L 10 AS 1801/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 121 AS 16414/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 1801/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 23/10 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld II in Form der Regelleistung für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 11. November 2009 dem Grunde nach zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten dem Grunde nach (nur) noch die Gewährung von Arbeitslosengeld II in Form der Regelleistung für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 11. November 2009.

Der 1971 geborene, im streitigen Zeitraum allein stehende Kläger besitzt die französische Staatsbürgerschaft. Am 17. Dezember 2007 bescheinigte der damals zuständige französische Träger der Arbeitslosenversicherung ihm auf dem Vordruck E 303/1 zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland, dass er unter den Voraussetzungen des Artikel 69 Abs 1 Buchst b EWG-Verordnung 1408/71 (EWGV 1408/71) Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit habe, die restliche Anspruchsdauer 91 Tage betrage und er bis zum 17. März 2008 unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen in einer kalendertäglichen Höhe von 33,79 EUR beziehen könne. Am 18. Dezember 2007 reiste er nach Berlin, wo er sich seither aufhält. Hier lebte er, der seit 02. Juni 2008 im Besitz einer Bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU –FreizügG/EU) ist, zunächst in einem Hostel und in verschiedenen, von ihm – jeweils unbefristet – angemieteten Wohnungen, zunächst ab dem 01. Mai 2008 im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, später dann im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Arbeitsgemeinschaft zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Land Berlin für den örtlichen Bereich des Verwaltungsbezirks Pankow, bezeichnet als JobCenter Pankow, und schließlich seit dem 01. Februar 2009 erneut im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, nämlich in einer von ihm allein bewohnten 36 qm großen Zweizimmerwohnung unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Am 28. Januar 2008 hatte er sich bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeitslos gemeldet und unter Vorlage des Vordrucks E 301/1 die Zahlung von Arbeitslosengeld beantragt. Diesem Antrag gab die BA für die Zeit vom 28. Januar 2008 bis zum 17. März 2008 statt (Gesamtzahlbetrag 1655,71 EUR). Im Anschluss bezog er Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), und zwar zunächst von der Beklagten in der Zeit vom 28. April 2008 bis zum 30. November 2008 (Bewilligungsbescheide vom 03. Juni 2008 für die Zeit vom 28. April 2008 bis zum 31. Oktober 2008 und vom 20. November 2008 für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 30. November 2008, Änderungsbescheid vom 20. November 2008 für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 31. Oktober 2008 sowie Bewilligungsbescheid vom 20. November 2008 für die Zeit vom 20. November 2008 bis zum 30. November 2008), sodann vom JobCenter Pankow für die Zeit vom 04. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2009 (Bewilligungsbescheid vom 14. Januar 2009 für die Zeit vom 04. Dezember 2008 bis zum 31. Mai 2009, Änderungsbescheid vom 04. Februar 2009 für die Zeit vom 01. Februar 2009 bis zum 28. Februar 2009 und bestandskräftiger Aufhebungsbescheid vom 04. Februar 2009 für die Zeit ab dem 01. März 2009).

Vom 01. Februar 2008 bis zum 23. Juni 2008 hatte der Kläger eine Tätigkeit als Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 100,00 EUR brutto = netto ausgeübt; das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung. Am 22. Dezember 2008 meldete der Kläger zum 01. Januar 2009 beim Bezirksamt Berlin-Mitte ein Gewerbe mit dem Geschäftsgegenstand "An- und Verkauf, Trödel-Kafé, Kaffeeausschank" an. Da jedoch über die Höhe der Miete für die Gewerberäume, über deren Anmietung (beabsichtigter Mietbeginn: 01. Januar 2009) seit Dezember 2008 verhandelt worden war, keine Einigkeit erzielt werden konnte, zerschlug sich das Geschäftsgründungsvorhaben am 05. Januar 2009; das Gewerbe meldete der Kläger jedoch erst am 07. April 2009 rückwirkend zum 01. Januar 2009 ab.

Seinen mit Wirkung ab dem 01. März 2009 gestellten Fortzahlungsantrag vom 09. Februar 2009 lehnte die Beklagte mit dem hier streitigen Bescheid vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2009 mit der Begründung ab, der Kläger sei nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen. Er sei lediglich in der Zeit vom 01. Februar 2008 bis zum 31. Juli 2008 in der Bundesrepublik Deutschland abhängig beschäftigt gewesen. Dementsprechend habe sich sein Aufenthaltsrecht für die Dauer von sechs Monaten nach Ende dieser Tätigkeit auf § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU gegründet. Nach Ablauf dieses Zeitraums habe ihm jedoch kein Leistungsanspruch mehr zugestanden, da er sich seither nur noch zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhalte.

Seit dem 14. April 2009 ist der Kläger erneut bei der BA arbeitssuchend gemeldet. Diese schloss mit ihm am 08. Mai 2009 eine Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel der Absolvierung eines Deutschkurses, den er sich selbst suchen sollte, um seine Integrationschancen auf dem (deutschen) Arbeitsmarkt zu verbessern; außerdem verpflichtete sich der Kläger verschiedene Stellenbörsen (Internet, Tageszeitungen, etc) zur Stellensuche zu nutzen. Eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Eingliederungsvereinbarung wurde mit dem Kläger am 09. Juli 2009 geschlossen. Aktuell nimmt der Kläger auf Kosten der BA an einem Deutschkurs teil, um seine Integrationschancen zu verbessern. Persönliche Vorsprachen bei seinem Arbeitsvermittler sind im regelmäßigen Abstand von nicht mehr als drei Monaten (08. Mai 2009, 09. Juli 2009 und 30. Juli 2009) erfolgt.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat durch Urteil vom 20. Oktober 2009 die Klage abgewiesen, mit der der Kläger beantragt hatte, die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2009 zu verurteilen, ihm dem Grunde nach ab dem 01. März 2009 Arbeitslosengeld II zu gewähren. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (und auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII), mit der Folge, dass eine Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht gemäß § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig gewesen sei). Denn er sei nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II (bzw § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII) von den nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II (bzw § 19 Abs 1 Satz 1, § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII) anspruchsberechtigten Personen ausgenommen. Der Kläger sei Ausländer, denn er sei F. Sein Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche, nämlich aus § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU (wird ausgeführt). Dass er Angehöriger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union (EU) sei, schließe die Anwendung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht aus. Diese Norm verstoße weder gegen Artikel 12 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) (Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit), noch gegen Artikel 39 Abs 1 und 2 EGV (Recht auf Freizügigkeit), noch gegen Artikel 24 Abs 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (so genannte Unionsbürgerrichtlinie) (Recht auf Gleichbehandlung), weil sie mit Artikel 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie in Einklang stehe, der seinerseits weder gegen Artikel 12 EGV, noch gegen Artikel 39 Abs 1 und 2 EGV verstoße (unter Bezugnahme auf Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 04. Juni 2009, verbundene Rechtssachen C–22/08 und C–23/08, Vatsouras und Koupatantze./. Arbeits¬gemeinschaft (ARGE) Nürnberg 900, juris). Den Inhalt dieser Vorschrift solle § 7 Abs 2 Nr 2 SGB II umsetzen (unter Bezugnahme auf Bundestagsdrucksache 16/688 Seite 13). Diesem Zweck werde besagte Vorschrift gerecht. Aus den Worten "abweichend von Absatz 1" in Artikel 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie ergebe sich, dass sich Artikel 24 Abs 1 und 2 Unions¬bürgerrichtlinie auf die Unionsbürger beziehe, die sich iS des Artikel 24 Abs 1 Unionsbürger¬richtlinie "aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates" aufhielten, mithin nach dieser ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmestaat hätten. Nach Artikel 6 Abs 1 und Artikel 7 Abs 1 Unionsbürgerrichtlinie hätten Unionsbürger, die weder Arbeitnehmer, noch selbständig im Aufnahmemitgliedsstaat seien, und auch nicht über ausreichende Existenzmittel für sich und ihre Angehörigen verfügten, ein Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anders Mitgliedsstaates nur für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten. Nach Artikel 14 Abs 4 Buchst b Satz 1 Unionsbürgerrichtlinie dürfe gegen Unionsbürger auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn sie in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedsstaates eingereist seien, um Arbeit zu suchen. Dies gelte nach Artikel 14 Abs 4 Buchst b Satz 2 Unionsbürgerrichtlinie solange, wie die Unionsbürger nachweisen könnten, dass sie weiterhin Arbeit suchten und eine begründete Aussicht hätten, eingestellt zu werden. Artikel 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie bestimme mithin, dass alle diejenigen Unionsbürger, die weder Arbeitnehmer, noch Selbständige seien, nicht nur während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts im Auf¬nahmemitgliedsstaat ein Anspruch auf Sozialhilfe versagt werden könne, sondern solange, wie sie nicht nachweisen könnten, Arbeit zu suchen und eine begründete Aussicht hätten, einge¬stellt zu werden (unter Bezugnahme auch auf Ziffer 21 der der Unionsbürgerrichtlinie voran¬gestellten "Gründe"). Im Einklang hiermit bestimme § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, dass Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hätten. Diese Leistungen seien "Sozialhilfe" iS des Artikels 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie (Bezug¬nahme auf Fuchs in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Auflage 2005, RdNr 29 zu Artikel 4). Ob eine Leistung "Sozialhilfe" im Sinne des Artikels 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie sei, sei anhand der Wesensmerkmale der Leistung, insbesondere anhand ihrer Zweckbestimmung und der Voraussetzungen für ihre Gewährung zu bestimmen (unter Bezugnahme auf die zitierte Ent¬scheidung des EuGH vom 04. Juni 2009 und Fuchs, aaO, RdNr 36 zu Artikel 4). Die Leistun¬gen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne der §§ 1 Abs 2 Nr 2, 3 Abs 3, 19 bis 28 SGB II dienten (anders als die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne der §§ 1 Abs 2 Nr 1, 3 Abs 1, 14 bis 18a SGB II) sowohl ihrem Namen nach ("Leistungen zur Sicherung des Lebens¬unterhalts"), als auch nach dem Willen des Gesetzgebers (Bezugnahme auf Bundestagsdrucksache 15/1516 Seite 45) dem Zweck, das "soziokulturelle Existenzminimum" zu sichern. Sie würden beitragsunabhängig gewährt, soweit die in den §§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, 9 Abs 1, 20 bis 23 SGB II umschriebenen Bedarfe vorlägen. Der Eingliederung in Arbeit dienten sie nicht (unter Bezugnahme auf Löschau/Marschner, Reform der Grundsicherung für Arbeitssuchende, 2. Aufl 2007, Rz 19).

Mit der Berufung hat der Kläger seine Ansprüche zunächst im vollen Umfang weiterverfolgt.

In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 11. November 2009 haben sich die Beteiligten hinsichtlich der Ansprüche des Klägers auf Leistungen für die Kosten der Unterkunft (und Heizung) für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 11. November 2009 verglichen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld II in Form der Regelleistung dem Grunde nach für die Zeit vom 01. März 2009 bis zum 11. November 2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil des SG.

Der Senat hat im Rahmen des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens in der Sache L 10 AS 1154/09 B ER zwei Zwischenverfügungen (am 03. August 2009 und am 02. November 2009) erlassen. In Ausführung dieser Zwischenverfügungen hat die Beklagte dem Kläger unter dem Vorbehalt der Rückforderung vorläufig Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Mai 2009 bis zum 11. November 2009 bewilligt und gezahlt, und zwar für die Zeit vom 03. August 2009 bis zum 11. November 2009 Regelleistungen und für die Zeit vom 01. Mai 2009 bis zum 31. Oktober 2009 Kosten der Unterkunft (Bescheide vom 26. August 2009 und 03. November 2009).

Der Senat hat den Kläger zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen während des streitigen Zeitraums befragt; hinsichtlich der Einzelheiten der Angaben des Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11. November 2009 (dort Seite 2f) verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 121 AS 16414/09 ER; L 10 AS 1154/09 B ER), insbesondere die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte der Beklagten und die der BA Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht für den streitigen Zeitraum vom 01. März 2009 bis zum 11. November 2009 dem Grunde nach ein Anspruch auf die ihm nach § 20 Abs 2 iVm §§ 21, 9, 11 und 12 SGB II zustehenden Regelleistung zu.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur) der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2009 (§ 95 SGG) und zwar – nachdem die Beteiligten sich im Übrigen verglichen haben – nur noch, soweit darin die Ablehnung des Anspruchs auf Regelleistung ab dem 01. März 2009 verfügt worden ist. Insoweit handelt es sich um einen abtrennbaren Verfügungssatz (iS von § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)) des Bescheides (zur Selbständigkeit der Verfügungen über die von der BA und vom kommunalen Träger zu erbringenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Bundessozialgericht (BSG) (7b. Senat) SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff). Die Bescheide vom 26. August 2009 und 03. November 2009 sind nicht nach § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Weder ersetzen sie als Ausführungsbescheide zu den vom Senat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erlassenen Zwischenverfügungen den Bescheid vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 2009, noch ändern sie diesen ab (vgl BSGE 9, 169, 170; BSG (6. Senat) SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 191 f und BSG (7a. Senat) SozR 4-4300 § 193 Nr 10 S 46 zu als Ausführungsbescheiden gekennzeichneten Bescheiden zu einem noch nicht rechtskräftigen Urteil). Sie tragen nur iS einer vorläufigen Regelung den Zwischenverfügungen des Senats Rechnung. Ebenso wenig erledigen sie den ursprünglichen Ablehnungsbescheid (teilweise) gemäß § 39 Abs 2 SGB X. Sie enthalten vielmehr lediglich vorläufig Regelungen bis zum Abschluss des hier zu entscheidenden Hauptsache¬verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung.

Obgleich sich der Kläger hier gegen den Bescheid vom 31. März 2009 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2009) wendet, mit dem die Beklagte die von ihm ab dem 01. März 2009 beantragten Leistungen ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt hat, hat er – prozessual sachgerecht – keinen über den 11. November 2009 (Tag der (einzigen) mündlichen Verhandlung des Senats) hinausgreifenden Antrag gestellt. Denn nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG ist in einem solchen Fall grds (von zulässigen Begrenzungen des Streitgegenstands, etwa durch teilweise Klagerücknahme, abgesehen) die Prüfung des streitgegen¬ständlichen Anspruchs auf die gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht verstrichene Zeit beschränkt (vgl nur BSG (11b. Senat) SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 14 mwN, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14/7b AS 8/07 R, juris RdNr 10 und Urteil vom 01. Juli 2009 – B 4 AS 9/09 R, juris RdNr 10; vgl auch Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, RdNr 13a zu § 41 und BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 12/06 R, juris RdNr 8)und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne dass es hierfür eines neuen Bescheides bedürfte zum Fall der Änderung nach dem maßgeblichen Zeitpunkt: BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 14/11b AS 7/07 R - RdNr 23; Eicher, aaO, RdNr 13b). Für eine Verurteilung der Beklagten für einen Zeitraum nach dem 11. November 2009 wäre daher kein Raum gewesen. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG). Der Senat ist auch berechtigt, über diese Klage – wie beantragt – durch Grundurteil (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) zu entscheiden, da die gesetzlichen Anspruchs¬voraussetzungen der Leistungen nach dem SGB II erfüllt sind (vgl nur BSG (7b.Senat) SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 16 und (11b. Senat) SozR 4-4200 § 12 Nr 4, RdNr 15, jeweils mwN).

Der Kläger gehört im streitigen Zeitraum auch zum Kreis der Leistungsberechtigten iS des § 7 Abs 1 SGB II.

Der Kläger hat das vorausgesetzte Lebensalter (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II idF desGesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007 (BGBl I 554)) und seine Erwerbsfähigkeit ist nicht aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 8 Abs 1 SGB II). Er ist auch im rechtlichen Sinne erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 8 Abs 2 SGB II, jeweils idF Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954), im Folgenden: Gesetz vom 24. Dezember 2003), da er nach § 2 Abs 2 Nr 1 1. Alt FreizügG/EU (vom 30. Juli 2004 (BGBl I 1950) idF des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (EURLAsylUmsG; BGBl I 1970); im Folgenden ohne Zusatz zitiert), das auf ihn als Unionsbürger französischer Staatsangehörigkeit anwendbar ist (§ 1 FreizügG/EU), als Arbeitnehmer gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt ist (dazu sogleich) und keine Arbeitsgenehmigung nach § 284 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) benötigt (§ 13 FreizügG/EU).

Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass der Kläger spätestens seit dem 01. Mai 2008, dem Zeitpunkt, zu dem er hier erstmals eine unbefristet angemietete Wohnung inne hatte, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II idF des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I)) hatte, da er sich seither im Inland unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er hier nicht nur vorübergehend verweilt. Spätestens seit dem 01. Mai 2008 war sein Aufenthalt in Berlin nicht mehr an einen genau bestimmten – einer engen zeitlichen Begrenzung unterliegenden – Zweck gekoppelt, sondern vielmehr zukunftsoffen ausgestaltet (vgl BSG SozR 3 –1200 § 30 Nr 21). Seither liegt der örtliche Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland

Der Kläger ist schließlich während des streitigen Zeitraums auch hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II idF des Gesetzes vom 24. Dezember 2003) gewesen. Nach § 9 Abs 1 SGB II (idF des Gesetzes vom 24. Dezember 2003) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemein¬schaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Der Kläger, der hier gemäß § 7 Abs 3 Nr 1 SGB II (idF des Gesetzes vom 24. Dezember 2003) allein für seine Person "eine Bedarfsgemeinschaft" bildet (dazu BSG (7b. Senat) SozR 4-4200 § 20 Nr 2, RdNr 18 mwN), konnte im streitigen Zeitraum seinen Regelleistungsbedarf (§ 20 Abs 2 Satz 1 idF des Gesetzes vom 24. März 2006, Abs 4 SGB II) von 351,00 EUR monatlich vom 01. März 2009 bis zum 30. Juni 2009 und 359,00 EUR monatlich vom 01. Juli 2009 bis zum 11. November 2009 nicht aus eigenen Kräften und Mitteln decken. Dies ergibt sich mit hinreichender Überzeugungskraft aus den Gesamtumständen und den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats, die zwar an einer gewissen – im Rahmen der Befragung nicht zu beseitigenden – Oberfläch¬lichkeit litten, aber alles in allem glaubhaft waren. Es gibt danach keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger in größerem Umfang als von ihm angegeben finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden haben, insbesondere ist kein Anlass gesetzt zu vermuten, er könnte Erwerbseinkommen erzielt haben. Zum Verbrauch der ursprünglich vorhanden gewesenen Mittel sind nachvollziehbare und nicht unplausible Angaben gemacht worden, die geeignet sind, aus¬reichend zu erklären, wie die leistungsfreien Zeiträume wirtschaftlich überbrückt wurden. Zu berücksichtigende Vermögenswerte (vgl § 12 SGB II) waren im streitigen Zeitraum nicht vorhanden. Insoweit ist aus den dargelegten Gründen die Angabe des Klägers akzeptabel, er habe zu Beginn des streitigen Zeitraums noch über einen Geldbetrag von etwa 2.000,00 EUR verfügt. Dieser Betrag liegt deutlich unter dem Grundfreibetrag des § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II. Der Verkehrswert seines Kraftfahrzeugs (Renault Clio, gefahrene Kilometer ca 100.000,00 km) liegt bei realitätsnaher Betrachtung unter dem Verkehrswert für ein angemessenes Kraftfahrzeug nach § 12 Abs 3 Nr 2 SGB II (idF des Gesetzes vom 24. Dezember 2003) von 7500,00 EUR (BSG (14. Senat) SozR 4-4200 § 12 Nr 5 RdNr 13). Anhaltspunkte dafür, dass er die erforderliche Hilfe im streitigen Zeitraum vorrangig von anderen erhalten hat, ergeben sich auf Grundlage der klägerischen Schilderungen zur Überzeugung des Senats ebenfalls nicht.

Der Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten und des SG nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II (idF des EURLAsylUmsG vom 19. August 2007 (aaO)) als Ausländer, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, aus dem Kreis der Leistungsberechtigten iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ausgenommen. Allein diese Ausnahme kommt in Betracht, da der Kläger sich zu Beginn des streitigen Zeitraums (01. März 2009) bereits mehr als drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hatte (§ 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II) und er auch kein Leistungsberechtigter nach § 1 Asylbewerber¬leistungsgesetz ist (§ 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II).

Zwar ergibt sich im streitigen Zeitraum das Aufenthaltsrecht des Klägers allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 2. Alt FreizügG/EU sind Unionsbürger freizügigkeits¬berechtigt, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Dabei gewährt das FreizügG/EU sogar ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bei Arbeitssuche und verzichtet im Gegensatz zu Art 14 Abs 4 Buchst b Unionsbürgerrichtlinie (ABl der EU Nr L 158 vom 30. April 2004 S 77, berichtigt in ABl Nr L 229 vom 29. Juni 2004 S 35) auf die Anforderung der "begründeten Erfolgsaussicht" der Arbeitssuche. Ein Wegfall des Aufent¬halts¬¬rechts iS des § 2 Abs 2 Nr 1 2. Alt FreizügG/EU kommt danach nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen ist, dass der Unionsbürger in Wirklich¬keit keinerlei ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Januar 2009 - 19 C 08.3271, juris RdNr 6f mwN). Obwohl bereits zu Beginn des streitigen Zeitraums (am 01. März 2009) die letzte Arbeit¬nehmer¬tätigkeit (vom 01. Februar 2008 bis zum 23. Juni 2008) mehr als acht Monate zurück¬lag, hat der Senat im Ergebnis – insbesondere in Ansehung der detaillierten und insoweit auch deshalb glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhand¬lung des Senats - keinen Zweifel daran, dass er nicht nur ab dem 01. April 2009, dem Tag, an dem er sich bei der BA erneut arbeitssuchend gemeldet hat, sondern auch schon zu Beginn des streitigen Zeitraums die ernsthafte Absicht hatte, eine Beschäftigung aufzunehmen, und ihm somit (auch) während des gesamten streitigen Zeitraums ein Aufent¬halts¬recht iS des § 2 Abs 2 Nr 1 2. Alt FreizügG/EU zustand.

Dem Kläger stand während des streitigen Zeitraums auch kein sonstiges, die Anwendbarkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von vornherein ausschließendes Aufenthaltsrecht zur Seite. Er war während dieses Zeitraums nicht als Arbeitnehmer tätig (§ 2 Abs 2 Nr 1 1. Alt FreizügG/EU). Das durch seine Beschäftigung (als Handwerkshelfer) vom 01. Februar 2008 bis zum 23. Juni 2008 erworbene Aufenthaltsrecht (§ 2 Abs 2 Nr 1 1. Alt FreizügG/EU; vgl zu den Anforderungen, die an die Erlangung des Arbeitnehmerstatus zu stellen sind: Urteil des EuGH vom 04. Juni 2009, aaO und Senatsbeschluss vom 08. Juni 2009 – L 10 AS 617/09 B ER, juris RdNr 4f mwN) kann – da die Beschäftigung weniger als ein Jahr dauerte – höchstens für die Dauer von sechs Monaten fortbestanden haben (§ 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU) und war daher vor Beginn des hier streitigen Zeitraums, nämlich im Dezember 2008, erloschen. Der Kläger hat sich innerhalb der streitbefangenen Zeitspanne auch nicht zum Zwecke der Berufausbildung in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten (§ 2 Abs 2 Nr 1 3. Alt FreizügG/EU), denn der von ihm besuchte Deutschkurs ist nicht auf einen bestimmten Beruf bezogen und kann jedenfalls deshalb nicht als Berufsausbildung qualifiziert werden. Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers übte er im strittigen Zeitraum auch keine selbständige Tätigkeit aus (§ 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU). Abgesehen davon, dass der Kläger seine im Dezember 2008 aufgenommenen Bemühungen um die Anmietung eines Geschäftsraums am 05. Januar 2009 – und damit weit vor dem 01. März 2009 (Beginn des streitigen Zeitraums) – eingestellt hatte, lässt nur die niedergelassene selbständige Erwerbs¬tätigkeit die Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU entstehen. Das aus Art 43 EGV (idF des während des hier streitigen Zeitraums noch gültigen Vertrages von Nizza vom 26. Februar 2001, BGBl II 2001 1666; im Folgenden ohne Zusatz zitiert) resultierende Niederlassungsrecht setzt voraus, dass ein Erwerbstätigkeit selb¬ständig und auf der Grundlage einer festen Einrichtung dauerhaft auf die Teilnahme am Wirt¬schaftsleben im Aufenthaltsstaat angelegt ist, wobei eine ernstzunehmende Gewinnerzielungs¬absicht zu fordern ist. Allein die Anmeldung eines Gewerbes genügt nicht (A. Loose in GK-SGB II 4, Stand: August 2008, RdNr 32 zu § 7 mwN zur Rechtsprechung des EuGH). Der Kläger verfügte aber zu keinem Zeitpunkt seit seiner Einreise über eine entsprechende Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland. Schon deshalb scheidet ein fortdauerndes Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 2. Alt FreizügG/EU aus. Da der Kläger auch über keine Niederlassung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verfügte und verfügt, erfüllte er auch nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Nr 3 FreizügG/EU. Denn die Frei¬zügig¬keitsberechtigung nach dieser Bestimmung setzt voraus, dass der Unternehmer seine Leistung außerhalb des Staates seiner Niederlassung erbringt (Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl 2005, RdNr 14 zu § 2 FreizügG/EU). Ebenso wenig kann sich der Kläger auf § 2 Abs 2 Nr 4 FreizügG/EU berufen. Zwar sind Unionsbürger auch dann freizügigkeitsberechtigt, wenn sie während des Aufenthalts in dem anderen Mitgliedstaat lediglich Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, zB als Touristen, Patienten oder Studierende. Allerdings müssen sie auch inso¬weit gemäß § 4 Satz 1 FreizügG/EU über die erforderlichen Existenzmittel und eine Kranken¬versicherung verfügen (Renner, aaO, RdNr 15 mwN), was jedenfalls bezogen auf das Erforder¬nis der erforderlichen Existenzmittel im streitigen Zeitraum beim Kläger nicht der Fall war. Deswegen kann der Kläger sein Aufenthaltsrecht auch weder aus § 2 Abs 2 Nr 5 FreizügG/EU, wonach nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, noch aus § 2 Abs 2 Nr 6 FreizügG/EU ab¬leiten, wonach Familienangehörige ua unter den Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU frei¬zügigkeitsberechtigt sind. Schließlich hat der Kläger bisher noch kein Daueraufenthaltsrecht erworben (§ 2 Abs 2 Nr 7 FreizügG/EU), da er sich nicht bereits fünf Jahre ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 4a Abs 1 FreizügG/EU).

Ob der in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II durch Bundesgesetz bestimmte Ausschlusstatbestand vollen Bestand hat oder ob er als (ggf teilweise) nicht europarechtskonform Grundsicherungs¬leistungen ganz oder teilweise nicht auszuschließen vermag, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (zum Meinungsstand: Hailbronner, ZFSH/SGB 2009, 195, 199ff). Eine klare Positionierung, ähnlich der hier vom SG vertretenen Auffassung, findet sich etwa im Beschluss des Landessozial¬gerichts (LSG) Berlin-Branden¬burg vom 08. Juni 2009 – L 34 AS 790/09 B ER (juris RdNr 5ff). Danach setzt der Ausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, soweit er "solche Leistungen betrifft, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebens¬¬unterhalt sichern sollen" (was für die Leistung nach § 20 Abs 1 SGB II im Gegensatz zu den Leistungen nach dem 3. Kap 1. Abschnitt des SGB II der Fall sei), national die nach Art 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie aus¬drücklich erlaubten Begrenzungen um. Art 24 Abs 2 Unionsbürger¬richtlinie verstoße nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht. Art 39 Abs 2 EGV sei nicht verletzt, solange keine Be¬schränkung von Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, vorge¬nommen werde, zudem könne es an einer hinreichenden Verbindung zum Arbeitsmarkt des Aufenthaltsstaates fehlen. Art 12 EGV begünstige nur EU-Bürger mit einer Aufenthalts¬erlaubnis oder einem Daueraufenthaltsrecht iS von § 2 Abs 2 Nr 7 FreizügG/EU. Diese Rechtsprechung sieht sich mit dem Urteil des EuGH vom 04. Juni 2009 (aaO) in Einklang, soweit dort ausgeführt wird, der Ausschluss des "Anspruchs auf Sozialhilfe" (Art 24 Abs 2 Unionsbürger¬richtlinie) verstoße nicht gegen europäisches Primärrecht. Die so zu umreißende Auffassung ist nur dann tragfähig, wenn die zumeist nicht ausdrücklich problematisierte Voraussetzung zutrifft, dass der Leistungskatalog des SGB II in solche Leistungen, die als Sozialhilfe zu betrachten sind, und andere (solche, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen) aufgespalten und in der Folge bzgl der Frage eines europarechtlich wirksamen Ausschlusses unterschiedlich beurteilt werden kann. Eben dies wird bestritten (LSG Berlin-Branden¬burg, Beschluss vom 25. April 2007 – L 19 B 116/07 AS ER, juris RdNr 27; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, RdNr 18 zu § 7), wobei (ebenfalls) eine die postulierte Zielvorstellung tragende Argumentation fehlt. Der EuGH (vgl aaO zu 43.), dem die Auslegung nationalen Rechts auch nicht obliegt, hat nur aufgezeigt, dass es als Hinweis darauf angesehen werden könne, dass die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen seien, den Zugang zur Beschäf¬tigung erleichtern sollen, wenn vorgesehen ist, dass der Berechtigte erwerbs¬fähig sein müsse.

Für den vorliegenden Fall bedarf dies einer Vertiefung und Entscheidung nicht, denn dem Kläger als französischem Staatsbürger darf die Regelleistung selbst dann nicht vorenthalten werden, wenn der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II in der beschriebenen Weise europäisches Recht verletzt, denn er wird durch Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953 (BGBl II 1956 564) begünstigt, und der Leistungsausschluss ist entsprechend einschränkend auszulegen. Nach dieser Vorschrift sind den Staatsangehörigen der Vertragsstaaten, die sich erlaubt im Gebiet eines anderen Vertragsstaats aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, die dort gesetzlich vorgesehenen Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge in gleicher Weise wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren. Im Sinne des Abkommens bedeutet "Fürsorge" jede Fürsorge, die ein Vertragsstaat nach den geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert; ausgenommen sind beitragsfreie Renten und Leistungen zugunsten der Kriegsopfer und der Besatzungsgeschädigten (Artikel 2 Abs a Nr ii EFA). Dieser sowohl für die Bundesrepublik Deutschland wie für Frankreich geltende völkerrechtliche Vertrag ist durch das Zustimmungsgesetz vom 15. Mai 1956 (BGBl II 1956 563) in innerstaatlich anwendbares und Rechte des Einzelnen begründendes Recht transformiert worden, weil der Zweck des Vertrages, den Angehörigen der Vertragsstaaten auf den Gebieten der sozialen und der Gesundheitsfürsorge Gleichbehandlung mit den Inländern einzuräumen, nur erreicht werden kann, wenn diese die Gleichbehandlung mit den Inländern nach Maßgabe der im Anhang I des Abkommens genannten nationalen Gesetze unmittelbar geltend machen können (zum Sozialhilferecht: Bundeswaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18. Mai 2000 – 5 C 29/98, juris RdNr 9 = BVerwGE 111, 200, 201). Der Kläger hat sich – wie bereits dargelegt – im streitigen Zeitraum erlaubt in Deutschland (§ 2 Abs 2 Nr 1 2. Alt FreizügG/EU) aufgehalten und ist auch Inhaber einer entsprechenden (ohnehin nur deklaratorische Bedeutung besitzenden, vgl hierzu überzeugend: Epe in GK-AufenthG, Stand: Februar 2009, RdNr 12 zu § 5 FreizügG/EU) Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU.

Der Kläger hat danach Anspruch auf "Fürsorge" wie ein deutscher Staatsbürger, der sich im Inland gewöhnlich aufhält. Als Leistungen der Fürsorge sind nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) am 31. Dezember 2004 nicht nur die im SGB XII, sondern auch die im SGB II für Hilfebedürftige geregelten Leistungen anzusehen (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14. Januar 2008 - L 8 SO 88/07 ER, juris RdNr 38; Mangold/Pattar, VSSR 2008, 243, 259; Brühl/Schoch in Münder, SGB II, 3. Aufl 2009 RdNr 35 zu § 7; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06. Mai 2009 – L 20 B 15/09 AS ER, www.sozialgerichtsbarkeit.de; wohl auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 30. Januar 2009 - L 25 B 1969/08 AS ER, juris RdNr 9 und 30. Mai 2008 - L 14 B 282/08 AS ER, juris RdNr 6 aE; aA LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. November 2008 – L 5 B 801/08 AS ER, juris RdNr 27 (unter Hinweis darauf, dass das SGB II kein reines Nachfolgegesetz zum BSHG sei, sondern auch wesentliche Vorschriften der Arbeitsförderung beinhalte, die zuvor im SGB III enthalten gewesen seien)). Zwar sind die Leistungen nach dem SGB II nicht identisch mit denen des BSHG und des SGB XII. Die in diesen beiden Büchern vorgesehenen Leistungen sind aber zumindest vergleichbar; weitgehend stimmen sie überein und sind derzeit in der Höhe sogar identisch. Sie setzen Bedürftigkeit, aber keine vorherige Beitragszahlung oder Versicherungszeit voraus. Damit liegt kein Unterschied zu den BSHG-Leistungen, die "ohne weiteres" zu den Leistungen der sozialen Fürsorge iS von Art 1 EFA zählten (dazu sogleich), im Inhaltlichen vor, unterschiedlich ist nur der Adressatenkreis (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Dieser beschränkt sich auf einen Teil des nach dem BSHG berechtigt gewesenen Personenkreises, wobei für die nicht nach dem SGB II berechtigten Hilfebedürftigen die gleich strukturierte und derzeit gleich hohe Leistung nach dem SGB XII vorgesehen ist. Dass auch der Gesetzgeber sowohl Leistungen nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII als "Fürsorgeleistungen" ansieht, wie sie bis zum 31. Dezember 2004 das BSHG vorsah, belegen die dem Außerkrafttreten jenes Gesetzes Rechnung tragenden Neufassungen beispielsweise der §§ 31 Abs 2 Satz 3, Abs 4 Satz 1 oder 35 Abs 3 Satz 1 Nr 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG; vermutlich Folge eines "redaktionellen Versehens" ist die unterbliebene Neufassung des § 55 Abs 2 Nr 6 AufenthG).

Unerheblich ist, dass die Bundesrepublik Deutschland – entgegen ihren sich aus Artikel 16 Abs a und b EFA ergebenden Verpflichtungen – das Außerkrafttreten des BSHG bzw seine Ablösung durch das SGB II und das SGB XII dem Generalsekretär des Europarates bislang offenbar nicht mitgeteilt hat – jedenfalls ist im Anhang I des Abkommens (neben einzelnen Bestimmungen des Achten Buches Sozialgesetzbuch und des Infektionsschutzgesetzes) noch das BSHG ("zuletzt geändert durch das Gesetz vom 13. September 2001") genannt. Aus dem Umstand, dass nach Art 2 EFA nur die im Anhang genannten Rechtsvorschriften Anwendung finden und keine Anpassung an die aktuelle Gesetzlage erfolgt ist, kann nicht der Schluss gezogen werden, das EFA finde keine Anwendung (so aber Bayerisches LSG, Beschluss vom 04. Mai 2009 - L 16 AS 130/09 B ER, juris RdNr 30). Denn die Aufnahme in den Anhang I bzw die entsprechende Mitteilung an den Generalsekretär des Europarates hat – ungeachtet dessen, dass die Anhänge Bestandteil des EFA sind (Art 19 EFA) – keine rechtsbegründende ("konstitutive"), sondern lediglich klarstellende ("deklaratorische") Bedeutung, um die übrigen Vertragsstaaten über den Stand der Fürsorgegesetzgebung zu unterrichten (BVerwG, aaO, juris RdNr 19 und BVerwGE 111, 200, 206f). Andernfalls hätte es – wie gerade der vorliegende Fall zeigt – ein Vertragsstaat in der Hand, durch das – abkommenswidrige – Unterlassen einer nach Artikel 16 vorgeschriebenen Mitteilung den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten nach dem EFA zu gewährende Rechte ("auf kaltem Wege") vorzuenthalten.

Die Bundesrepublik Deutschland hat zum EFA auch keinen Vorbehalt abgegeben, der sich auf den Anspruch des Klägers auswirken könnte. Der von der Bundesrepublik Deutschland abgegebene, am 11. Oktober 1990 beim Generalsekretär des Europarats eingegangene Vorbehalt bezieht sich – lediglich – auf die damals in § 30 BSHG geregelten sozialhilferechtlichen Hilfen zum Ausbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage (am ehesten noch vergleichbar dem jetzt in § 29 SGB II normierten Einstiegsgeld) und die in § 72 BSHG vorgesehenen Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (deren Standort jetzt das Achte Kapitel des SGB XII ist). Solche Leistungsansprüche macht der Kläger hier aber gerade nicht geltend. Die Rechtsfrage, ob das EFA nur auf diejenigen Ausländer anwendbar ist, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhalten und nicht – zur Vermeidung einer Wanderung aus einem Sozialleistungssystem in ein anderes – auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen in einen Vertragsstaat einreisten (so zum Sozialhilferecht: Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. April 2003 – 16 S 9.03, juris), ist hier nicht entscheidungserheblich, denn der Kläger ist nicht als bereits bedürftige Person eingereist. Der Kläger verfügte zum Zeitpunkt seiner Einreise noch über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. An der Richtigkeit seiner diesbezüglichen, in der mündlichen Verhandlung des Senats gemachten Angaben zu zweifeln, besteht schon deshalb kein Anlass, weil er erst am 28. Januar 2008 bei der BA die Auszahlung seines aus Frankreich exportierten, das Existenzsicherungsniveau klar übersteigenden Anspruches auf Arbeitslosengeld beantragte und erstmals am 28. April 2008, und damit etwas mehr als vier Monate nach seiner Einreise, existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II beantragt hat. Dem Anspruch des Klägers kann schließlich auch nicht entgegen gehalten werden, dass das SGB II als späteres Gesetz dem Abkommen vorgehen würde. Der aus dem rechtsstaatlichen Postulat der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung abgeleitete ungeschriebene, aber gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssatz "lex posterior derogat legi priori" gilt zwar auch im Verhältnis von einfachem Bundesgesetzesrecht zu völkerrechtlichem Vertragsrecht, das nach Art 59 Abs 2 Satz 1 GG in innerstaatliches Recht mit dem Range einfachen Bundesrechts transformiert worden ist. Er beansprucht aber nur Geltung für die Lösung temporaler Kollisionen tatbestandsidentischer Normen und nur für den Fall, dass sich dem jüngeren Gesetz im Wege der Auslegung keine Aussage über das Schicksal des älteren Rechts entnehmen lässt (vgl BVerwG, aaO, mwN). Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 2. Alt SGB II bezieht sich auf alle arbeitssuchenden Ausländer, nicht nur auf solche, die zu den Signatarstaaten des EFA gehören. Für arbeitssuchende Ausländer aus den Signatarstaaten ist das EFA daher die speziellere Norm. Außerdemist im allgemeinen nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 26. März 1987 – 2 BvR 589/79, 740/81 und 284/85, BVerfGE 74, 358,370). Darauf deutet hier nichts hin. Abgesehen davon bleiben nach § 30 Abs 2 SGB I "Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts (von den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs) unberührt."

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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