L 13 R 559/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 525/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 559/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 45/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Mit der Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen gehen entsprechende Beitragszeiten unter.
2. Zur Beweiskraft einer Angabe im Gesamtkontospiegel des Rentenversicherungsträgers zu einer Beitragserstattung, wobei Verwaltungsakten dazu nicht mehr vorhanden sind.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Das Berufungsverfahren betrifft in erster Linie einen Anspruch auf Rentenleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).

Der 1942 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt auch dort. Von 1964 bis 1979 hatte er in Deutschland gearbeitet und war dann wieder nach Marokko zurückgekehrt. Zunächst war er als Bauarbeiter tätig gewesen, zuletzt hatte er bei der Firma K., W., einem heute noch bestehenden Betrieb für Karosserie- und Fahrzeugbeschläge, gearbeitet.

Mit Schreiben vom 24.03.2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten "Rentenleistungen". Die Beklagte rief am 12.04.2007 einen Gesamtkontospiegel ab, in dem eine Erstattung von bis 17.03.1980 gezahlten Beiträgen in Höhe von 29.423,50 DM vermerkt war, die mit Bescheid vom 08.11.1980 (auf einen Antrag vom 12.09.1980) angeordnet worden war. Der Gesamtkontospiegel wies darüber hinaus Pflichtbeitragzeiten bis 17.03.1980 aus.

Mit Bescheid vom 04.05.2007 lehnte die Beklagte eine Rente wegen Alters ab, weil die zur Deutschen Rentenversicherung Rheinland entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 08.11.1980 erstattet worden seien. Mit Schreiben vom 02.06.2007 brachte der Kläger seine Unzufriedenheit mit der Entscheidung zum Ausdruck. Er meinte, er habe lange Zeit in Deutschland gearbeitet. Er wisse nichts davon, im Jahr 1980 Beiträge erstattet erhalten zu haben. Mit Schreiben vom 14.06.2007 machte die Beklagte nochmals deutlich, dass eine Beitragserstattung erfolgt sei. Im damaligen Beitragserstattungsantrag, so die Beklagte, sei der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass durch die Beitragserstattung das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst würde und Ansprüche aus den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nicht mehr bestünden. Nach dem 17.03.1980 seien keine Beiträge mehr entrichtet worden. Darauf schrieb der Kläger unter dem 29.06.2007, er habe damals sein Recht auf eine Altersrente nicht verkauft. Vielmehr habe er nur sein Arbeitsentgelt eingezogen, das er wegen einer Krankheit benötigt hätte. In einem weiteren Schreiben vom 20.10.2007 äußerte sich der Kläger ähnlich: Damals hätte er zwar einen Betrag erhalten, es habe sich aber um eine Lohnzahlung gehandelt. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Klage beim Sozialgericht Augsburg hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.08.2007 erhoben. Er hat darauf hingewiesen, die Beklagte habe seinen Rentenantrag wegen der erfolgten Beitragserstattung abgelehnt, und seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, allein wegen der Beschäftigungsdauer in Deutschland stehe ihm ein Rentenanspruch zu. Er hat deutlich gemacht, dass er, wenn er keine Rente erhalte, zumindest eine Beitragserstattung begehre.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es dargelegt, es habe keine Zweifel daran, dass tatsächlich eine Beitragserstattung erfolgt sei. Zwar lägen bis auf die gespeicherten Daten keine weiteren Nachweise mehr vor. Das gereiche der Beklagten aber nicht zum Nachteil. Denn an Maßnahmen zur Verminderung des Aktenbestands hätten die Rentenversicherungsträger ein berechtigtes Interesse. Eine Beitragserstattung sei nicht möglich, da die entsprechenden Beiträge bereits erstattet worden seien.

Mit Schriftsatz vom 18.06.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er hat ausgeführt, seine Erstattung habe er im Dezember 1979 erhalten und nicht am 08.11.1980. In zwei Schriftsätzen vom 16.08.2008 hat der Kläger sodann mitgeteilt, er habe seine Erstattung noch immer nicht erhalten. Er habe nur einen Betrag von seinem Arbeitgeber bekommen. Weiter hat er darauf hingewiesen, er sei verheiratet und habe neun Kinder.

Es ist davon auszugehen, dass der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2007 zu verurteilen, ihm Rentenleistungen aus der deutschen Rentenversicherung zu gewähren, hilfsweise zur deutschen Rentenversicherung geleistete Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat von einer gesonderten Begründung abgesehen.

Mit Beschluss vom 30.03.2009 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Berichterstatter übertragen.

Der Senat hat den Kläger gebeten, Nachweise dafür vorzulegen, dass der seinerzeit erhaltene Betrag von dessen Arbeitgeberin stammt. Dieser hat daraufhin die Firma K. lediglich benannt. Weiter hat der Senat von Frau S., die bei der Firma K. beschäftigt ist, telefonisch in Erfahrung gebracht, dass zum Arbeitsverhältnis des Klägers keinerlei Unterlagen mehr existieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Sozialgerichts und des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.

Der Senat war nicht gehindert, trotz des Ausbleibens des Klägers mündlich zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden. In der ordnungsgemäßen Ladung war ein korrekter Hinweis auf die Folgen seines Fernbleibens enthalten. Das rechtliche Gehör des Klägers ist gewahrt.

Die Klage ist unbegründet, soweit sie einen Anspruch auf Rentenleistungen betrifft; der Senat geht davon aus, dass dieser als Hauptantrag verfolgt werden soll. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass jeglicher Anspruch auf Rentenleistungen daran scheitert, dass der Kläger keinerlei Versicherungszeiten vorweisen kann. Mit der Beitragserstattung im Jahr 1980 war das bis dahin bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Damit sind sämtliche Pflichten der Beklagten erloschen. Bis dahin vorhandene Beitragszeiten sind untergegangen. Einen neuen Versicherungsschutz hätte der Kläger nur über neue Beitragsleistungen aufbauen können. Das ist aber nicht geschehen.

Ebenso wenig wie das Sozialgericht hegt der Senat Zweifel, dass tatsächlich eine Beitragserstattung erfolgt ist. Der entsprechende Eintrag im Gesamtkontospiegel dokumentiert dies glaubhaft. Dass entsprechendes Aktenmaterial nicht mehr vorhanden ist, gereicht der Beklagten, wie das Sozialgericht ausführlich und zutreffend begründet hat, nicht zum Nachteil. Insbesondere führt die Aktenvernichtung nicht dazu, dass aufgrund des Vortrags des Klägers eine Vermutung bestünde, es seien keine Beiträge erstattet worden. Es gibt weder individuelle noch generelle (im Sinn einer hohen allgemeinen "Fehleranfälligkeit") Anhaltspunkte dafür, die Angaben im Gesamtkontospiegel könnten falsch sein. Das gilt umso mehr, als der Kläger nach anfänglichem Zögern eingeräumt hat, er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er stuft diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt ein.

Diese Einlassung ist nicht geeignet, die Aussagekraft des Gesamtkontospiegels zu erschüttern. Vielmehr deutet nahezu alles darauf hin, dass der Kläger die erfolgte Zahlung falsch zuordnet oder bewertet. Das gilt umso mehr, als die von ihm gegebene Erklärung kaum plausibel erscheint: Er, so der Kläger, habe sein Arbeitsentgelt eingezogen, weil er es für medizinische Zwecke gebraucht hätte. Es drängt sich die Frage auf, wieso die damalige Arbeitgeberin ihm Arbeitsentgelt zunächst vorenthalten haben soll, welches er nach seiner Schilderung dann doch erhalten habe. Dass dieser "Einzug" mit einer medizinischen Zweckrichtung versehen gewesen sein soll, nährt noch mehr Zweifel an der Version des Klägers. Denn folgt man dieser, hätte die Firma K. Arbeitsentgelt ausbezahlt, weil der Kläger krank geworden sei - eine durchaus ungewöhnliche Praxis eines Arbeitgebers. Die Firma K. konnte sich dazu verständlicher Weise nicht äußern, weil sie die Unterlagen zum Arbeitsverhältnis längst vernichtet hat.

Die vom Kläger behauptete soziale Bedürftigkeit - er spricht von einer Ehefrau und neun Kindern - spielt keine Rolle. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind keine sozialhilfeähnlichen Fürsorgeleistungen. Vielmehr gilt das Versicherungsprinzip. Nur derjenige kann Leistungen beziehen, der auch entsprechende Beitragsleistungen erbracht hat. Daran fehlt es beim Kläger.

Im Hilfsantrag - als solchen legt der Senat den Antrag auf Beitragserstattung aus - ist die Klage unzulässig. Denn insoweit fehlt es an der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, worauf aber nicht verzichtet werden kann. Das Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren hier hatte ausschließlich einen Antrag auf Rentenleistungen zum Gegenstand. Auch bei klägerfreundlichster Auslegung vermag man nicht zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Das alternative Begehren auf Beitragserstattung hat der Kläger erst vor dem Sozialgericht eingebracht. Dass das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids sich bezüglich der Beitragserstattung auch kurz zur Sache geäußert hat, ändert daran nichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch vor dem Bayerischen Landessozialgericht ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved