, der Beklagte entschieden. Dass er hierüber nicht erkennbar im Widerspruchsbescheid vom 22. September 2008 (W./08) entschieden hat, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Insbesondere bedarf es keiner Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 114 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens insoweit. Denn dem Prozesserfordernis des Vorverfahrens ist auch dann genügt, wenn die Verwaltung nur unvollständig über den Widerspruch entschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 1979 - 7 RAr 75/78 - SozR 4100 § 100 Nr. 5). Denn § 78 SGG verlangt als Zulässigkeitsvoraussetzung nur, dass zur Erhebung der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ein Vorverfahren durchzuführen ist. Mit dem Abschluss dieses Verfahrens muss eine für den Kläger zumindest teilweise erfolglose Verwaltungsentscheidung ergangen sein, wobei Erfolglosigkeit dann gegeben ist, wenn die im Verwaltungsakt liegende Beschwer nicht restlos beseitigt ist. Es genügt das Vorliegen eines sich äußerlich als Widerspruchsbescheid darstellenden Bescheides. Es ist insbesondere kein weiteres Vorverfahren erforderlich, wenn die Verwaltung das ihr eingeräumte Prüfungsrecht im Vorverfahren teilweise ungenutzt gelassen hat.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 6. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 (W./08) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die begehrte Reisekostenerstattung in Bezug auf die Meldetermine vom 8. Januar 2008, vom 21. Januar 2008 und vom 10. April 2008 steht ihm nicht zu.

Maßgeblich ist dabei die bis zum 31. Dezember 2008 geltende Rechtslage. Nach § 59 SGB II sind die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht, hier § 309 SGB III, entsprechend anzuwenden. Nach § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat der Arbeitslose sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der BA persönlich zu melden, wenn die Agentur für Arbeit ihn dazu auffordert. Auf Antrag können nach § 309 Abs. 4 SGB III die notwendigen Reisekosten übernommen werden, die dem Arbeitslosen und der erforderlichen Begleitperson aus Anlass der Meldung entstehen, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können. Die Übernahme der notwendigen Reisekosten steht damit im Ermessen der Leistungsträger. Zur Bestimmung von Art und Höhe werden die §§ 45f. SGB III entsprechend angewandt. Als Reisekosten können nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB III (in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung) die berücksichtigungsfähigen Fahrkosten übernommen werden. Berücksichtigungsfähig sind die bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels anfallenden Kosten der niedrigsten Klasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels, wobei mögliche Fahrpreisermäßigungen zu berücksichtigen sind (§ 46 Abs. 2 Satz 2 SGB III).

Die Kammer lässt offen, inwieweit Kosten für Monatsfahrscheine generell nach § 46 SGB III übernahmefähig waren. Jedenfalls im Zusammenhang mit § 309 SGB III schließt der Wortlaut des § 309 Abs. 4 SGB III eine Kostenerstattung aus. Denn Reisekosten müssen aus "Anlass der Meldung" entstehen. Es muss also ein kausaler Zusammenhang zwischen der Entstehung der Reisekosten und der Wahrnehmung des Meldetermins bestehen. Ist, wie hier, eine Zeitfahrkarte unabhängig vom Meldetermin erworben worden, fehlt dieser Zusammenhang. Daher kommt auch eine anteilige Übernahme der Kosten für die Monatsfahrscheine nicht in Betracht.

Auf die Entscheidung des BSG vom 6. Dezember 2007 (B 14/7b AS 50/06 R - SozR 4-4200 § 59 Nr. 1) kann sich der Kläger nicht berufen, denn dort war unstreitig, dass dem Kläger aus Anlass des Meldetermins Fahrtkosten entstanden waren. Streitig war nur, ob der Beklagte in ermessensfehlerfreier Weise die Erstattung abgelehnt hat. Fehlt es aber schon an aus Anlass des Meldetermins entstandenen Fahrtkosten, ist kein Raum für eine Ermessensentscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die zulassungsbedürftige Berufung (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
Saved