Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 2645/08 Berlin
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 50/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Nachdem der Kläger zunächst vom JobCenter Reinickendorf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielt, gewährte ihm der Beklagte ab Juni 2007 Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Bescheide vom 07. Juni 2007, 06. August 2007 sowie vom 06. September 2007).
Mit Schreiben vom 04. Juni 2008 teilte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg dem Beklagten auf Ersuchen nach § 45 Abs. 1 SGB XII mit, dass der Kläger die in § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII genannten Voraussetzungen nicht erfülle, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Beigefügt war ein zugrunde liegendes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie F. G vom 29. April 2008.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 stellte der Beklagte die gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII mit Wirkung ab dem 01. Juni 2008 ein. Durch die vorliegende Erwerbsfähigkeit lägen die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem Dritten Kapitel des SGB XII nicht mehr vor. Der Kläger habe ab dem 01. Juli 2008 zum Personenkreis der Leistungsberechtigten des SGB II gehört.
Den hiergegen am 17. Juni 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. September 2008 zurück.
Einen Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2008 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 08. Juli 2008 nahm der Kläger zurück.
Am 01. Oktober 2008 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin mit dem Begehren erhoben, ihm Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Das Sozialgericht hat dem Begehren des Klägers den Antrag entnommen,
den Bescheid des Beklagten vom 10. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ab Juli 2008 weiter Sozialhilfe nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2009 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 10. Juni 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 04. September 2008 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen: Die Klage sei im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet. Das Gutachten der Deutschen Rentenversicherung entbinde den Beklagten nicht - jedenfalls nicht, soweit Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII streitig seien - von seiner Verpflichtung zur weiteren Amtsermittlung. Das vorliegende Gutachten von Herrn G spreche inhaltlich eher für als gegen die Annahme eines vorübergehend auf unter drei Stunden pro Tag herabgesunkenen Leistungsvermögens. Der Beklagte hätte entweder durch seinen Sozialpsychiatrischen Dienst oder nach nochmaliger (ggf. externer) Begutachtung des Klägers zum tatsächlichen quantitativen Leistungsvermögen umfassend Stellung nehmen müssen. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückgabe der Sache an die Beklagte erscheine auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten als sachdienlich.
Gegen den dem Beklagten am 25. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 23. März 2009 Berufung eingelegt, mit der er die Aufhebung des Gerichtsbescheides und die Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht begehrt.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2008 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil eine Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Diese Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das Sozialgericht einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also wie hier stattgegeben hat (vgl. Keller in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 159 Rdnr. 2 b). Auf die Berufung des Beklagten ist der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, weil das Sozialgericht zu Unrecht, ohne in der Sache zu entscheiden, die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat. Dabei ist die Klageabweisung im Übrigen im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheides überflüssig und geht ins Leere. Insbesondere ist damit keine Entscheidung über das Begehren in der Sache verbunden. Denn nach Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2008 gemäß § 131 Abs. 5 SGG sollten nach Auffassung des Sozialgerichts über die Voraussetzungen des Anspruchs des Klägers auf Leistungen nach dem SGB XII auch Ermittlungen angestellt werden.
Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Vorschrift entsprach in ihrer alten Fassung § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und war entsprechend zu verstehen. Mit der ausdrücklichen Einbeziehung von Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsaktes und solchen nach § 54 Abs. 4 SGG geht die Vorschrift nunmehr darüber hinaus. Die vom Gesetzgeber eingeführte Anwendung auf Verpflichtungsklagen und so genannte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen ist durchaus zweifelhaft, da sie die gerichtliche Entscheidung über den Anspruch des Klägers verzögert. Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, ist es nach Einführung der Norm nicht länger gezwungen, selbst die ansonsten für die Klage erforderliche Spruchreife herzustellen. Zutreffend geht deshalb das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (NVwZ 2003, 1130, 1132) davon aus, dass die Vorschrift im Hinblick auf die Interessen der Beteiligten restriktiv auszulegen ist. Dies gilt umso mehr bei deren Anwendung auf Verpflichtungsklagen, bei denen der Kläger ein Interesse an der baldigen Entscheidung über seinen Anspruch hat. Das Interesse des Klägers an der Zurückverweisung (z. B. besondere Sachaufklärungskompetenz) muss den mit der Verzögerung verbundenen Nachteil überwiegen. Entlastungsaspekte für das Gericht dürfen keine Rolle spielen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage an dasselbe zurückzuverweisen (vgl. zur Problematik der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG im Rahmen des § 131 Abs. 5 SGG LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08 m. w. N.). Zwar hat das Sozialgericht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Behördenakten entschieden, die weiteren Voraussetzungen des § 131 SGG lagen jedoch nicht vor. Hierbei ist die Frage, ob die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vorliegen, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten, uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juni 2006 - L 4 SB 24/06; Keller in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 131 Rdnr. 20).
Im Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung der Gerichte von umfangreichen Sachverhaltsermittlungen und dem Bedürfnis der Beteiligten nach einer abschließenden und verbindlichen gerichtlichen Beurteilung des Rechtsstreits soll nach den § 131 Abs. 5 SGG tragenden Vorstellungen des Gesetzgebers das Interesse an der Entlastung der Justiz nur in besonders gelagerten Fällen überwiegen. Deshalb sind die hierfür genannten Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen. Nur dann, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung eine Sachverhaltsermittlung besser durchführen kann als das Gericht und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, die Behörde tätig werden zu lassen, soll die Vorschrift heranzuziehen sein (BT Drs. 11/7030 Seite 30 zu § 113 VwGO; BVerwG NVwZ 2003, 1130). Das lässt sich vorliegend nicht feststellen. Soweit noch Ermittlungen anzustellen sein sollten, könnte es sich nur um solche medizinischer Art handeln, die das Gericht als Tatsachengericht durch die Einholung medizinischer Gutachten nicht anders als der Beklagte veranlassen könnte. Zwar ist es zutreffend, dass sich das Sozialgericht in der Regel auf die Überprüfung der Sachentscheidung konzentrieren sollte anstatt das Verwaltungsverfahren in veredelter Form zu wiederholen (vgl. Roller, NZS 2009, 252, 254), ist das Verfahren jedoch aufgrund Klage beim Sozialgericht anhängig, stellt die Berücksichtigung der Belange der Beteiligten jedoch insoweit eine Begrenzung der Zurückverweisungsmöglichkeit dar.
Daneben ist schon nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Verfahren weitere Ermittlungen durch den Beklagten erforderlich sind. Vielmehr spricht vieles dafür, dass der Beklagte aufgrund der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers nach § 45 Abs. 1 SGB XII nach dessen Satz 2 kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gebunden ist. Der Beklagte dürfte nicht mehr befugt sein, darüber hinaus eigene Ermittlungen anzustellen (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, § 45 Rz. 4). Dies gilt - anders als das Sozialgericht meint - auch soweit der Rentenversicherungsträger in seinem Prüfauftrag nach § 45 Abs. 1 SGB XII die Feststellung trifft, der Betroffene könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig sein. Diese Feststellung, die auch einen Anspruch nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausschließt, wird nicht dadurch unverbindlich, dass sie in einem Ersuchen im Rahmen eines Anspruchs auf eine Leistung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII getroffen worden ist.
Wer nicht erwerbsfähig ist, ist nicht zwingend dauerhaft erwerbsgemindert im Sinne von § 41 SGB XII (Grube in Grube/Wahrendorf § 7 SGB II Rz. 25), weshalb eine Person, deren Erwerbsfähigkeit nach dem SGB II (§§ 7, 8) nicht vorliegt, nicht zwingend einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII hat. Hier kommen auch Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht. Wer allerdings erwerbsfähig ist, der ist grundsätzlich von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Die Feststellung des Rentenversicherungsträgers nach § 45 Abs. 1 SGB XII betrifft § 41 Abs. 3 SGB XII, d. h. eine Vorschrift, die neben der Abgrenzung der Anspruchsberechtigung nach dem Vierten Kapitel SGB XII und der nach dem Dritten Kapitel SGB XII, auch der Anspruchsberechtigung nach dem § 19 SGB II dient (vgl. Kreiner in Oestreicher, SGB XII, § 41 Rz. 2). Die dort getroffenen Feststellungen, an die der SGB XII Träger gebunden ist (Falterbaum in Hauck Noftz, § 45 Rz. 6) schließen, soweit eine Erwerbsfähigkeit festgestellt wird, jedoch sowohl einen Anspruch nach dem Vierten als auch nach dem - hier streitigen - Dritten Kapitel aus.
In einem solchen Fall, in dem der Rentenversicherungsträger im Rahmen eines Ersuchens nach § 45 Abs. 1 SGB XII die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen feststellt, bindet diese Feststellung den Sozialhilfeträger auch im Rahmen der Prüfung, ob dem Betroffenen ein Anspruch nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zusteht.
Der Beklagte ist in diesem Fall ausnahmsweise nicht verpflichtet und nicht befugt, weitere Ermittlungen zu treffen. Eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG kommt hier deshalb nicht in Betracht. § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB XII hindert jedoch nicht das Sozialgericht daran Ermittlungen anzustellen, wenn es denn das für den Sozialhilfeträger verbindliche Gutachten für nicht überzeugend hält. Es hat diese für erforderlich gehaltenen Ermittlungen allerdings selbst durchzuführen, da die Tatsachengerichte verpflichtet sind, umfassend von Amts wegen zu ermitteln.
Der angegriffene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Der Senat verweist den Rechtsstreit im Rahmen des ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessens zurück, weil das Sozialgericht als erste Tatsacheninstanz den Beteiligten erhalten bleiben soll. Dabei war insbesondere das Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung durch die erste Instanz zu berücksichtigen, welches er durch den Zurückverweisungsantrag zum Ausdruck gebracht hat. Dieses Interesse des Beklagten muss hinter dem Grundsatz der Prozessökonomie zurücktreten, da sowohl der Beklagte als auch der Kläger ansonsten eine Instanz verlieren würde.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten (vgl. Keller in Meyer Ladewig, a. a. O., § 159 Rdnr. 5 f.).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegen. Die Frage der Verbindlichkeit der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers im Rahmen des § 45 SGB XII für einen Bescheid, der Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ablehnt, ist nur einer der tragenden Gründe der Entscheidung.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Nachdem der Kläger zunächst vom JobCenter Reinickendorf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielt, gewährte ihm der Beklagte ab Juni 2007 Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Bescheide vom 07. Juni 2007, 06. August 2007 sowie vom 06. September 2007).
Mit Schreiben vom 04. Juni 2008 teilte die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg dem Beklagten auf Ersuchen nach § 45 Abs. 1 SGB XII mit, dass der Kläger die in § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII genannten Voraussetzungen nicht erfülle, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Beigefügt war ein zugrunde liegendes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie F. G vom 29. April 2008.
Mit Bescheid vom 10. Juni 2008 stellte der Beklagte die gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII mit Wirkung ab dem 01. Juni 2008 ein. Durch die vorliegende Erwerbsfähigkeit lägen die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem Dritten Kapitel des SGB XII nicht mehr vor. Der Kläger habe ab dem 01. Juli 2008 zum Personenkreis der Leistungsberechtigten des SGB II gehört.
Den hiergegen am 17. Juni 2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. September 2008 zurück.
Einen Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2008 ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 08. Juli 2008 nahm der Kläger zurück.
Am 01. Oktober 2008 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Berlin mit dem Begehren erhoben, ihm Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Das Sozialgericht hat dem Begehren des Klägers den Antrag entnommen,
den Bescheid des Beklagten vom 10. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ab Juli 2008 weiter Sozialhilfe nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren.
Mit Gerichtsbescheid vom 18. Februar 2009 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 10. Juni 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 04. September 2008 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen: Die Klage sei im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Bescheide nach § 131 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet. Das Gutachten der Deutschen Rentenversicherung entbinde den Beklagten nicht - jedenfalls nicht, soweit Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII streitig seien - von seiner Verpflichtung zur weiteren Amtsermittlung. Das vorliegende Gutachten von Herrn G spreche inhaltlich eher für als gegen die Annahme eines vorübergehend auf unter drei Stunden pro Tag herabgesunkenen Leistungsvermögens. Der Beklagte hätte entweder durch seinen Sozialpsychiatrischen Dienst oder nach nochmaliger (ggf. externer) Begutachtung des Klägers zum tatsächlichen quantitativen Leistungsvermögen umfassend Stellung nehmen müssen. Die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückgabe der Sache an die Beklagte erscheine auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten als sachdienlich.
Gegen den dem Beklagten am 25. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 23. März 2009 Berufung eingelegt, mit der er die Aufhebung des Gerichtsbescheides und die Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht begehrt.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Februar 2008 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil eine Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und zur erneuten Verhandlung an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Sozialgericht eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Diese Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das Sozialgericht einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen bzw. ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also wie hier stattgegeben hat (vgl. Keller in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 159 Rdnr. 2 b). Auf die Berufung des Beklagten ist der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen, weil das Sozialgericht zu Unrecht, ohne in der Sache zu entscheiden, die angefochtenen Bescheide aufgehoben hat. Dabei ist die Klageabweisung im Übrigen im Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheides überflüssig und geht ins Leere. Insbesondere ist damit keine Entscheidung über das Begehren in der Sache verbunden. Denn nach Aufhebung des Bescheides vom 10. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2008 gemäß § 131 Abs. 5 SGG sollten nach Auffassung des Sozialgerichts über die Voraussetzungen des Anspruchs des Klägers auf Leistungen nach dem SGB XII auch Ermittlungen angestellt werden.
Gemäß § 131 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGG kann das Gericht binnen sechs Monaten seit Eingang der Behördenakten bei Gericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Vorschrift entsprach in ihrer alten Fassung § 113 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und war entsprechend zu verstehen. Mit der ausdrücklichen Einbeziehung von Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsaktes und solchen nach § 54 Abs. 4 SGG geht die Vorschrift nunmehr darüber hinaus. Die vom Gesetzgeber eingeführte Anwendung auf Verpflichtungsklagen und so genannte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklagen ist durchaus zweifelhaft, da sie die gerichtliche Entscheidung über den Anspruch des Klägers verzögert. Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, ist es nach Einführung der Norm nicht länger gezwungen, selbst die ansonsten für die Klage erforderliche Spruchreife herzustellen. Zutreffend geht deshalb das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) (NVwZ 2003, 1130, 1132) davon aus, dass die Vorschrift im Hinblick auf die Interessen der Beteiligten restriktiv auszulegen ist. Dies gilt umso mehr bei deren Anwendung auf Verpflichtungsklagen, bei denen der Kläger ein Interesse an der baldigen Entscheidung über seinen Anspruch hat. Das Interesse des Klägers an der Zurückverweisung (z. B. besondere Sachaufklärungskompetenz) muss den mit der Verzögerung verbundenen Nachteil überwiegen. Entlastungsaspekte für das Gericht dürfen keine Rolle spielen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage an dasselbe zurückzuverweisen (vgl. zur Problematik der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 SGG im Rahmen des § 131 Abs. 5 SGG LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08 m. w. N.). Zwar hat das Sozialgericht innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Behördenakten entschieden, die weiteren Voraussetzungen des § 131 SGG lagen jedoch nicht vor. Hierbei ist die Frage, ob die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG vorliegen, nämlich noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückweisung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten, uneingeschränkt vom Rechtsmittelgericht überprüfbar (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Juni 2006 - L 4 SB 24/06; Keller in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 131 Rdnr. 20).
Im Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung der Gerichte von umfangreichen Sachverhaltsermittlungen und dem Bedürfnis der Beteiligten nach einer abschließenden und verbindlichen gerichtlichen Beurteilung des Rechtsstreits soll nach den § 131 Abs. 5 SGG tragenden Vorstellungen des Gesetzgebers das Interesse an der Entlastung der Justiz nur in besonders gelagerten Fällen überwiegen. Deshalb sind die hierfür genannten Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen. Nur dann, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung eine Sachverhaltsermittlung besser durchführen kann als das Gericht und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, die Behörde tätig werden zu lassen, soll die Vorschrift heranzuziehen sein (BT Drs. 11/7030 Seite 30 zu § 113 VwGO; BVerwG NVwZ 2003, 1130). Das lässt sich vorliegend nicht feststellen. Soweit noch Ermittlungen anzustellen sein sollten, könnte es sich nur um solche medizinischer Art handeln, die das Gericht als Tatsachengericht durch die Einholung medizinischer Gutachten nicht anders als der Beklagte veranlassen könnte. Zwar ist es zutreffend, dass sich das Sozialgericht in der Regel auf die Überprüfung der Sachentscheidung konzentrieren sollte anstatt das Verwaltungsverfahren in veredelter Form zu wiederholen (vgl. Roller, NZS 2009, 252, 254), ist das Verfahren jedoch aufgrund Klage beim Sozialgericht anhängig, stellt die Berücksichtigung der Belange der Beteiligten jedoch insoweit eine Begrenzung der Zurückverweisungsmöglichkeit dar.
Daneben ist schon nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Verfahren weitere Ermittlungen durch den Beklagten erforderlich sind. Vielmehr spricht vieles dafür, dass der Beklagte aufgrund der Mitteilung des Rentenversicherungsträgers nach § 45 Abs. 1 SGB XII nach dessen Satz 2 kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gebunden ist. Der Beklagte dürfte nicht mehr befugt sein, darüber hinaus eigene Ermittlungen anzustellen (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, § 45 Rz. 4). Dies gilt - anders als das Sozialgericht meint - auch soweit der Rentenversicherungsträger in seinem Prüfauftrag nach § 45 Abs. 1 SGB XII die Feststellung trifft, der Betroffene könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig sein. Diese Feststellung, die auch einen Anspruch nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausschließt, wird nicht dadurch unverbindlich, dass sie in einem Ersuchen im Rahmen eines Anspruchs auf eine Leistung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII getroffen worden ist.
Wer nicht erwerbsfähig ist, ist nicht zwingend dauerhaft erwerbsgemindert im Sinne von § 41 SGB XII (Grube in Grube/Wahrendorf § 7 SGB II Rz. 25), weshalb eine Person, deren Erwerbsfähigkeit nach dem SGB II (§§ 7, 8) nicht vorliegt, nicht zwingend einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII hat. Hier kommen auch Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht. Wer allerdings erwerbsfähig ist, der ist grundsätzlich von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Die Feststellung des Rentenversicherungsträgers nach § 45 Abs. 1 SGB XII betrifft § 41 Abs. 3 SGB XII, d. h. eine Vorschrift, die neben der Abgrenzung der Anspruchsberechtigung nach dem Vierten Kapitel SGB XII und der nach dem Dritten Kapitel SGB XII, auch der Anspruchsberechtigung nach dem § 19 SGB II dient (vgl. Kreiner in Oestreicher, SGB XII, § 41 Rz. 2). Die dort getroffenen Feststellungen, an die der SGB XII Träger gebunden ist (Falterbaum in Hauck Noftz, § 45 Rz. 6) schließen, soweit eine Erwerbsfähigkeit festgestellt wird, jedoch sowohl einen Anspruch nach dem Vierten als auch nach dem - hier streitigen - Dritten Kapitel aus.
In einem solchen Fall, in dem der Rentenversicherungsträger im Rahmen eines Ersuchens nach § 45 Abs. 1 SGB XII die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen feststellt, bindet diese Feststellung den Sozialhilfeträger auch im Rahmen der Prüfung, ob dem Betroffenen ein Anspruch nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zusteht.
Der Beklagte ist in diesem Fall ausnahmsweise nicht verpflichtet und nicht befugt, weitere Ermittlungen zu treffen. Eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG kommt hier deshalb nicht in Betracht. § 45 Abs. 1 Satz 2 SGB XII hindert jedoch nicht das Sozialgericht daran Ermittlungen anzustellen, wenn es denn das für den Sozialhilfeträger verbindliche Gutachten für nicht überzeugend hält. Es hat diese für erforderlich gehaltenen Ermittlungen allerdings selbst durchzuführen, da die Tatsachengerichte verpflichtet sind, umfassend von Amts wegen zu ermitteln.
Der angegriffene Gerichtsbescheid ist daher aufzuheben. Der Senat verweist den Rechtsstreit im Rahmen des ihm in § 159 SGG eingeräumten Ermessens zurück, weil das Sozialgericht als erste Tatsacheninstanz den Beteiligten erhalten bleiben soll. Dabei war insbesondere das Interesse des Beklagten an einer Sachentscheidung durch die erste Instanz zu berücksichtigen, welches er durch den Zurückverweisungsantrag zum Ausdruck gebracht hat. Dieses Interesse des Beklagten muss hinter dem Grundsatz der Prozessökonomie zurücktreten, da sowohl der Beklagte als auch der Kläger ansonsten eine Instanz verlieren würde.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten (vgl. Keller in Meyer Ladewig, a. a. O., § 159 Rdnr. 5 f.).
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG vorliegen. Die Frage der Verbindlichkeit der Feststellungen des Rentenversicherungsträgers im Rahmen des § 45 SGB XII für einen Bescheid, der Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ablehnt, ist nur einer der tragenden Gründe der Entscheidung.
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