Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 413/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 293/06 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es, den aktuellen Bewilligungsbescheid nach dem SGB II vorzulegen und nur Angaben zu den Rubriken A-D der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu machen, wenn keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, welches nach § 115 Abs. 1 ZPO i.V.m. dem SGB XII die Bedürftigkeit ausschließen kann (Anschluss an OVG Sachsen-Anhalt, 14.4.2009 - 2 O 26/09).
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Juni 2006 aufgehoben und der Klägerin unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. B-Straße A-Stadt Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt.
Gründe:
Die am Montag, 6. November 2006 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt (SG) vom 28. Juni 2006, ihr zugestellt am 4. Oktober 2006, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor; insbesondere hinreichende Erfolgsaussichten sind gegeben.
Gemäß § 114 S. 1 ZPO, der über die Verweisungsnorm des § 73a Abs. 1 S. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Maßstab für die dabei geforderten Erfolgsaussichten ist im Lichte der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen instanzgerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (Bundesverfassungsgericht, 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06; BVerfGE 81, 347 (357); stRspr). Ein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad kann erforderlich sein, um die Prozessführung nicht mutwillig erscheinen zu lassen, wenn die Bedeutung des Rechtsschutzzieles sonst völlig außer Verhältnis zum verbleibenden Prozesskostenrisiko steht.
So verstandene hinreichende Erfolgsaussichten kommen im sozialgerichtlichen Verfahren aus zwei Gesichtspunkten in Betracht.
Sie sind einerseits anzunehmen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage weder angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellter Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (BVerfGE 81, 347 (359)) noch höchstrichterlich geklärt ist. Nur so verbleibt dem Unbemittelten die Möglichkeit seinen klärungsbedürftigen Rechtsstandpunkt zumindest im Hauptsacheverfahren zu vertreten und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (BVerfG, 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06 m.w.N.).
Andererseits sind die Erfolgsaussichten grundsätzlich als hinreichend anzusehen, wenn eine weitere Sachverhaltsaufklärung - über die geforderte Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers nach § 103 S. 1 SGG hinaus - ernstlich in Betracht kommt. Dabei darf die Erfolgsprognose in sehr engen Grenzen auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung gestützt sein. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die weitere Sachverhaltsaufklärung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen wird (vgl. für Zivilprozess: BVerfG, 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04, NJW-RR 2005, 140 m.w.N.).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfolgsprognose ist eigentlich der Zeitpunkt der Entscheidung über den PKH-Antrag oder die Beschwerde gegen dessen Ablehnung. Soweit das Gericht allerdings nicht im Zeitpunkt der Entscheidungsreife unverzüglich über den Antrag entschieden hat, ist grundsätzlich letzterer als maßgeblich anzusehen, um dem Unbemittelten nicht Rechtsnachteile aufzubürden, die ihm nicht zuzurechnen sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 73a Rn. 7c m.w.N.). Entscheidungsreife ist regelmäßig gegeben, wenn der Antrag entsprechend den Vorgaben in § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 117 ZPO insbesondere unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der erforderlichen Belege gestellt ist und die übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt haben (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Entscheidungsreife hat spätestens zu dem Zeitpunkt vorgelegen, als der Beklagte zu dem Antrag auf Prozesskostenhilfe, dem die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Bescheid des Beklagten über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vom 22. Juli 2005 beigefügt war, mit Schriftsatz vom 23. Januar 2006 Stellung nehmen konnte, die am 24. Januar 2006 bei dem SG einging.
Unschädlich ist es dabei gewesen, dass zur Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO die Klägerin nur den Bewilligungsbescheid des Beklagten über Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vorgelegt und in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Rubriken E-J nicht ausgefüllt hat.
Damit ist die Bedürftigkeit ausreichend belegt, so dass auch diesbezüglich Entscheidungsreife bestand. Die Erklärung genügt den Anforderungen, die sich aus § 117 Abs. 2 und 4 ZPO i.V.m. den Bestimmungen der auf der Grundlage des § 117 Abs. 3 ZPO erlassenen Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKH-VV) ergeben. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat hierzu in seinem Beschluss vom 14. April 2009 – 2 O 26/09 - folgendes ausgeführt:
"Nach § 2 Abs. 2 PKH-VV muss eine Partei, die nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, die Abschnitte E bis J des Vordrucks zunächst nicht ausfüllen, wenn sie der Erklärung den letzten Bewilligungsbescheid des Sozialamtes beifügt. Zwar erhält der Kläger keine Leistungen nach dem SGB XII. Die Formerleichterung des § 2 Abs. 2 PKH-VV ist aber sinngemäß auch auf Parteien anzuwenden, die Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) beziehen (ThürLAG, Beschl. v. 11.01.2008 - 3 Ta 74/07 -, Juris). Der allein auf den Wortlaut des § 2 Abs. 2 PKH-VV gestützten gegenteiligen Auffassung des 3. Senats des OVG LSA (vgl. Beschl. v. 27.06.2007 - 3 0 172/07 -, Juris, sowie Beschl. v. 16.09.2005 - 3 0289/05 -) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Mit der Reform des Arbeitslosen- und Sozialhilferechts regelt seit dem 01.01.2005 das SGB II weitgehend die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt für erwerbsfähige Hilfebedürftige. Aus diesem Grund bringt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum Ausdruck, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II hinsichtlich der Verpflichtung zum Ausfüllen des PKH-Vordrucks den Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII gleichzustellen sind (BT-Drucks 15/1516 S. 85). Zu Art. 53 (PKH-VV) heißt es: "Folgeänderung zur Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch: Zu Regelungen über die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz treten die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ergänzend hinzu " Durch Art. 53 des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBI 12954 [2997]) sowie durch Art. 36 Nr. 2 des ebenfalls am 01.01.2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBI I 3022 [3064]) wurde die entsprechende Änderung der Anlage zur PKH-VV bzw. des Formulars zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmt. Der amtliche Vordruck - auch der vom Kläger verwendete - wurde bereits in seinem Wortlaut angepasst. Darin heißt es ausdrücklich, dass Angaben zu E bis J (auch) entbehrlich sind, wenn der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht und den letzten hierüber enthaltenen Bescheid beifügt, sofern das Gericht nicht etwas anderes anordnet. Die bislang unterbliebene Anpassung von § 2 Abs. 2 PKH-VV, insbesondere durch Art 36 Nr. 1 des Gesetzes vom 27.12.2003 (a.a.0.), stellt ein redaktionelles Versehen dar (vgl. zum Ganzen: ThürLAG, a.a.0.). " Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an. Auch nach seiner Auffassung stehen sie insbesondere nicht in Widerspruch zu § 115 Abs. 1 ZPO, der für die Bedürftigkeit weitgehend auf die Regelungen des SGB XII zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen abstellt. Zunächst ist dafür zu berücksichtigen, dass die PKH-VV unmittelbar durch das vorgenannte Gesetz (Art. 36 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003) - und nicht lediglich durch den Verordnungsgeber - geändert worden ist; insoweit ist das Redaktionsversehen dem Gesetzgeber unterlaufen, der die Absicht hatte, die Bescheide nach dem SGB II denjenigen nach dem SGB XII gleichzustellen. Derselbe Gesetzgeber, der in § 115 ZPO bestimmt hat, dass vorrangig auf die Regelungen des SGB XII zur Ermittlung der Bedürftigkeit abzustellen ist, hat nunmehr angeordnet zum Nachweis weitgehend einen Bewilligungsbescheid nach dem SGB II gleichermaßen genügen zu lassen. Der scheinbare Wertungswiderspruch des Gesetzgebers lässt sich aufheben, wenn man beachtet, dass zur Annahme der Bedürftigkeit es in der Regel genügen soll, diese mittels des ausgefüllten Formblatts "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" glaubhaft zu machen. Nur wenn besondere Anhaltspunkte vorliegen, sind darüber hinaus weitere Erklärungen und Beweismittel zur Glaubhaftmachung vorzulegen (§ 118 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO). Eine Zeugenvernehmung oder Sachverständigenanhörung ist für die Bedürftigkeitsprüfung sogar ausdrücklich ausgeschossen (§ 118 Abs. 2 S. 3). Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - nur Rubriken A-D - genügt also bei Vorlage eines Bewilligungsbescheids nach dem SGB II, wenn keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass darüber hinaus Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, welches nach § 115 Abs. 1 ZPO die Bedürftigkeit ausschließen kann. Solche Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich.
Jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife haben anhand des vorbezeichneten Maßstabs hinreichende Erfolgsaussichten vorgelegen.
Der Rechtsanspruch hat seine Grundlage in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, S. 2 SGB II (i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II) idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014). Danach sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst (S. 1). Sie werden gesondert erbracht (S. 2). Die Leistungen nach S. 1 Nr. 1 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (S. 5). Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (S. 6). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind auch erfüllt, wenn auf Grund eines vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzugs Möbel des Hilfebedürftigen unbrauchbar werden und insoweit eine Ersatzbeschaffung erforderlich ist. Anders ist die Sachlage allerdings zu beurteilen, wenn der Umzug nicht durch zwingende Umstände hervorgerufen ist (BSG, 20. August 2009 - B 14 AS 45/08 R; BSG, 1. Juli 2009 - B 4 AS 77/08 R). Entscheidend ist mithin, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl. auch Behrend in juris-PK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 23 RdNr. 80; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2007, § 23 RdNr. 332; vgl. auch BSG, 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R).
Hing letztlich der Erfolg der Klage von einer wertenden Betrachtung einer an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientierten Haushaltsführung ab, waren hinreichende Erfolgsaussichten gegeben, solange jedenfalls einer der beantragten weiteren Gegen-stände als möglicherweise erforderlich angesehen werden konnte.
Das galt selbst nach Auffassung des SG jedenfalls für einen Teppich im Kinderzimmer und das Sofa, wie dem Hinweis der Kammervorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2006 zu entnehmen ist. Insoweit durfte das SG selbst nach seiner Rechtsauffassung den Antrag nicht unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des Urteils in der Hauptsache ablehnen. Denn im Gegensatz zum Urteil ist hier nicht auf den Termin zur mündlichen Verhandlung, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife spätestens am 24. Januar 2006 abzustellen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte aber noch nicht seine Bereitschaft erklärt, zumindest als Sachleistung insoweit die Ausstattung zu gewährleisten.
Die anwaltliche Beiordnung erfolgt nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO. Sie ist erforderlich, weil die Gegenseite sich im Rechtsstreit rechtskundiger und prozesserfahrener Mitarbeiter bedient, deren Kenntnis- und Erfahrungsstand der Klägerin ohne anwaltliche Hilfe nicht zur Verfügung steht (vgl. zum Maßstab: BVerfG, 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - m.w.N.).
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten ausgeschlossen ist (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO, für Beschwerdeverfahren: § 127 Abs. 2 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die am Montag, 6. November 2006 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegte Beschwerde der Klägerin gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt (SG) vom 28. Juni 2006, ihr zugestellt am 4. Oktober 2006, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor; insbesondere hinreichende Erfolgsaussichten sind gegeben.
Gemäß § 114 S. 1 ZPO, der über die Verweisungsnorm des § 73a Abs. 1 S. 1 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Maßstab für die dabei geforderten Erfolgsaussichten ist im Lichte der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen instanzgerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (Bundesverfassungsgericht, 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06; BVerfGE 81, 347 (357); stRspr). Ein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad kann erforderlich sein, um die Prozessführung nicht mutwillig erscheinen zu lassen, wenn die Bedeutung des Rechtsschutzzieles sonst völlig außer Verhältnis zum verbleibenden Prozesskostenrisiko steht.
So verstandene hinreichende Erfolgsaussichten kommen im sozialgerichtlichen Verfahren aus zwei Gesichtspunkten in Betracht.
Sie sind einerseits anzunehmen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage weder angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellter Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (BVerfGE 81, 347 (359)) noch höchstrichterlich geklärt ist. Nur so verbleibt dem Unbemittelten die Möglichkeit seinen klärungsbedürftigen Rechtsstandpunkt zumindest im Hauptsacheverfahren zu vertreten und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (BVerfG, 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06 m.w.N.).
Andererseits sind die Erfolgsaussichten grundsätzlich als hinreichend anzusehen, wenn eine weitere Sachverhaltsaufklärung - über die geforderte Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers nach § 103 S. 1 SGG hinaus - ernstlich in Betracht kommt. Dabei darf die Erfolgsprognose in sehr engen Grenzen auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung gestützt sein. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die weitere Sachverhaltsaufklärung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen wird (vgl. für Zivilprozess: BVerfG, 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04, NJW-RR 2005, 140 m.w.N.).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfolgsprognose ist eigentlich der Zeitpunkt der Entscheidung über den PKH-Antrag oder die Beschwerde gegen dessen Ablehnung. Soweit das Gericht allerdings nicht im Zeitpunkt der Entscheidungsreife unverzüglich über den Antrag entschieden hat, ist grundsätzlich letzterer als maßgeblich anzusehen, um dem Unbemittelten nicht Rechtsnachteile aufzubürden, die ihm nicht zuzurechnen sind (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 73a Rn. 7c m.w.N.). Entscheidungsreife ist regelmäßig gegeben, wenn der Antrag entsprechend den Vorgaben in § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 117 ZPO insbesondere unter Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der erforderlichen Belege gestellt ist und die übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt haben (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Entscheidungsreife hat spätestens zu dem Zeitpunkt vorgelegen, als der Beklagte zu dem Antrag auf Prozesskostenhilfe, dem die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Bescheid des Beklagten über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vom 22. Juli 2005 beigefügt war, mit Schriftsatz vom 23. Januar 2006 Stellung nehmen konnte, die am 24. Januar 2006 bei dem SG einging.
Unschädlich ist es dabei gewesen, dass zur Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 117 Abs. 2 S. 1 ZPO die Klägerin nur den Bewilligungsbescheid des Beklagten über Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vorgelegt und in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Rubriken E-J nicht ausgefüllt hat.
Damit ist die Bedürftigkeit ausreichend belegt, so dass auch diesbezüglich Entscheidungsreife bestand. Die Erklärung genügt den Anforderungen, die sich aus § 117 Abs. 2 und 4 ZPO i.V.m. den Bestimmungen der auf der Grundlage des § 117 Abs. 3 ZPO erlassenen Prozesskostenhilfevordruckverordnung (PKH-VV) ergeben. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat hierzu in seinem Beschluss vom 14. April 2009 – 2 O 26/09 - folgendes ausgeführt:
"Nach § 2 Abs. 2 PKH-VV muss eine Partei, die nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bezieht, die Abschnitte E bis J des Vordrucks zunächst nicht ausfüllen, wenn sie der Erklärung den letzten Bewilligungsbescheid des Sozialamtes beifügt. Zwar erhält der Kläger keine Leistungen nach dem SGB XII. Die Formerleichterung des § 2 Abs. 2 PKH-VV ist aber sinngemäß auch auf Parteien anzuwenden, die Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) beziehen (ThürLAG, Beschl. v. 11.01.2008 - 3 Ta 74/07 -, Juris). Der allein auf den Wortlaut des § 2 Abs. 2 PKH-VV gestützten gegenteiligen Auffassung des 3. Senats des OVG LSA (vgl. Beschl. v. 27.06.2007 - 3 0 172/07 -, Juris, sowie Beschl. v. 16.09.2005 - 3 0289/05 -) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Mit der Reform des Arbeitslosen- und Sozialhilferechts regelt seit dem 01.01.2005 das SGB II weitgehend die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt für erwerbsfähige Hilfebedürftige. Aus diesem Grund bringt der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt zum Ausdruck, dass Empfänger von Leistungen nach dem SGB II hinsichtlich der Verpflichtung zum Ausfüllen des PKH-Vordrucks den Empfängern von Leistungen nach dem SGB XII gleichzustellen sind (BT-Drucks 15/1516 S. 85). Zu Art. 53 (PKH-VV) heißt es: "Folgeänderung zur Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch: Zu Regelungen über die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz treten die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ergänzend hinzu " Durch Art. 53 des am 01.01.2005 in Kraft getretenen Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBI 12954 [2997]) sowie durch Art. 36 Nr. 2 des ebenfalls am 01.01.2005 in Kraft getretenen Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBI I 3022 [3064]) wurde die entsprechende Änderung der Anlage zur PKH-VV bzw. des Formulars zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bestimmt. Der amtliche Vordruck - auch der vom Kläger verwendete - wurde bereits in seinem Wortlaut angepasst. Darin heißt es ausdrücklich, dass Angaben zu E bis J (auch) entbehrlich sind, wenn der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht und den letzten hierüber enthaltenen Bescheid beifügt, sofern das Gericht nicht etwas anderes anordnet. Die bislang unterbliebene Anpassung von § 2 Abs. 2 PKH-VV, insbesondere durch Art 36 Nr. 1 des Gesetzes vom 27.12.2003 (a.a.0.), stellt ein redaktionelles Versehen dar (vgl. zum Ganzen: ThürLAG, a.a.0.). " Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat an. Auch nach seiner Auffassung stehen sie insbesondere nicht in Widerspruch zu § 115 Abs. 1 ZPO, der für die Bedürftigkeit weitgehend auf die Regelungen des SGB XII zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen abstellt. Zunächst ist dafür zu berücksichtigen, dass die PKH-VV unmittelbar durch das vorgenannte Gesetz (Art. 36 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003) - und nicht lediglich durch den Verordnungsgeber - geändert worden ist; insoweit ist das Redaktionsversehen dem Gesetzgeber unterlaufen, der die Absicht hatte, die Bescheide nach dem SGB II denjenigen nach dem SGB XII gleichzustellen. Derselbe Gesetzgeber, der in § 115 ZPO bestimmt hat, dass vorrangig auf die Regelungen des SGB XII zur Ermittlung der Bedürftigkeit abzustellen ist, hat nunmehr angeordnet zum Nachweis weitgehend einen Bewilligungsbescheid nach dem SGB II gleichermaßen genügen zu lassen. Der scheinbare Wertungswiderspruch des Gesetzgebers lässt sich aufheben, wenn man beachtet, dass zur Annahme der Bedürftigkeit es in der Regel genügen soll, diese mittels des ausgefüllten Formblatts "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" glaubhaft zu machen. Nur wenn besondere Anhaltspunkte vorliegen, sind darüber hinaus weitere Erklärungen und Beweismittel zur Glaubhaftmachung vorzulegen (§ 118 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO). Eine Zeugenvernehmung oder Sachverständigenanhörung ist für die Bedürftigkeitsprüfung sogar ausdrücklich ausgeschossen (§ 118 Abs. 2 S. 3). Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - nur Rubriken A-D - genügt also bei Vorlage eines Bewilligungsbescheids nach dem SGB II, wenn keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass darüber hinaus Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, welches nach § 115 Abs. 1 ZPO die Bedürftigkeit ausschließen kann. Solche Anhaltspunkte sind vorliegend nicht ersichtlich.
Jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife haben anhand des vorbezeichneten Maßstabs hinreichende Erfolgsaussichten vorgelegen.
Der Rechtsanspruch hat seine Grundlage in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, S. 2 SGB II (i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II) idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014). Danach sind Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der Regelleistung umfasst (S. 1). Sie werden gesondert erbracht (S. 2). Die Leistungen nach S. 1 Nr. 1 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden (S. 5). Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (S. 6). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind auch erfüllt, wenn auf Grund eines vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzugs Möbel des Hilfebedürftigen unbrauchbar werden und insoweit eine Ersatzbeschaffung erforderlich ist. Anders ist die Sachlage allerdings zu beurteilen, wenn der Umzug nicht durch zwingende Umstände hervorgerufen ist (BSG, 20. August 2009 - B 14 AS 45/08 R; BSG, 1. Juli 2009 - B 4 AS 77/08 R). Entscheidend ist mithin, ob ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II sind für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (vgl. auch Behrend in juris-PK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 23 RdNr. 80; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2007, § 23 RdNr. 332; vgl. auch BSG, 16. Dezember 2008 - B 4 AS 49/07 R).
Hing letztlich der Erfolg der Klage von einer wertenden Betrachtung einer an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientierten Haushaltsführung ab, waren hinreichende Erfolgsaussichten gegeben, solange jedenfalls einer der beantragten weiteren Gegen-stände als möglicherweise erforderlich angesehen werden konnte.
Das galt selbst nach Auffassung des SG jedenfalls für einen Teppich im Kinderzimmer und das Sofa, wie dem Hinweis der Kammervorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2006 zu entnehmen ist. Insoweit durfte das SG selbst nach seiner Rechtsauffassung den Antrag nicht unter Hinweis auf die Entscheidungsgründe des Urteils in der Hauptsache ablehnen. Denn im Gegensatz zum Urteil ist hier nicht auf den Termin zur mündlichen Verhandlung, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife spätestens am 24. Januar 2006 abzustellen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte aber noch nicht seine Bereitschaft erklärt, zumindest als Sachleistung insoweit die Ausstattung zu gewährleisten.
Die anwaltliche Beiordnung erfolgt nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO. Sie ist erforderlich, weil die Gegenseite sich im Rechtsstreit rechtskundiger und prozesserfahrener Mitarbeiter bedient, deren Kenntnis- und Erfahrungsstand der Klägerin ohne anwaltliche Hilfe nicht zur Verfügung steht (vgl. zum Maßstab: BVerfG, 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - m.w.N.).
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten ausgeschlossen ist (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO, für Beschwerdeverfahren: § 127 Abs. 2 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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