S 37 AS 14128/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 14128/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 3.2.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.4.2009 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auch für Mai 2009 ungekürzte Leistungen zu gewähren. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides.

Der 1979 geb. Kläger ist ausgebildeter Verkäufer. Er bezieht seit 1.1.2005 Alg II.

Im Oktober 2008 war ihm eine Arbeitsgelegenheit bei der B GmbH angeboten worden. In dem mit einer Rechtsfolgenbelehrung versehenen Angebotsschreiben wird die Tätigkeit wie folgt beschrieben:

"Hilfsarbeiter/in ohne nähere Tätigkeitsangabe. Kontroll- und Sichtungsarbeiten, insbes. zur Aufnahme bestehender Mängel, Laubsammelarbeiten zur Bekämpfung der Kastanienminiermotte, Beseitigung von Unkraut auf Wegen, Vorbereitung von Abfall zur Entsorgung"

Am 5.11.2008 fand ein Vorstellungsgespräch statt, auf das der Kläger ein Schreiben der B erhielt, dass er zum 24.11.2008 eingestellt sei und sich an diesem Tag um 8.00 Uhr im Sekretariat einfinden solle.

Auf dieses Schreiben vom 21.11.2008 reagierte der Kläger in Form eines Schreibens vom 25.11.2008, mit dem er den 2.12.2008 als Termin für den Abschluss eines Maßnahmevertrages anbot. Am 24.11.2008 meldete er sich weder beim Beklagten noch bei dem Maßnahmeträger.

Der Beklagte wertete dies als Ablehnung der Maßnahme und stellte mit Bescheid vom 3.2.2009 eine 30%ige Kürzung der Leistung für die Monate März bis Mai 2009 fest. Dementsprechend wurden im laufenden Bewilligungsabschnitt bis April 2009 die Regelleistungen für die Monate März und April und im Folgebewilligungsabschnitt Mai bis Oktober 2009 der Regelleistung für Mai um 105 EUR vermindert.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.4.2009 als unbegründet zurück; der Kläger sei zum Arbeitsbeginn am 26.11.2008 ohne wichtigen Grund nicht erschienen.

Hiergegen richtet sich die am 7. Mai 2009 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage.

Der Kläger macht geltend, die Arbeitsgelegenheit hätte in Form eines Verwaltungsaktes angeboten werden müssen, um die rechtlichen Voraussetzungen dieser Maßnahme prüfen zu können. Er habe die Maßnahme nicht abgelehnt, sondern auf eine Reaktion der B gewartet.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 3.2.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.4.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, auch für Mai 2009 ungekürzte Leistungen zu gewähren ...

Die Beklagtenvertreterin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewech- selten Schriftsätze sowie die beigezogene Leistungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Sanktion ist rechtswidrig. Der Kläger hat in den Monaten März bis Mai 2009 Anspruch auf ungekürztes Alg II.

Zwar ist auch die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger die Maßnahme nicht antreten wollte und sein Verhalten auf eine Ablehnung seitens der B abzielte, dies führt aber nicht zu einer Sanktion, da die Maßnahme dem Kläger nicht zumutbar war.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 SGB II muss der Hilfebedürftige eine Arbeitsgelegenheit (AGH) annehmen, wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt "in absehbarer Zeit" nicht möglich ist. Dies hat der SGB II-Träger vor Vermittlung in eine AGH festzustellen, etwa mittels eines Profilings oder durch fehlgeschlagene nachhaltige Vermittlungsbemühungen in den ersten Arbeitsmarkt.

Keinesfalls dürfen AGH´s zur Ermittlung von Schwarzarbeit oder zur Prüfung der Arbeitsbereitschaft eingesetzt werden, geschweige denn als bloße Hinzuverdienst-Maßnahme für Langzeitarbeitslose. Abgesehen von der damit verbundenen Verschwendung öffentlicher Fördermittel, fehlt einer in dieser Funktion eingesetzten AGH die Eignung zur Arbeitsmarktintegration. Dabei muss sich die Eignung auf den Qualifizierungseffekt der Maßnahme beziehen, für die der Maßnahmeträger ja die Mittel erhält. Die Vermittlung in eine AGH zur Abschreckung und Disziplinierung ist ein Missbrauch dieses für Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen vorgesehenen Förderinstruments.

Liegen keine besonderen, mittels AGH zu behebenden oder zu mildernden Vermittlungshemmnisse vor, ist der Beklagte gefordert, durch Unterbreitung regulärer Arbeitsangebote und Eingliederungsvereinbarungen über zielgerichtete Bewerbungsbemühungen die Arbeitsbereitschaft zu prüfen und kann mangelnde Mitwirkung dann bis zum kompletten Leistungsentzug (in der Form der passiven Geldauszahlung) sanktionieren.

Nach Ansicht der Kammer kann der Kläger in eine reguläre Arbeit vermittelt werden. Schwerwiegende Integrationshemmnisse (Suchterkrankung, psychische Probleme, Anpassungsstörungen, Intelligenzdefizite und Ähnliches) sind weder erkennbar noch vom Beklagten ermittelt worden. Allein der Umstand längerer Arbeitslosigkeit berechtigt nicht zur Vermittlung in eine AGH, es sei denn, hierüber kann der Einstieg in eine reguläre Arbeit verbessert werden, was bei der hier im Streit stehenden Maßnahme mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die zu verrichtenden Hilfsarbeiten einfachster Art kann der Kläger ohne weiteres in entsprechenden Hilfsjobs auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Reinigungskraft, Bauhelfer, Wachschutz etc.) ausüben, Hilfsjobs, die ihm wegen der Dauer des Leistungsbezugs zumutbar sind.

Es kommt hinzu, dass die Beschreibung der AGH in dem Angebotsschreiben des Beklagten zu unbestimmt ist. Im Ergebnis bleibt es dem Maßnahmeträger vorbehalten, welche Hilfsarbeiten er dem Betroffenen zuweist, was unzulässig ist. Der Beklagte muss vor Antritt einer AGH sicherstellen können, dass der Hilfeempfänger nur zusätzliche und zur Integration geeignete Tätigkeiten zugeteilt bekommt.

Auch wenn das BSG Zweifel angedeutet hat, ob sich der Alg II-Bezieher auf die fehlende Prüfung der Zusätzlichkeit einer AGH berufen kann, ist die fehlende Bestimmtheit des Maßnahmeangebots ein Grund, auf den er sich bei Nichtantritt der Maßnahme berufen kann, wobei die fehlende Bestimmtheit nicht nachgeholt oder durch das Einstellungsgespräch ersetzt werden kann (s. BSG vom 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 R).

Die Sanktion musste daher aufgehoben werden, ohne dass es auf die Begründung des Klägers im Widerspruchs- oder Klageverfahren ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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