Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 38 (17) AS 291/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 371/09 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 21.09.2009 geändert. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin B aus E für die Zeit ab Antragstellung gewährt. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 21.09.2009 ist zulässig und begründet. Denn das SG hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihrer Rechtsanwältin für das Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.
1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung der Klägerin, die die Kosten ihrer Rechtsverfolgung nicht aufbringen kann, bot hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Klage Erfolg haben könnte. Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine kiefernorthopädische Behandlung ihres Sohnes. Der Sachverhalt bedarf noch der weiteren Aufklärung, und dies in mehrfacher Hinsicht.
a) Anspruchsinhaber dürfte der Sohn der Klägerin sein. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz ist das Vorbringen der Klägerin so auszulegen, dass sie auch eigene Ansprüche ihres Sohnes geltend gemacht hat und machen will. Ihr Sohn ist deshalb als Kläger in das Klageverfahren aufzunehmen und sodann das Rubrum entsprechend zu korrigieren. Über einen ggf. sodann gestellten Antrag des Sohnes (als Kläger) auf Prozesskostenhilfe wird das SG zu entscheiden haben.
b) Ungeklärt ist noch, welcher Sozialleistungsträger für das Begehren der Klägerin bzw. ihres Sohnes sachlich zuständig ist.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei erwerbsunfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unterstellt, dies träfe zu, wäre die Klägerin nicht anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Ihr Sohn wäre es ebenfalls nicht: Er hat das 15. Lebensjahr nicht vollendet, so dass er nicht anspruchsberechtigt wäre (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II); Sozialgeld könnte er nicht beanspruchen, weil er nicht mit einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Es steht allerdings derzeit nicht fest, ob die Klägerin tatsächlich erwerbsfähig ist oder nicht. Zwar spricht hierfür, dass sie derzeit eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Diese Entscheidung des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers ist aber weder für die Beklagte noch für den Sozialhilfeträger bindend; letzteres wäre nur dann der Fall, wenn der Sozialhilfeträger den gesetzlichen Rentenversicherungsträger um Prüfung der Erwerbsfähigkeit innerhalb eines dortigen Verwaltungsverfahrens ersucht hätte, § 45 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die Prüfung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Beklagte bindet den Sozialhilfeträger nicht. Dies setzt vielmehr eine Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit gemäß § 45, § 44a SGB II voraus. Denn (erst) deren Entscheidung ist für die beteiligten Träger bindend (gemäß § 8 Abs. 1 Satz 5 der Einigungsstellen-Verfahrensverordnung vom 23.11.2004, BGBl. I S. 2916).
Die Beklagte hat eine solche Entscheidung der Einigungsstelle aber nicht herbeigeführt. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wurde, soweit aus der Verwaltungsakte ersichtlich, von der Beklagten und dem Sozialhilfeträger in der Vergangenheit bereits unterschiedlich beurteilt, weil sich beide Träger für einen Antrag der Klägerin auf Erstaustattung mit Möbeln offenbar jeweils für sachlich nicht zuständig hielten. Gemäß § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II muss jedoch der Grundsicherungsträger bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle Leistungen nach dem SGB II erbringen.
Vor diesem Hintergrund dürfte der Sozialhilfeträger zum Verfahren beizuladen sein (§ 75 SGG). Bei der Entscheidung über eine Beiladung wird zu berücksichtigen sein, ob die Klägerin gegen einen ablehnenden Bescheid des Sozialhilfeträgers nicht bereits Klage erhoben hat; mit Schriftsatz vom 17.07.2009 hatte sie vorgetragen, dass diesbezüglich noch ein Widerspruchsverfahren anhängig sei.
c) In der Sache bedarf der Klärung, ob nicht bereits die gesetzliche Krankenversicherung des Sohnes der Klägerin für die Kosten der begehrten kiefernorthopädischen Behandlung aufzukommen hat. Denn seine gesetzliche Krankenversicherung war - soweit ersichtlich - mit der Angelegenheit offenbar noch gar nicht befasst. Bislang liegt nur eine Bescheinung des behandelnden Kiefernorthopäden vor, dass bei einem derartigen kiefernorthopädischen Befund eine Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (noch) nicht bestehe. Zu klären sein wird auch, ob der kiefernorthopädische Status des Klägers derzeit (noch) behandlungsbedürftig ist.
Sollte die gesetzliche Krankenversicherung nicht kostentragungspflichtig sein, hat das SG bereits zu Recht darauf hingeweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Grundsicherungsrecht nach dem SGB II dort "grundsätzlich" keine Einstandspflicht des Grundsicherungsträgers für weitergehende medizinische Maßnahmen besteht (so BSG vom 19.09.2008, B 14/7b AS 10/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 18 und Juris (dort Rn. 26)). Die Klägerin hat vorgetragen, dass die kiefernorthopädische Fehlstellung ihrem Sohn Schmerzen bereite. Sollte dies nach wie vor der Fall sein, wird zu prüfen sein, ob eine Einstandspflicht des Grundsicherungsträgers bzw. des Sozialhilfeträgers (über § 73 SGB XII wegen einer "atypischen Bedarfslage", hierzu BSG vom 07.11.2006, B 14/7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242) ausnahmsweise in Betracht kommt.
Angesichts dessen dürfte es angezeigt sein, den Sachverhalt durch schriftliche Auskünfte sowohl des behandelnden Kieferorthopäden als auch der Krankenkasse des Sohnes der Klägerin weiter aufzuklären.
d) Zu klären ist ferner, ob die Klägerin bzw. ihr Sohn hilfebedürftig ist gemäß § 9 SGB II bzw. § 19 SGB XII, ob also ihre Einkünfte ausreichen, ihren Gesamtbedarf umfassend zu decken.
2. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 21.09.2009 ist zulässig und begründet. Denn das SG hat ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihrer Rechtsanwältin für das Klageverfahren zu Unrecht abgelehnt.
1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung der Klägerin, die die Kosten ihrer Rechtsverfolgung nicht aufbringen kann, bot hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Klage Erfolg haben könnte. Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine kiefernorthopädische Behandlung ihres Sohnes. Der Sachverhalt bedarf noch der weiteren Aufklärung, und dies in mehrfacher Hinsicht.
a) Anspruchsinhaber dürfte der Sohn der Klägerin sein. Nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz ist das Vorbringen der Klägerin so auszulegen, dass sie auch eigene Ansprüche ihres Sohnes geltend gemacht hat und machen will. Ihr Sohn ist deshalb als Kläger in das Klageverfahren aufzunehmen und sodann das Rubrum entsprechend zu korrigieren. Über einen ggf. sodann gestellten Antrag des Sohnes (als Kläger) auf Prozesskostenhilfe wird das SG zu entscheiden haben.
b) Ungeklärt ist noch, welcher Sozialleistungsträger für das Begehren der Klägerin bzw. ihres Sohnes sachlich zuständig ist.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei erwerbsunfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unterstellt, dies träfe zu, wäre die Klägerin nicht anspruchsberechtigt nach dem SGB II. Ihr Sohn wäre es ebenfalls nicht: Er hat das 15. Lebensjahr nicht vollendet, so dass er nicht anspruchsberechtigt wäre (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II); Sozialgeld könnte er nicht beanspruchen, weil er nicht mit einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II).
Es steht allerdings derzeit nicht fest, ob die Klägerin tatsächlich erwerbsfähig ist oder nicht. Zwar spricht hierfür, dass sie derzeit eine Rente wegen Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Diese Entscheidung des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers ist aber weder für die Beklagte noch für den Sozialhilfeträger bindend; letzteres wäre nur dann der Fall, wenn der Sozialhilfeträger den gesetzlichen Rentenversicherungsträger um Prüfung der Erwerbsfähigkeit innerhalb eines dortigen Verwaltungsverfahrens ersucht hätte, § 45 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die Prüfung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Beklagte bindet den Sozialhilfeträger nicht. Dies setzt vielmehr eine Entscheidung der Einigungsstelle über die Erwerbsfähigkeit gemäß § 45, § 44a SGB II voraus. Denn (erst) deren Entscheidung ist für die beteiligten Träger bindend (gemäß § 8 Abs. 1 Satz 5 der Einigungsstellen-Verfahrensverordnung vom 23.11.2004, BGBl. I S. 2916).
Die Beklagte hat eine solche Entscheidung der Einigungsstelle aber nicht herbeigeführt. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wurde, soweit aus der Verwaltungsakte ersichtlich, von der Beklagten und dem Sozialhilfeträger in der Vergangenheit bereits unterschiedlich beurteilt, weil sich beide Träger für einen Antrag der Klägerin auf Erstaustattung mit Möbeln offenbar jeweils für sachlich nicht zuständig hielten. Gemäß § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II muss jedoch der Grundsicherungsträger bis zu einer Entscheidung der Einigungsstelle Leistungen nach dem SGB II erbringen.
Vor diesem Hintergrund dürfte der Sozialhilfeträger zum Verfahren beizuladen sein (§ 75 SGG). Bei der Entscheidung über eine Beiladung wird zu berücksichtigen sein, ob die Klägerin gegen einen ablehnenden Bescheid des Sozialhilfeträgers nicht bereits Klage erhoben hat; mit Schriftsatz vom 17.07.2009 hatte sie vorgetragen, dass diesbezüglich noch ein Widerspruchsverfahren anhängig sei.
c) In der Sache bedarf der Klärung, ob nicht bereits die gesetzliche Krankenversicherung des Sohnes der Klägerin für die Kosten der begehrten kiefernorthopädischen Behandlung aufzukommen hat. Denn seine gesetzliche Krankenversicherung war - soweit ersichtlich - mit der Angelegenheit offenbar noch gar nicht befasst. Bislang liegt nur eine Bescheinung des behandelnden Kiefernorthopäden vor, dass bei einem derartigen kiefernorthopädischen Befund eine Kostentragungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung (noch) nicht bestehe. Zu klären sein wird auch, ob der kiefernorthopädische Status des Klägers derzeit (noch) behandlungsbedürftig ist.
Sollte die gesetzliche Krankenversicherung nicht kostentragungspflichtig sein, hat das SG bereits zu Recht darauf hingeweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Grundsicherungsrecht nach dem SGB II dort "grundsätzlich" keine Einstandspflicht des Grundsicherungsträgers für weitergehende medizinische Maßnahmen besteht (so BSG vom 19.09.2008, B 14/7b AS 10/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr. 18 und Juris (dort Rn. 26)). Die Klägerin hat vorgetragen, dass die kiefernorthopädische Fehlstellung ihrem Sohn Schmerzen bereite. Sollte dies nach wie vor der Fall sein, wird zu prüfen sein, ob eine Einstandspflicht des Grundsicherungsträgers bzw. des Sozialhilfeträgers (über § 73 SGB XII wegen einer "atypischen Bedarfslage", hierzu BSG vom 07.11.2006, B 14/7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242) ausnahmsweise in Betracht kommt.
Angesichts dessen dürfte es angezeigt sein, den Sachverhalt durch schriftliche Auskünfte sowohl des behandelnden Kieferorthopäden als auch der Krankenkasse des Sohnes der Klägerin weiter aufzuklären.
d) Zu klären ist ferner, ob die Klägerin bzw. ihr Sohn hilfebedürftig ist gemäß § 9 SGB II bzw. § 19 SGB XII, ob also ihre Einkünfte ausreichen, ihren Gesamtbedarf umfassend zu decken.
2. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved