L 6 U 19/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6/8 U 10/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 19/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren die Aufhebung eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides, mit dem die Beklagte Verwaltungsakte über die Gewäh-rung von Verletztengeld und anderen Leistungen aufgrund eines Unfallereignisses am 19. August 1995 aufgehoben und für Zeiträume bis 27. Oktober 1996 erbrachte Leistungen in Höhe von 122.631,96 DM zurückgefordert hat.

Der 1947 geborene Kläger verunfallte am 19. August 1995 auf der Fahrt mit einem sogenannten Trike von seinem Wohnsitz in Thüritz zu seinem Vorgesetzten Klaffer in B ... Hierbei zog er sich u. a. eine offene Sprunggelenkfraktur links zu, derentwegen er mehrfach stationär behandelt werden musste und für den gesamten streitigen Zeitraum Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt wurde.

Zum Unfallzeitpunkt sowie in der Folge war der Kläger als selbständiger Vermögensbe-rater für die Deutsche Vermögensberatung AG tätig. Als solcher war er bei der Beklag-ten unfallversichert. Eine freiwillige Versicherung ohne Krankengeldanspruch bestand bei der DAK. Die Nutzung des Trike am Unfallwochenende hatte er im Rahmen eines Vertriebswettbewerbs gewonnen.

Am 24. August 1995 ging bei der Beklagten eine erste Meldung des Herrn Klaffer über einen "Berufs-Unfall" des Klägers ein. Dieser meldete sich nach Krankenhausentlas-sung am 7. September 1995 bei der Beklagten und erkundigte sich nach der Zahlung von Verletztengeld. Ausweislich des hierüber gefertigten Telefonvermerks gab er an, der Unfall habe sich auf dem Weg zum Kunden ereignet (Blatt 5 R VA). Auf zwei Unfallfragebogen der Beklagten, die der Kläger am 13. bzw. 19. September 1995 unterzeichnete und gemeinsam mit Formularen zur Unfallanzeige bei der Beklagten einreichte, gab der Kläger jeweils an, der Unfall habe sich um 13.30 Uhr auf der Straße zwischen Thüritz und Badel ereignet. Zu diesem Zeitpunkt sei er von einem Kunden-gespräch gekommen, das um 12.10 Uhr beendet gewesen sei. Er habe sich auf der Fahrt nach Badel zu seinem Vorgesetzten Klaffer befunden. Auf Anfrage der Beklagten gab Herr Klaffer unter dem 17. Oktober 1995 an, der Besuch des Klägers sei am 19. August 1995 telefonisch für 13.30 Uhr vereinbart worden. Auf die Frage "Welchem Zweck sollte der Besuch dienen, d. h. worüber sollte verhandelt bzw. was sollte geliefert oder abgeholt werden?" gab Herr Klaffer an: "1. Arbeitsbesprechung, 2. Wochenarbeitsaufgaben" (Blatt 40 VA). Ausweislich eines Dienstreiseberichts vom 15. November 1995 (Blatt 48 ff. VA) gab der Kläger am 8. November 1995 gegenüber einer Außendienstmitarbeiterin der Beklagten an, der Unfall habe sich auf dem Weg "von zu Hause" zu Herrn Klaffer ereignet. Mit diesem habe es einige Dinge bezüglich Mitarbeiterschulungen, Auftragserfüllung und Ähnliches zu besprechen gegeben. Dies sei der letzte Termin an diesem Wochenende gewesen.

Erstmalig mit Bescheid vom 23. November 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztengeld in Höhe von 320,00 DM kalendertäglich ab dem 19. August 1995, zunächst befristet bis zum 8. November 1995. Die Gewährung von Verletztengeld wurde in der Folge mehrfach verlängert. Ferner übernahm die Beklagte Fahrtkosten zu Behandlungen und Untersuchungen sowie Eigenanteile an den Behandlungskosten.

Im Zusammenhang mit der Bewilligung des Verletztengeldes erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten mehrfach, während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit keine Erwerbstätigkeit auszuüben, insbesondere keine Verträge abzuschließen oder zu bearbeiten. Eine zur Überprüfung dieses Umstandes durch die Beklagte veranlasste Beobachtung des Klägers durch den Privatdetektiv Helmis in der Zeit vom 19. Juni bis 2. Juli 1996 ergab, dass der Kläger mindestens seit dem 13. Mai 1996 wieder berufli-che Tätigkeiten ausübte. Daraufhin lehnte die Beklagte die weitere Gewährung von Verletztengeld ab und forderte dieses für den Zeitraum vom 13. Mai 1996 bis ein-schließlich des letzten Tags der laufenden Zahlung, dem 14. Juni 1996, zurück. Mit Einverständnis des Klägers verrechnete sie den Rückforderungsbetrag mit dem aufgrund einer erneuten stationären Behandlung für die Zeit vom 1. Juli bis zum 27. Oktober 1996 gewährten Verletztengeld. Danach hat die Beklagte keine weiteren Leistungen an den Kläger mehr erbracht.

Im Rahmen der Ermittlungen des Privatdetektivs Helmis kam es auch zu einem Gespräch mit Herrn Klaffer. Dabei berichtete dieser in Unkenntnis der wahren Identität des Privatdetektivs, dass ihn der Kläger am Unfalltag nicht aus dienstlichem Anlass habe aufsuchen wollen. Diese Äußerung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Auf Beschluss des Rentenausschusses der Beklagten vom 10. Dezember 1996 wurden am 8. August 1997 Herr Klaffer und Herr Moll, der beim Unfall Beifahrer des Klägers war, sowie am 5. September 1997 Herr Helmis eidlich durch den zuständigen Richter des Sozialgerichts vernommen. Dabei gab Herr Klaffer an, bereits am 18. August 1995 mit dem Kläger vereinbart zu haben, dass dieser ihn um 13.30 Uhr des nächsten Tages zu einer Arbeitsbesprechung habe aufsuchen sollen. Dabei hätten Arbeitsaufgaben des Klägers in der nächsten Woche und für dessen Beförderung erforderliche Aufgaben besprochen werden sollen. Herr Moll konnte keine Angaben zum Zweck der Fahrt oder zur Mitnahme von Arbeitsmaterial durch den Kläger auf der Fahrt machen. Herr Helmis gab an, Herr Klaffer habe ihm aus Anlass einer gemeinsa-men längeren Autofahrt erzählt, Zweck des im Vorfeld zeitlich nicht genau festgelegten Besuchs des Klägers bei Herrn Klaffer sei die Vorführung des Trike und ein Gespräch des Klägers mit einem bei Herrn Klaffer anwesenden Verwandten gewesen. Auch auf ausdrückliche Nachfrage habe Herr Klaffer einen dienstlichen Anlass des geplanten Besuchs des Klägers verneint. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der jeweiligen Aussagen wird auf Blatt 362 bis 364 und 390 bis 392 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 27. Januar 1998 änderte der Kläger seine Sachverhaltsdarstellung: Am Vormittag des 19. August 1995 sei er mit dem Trike beruflich unterwegs gewesen. Für den Nachmittag sei eine Geburtstagsfeier seiner Söhne geplant gewesen, bei der er ein Schwein am Spieß habe grillen wollen, wofür etwa fünf Stunden zu veranschlagen seien. Den auf den Grillbeginn wartenden Familienmitgliedern sowie anwesenden Bekannten/Nachbarn habe er erklärt, zunächst noch dienstlich Unterlagen zu Herrn Klaffer bringen zu müssen. Hierbei habe es sich um ein Vertragsangebot seines Mitarbeiters Petrosat gehandelt, dass dieser um 16.00 Uhr "bereits bestehenden" Kunden übergeben sollte. Hierbei habe es sich um ein Vertragsangebot für ein Versicherungspaket gehandelt. Zuvor hätte Herr Petrosat durch Herrn Klaffer noch eingewiesen werden sollen, da Herr Petrosat ein solches Versicherungspaket bislang noch nicht verkauft habe. Diese Unterlagen sowie seinen Terminplaner habe er in den Gepäckbehälter des Trikes gelegt. Dort seien sie nach dem Unfall verblieben. Herr Klaffer habe sie später vom Vermieter des Trikes abgeholt. Die Fahrt habe er gegen 13.30 Uhr angetreten und gegenüber den Gästen angekün-digt, gegen 14.00 Uhr wieder zurück zu sein (Blatt 428 ff. VA).

Mit Bescheid vom 17. März 1998 hat die Beklagte die Verwaltungsakte über die Gewährung von Verletztengeld für die Zeit vom 19. August 1995 bis 12. Mai 1996 und vom 1. Juli 1996 bis 27. Oktober 1996, vom 23. November 1995, 13. Dezember 1995, 8. Januar 1996, 26. Januar 1996, 21. März 1996, 3. Mai 1996, 27. Juni 1996 und 28. Oktober 1996, soweit dieser die Gewährung von Verletztengeld in der Zeit vom 1. Juli 1996 bis zum 27. Oktober 1996 betrifft, sowie die Verwaltungsakte über die Gewährung von Fahrtkosten und Erstattung von Eigenanteilen vom 29. November 1995, 25. Januar 1996, 21. März 1996, 3. Mai 1996, 27. Juni 1996 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen und die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Lei¬stungen in Höhe von 122.631,96 DM verlangt. Dies begründete sie im Wesentlichen mit einer Würdigung der Gesamtumstände, wonach sie die von Herrn Klaffer gegen-über Herrn Helmis gemachten Angaben zu den Umständen des Unfalls für wahr halte. Demnach sei lediglich ein privates Treffen verabredet worden, das in keinem Zusam-menhang mit der beruflichen Tätigkeit stand. Das Ereignis vom 19. August 1995 stelle somit keinen Arbeitsunfall dar. Der Kläger habe die Umstände des Ereignisses falsch dargestellt und durch diese arglistige Täuschung die Anerkennung als Arbeitsunfall erwirkt. Aus diesem Grunde könne er sich gegenüber der Rücknahmeentscheidung auch nicht auf Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsakts berufen und das Ermessen bei der Rücknahmeentscheidung sei auf Null reduziert. Aufgrund seiner Einkommensverhältnisse sei auch nicht ausnahmsweise von der Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen abzusehen. Den unter Bezugnahme auf den bisherigen Sachvortrag eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 1998 zurück.

Mit seiner vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen weiter vertieft: Das Schwein habe um 20.00 Uhr fertig sein sollen, sodass er um 14.00 Uhr habe mit dem Grillen beginnen müssen. Vor Antritt der Fahrt um 13.30 Uhr habe er seinen Söhnen sowie dem ebenfalls anwesenden Herrn Kühn erklärt, einen "Prospekt", dies sei ein "Programm" der Vermögensberatungsgesellschaft, zu Herrn Klaffer bringen zu müssen. Dieser sei für ein Gespräch des Herrn Petrosat für vom Kläger "geworbene neue Kunden", die Eheleute Feierabend, am Nachmittag bestimmt gewesen. Die Unterlagen habe Herr Petrosat bei Herrn Klaffer holen und sich von diesem noch nähere Instruktionen geben lassen sollen. Dies sei zwischen den Beteilig-ten besprochen gewesen. Herr Petrosat sei gegen 14.30 Uhr beim Anwesen des Klägers vorbeigekommen, um zu Herrn Klaffer weiter zu fahren. Das Kundengespräch habe nach dem Unfall des Klägers abgesagt werden müssen, da die Prospektmappe mit der Aufschrift "Persönliches Computergutachten für Eheleute Feierabend" nicht zur Verfügung gestanden habe und erst später von Herrn Klaffer beim Vermieter abgeholt worden sei. Gleichzeitig hat sich der Kläger gegen die Würdigung der durch Herrn Klaffer gegenüber Herrn Helmis gemachten Aussagen gewandt: Herr Klaffer habe Herrn Helmis als Mitarbeiter anwerben und deshalb über die wahre Arbeitsbelastung an Wochenenden täuschen wollen, weshalb er Herrn Helmis gegenüber einen aus-schließlich privaten Charakter des am Unfalltage geplanten Besuchs angegeben habe.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der Vermieterin des Trikes, Frau Antz, des Herrn Helmis sowie der Eheleute Feierabend und durch Beizie-hen der Akten der Staatsanwaltschaft Stendal über ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des Betruges gegen den Kläger (Az.: 170 Js 2694/99). Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 32, 36 f., 48 und 53 ff. der beigezogenen Akte L 6 U 84/99 Bezug genommen. Durch die Eheleute Feierabend ist bestätigt worden, dass ein für den 19. August 1995 um ca. 17.00 Uhr geplantes Treffen mit Herrn Petrosat hat abgesagt werden müssen, weil noch einige Unterlagen fehlten. Diese hätten sich bei dem Kläger befunden, der zu diesem Zeitpunkt einen Unfall gehabt habe. Darüber hinaus hat der Sohn der Trike-Vermieterin, Herr Antz, bei einer polizeilichen Verneh-mung bestätigt, dass sich in dem Trike u. a. eine Tasche mit Versicherungsunterlagen befunden habe, die er nicht näher beschreiben könne. Sie seien später von einem Herrn abgeholt worden, der auch die Vertragsstrafe bezahlt habe. Angaben zum Zweck der Fahrt hat keine der vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft befragten Personen machen können. Herr Helmis hat auf entsprechende Nachfrage des Gerichts angegeben, Herr Klaffer habe ihm gesagt, er habe sich als Mitarbeiter auch auf Wochenendarbeit einzurichten, wobei er sich insbesondere auf Schulungsseminare bezogen habe. Bei Kundenkontakten sei es ihm freigestellt, wann er diese herstelle und pflege, ohne dass zwischen Wochentagen und Wochenenden ausdrücklich unterschieden worden sei. Herr Klaffer habe auch Beispiele aus der eigenen Praxis über spät abendliche Kundeninformationsgespräche und Vertragsabschlüsse genannt.

Mit Urteil vom 8. September 1999 hat das Sozialgericht Stendal den Bescheid der Beklagten vom 17. März 1998 aufgehoben, da die Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht erfüllt seien. Trotz erheblicher Bedenken habe die Kammer nicht die volle richterliche Überzeugung gewonnen, dass der Unfall des Klägers nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit geschehen sei. Der Umstand, dass der Kläger Versicherungsunterlagen in der Ablageschale des Trike bei sich geführt habe, obwohl für das Wochenende keine weiteren Termine bei Kunden vereinbart gewesen seien, könne ein Anhaltspunkt für seinen Willen, diese Unterlagen noch am Wochenende einem Kollegen zu übergeben, sein. Deshalb könne die Kammer nicht die notwendige Überzeugung erlangen, dass keine beruflich bedingte Fahrt vorgelegen habe, was zu Lasten der Beklagten ginge.

Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt die Eheleute Feierabend, Herrn Kühne und Herrn Petrosat uneidlich vernommen. Wegen der Einzelheiten des Inhalts der Aussagen wird auf Blatt 142 bis 144 der Akte L 6 U 84/99 Bezug genommen. Herr Kühn gab im Wesentlichen an, der Kläger sei am Unfalltag zwischen 13.00 Uhr und 13.30 Uhr zu Hause eingetroffen und er habe ihm gegenüber geäußert, dass er zu Herrn Klaffer weiter wolle, "um irgendwelche Akten abzugeben". Die Eheleute Feierabend gaben wiederum an, sich an die Absage eines im August 1995 geplanten Beratungsgesprächs durch Herrn Petrosat erinnern zu können. Dieser hat angegeben, er habe am Unfalltag die Familie Feierabend mit einer vom Kläger in Uelzen erstellten Computerauswertung zu einer Beratung über einen Rentenversicherungsvertrag aufsuchen wollen. In Thüritz habe ihm die Frau des Klägers gesagt, dass ihr Mann einen Unfall gehabt habe. Er sei dann zu Herrn Klaffer nach Badel weitergefahren um zu fragen, ob dieser die Papiere habe. Da dies nicht der Fall war, habe er den Termin abgesagt.

Mit Urteil vom 27. März 2002 hat das Landessozialgericht das Urteil des Sozialgerichts Stendal aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausge-führt, die mit dem angefochtenen Bescheid zurückgenommenen Leistungsbescheide der Beklagten seien nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats vom Zeitpunkt ihres Erlasses an rechtswidrig gewesen. Der Senat habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Kläger zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt habe. Der ursprünglich behauptete Zweck der Fahrt, eine Arbeitsbesprechung mit Herrn Klaffer, widerspreche angesichts der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit der allgemeinen Lebenserfahrung und werde auch nicht mehr geltend gemacht. Der Senat könne sich jedoch auch nicht davon überzeugen, dass der überwiegende Zweck der Fahrt darin bestanden habe, Herrn Klaffer Versiche-rungsunterlagen zu überbringen, die Herr Petrosat für eine Kundenberatung am selben Tage benötigt habe. Aus der fehlenden Erweislichkeit eines Arbeitsunfalls ergebe sich die Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Verwaltungsakte im Zeitpunkt ihres Erlasses. Auch die weiteren Voraussetzungen für die angefochtene Aufhebung und Rückforde-rung hätten vorgelegen.

Die vom Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundessozialgericht eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben.

Mit einem am 5. September 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben hat der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 17. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1998 nach § 44 SGB X beantragt und hierzu vorgetragen, das Landessozialgericht habe aufgrund einer fehlerhaften Beweis-lastverteilung entschieden. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2002 hat die Beklagte den Antrag abgelehnt, da dem Vortrag des Klägers keine neuen Gesichtspunkte zu entnehmen seien, welche für die Unrichtigkeit ihrer Entscheidung bzw. der Entschei-dung des Landessozialgerichts sprächen. Aus diesem Grunde berufe sich die Beklagte ohne weitere Sachprüfung auf die Bindungswirkung der genannten Verwaltungsakte. Mit dem noch im selben Monat eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, nach § 44 SGB X sei zwingend eine erneute Sachprüfung vorzunehmen. Den Wider-spruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 zurück. In der Begründung führte sie u.a. aus, eine "Neufeststellung nach § 44 SGB X" (Un-terstreichung im Original) werde abgelehnt und berief sich im übrigen wiederum ohne erneute Sachprüfung auf die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides.

Hiergegen hat der Kläger mit einem am 17. Februar 2003 beim Sozialgericht Stendal eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, das Urteil des Landessozialgerichts vom 27. März 2002 beruhe auf einer von der Recht-sprechung des Bundessozialgerichts abweichenden Beweislastverteilung zu Lasten des Klägers. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei lediglich aus formellen Gründen erfolglos geblieben. Die Beklagte sei verpflichtet, auf den Neufeststellungsantrag eine Sachprüfung vorzunehmen. Hierbei müsse sie zu dem Ergebnis gelangen, dass der zur Überprüfung gestellte Bescheid rechtswidrig war. So gebe es eine Vielzahl von Indizien, die für eine berufliche Veranlassung der Unfallfahrt sprächen. Demgegenüber gebe es die Aussage eines Detektivs, der seine Feststellungen nur "vom Hörensagen" gewonnen habe. Auch sei die Beweisaufnahme vor dem Landessozialgericht im Sinne des Klägers ergiebig gewesen. Vor diesem Hintergrund sei es völlig ausgeschlossen, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Privatfahrt gehandelt habe. Bei zutreffender Beweislastverteilung sei damit der Klage statt-zugeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2004 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf den angefochtenen Bescheid und Wider-spruchsbescheid sowie die Entscheidungsgründe des Urteils des Landessozialgerichts vom 27. März 2002 verwiesen.

Gegen den ihm am 21. Januar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem am 2. Februar 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, die Beklagte habe im Neufeststellungsverfahren trotz des fehlenden Vortrags neuer entscheidungserhebli-cher Tatsachen zu überprüfen, ob das Recht seinerzeit unrichtig angewandt worden sei. Dies sei der Fall, da der Aufhebungsentscheidung ein Sachverhalt zugrunde gelegen habe, wonach die Leistungsvoraussetzungen nicht mit hinreichender Wahr-scheinlichkeit erwiesen gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 21. Dezember 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2002 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 30. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu ver-pflichten, ihren Bescheid vom 17. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 17. September 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, sie habe sich wegen des fehlenden Vortrags neuer entscheidungserheblicher Tatsachen auf die Bestandskraft des zur Überprüfung gestellten Bescheides berufen dürfen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Ver-handlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 18. Juli 2006; Schriftsatz der Beklagten vom 8. September 2006).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der Ergebnisse der Ermittlungen der Beklagten sowie des Sozialgerichts Stendal und des Landessozialgerichts Halle im vorangegangenen Verfahren wird auf die Prozessakte, die beigezogene Akte des Verfahrens S 10 U 52/98 bzw. L 6 U 84/99 und die Verwal-tungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 30. Januar 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Denn die Beklagte ist nicht nach § 44 SGB X verpflichtet, ihren Bescheid vom 17. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1998 aufzuheben.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangen-heit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwal-tungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht worden sind. Der fehlerhaften Nichterbringung von Sozialleistungen steht deren fehlerhafte Rückforderung gleich (Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 44 RdNr. 4 m.w.N.).

Der Senat lässt die Frage offen, ob der Kläger das Ziel der Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 17. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1998 durch die Beklagte im Wege der Verpflichtungsklage oder durch das Gericht im Wege der (zweiten) Anfechtungsklage verfolgen muss. Letzteres wird durch die neuere Rechtsprechung des 2. Senats des BSG nahegelegt (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RBSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Hierauf kommt es vorliegend nicht an. Dabei sieht sich der Senat nicht an einer Entscheidung auch über den Verpflichtungsantrag bzw. einen zweiten Anfechtungsan-trag gehindert. Er teilt allerdings nicht die insbesondere vom 4. Senat des Bundessozi-algerichts in einigen Entscheidungen vertretene Auffassung, § 44 SGB X ordne ein mehrstufiges Prüfungsverfahren an, wonach der eigentlichen Sachprüfung eine gesonderte Entscheidung über den Eintritt in dieselbe vorauszugehen habe (z.B. BSG, Urteil vom 3. April 2001 – B 4 RA 22/00 RBSGE 88, 75 = SozR 3-2200 § 1265 Nr. 20). Denn ausweislich der Begründung zu § 42 des Entwurfs eines Sozialgesetz-buches – Verwaltungsverfahren (BT-Drucks. 8/2034 S. 34) hat sich der historische Gesetzgeber bezüglich der Abs. 2 und 3 an § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) angelehnt, während er in Abs. 1 Satz 1 einen in verschiedenen sozialrechtli-chen Spezialregelungen niedergelegten Grundsatz für das gesamte Sozialrecht verallgemeinern wollte. Diese ausdrückliche Referenz gegenüber dem VwVfG einer-seits und älteren sozialrechtlichen Regelungen andererseits verdeutlicht nach Auffas-sung des Senats die Absicht des historischen Gesetzgebers, mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X über die Regelung des § 51 VwVfG zum Wiederaufgreifen des Verfahrens hinausgehen zu wollen. Für eine lückenfüllende analoge Anwendung des § 51 VwVfG – wie vom 4. Senat des Bundessozialgerichts (a.a.O.) postuliert – verbleibt danach kein Raum. Vielmehr schließt sich der Senat der Rechtsprechung des 2. Senats und des 9. Senats des Bundessozialgericht an, wonach das SGB X anders als das allge-meine Verwaltungsverfahrensrecht bei Ansprüchen auf Sozialleistungen dem Grund-satz folgt, dass der materiellen Gerechtigkeit auch für die Vergangenheit Vorrang vor der Rechtsbeständigkeit behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen und damit vor der Rechtssicherheit gebührt. Es kennt daher keine dem § 51 VwVfG vergleichbare Regelung, die es der Behörde erlaubt, ein Wiederaufgreifen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens unter Berufung auf die Bindungswirkung früherer Bescheide abzulehnen, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat und der An-tragsteller keine neuen Beweismittel vorlegen kann. Nach § 44 Abs. 1 SGB X ist der Leistungsträger vielmehr verpflichtet, auch bei wiederholten Anträgen über die Rück-nahme der entgegenstehenden Verwaltungsakte und die Gewährung der beanspruch-ten Sozialleistung zu entscheiden (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RBSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18; Urteil vom 11. November 2003 – B 2 U 32/02 R; Urteil vom 28. Januar 1981 – 9 RV 29/80BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15; Urteil vom 3. Februar 1988 – 9/9a RV 18/86BSGE 63, 33, 35 = SozR 1300 § 44 Nr. 33). Letztendlich kann dies aber offen bleiben. Zwar hat es die Beklagte ausgehend von einer anderen Rechtsauffassung im Bescheid vom 17. Oktober 2002 abgelehnt, sich mit der Sache inhaltlich erneut zu befassen. Sie hat jedoch mit der Widerspruchsentscheidung nicht mehr die Überprüfung der im Bescheid vom 17. März 1998 verkörperten Verwaltungsakte als solche abgelehnt, sondern weitergehend ausdrücklich eine Neufeststellung. Damit hat sie gerade die – nach der zitierten Rechtsprechung des 4. Senats des Bundessozialgerichts – nachgelagerte Sachentscheidung getroffen, die mit der Ablehnung einer Sachprüfung wegen fehlen-der Wiederaufgreifensgründe entfallen soll. Eine Begründung dieser Entscheidung hat die Beklagte spätestens mit der Feststellung einer nicht erkennbaren Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte vom 17. März 1998 in der Berufung im Sinne des § 41 Abs. 3 SGB X nachgeholt.

Gegenstand der somit gebotenen Sachprüfung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind allerdings nicht mögliche Fehler vorangegangener rechtskräftiger Gerichtsurteile, sondern allein die Frage, ob die Verwaltung das neue Sachbegehren ungeachtet rechtsverbindlicher Regelungen ablehnen durfte (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 1981 – 9 RV 29/80BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 15). Auf die vom Kläger im Zugunstenverfahren ausschließlich aufgeworfene Frage einer möglicherweise fehler-haften Beweislastverteilung im Urteil des Landessozialgerichts vom 27. März 2002 kommt es daher nicht an. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Beklagte bei ihrer Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung eine überzeugende Würdigung der bekannten Tatsachen vorgenommen hat. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob der von der Beklagten zugrunde gelegte Sachverhalt objektiv unrichtig war oder ob die Beklagte ausgehend von dem von ihr – möglicherweise ohne ausreichende Sachprü-fung – angenommenen, objektiv richtigen Sachverhalt das Recht unrichtig angewandt hat. Allerdings ist dem Kläger zuzugestehen, dass bei der Rücknahme eines rechtswid-rigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X die objektive Beweislast für die die Rechtswidrigkeit begründenden Tatsachen die den Aufhebungsbescheid erlassene Behörde trifft. Für das vorliegende Verfahren über einen Zugunstenbescheid ist jedoch zu beachten, dass sich die Beweislastverteilung immer nach dem Rege-lungsgefüge der für den Rechtsstreit maßgebenden Norm bestimmt (BSG, Urteil vom 26. November 1992 – 7 Rar 38/92 – BSGE 71, 256, 260 = SozR 3-4100 § 119 Nr. 7; Urteil vom 25. Juni 2002 – B 11 AL 3/02 R). Da für den vorliegenden Rechtsstreit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X die maßgebende Norm ist und sich der Kläger (zumindest sinngemäß) auf das Tatbestandsmerkmal des sich als unrichtig erweisenden Sachver-halts beruft, geht es zu seinen Lasten, wenn die Unrichtigkeit des von der Beklagten ihrer Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts nicht bewiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2002 – B 11 AL 3/02 R). Demnach trifft den Kläger vorliegend die objektive Beweislast dafür, dass es sich entgegen dem von der Beklagten zur Grundlage ihrer im Bescheid vom 17. März 1998 verkörperten Verwaltungsakte gemachten Sachverhalt bei dem Unfall am 19. August 1995 tatsächlich um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII gehandelt hat, was eine dienstliche Veranlassung der Fahrt des Klägers nach Badel voraussetzte. Dass der Vollbeweis einer dienstlich veranlassten Fahrt und damit eines Arbeitsunfalls aufgrund der vorliegenden Beweismittel zu führen sei, hat auch der Kläger im Überprü-fungsverfahren nicht mehr geltend gemacht. Deshalb könnte die Berufung bereits auf Grundlage des vom Kläger in diesem Verfahren eingenommenen Standpunkts keinen Erfolg haben.

Entscheidend ist jedoch, dass auch die – trotz des beschränkten Vortrags des Klägers nicht entbehrliche – rechtliche und tatsächliche Prüfung der Aufhebungs- und Rückfor-derungsentscheidung der Beklagten vom 17. März 1998 am Maßstab des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zur Zurückweisung der Berufung führt. Rechtsgrundlage der im Zu-gunstenverfahren durch den Kläger zur Überprüfung gestellten Verwaltungsakte der Beklagten war § 45 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter anderem dann ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte de Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung erwirkt hat oder wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentli-cher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Auf Grundlage des von der Beklagten ihrer Rücknahmeentscheidung zugrunde gelegten, nachträglich von ihr ermittelten Sachverhalts, waren die aufgehobenen Verwaltungsakte von Anfang an rechtswidrig, da gemeinsame Voraussetzung aller Verwaltungsakte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, hier in Gestalt des Unfalls vom 19. August 1995, war. Dies war nach den nachträglichen Feststellungen der Beklagten jedoch nicht der Fall, weil es danach entgegen den ursprünglichen Angaben des Klägers keinen dienstlichen Anlass für die Unfallfahrt gab. Dieser Sachverhalt erweist sich bei Würdigung der während des Verwaltungs- und vorausgegangenen gerichtlichen Verfahrens vom Kläger gemachten Angaben und der hierzu eingeholten Auskünfte und Zeugenaussagen durch den Senat nicht als unrichtig. Weitere möglicherweise ergiebige Beweismittel sind für den Senat nicht erkennbar und durch den Kläger auch nicht mehr benannt. Danach ist der Senat davon überzeugt, dass die Unfallfahrt am 19. August 1995 nicht dienstlich veranlasst war und vorwiegend privaten Zwecken des Klägers diente, weshalb kein Arbeitsunfall vorlag.

Die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall beurteilt sich vorliegend noch nach § 548 Reichsversicherungsordnung (RVO), da er den Unfall vor in Kraft treten des SGB VII am 1. Januar 1997 erlitten hat (vgl. § 212 SGB VII). Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach zunächst erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang) Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen zum Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeb-lich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (zu diesen Voraussetzungen vgl. insgesamt BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 2 U 2/07 R – SozR 4-2700 § 6 Nr. 1 m.w.N.).

Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt aufgrund freiwilliger Versicherung als Unternehmer gemäß § 543 Abs. 1 RVO i.V.m. der Satzung der Beklagten bei dieser grundsätzlich gegen Arbeitsunfall versichert. Bei der Prüfung des inneren Zusammenhangs zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit ist im Falle eines Unternehmers auch danach zu fragen, ob sich die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unter-nehmerischen Tätigkeit liegt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verrichtung "unternehmensdienlich" ist, da gerade bei versicherten Unternehmern der Kreis der Verrichtungen, die als "unternehmensdienlich" angesehen werden können, mit weiten Teilen des Privatlebens verwoben ist. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist hier die durch die objektiven Umstände gestützte Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine seinem Unternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (std. Rspr., vgl. BSG, a.a.O.). Dies war bei Antritt der Fahrt am 19. August 1995 zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.

Ausgehend von der erstmals auf die Anhörung durch die Beklagte hin aufgestellten Behauptung des Klägers, die Fahrt von seinem Wohnsitz in Thüritz zu seinem Vorge-setzen Klaffer in Badel habe der Übergabe von Unterlagen für das am selben Nachmit-tag geplante Verkaufsgespräch zwischen Herrn Petrosat und der Familie Feierabend gedient, wäre eine vom Unternehmenszweck getragenen Handlungstendenz anzu-nehmen. Der Senat hält diese Behauptung jedoch für falsch. Zwar kann sich der Kläger hierfür auf den vom Senat als bewiesen angesehenen Umstand stützen, dass er während dieser Fahrt tatsächlich für dieses Gespräch bestimmte Versicherungsunter-lagen im Trike mit sich führte, wofür insbesondere die Angaben der Eheleute Feier-abend zum geplanten und kurzfristig ausgefallenen Beratungsgespräch sowie die diesbezüglichen Bekundungen des Herrn Petrosat sprechen. Zusätzlich wird die Behauptung des Klägers durch die Angaben des Zeugen Kühn vor dem Landessozial-gericht gestützt, der Kläger habe ihm gegenüber geäußert, er wolle zu Herrn Klaffer, "um irgendwelche Akten abzugeben".

Dem steht aber die Tatsache gegenüber, dass der Kläger diese Version des Gesche-hens erstmalig zweieinhalb Jahre nach dem Unfallgeschehen schildert, nachdem zuvor seine vorhergehenden Angaben wie auch die Angaben seines Vorgesetzen Klaffer durch die von diesem gegenüber dem Privatdetektiv Helmis vorgenommen Äußerun-gen und dessen eidliche Vernehmung vor dem Sozialgericht in Frage gestellt worden waren. Wenn die vom Kläger während des vorhergehenden Verwaltungs- und Ge-richtsverfahrens beständig weiter ausgebaute gewandelte Sachverhaltsschilderung der Wahrheit entspräche, wäre kein Grund erkennbar, weshalb der Kläger zunächst behauptet hat, der Unfall habe sich auf dem Weg zu einem Kunden ereignet, dann schriftlich angegeben hat, er sei auf dem Weg von einem Kunden zu Herrn Klaffer gewesen, um schließlich im Gespräch mit einer Außendienstmitarbeiterin der Beklag-ten zu erklären, er sei auf dem Weg von zu Hause zu einer Besprechung mit Herrn Klaffer über Mitarbeiterschulungen, Auftragserfüllung und Ähnliches gewesen, ohne die später als ausschließlichen Zweck genannte Übergabe der Unterlagen überhaupt zu erwähnen. Ebenso wenig ist zu erklären, warum Herr Klaffer als Zweck des geplanten Besuchs zunächst eine am selben Tage telefonisch vereinbarte, nach seinen Angaben im Rahmen der eidlichen Vernehmung vor dem Sozialgericht aber bereits am Vortag anberaumte Besprechung über Arbeitsaufgaben des Klägers angibt. Wäre die Darstel-lung des Klägers zutreffend, dass zwischen ihm, Herrn Klaffer und Herrn Petrosat die Übergabe der vom Kläger für das Beratungsgespräch mit den Eheleuten Feierabend gefertigten Unterlagen von Herrn Klaffer an Herrn Petrosat abgesprochen war und er diese am Unfalltag bei Herrn Klaffer habe abliefern sollen, ist auch die schriftliche Auskunft des Herrn Klaffer vom 17. Oktober 1995 gegenüber der Beklagten völlig unverständlich. Auf die Frage "Welchem Zweck sollte der Besuch dienen, d. h. worüber sollte verhandelt bzw. was sollte geliefert oder abgeholt werden?" gab Herr Klaffer an: "1. Arbeitsbesprechung, 2. Wochenarbeitsaufgaben". Die nach den späteren Behaup-tungen des Klägers mit dem Besuch allein bezweckte Lieferung von Unterlagen wird hier nicht erwähnt, obwohl ein solcher Zweck – wäre er tatsächlich vereinbart gewesen – Herrn Klaffer aufgrund seiner eigenen Bemühungen um die Wiederbeschaffung dieser Unterlagen beim Vermieter des Trike gerade einmal zwei Monate nach dem Unfall noch deutlich in Erinnerung hätte gewesen sein müssen. Zudem spricht die vom Zeugen Petrosat vor dem Landessozialgericht bestätigte Angabe des Klägers, Herr Petrosat sei zunächst zu seinem Haus in Thüritz gekommen, eher dafür, dass dieser sich die Unterlagen dort abholen sollte, bevor er möglicherweise eine zusätzliche Einweisung durch Herrn Klaffer erhalten sollte. Für eine solche Planung spricht auch die weitere Angabe des Herrn Petrosat vor dem Landessozialgericht, auf die Mitteilung vom Unfall des Klägers sei er nach Badel weitergefahren, um Herrn Klaffer zu fragen, ob dieser die Papiere habe. Hierin spiegelt sich nach Auffassung des Senats die ursprüngliche Erwartung des Herrn Petrosat, die Papiere bereits in Thüritz zu erhalten.

Durch die Änderung des Sachvortrags im Anhörungsverfahren hat auch der Kläger eingeräumt, zuvor falsche Angaben gemacht zu haben. Wenn aber entsprechend der nachfolgenden Darstellung des Klägers Herr Klaffer um den angeblichen wahren Zweck des Besuchs, nämlich die Übergabe der Unterlagen für Herrn Petrosat, gewusst hat, lässt sich in keiner Weise erklären, wieso dieser in der eidlichen Vernehmung am 8. August 1997 vor dem Sozialgericht Stendal in Anwesenheit des Klägers, der ihn im Rahmen seines Fragerechts leicht hätte korrigieren können, an seiner Version einer vorab geplanten Arbeitsbesprechung festhält und sich so der Gefahr der Strafverfol-gung wegen des Verbrechens der eidlichen Falschaussage aussetzt. Denn dieser Gefahr hätte sich Herr Klaffer ohne Nachteil für den Kläger entziehen können, indem er den angeblich wahren Zweck des Besuchs genannt hätte.

Allein schon diese Umstände reichen aus, um jedenfalls die richterliche Überzeugung vom geschäftlichen Zweck der Unfallfahrt hindernde Zweifel an der geänderten Sachverhaltsdarstellung des Klägers zu begründen. Darüber hinaus ist der Senat jedoch von der Unwahrheit der Darstellung des Klägers überzeugt. Diese Überzeugung stützt der Senat auf die auch vom Kläger nicht mehr bestrittene Äußerung des Herrn Klaffer gegenüber dem Privatdetektiv Helmis, wonach der am Unfalltag geplante Besuch rein privaten Charakter gehabt habe. Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Aussage werden auch nicht durch die Umstände begründet, unter denen sie getätigt wurde. Zwar geht auch der Senat davon aus, dass Herr Klaffer im Irrtum über die wahre Identität des Privatdetektivs Helmis versucht hat, diesen als Mitarbeiter zu gewinnen und deshalb die Arbeitsbedingungen insgesamt positiv darzustellen. Jedoch ist entgegen der Auffassung des Klägers kein Grund erkennbar, wieso Herr Klaffer Herrn Helmis über den vorgeblich privaten Anlass des Besuchs des Klägers hätte täuschen sollen. Insbesondere die vom Kläger gegebene Begründung, Herr Klaffer habe ideale Arbeitsbedingungen ohne Wochenendarbeit vorspiegeln wollen, ist angesichts der konkreten Situation zum Zeitpunkt dieser Äußerung wenig stichhaltig. Denn Herr Helmis und Herr Klaffer befanden sich zu diesem Zeitpunkt, Sonntag dem 30. Juni 1996, auf der Rückfahrt von einem Wochenendseminar zur Schulung von Mitarbeitern der Deutsche Vermögensberatung AG. Insofern hatte der vorgebliche Interessent Helmis bereits selbst erfahren, dass Wochenendarbeit Teil der Tätigkeit als Vermögensberater ist. Zudem hat Herr Helmis auf spätere schriftliche Nachfrage des Sozialgerichts angeben, Herr Klaffer habe sich bereits zuvor, auch anhand von Beispielen aus der eigenen Praxis, freimütig dazu geäußert, dass sich Herr Helmis auch auf Arbeit an den Wochenenden einstellen müsse. Selbst wenn man der Argu-mentation des Klägers folgen wollte, wonach die Arbeitsbedingungen schöngefärbt werden sollten, war es angesichts des vom Kläger behaupteten Besuchszwecks – Übergabe von Unterlagen innerhalb einer Gesamtdauer des Besuchs einschließlich der Fahrzeit von höchstens einer halben Stunde – kaum notwendig, den angeblich geschäftlichen Charakter des Besuchs zu leugnen. Es war auch nicht notwendig, sich überhaupt zu diesem Vorgang zu äußern.

Daher geht der Senat davon aus, dass die Fahrt des Klägers nach Badel tatsächlich dem von Herrn Klaffer gegenüber Herrn Helmis unbestritten genannten Zweck der Vorführung des Trike diente. Ob dabei auch noch ein Gespräch mit einem dort anwe-senden Verwandten geplant war oder nicht, ist insoweit unerheblich.

Ausgehend von diesem Sachverhalt, hat die Beklagte bei Erlass des zur Überprüfung gestellten Bescheids vom 17. März 1998 das maßgebliche Recht nicht unrichtig angewandt. Die aufgehobenen Verwaltungsakte waren im Sinne des § 45 SGB X rechtswidrig, da es sich bei dem Ereignis vom 19. August 1995 um keinen Arbeitsunfall gehandelt hat. Die Verwaltungsakte durften jedenfalls deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil sie auf Angaben beruhten, die der Kläger vorsätzlich unrichtig gemacht hat. Darüber hinaus hat die Beklagte den Kläger nach § 24 SGB X ordnungsgemäß angehört und nicht ermessensfehlerhaft gehandelt, da der Kläger bösgläubig war und selbst keine Gesichtspunkte vorgetragen hat, die selbst bei Annahme einer Verpflichtung zur Ermessensprüfung auch in Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zugunsten des Klägers in die Prüfung einzustellen gewesen wären. Darüber hinaus sind auch die von der Beklagten zur Frage des ausnahmswei-sen Absehens von einer Rückforderung angestellten Überlegungen nicht zu beanstan-den. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Höhe der Rückforde-rung durch die Beklagte. Diese ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Zwar erscheinen viele Fragen zur Dogmatik des § 44 SGB X auch in der z.T. widersprüchlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ungeklärt, doch sind diese Streitfragen vorliegend im Ergebnis nicht entscheidungserheblich. Bei der vorgenommenen Sachverhaltswürdigung handelt es sich zudem um eine nicht reversible Tatsachenfeststellung im Einzelfall.

gez. Eyrich gez. Dr. Ulrich gez. Dr. Mecke
Rechtskraft
Aus
Saved