L 34 AS 883/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 61 AS 10946/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 883/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006, in der sie sich im offenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt für Frauen B, Bereich R (JVA) befand, Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.

Die 1961 geborene Klägerin steht seit dem 1. Januar 2005 im Leistungsbezug des Beklagten. Mit Bescheid vom 14. Juni 2006 wurden ihr Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 8. September 2006 erkannte der Beklagte wegen einer zum 1. September 2006 fälligen Betriebskostennachzahlung für die Zeit vom 1. bis 30. September 2006 Leistungen in Höhe von 895,81 Euro (345,00 Euro Regelleistung und 401,67 Euro Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten sowie 149,14 Euro Betriebskostennachzahlung) sowie für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 wegen einer Mieterhöhung zum 1. Oktober 2006 monatlich 768,31 Euro (345,00 Euro Regelleistung und 423,31 Euro Kosten der Unterkunft und Heizkosten) zu. Seit dem 11. September 2006 befand sich die Klägerin zur Verbüßung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe in der JVA, als Strafende wurde der 10. März 2007 angegeben. Mit Bescheid vom 19. September 2006 hob der Beklagte deshalb die Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 1. Oktober 2006 auf, weil die Hilfebedürftigkeit weggefallen sei. Den Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie vortrug, sie befinde sich im offenen Vollzug der JVA und stehe damit dem Beklagten weiterhin zur Verfügung, wies der Beklagte zurück, weil die Klägerin nicht tatsächlich eine Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden ausübe, was jedoch nach § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II Voraussetzung für den Bezug von Leistungen während einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung sei (Widerspruchsbescheid vom 2. November 2006).

Mit ihrer am 28. November 2006 beim Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren, Leistungen über den 30. September 2006 hinaus zu erhalten, weiterverfolgt und zur Begründung ausgeführt, dass ihr als Freigängerin Leistungen nach dem SGB II zustünden, weil sie im offenen Vollzug Urlaub und Ausgänge habe und zudem 20 Stunden wöchentlich im Unternehmen der JVA arbeite.

Der Beklagte hat eingewandt, die Klägerin befinde sich zwar im offenen Vollzug und arbeite in einem Unternehmensbetrieb der JVA, sie stehe jedoch weder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung noch sei sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 15 Wochenstunden erwerbstätig. Ausgang werde für Behördengänge und Bewerbungsbemühungen gewährt. Lediglich Personen, die im offenen Vollzug als Freigänger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich eine Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich ausübten, seien vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ausgenommen.

In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 61 AS 10946/06 ER hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 13. April 2007 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 19. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 hinsichtlich der Unterkunfts-/Heizungskosten in Höhe von monatlich 423,31 Euro angeordnet und den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für die Zeit vom 1. Januar bis 8. März 2007 vorläufig Unterkunfts-/Heizungskosten in Höhe von monatlich 423,31 Euro durch unmittelbare Zahlung an den Vermieter zu übernehmen. Mit Bescheid vom 10. Mai 2007 hat der Beklagte diesen Beschluss umgesetzt und der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 8. März 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form der Kosten der Unterkunft in Höhe von 423,31 Euro monatlich bewilligt.

Mit Bescheiden vom 11. September 2007 hat der Beklagte die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 19. September 2006 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen und sowohl für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 als auch vom 1. Januar bis 8. März 2007 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 423,31 Euro monatlich sowie für die Zeit vom 9. März bis 31. August 2007 und vom 1. September bis 31. Oktober 2007 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der Regelleistung (345,00 Euro bzw. ab 1. Juli 2007 347,00 Euro) bewilligt.

Die Klägerin hat das in der Bewilligung der Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 liegende Teilanerkenntnis in der öffentlichen Sitzung vom 24. April 2009 angenommen.

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 24. April 2009 unter Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2006 in der Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 11. September 2007 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt einer Regelleistung von 345,00 Euro monatlich zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch auf Gewährung der Regelleistung nach § 20 SGB II sei nicht nach § 7 Abs. 4 SGB II in der zum 1. August 2006 mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, S. 1760) in Kraft getretenen Neufassung (nF) ausgeschlossen. Die Verfahrensweise des Beklagten, der nach Regelleistung und Kosten der Unterkunft differenziere und sich an einer 6-Monats-Grenze orientiere, sei nach der Neufassung des Gesetzes nicht nachvollziehbar. Die Klägerin sei im streitgegenständlichen Zeitraum nicht von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen gewesen, denn ihr Haftaufenthalt sei keine Unterbringung in einer stationären Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II. Ein Haftaufenthalt begründe einen Leistungsausschluss nur dann, wenn er sich im Sinne des Begriffes der stationären Einrichtung als stationäre Unterbringung darstelle bzw. die Haftanstalt als stationäre Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II bewertet werden könne. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn der Inhaftierte haftbedingt nicht erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 SGB II sei. Die Klägerin habe sich bereits seit dem 13. September 2006 im offenen Vollzug mit umfangreichen Ausgängen und Urlaub befunden. Die dokumentierten Urlaube und Ausgänge hätten der Klägerin zwar nicht erlaubt, einer Erwerbstätigkeit von täglich drei bzw. wöchentlich 15 Stunden außerhalb der JVA nachzugehen, sie habe sich aber bereits vor dem 4. Dezember 2006 um eine Erwerbstätigkeit außerhalb der JVA bemühen dürfen. Sie sei zudem in Höhe des Regelsatzes hilfebedürftig. Verpflegungsaufwendungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht anzurechnen. Die im streitigen Zeitraum erzielten Einkünfte hätten in allen Monaten unter dem nach § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II zustehenden Freibetrag von 100,00 Euro monatlich gelegen und seien ebenfalls nicht anzurechnen.

Gegen das dem Beklagten am 13. Mai 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. Mai 2009 eingegangene Berufung, mit der der Beklagte vorträgt, die Klägerin habe im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf eine Regelleistung in Höhe von 347,00 Euro (richtig: 345,00 Euro), denn der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 4 SGB II greife ein. Das Sozialgericht habe übersehen, dass es der Klägerin weder tatsächlich möglich noch gestattet gewesen sei, außerhalb der JVA einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Allein der Umstand, dass er der Klägerin aufgrund des Beschlusses in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren Kosten der Unterkunft nicht nur vorläufig bewilligt habe, führe nicht dazu, dass die Klägerin hieraus einen Anspruch auf Bewilligung der Regelleistung herleiten könne. Die Ausführungen des BSG zu § 7 Abs. 4 SGB II alter Fassung könnten nicht uneingeschränkt auf den mit § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II neue Fassung geschaffenen Ausschlusstatbestand übernommen werden, durch den Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung vollstationären Einrichtungen gleichgestellt würden. Eine Ausnahme vom Ausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 SGB II könne daher nur für die Personen gelten, die tatsächlich eine umfassende Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausübten, was bei der Klägerin jedoch nicht der Fall gewesen sei. Vollzugslockerungen wie Ausgang und Urlaub seien einem Freigang mit der Möglichkeit, außerhalb der JVA einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, nicht gleichzustellen. Die theoretische Möglichkeit, den Freigängerstatus erlangen zu können, reiche für eine Anspruchsberechtigung nach § 7 SGB II nicht aus.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dem § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II könne kein Ausschlussgrund entnommen werden, aus dem sich ein genereller Leistungsausschluss bei Haft ergebe. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es für den Begriff der stationären Unterbringung darauf an, ob während des Aufenthaltes in der Einrichtung – hier der Haftanstalt – die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich sei oder nicht. Sie sei umfangreich freigestellt gewesen, bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit außerhalb der Haftanstalt wäre umgehend echter Freigang gewährt worden.

Die JVA hat auf Anfrage der Berichterstatterin mit Schreiben vom 26. August 2009 mitgeteilt, dass die Klägerin nicht in den Freigängerstatus versetzt worden sei – was ab 5. Dezember 2006 möglich gewesen wäre – weil sie keine Arbeit außerhalb der JVA gefunden habe. Am 26. Februar 2007 sei die Zustimmung zur Suche eines freien Beschäftigungsverhältnisses zurück gezogen worden, weil die Klägerin gegen Auflagen verstoßen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der die Klägerin betreffenden Leistungsakten (Az. ) der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind. Außerdem haben dem Senat die Gefangenen-Personalakten der Klägerin vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage, denn die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil sie entgegen der Auffassung des Sozialgerichts für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Gestalt der hier allein noch streitigen Regelleistungen hat. Der Beklagte hat die Leistungsbewilligung - jedenfalls insoweit - zu Recht aufgehoben. Soweit die Klägerin mit der Klage neben der Regelleistung auch die Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizkosten geltend gemacht hatte, ist ihr Anspruch durch das in dem Bescheid vom 11. September 2007 liegende Teilanerkenntnis, das sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 24. April 2009 angenommen hat, erfüllt.

Ein Anspruch auf Gewährung der Regelleistung ergibt sich nicht daraus, dass mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. September 2006 durch Bescheid vom 11. September 2007 die ursprüngliche Leistungsbewilligung vom 14. Juni 2006 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 8. September 2006, durch den die bewilligte Leistung für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 an die erhöhte Miete angepasst wurde, wiederauflebte, denn der Beklagte hat mit dem Aufhebungsbescheid am 11. September 2007 einen weiteren Bescheid erlassen, mit dem er die für den streitgegenständlichen Zeitraum zustehenden Leistungen nach dem SGB II auf die Kosten der Unterkunft und die Heizkosten nach § 22 SGB II begrenzt hat. Dass eine Aufhebung des Bescheides vom 19. September 2006 nur in Bezug auf die Kosten der Unterkunft beabsichtigt war, ergibt sich zum einen aus der Begründung des Aufhebungsbescheides vom 11. September 2007, die darauf abstellt, dass im Falle der Inhaftierung für einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten ein Anspruch auf Erstattung der angemessenen Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II bestehe, sofern diese Kosten während der Haft weiterhin anfielen und zum anderen aus dem mit gleichem Datum erlassenen Änderungsbescheid, mit dem der Beklagte für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 423,31 Euro bewilligte und zugleich "die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen" insoweit aufgehoben hat. Ob die für die Bewilligung der Kosten von Unterkunft und Heizung gegebene Begründung tragfähig ist, kann offen bleiben, weil die Klägerin das in der Bewilligung liegende Teilanerkenntnis angenommen und damit einer gerichtlichen Überprüfung entzogen hat.

Die Klägerin hat keinen über das Teilanerkenntnis hinaus gehenden Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus den §§ 7 Abs. 1, 19 Satz 1 SGB II. Der Beklagte war vielmehr nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X berechtigt, die mit Bescheid vom 14. Juni 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 8. September 2006 gewährte Dauerleistung mit Wirkung für die Zukunft wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (teilweise) aufzuheben. Allerdings ist entgegen der Begründung des Bescheides nicht die Hilfebedürftigkeit der Klägerin durch deren Inhaftierung entfallen, sondern der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 4 SGB II gegeben, der den Wegfall der Erwerbsfähigkeit gesetzlich fingiert.

Die Klägerin hat das 15., jedoch noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet und ist auch hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II), weil sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend mit eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Arbeitsentgelt sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere nicht von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Die Erbringung von Leistungen ist jedoch aufgrund des § 7 Abs. 4 SGB II nF ausgeschlossen. Danach erhält keine Leistungen, wer länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, wobei dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt ist (§ 7 Abs. 4 S. 2 SGB II). In § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II ist eine Ausnahme vom grundsätzlichen Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II vorgesehen, wenn derjenige, der in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, tatsächlich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist. Damit ist die Unterbringung in einer stationären Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 4 SGB II noch deutlicher als gesetzliche Fiktion der Erwerbsunfähigkeit ausgestaltet worden als in der ursprünglichen Gesetzesfassung. Diese Fiktion kann nur mit der Aufnahme einer mindestens 15 Wochenstunden umfassenden Erwerbsarbeit zu regulären Arbeitsmarktbedingungen widerlegt werden (BSG Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 16/07 R unter Bezugnahme auf Münder/Geiger, SGb 2007, 1, 4). Der Zugang zu den Leistungen des SGB II wird somit nur noch den Personen eröffnet, die tatsächlich mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind. Für eine Ausnahme vom Leistungsausschluss reicht es hingegen nicht (mehr) aus, wenn der Hilfebedürftige seine feste Absicht bekundet, mindestens 15 Wochenstunden tätig werden zu wollen (so Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 7 Rdnr. 102; Valgolio in: Hauck/Noftz SGB II, Stand: August 2008, § 7 Rdnr. 71 a). Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mindestens 15 Wochenstunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes beschäftigt. Zu Recht hat das Sozialgericht festgestellt, dass die von der Klägerin in einem Betrieb der JVA verrichtete Tätigkeit diesen Anforderungen nicht genügte, denn es handelte sich hierbei um eine im geschützten Bereich der Einrichtung ausgeübte Beschäftigung, die der Klägerin entsprechend ihrem Antrag, einer Beschäftigung nachgehen zu dürfen, zugewiesen wurde, die aber nicht den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprach. Die Klägerin war auch nicht in der Lage, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen, denn der Freigängerstatus, der ihr dies ermöglicht hätte, ist ihr ausweislich der Auskunft der JVA vom 26. August 2009 nicht zuerkannt worden, weil es ihr nicht gelungen war, eine entsprechende Tätigkeit zu finden. Zudem hätte ausweislich dieser Bescheinigung für die Klägerin erstmals ab dem 5. Dezember 2006 die Möglichkeit bestanden, in den Freigängerstatus versetzt zu werden. Allein die der Klägerin im offenen Vollzug gewährten Vollzugslockerungen, die ihr ermöglichten, Ausgänge und Urlaub für Behördengänge, Arbeitssuche und andere private Erledigungen (hier insbesondere Wohnungssuche und Vorbereitung eines Umzugs) zu erhalten, ließen die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu, die die Klägerin zudem auch ihren eigenen Angaben zufolge nicht verrichtet hat.

Da die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2006 keine Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt hat, greift zu ihren Gunsten nicht die in § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II geregelte Ausnahme vom allgemeinen Leistungsausschluss für zur Verbüßung einer richterlich angeordneten Freiheitsstrafe Inhaftierte in § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II. Da die Klägerin somit im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Regelleistungen nach dem SGB II hatte, war die Klage abzuweisen. Die Berufung des Beklagten ist somit erfolgreich und führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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