L 14 KR 429/99

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 431/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 429/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine an einem Theater fest angestellte Orchestermusikerin, die im Rahmen einer Konzertreihe in demselben Betrieb als Solistin auftritt, übt keine selbständige Tätigkeit aus. Das bei diesem Arbeitgeber für diesen Soloauftritt gezahlte Honorar unterliegt deshalb der Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Januar 1999 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein an die Klägerin gezahltes Honorar für eine solistische Tätigkeit sozialversicherungspflichtig ist.

Die 1968 geborene Klägerin ist als Orchestermusikerin bei der Beigeladenen zu 3) (Stadttheater A-Stadt) fest angestellt. Laut Arbeitsvertrag vom 19. März 1992 ist die Klägerin zum Spielen des Instrumentes Violine verpflichtet. Maßgebend für das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für Musiker und Kulturorchester vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung. Im Rahmen einer Symphoniekonzertreihe trat die Klägerin am 13. Oktober 1996, 14. Oktober 1996 und 22. März 1997 als Solistin auf. Laut einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3) erhielt die Klägerin für das Konzert am 22. März 1997 DM 750,00 und für die Auftritte am 13. und 14. Oktober 1996 DM 2.000,00 Honorar.

Mit Schreiben vom 22. Oktober 1996 bat die Beigeladene zu 3) die Beklagte um Prüfung, ob für die Honorare Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen seien. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 22. Oktober 1997 fest, dass das gezahlte Honorar sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt sei. Sie bezog sich auf ein Urteil des Landessozialgerichtes Saarland vom 4. August 1981 (Az.: L 1 K 10/80).

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, bei der streitigen solistischen Tätigkeit handele es sich um ein außerhalb der arbeitsvertraglichen Verpflichtung liegende Beschäftigung. Die Honorare seien nicht sozialversicherungspflichtiges Entgelt. Die Klägerin bezog sich auf ein Urteil des Sozialgerichtes Gelsenkirchen vom 30. Januar 1986 (Az.: S 17 KR 55/85). Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, denn die Klägerin habe auch bezüglich der drei Symphoniekonzerte in einem abhängigem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Die Sondervereinbarungen seien offenbar nur notwendig geworden, weil es sich bei der der Klägerin übertragenen Tätigkeit als Solistin um eine solche handele, die von ihrem Arbeitsvertrag nicht mitumfasst gewesen sei ("Spielen des Instrumentes Violine, Stimmführerin 2. Violine") und weil die Klägerin für ihre Mitwirkung bei den Konzerten ein zusätzliches Gehalt erhalten habe. Abgesehen von diesen beiden Gesichtspunkten habe sich aber die zusätzlich übernommene Arbeit wesensmäßig nicht von ihrer Haupttätigkeit bei dem gleichen Arbeitgeber unterschieden. Immer habe ihre Tätigkeit im Spielen der Violine bestanden. Nur während ihrer Tätigkeit im Rahmen der Sondervereinbarung sei sie als Solistin aufgetreten. Entscheidend sei, ob ein Künstler mit überregionaler künstlerischen Wertschätzung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit in der Lage sei, seine Vertragsbedingungen selbst auszuhandeln. Für eine abhängige Beschäftigung spreche jedoch eine Probenverpflichtung für den Künstler. Unter Berücksichtigung der Abgrenzungskriterien war die Beklagte der Ansicht, dass hier ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, da die Klägerin nach den schriftlichen Vereinbarungen die Verpflichtung auferlegt worden sei, an den Orchesterproben im Orchesterproberaum in Absprache mit dem Gastdirigenten im Stadttheater teilzunehmen. Auch die Programme, an denen die Klägerin als Solistin teilgenommen habe, seien von der Beigeladenen zu 3) vorgegeben worden. Allein die Tatsache, dass sie bei Erkrankung kein Honorar erhalten hätte, ändere an der Gesamtwürdigung nichts.

Am 4. März 1998 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben. Mit Beschluss vom 9. Juni 1998 hat das Sozialgericht die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt A-Stadt) sowie das Stadttheater A-Stadt beigeladen. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, bei ihren Tätigkeiten habe es sich um zwei völlig getrennte Tätigkeiten gehandelt. Bei der Solistentätigkeit sei sie der allgemeinen Betriebsordnung des Orchesters nicht unterworfen gewesen. Es habe ihr freigestanden, die Vertragsangebote für Soloauftritte anzunehmen oder nicht. Ferner habe ihr im Benehmen mit dem Dirigenten die Entscheidung über die Anzahl und Durchführung der Proben sowie der künstlerischen Gestaltung der Konzerte oblegen. Sie habe auch hinsichtlich der Durchführung der Soloauftritte das Unternehmensrisiko dahin getragen, dass sie bei Erkrankung kein Vergütungsanspruch gehabt hätte.

Mit Urteil vom 13. Januar 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin bezüglich der Soloauftritte nicht selbständig tätig gewesen sei, sondern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Die Klägerin sei mit einem festen Arbeitsvertrag bei der Beigeladenen zu 3) beschäftigt. Die Auftritte als Solistin im Rahmen der Kammerkonzertreihe unterschieden sich von ihrer hauptberuflichen Tätigkeit nicht. Beide Tätigkeiten seien fremdbestimmt. Die Klägerin habe keinen Einfluss nehmen können auf die Programmgestaltung. Vielmehr seien die zu spielenden Werke von der Dramaturgie in Abstimmung mit dem Generalmusikdirektor festgelegt worden. Die Klägerin sei auch in den Betrieb des Stadttheaters eingegliedert gewesen, da die Anzahl der Proben mit dem Generalmusikdirektor hätten abgeklärt werden müssen. Auch die Proben mit dem Orchester hätten abgestimmt werden müssen. Aus dem Vertrag vom 16. Januar 1997 ergebe sich, dass die Mitwirkung des Solisten bei Proben und Aufführung eigenverantwortlich ohne Anrechnung von Orchesterdiensten erfolge. In der Vereinbarung vom 1. März 1996 seien die Probetermine auf der Hauptbühne bereits für die Klägerin festgelegt gewesen. Nach dem Tarifvertrag § 6 Abs. 2 Ziff. b und c sei der Musiker zu solistischen Leistungen in der Darbietung besonders für sein Instrument geschriebener Musikstücke und zur Mitwirkung bei der Aufführung kammermusikalischer Werke verpflichtet. Hierfür erhielt er nach § 27 eine besondere angemessene Vergütung. Die Klägerin wäre daher bereits auf Grund des Arbeitsvertrages zu derartigen Auftritten verpflichtet gewesen. Sondervereinbarungen seien nur getroffen worden, da bei einem Einsatz entsprechend des § 6 Abs. 2 eine Anrechnung auf die Orchesterdienste erfolge. Die Vertreterin der Beigeladenen zu 3) habe in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Orchesterdienste bereits durch das normale Musiktheater ausgefüllt seien, so dass für die Konzertreihe zusätzliche Vereinbarungen hätten getroffen werden müssen. Auch die Nichtzahlung des Honorars im Falle der Erkrankung stelle kein unternehmerisches Risiko dar, da die Klägerin nur drei Soloauftritte innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten gehabt habe. Darüber hinaus verfüge sie über ihr Arbeitseinkommen auf Grund des Arbeitsvertrages. Die für die Solistenauftritte gezahlten Honorare seien deshalb Arbeitsentgelt aus einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Gegen das am 8. März 1999 zur Post aufgelieferte Urteil hat die Klägerin am 8. April 1999 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, das Sozialgericht habe rechtsirrig erklärt, die Klägerin habe auch bei ihren Soloauftritten nur ihre Arbeitspflicht im Sinne des § 6 Abs. 2 Buchstabe d und c Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern erfüllt und deshalb auch bei diesen Soloauftritten nur im Rahmen ihres abhängigen Beschäftigungsverhältnisses mitgewirkt. Das Sozialgericht verkenne, dass sie, die Klägerin, schon deshalb nicht im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses bei Soloauftritten habe tätig gewesen sein können, weil sie im damaligen Ausgleichszeitraum im Sinne von § 15 Abs. 2 Tarifvertrag für die Musiker im Kulturorchester ohne Berücksichtigung der Soloauftritte bis zur höchstzulässigen Dienstgrenze im Orchester des Stadttheaters bereits eingesetzt gewesen sei, wobei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Höchstbelastungsgrenze in § 15 Abs. 2 keine Regelarbeitszeitbestimmung darstelle, sondern eben eine Höchstbelastungsgrenze, die nicht überschritten werden dürfe. Darüber hinaus habe die Klägerin sehr wohl ein Unternehmensrisiko getragen, da sie keinen Honoraranspruch für Soloauftritte gehabt hätte, wenn die streitigen Konzerte, aus welchen Gründen auch immer (auch Erkrankung der Solistin), nicht hätte aufgeführt werden können. Für eine selbständige Tätigkeit spreche auch, dass die Beigeladene zu 3) entsprechende Konzertangebote an verschiedene Solisten richte und diese Angebote von den Solisten angenommen bzw. abgelehnt werden könnten. Die Klägerin habe durch die Annahme dieses Angebotes gerade gezeigt, dass sie hier als Vertragspartnerin auf gleicher Ebene gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Januar 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die hinsichtlich der Solistenhonorare für die Solokonzerte am 13. und 14. Oktober 1996 sowie am 22. März 1997 einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag an sie zu erstatten.

Die Beigeladene zu 3) ist ebenso der Ansicht, dass die solistischen Auftritte außerhalb des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zu sehen seien. Die Klägerin sei selbständig tätig geworden, da sie frei hätte entscheiden können, ob sie die solistischen Tätigkeiten annimmt oder nicht. Ebenso hätte sie über die Honorarhöhe verhandeln können und das unternehmerische Risiko getragen, das bei Verhinderung wegen Erkrankung sie ohne Honoraranspruch gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei den streitigen Auftritten um eine abhängige Beschäftigung handelte. Beide Tätigkeiten der Klägerin seien fremdbestimmt gewesen. Die Klägerin habe keinen Einfluss auf die Programmgestaltung nehmen können. Vielmehr seien die zu spielenden Werke von der Dramaturgie in Abstimmung mit dem Generalmusikdirektor festgelegt worden, was auch die Klägerin immer eingeräumt habe. Die Klägerin sei in den Betrieb der Beigeladenen zu 3) eingegliedert gewesen, da die Anzahl der Proben mit dem Generalmusikdirektor abgeklärt werden mussten. Auch die Proben mit dem Orchester hätten abgestimmt werden müssen. An dieser Beurteilung ändere auch das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft nichts, denn das Bestehen eines unternehmerischen Risikos enthalte nur einen Hinweis auf das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, wenn diesem Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüberständen. Gerade dies sei hier bei der Klägerin wegen der drei Soloauftritte nicht der Fall gewesen. Die Klägerin könne sich zur Begründung ihrer Auffassung auch nicht auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Tarifvertrag und des dazu ergangenen Urteils des BAG vom 31. Juli 1997 (Az.: 6 Azr 146/85), mit dem über ein Freizeitausgleich eines Betriebsratsangehörigen für eine Betriebsratstätigkeit entschieden wurde, berufen. Selbst wenn die Klägerin dem damaligen Ausgleichszeitraum bereits ohne Berücksichtigung der Soloauftritte bis zur höchstzulässigen Dienstgrenze im Sinne von § 15 Abs. 2 im Orchester der Beigeladenen zu 3) eingesetzt gewesen sei, so ließe sich daraus nicht zwingend schließen, dass sie nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bei den Soloauftritten tätig gewesen sei. Der Umstand, dass eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle nicht vereinbart worden sei, sei im Verhältnis zur Gesamtwürdigung ohne Bedeutung.

Die Beigeladene zu 1) und zu 2) halten die angefochtene Entscheidung ebenso für zutreffend.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2002 die Vertreterin der Beigeladenen zu 3), Frau E., gehört. Hinsichtlich ihrer Aussagen wird auf das Protokoll der Sitzung (Bl. 88 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft, da die Berufung durch das Sozialgericht zugelassen wurde (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung der Klägerin ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 13. Januar 1999 die Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Von den Honoraren für die Solistenkonzerte an die Klägerin sind Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.

Gemäß § 28 d Viertes Buch des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) sind die Beiträge in der Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für eine kraft Gesetzes versicherte Beschäftigung sowie die Beiträge aus dem Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung als Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Gemäß § 14 Abs 1 SGB IV sind Arbeitsentgelte alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf Einnahme besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 14 SGB IV schließt damit Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit aus, legt aber noch nicht fest, ob das nach § 14 Abs. 1 SGB IV umschriebene Arbeitsentgelt auch beitragspflichtig ist. Beitragspflichtig in Bezug auf ein bestimmtes Entgelt setzt immer voraus, dass das Entgelt aus einer versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielt wird. Die Versicherungspflicht ergibt sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V), § 1 Nr. 1 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), § 20 Abs. 1 Nr. 1 Elftes Buch des Sozialgesetzbuches Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) und § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und seit 1. Januar 1998 § 25 Abs. 1 Drittes Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III). Diese Vorschriften setzen eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt voraus. Die Beschäftigung ist nicht die selbständige Arbeit, sondern in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Die Versicherungspflicht ist damit die Folge einer abhängigen Beschäftigung.

Nach der auch hier geltenden ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSGE 13, 196 ff.) ist wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung (vgl. BSGE 13, 196, 201 und 202; BSGE 38, 53, 57 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und "zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in den Betrieb eingegliedert ist (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, - B 12 KR 8/01 R -). Auch eine solche Dienstleistung ist fremdbestimmt, wenn sie in der von anderer Seite vorgesehen Orte des Betriebes aufgeht. Das Gegenstück besteht darin, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit wesentlich frei gestalten kann. Eine solche selbständige Tätigkeit ist in der Regel zusätzlich durch das Unternehmensrisiko gekennzeichnet (vgl. BSGE 38, 53, 58 und BSGE 51, 164, 167).

Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall. Denn grundsätzlich kann ein/e Künstler/Künstlerin abhängig beschäftigt als auch selbständig tätig sein. Hieran ändert sich grundsätzlich auch nichts, wenn eine hauptberuflich versicherungspflichtige Beschäftigung und eine Nebenbeschäftigung vorliegt, soweit nicht die Zusammenrechnung im Sinne der Vorschrift des § 8 Abs. 2 SGB IV (mehrere geringfügige Beschäftigungen) zum Zuge kommt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 1972 - l2/3 RK 82/68 -; BSG, Urteil vom 26. Februar 1983 12 RK 26/81 - "Abgrenzungskatalog für die im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter, Film- und Fernsehproduktionen künstlerisch und publizistisch tätigen Personen" vom 13. Mai 1992, erarbeitet von den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger nach Beratung in verschiedenen Arbeitskreisen - auch unter Beteiligung der Interessenverbände aus dem künstlerischen und publizistischen Bereich - in: Die Beiträge 1992, S. 294 - 298). Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung von Musikern in Orchestern, ob sie selbständig oder abhängig beschäftigt sind, ist, ob sie vertraglich verpflichtet sind, an festgelegten Proben teilzunehmen, ob sie eine im voraus festgesetzte Gage bekommen, ob sie auf die Vertragsverhandlungen mit dem Veranstalter bzw. die Programmgestaltung und die Programmdurchführung einen Einfluss haben und in wieweit sie an der musikalisch-künstlerischen Gestaltung mitbeteiligt werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. April 1979 - 12 RK 37/99 -; Landessozialgericht Saarland, Urteil vom 11. August 1980 L 1 K 10/80 - Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 30. Januar 1986 - S 17 KR 55/85 -).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien war zur Überzeugung des Senats die Klägerin während ihrer drei Solistenauftritte nicht selbständig, sondern abhängig beschäftigt tätig. Denn die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 3) mit einem Arbeitsvertrag fest angestellt und erhält als solche daneben Angebote, als Solistin aufzutreten. Hierbei handelt es sich um Angebote an die Klägerin im Rahmen von Symphoniekonzertreihen. Wie die Verwaltungsdirektorin Frau E. dem Senat in der mündlichen Verhandlung erläuterte, waren die Konzertreihen sowie die Werke bereits von der Beigeladenen zu 3) ausgesucht und für die Solisten (hier Klägerin) vorgegeben worden. Die Klägerin hatte keinen Einfluss auf die Programmgestaltung und die zu spielenden Werke. Sie erhielt vielmehr lediglich das Angebot, als Solistin zu spielen, sie konnte dieses Angebot annehmen und ablehnen, das heißt, sie hatte auf die tatsächliche Vertragsgestaltung so gut wie keinen Einfluss. Vielmehr gab die Beigeladene zu 3) die Vertragsinhalte einseitig vor. Dies galt auch für das Honorar, dass insbesondere der Höhe nach von der Beigeladenen zu 3) vorgegeben wurde. Eine Möglichkeit der Verhandlung über die Höhe des Honorars waren von Seiten der Klägerin rein theoretisch, weil der Intendant - wie Frau E. erläuterte - grundsätzlich von seinem Angebot nicht abweicht, das heißt, die Klägerin war gezwungen für dieses Honorar zu spielen oder dieses Angebot abzulehnen. Dann bekam ein anderer Musiker dieses Solistenangebot. Das Honorar hatte sich primär an der Schwere des zu spielenden Stückes und nicht an den Forderungen der Künstler - hier der Klägerin - bemessen. Die Klägerin konnte damit die Verträge nicht wie eine selbständige Künstlerin mitgestalten. Eine selbständige Tätigkeit ist bei Vorliegen eines Solistenvertrages bzw. Gastspielvertrages dann anzunehmen, wenn auf Grund hervorragender künstlerischer Stellung der Solist maßgeblich auf die Vertragsgestaltung Einfluss nehmen kann. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall offensichtlich gerade nicht gegeben.

Ein weiteres Indiz für eine abhängige Beschäftigung ist die Tatsache, dass für die Klägerin durch die Beigeladene zu 3) einseitig Zeit und Ort der Veranstaltung als auch der Proben festgelegt wurde. Für die Klägerin wurden die fest bestimmten Proben mit dem Generalmusikdirektor als auch mit dem Orchester vorher festgesetzt. Dies ergibt sich aus der Solistenvereinbarung vom 1. März 1996, wonach die Orchesterproben bereits terminlich für die Klägerin im voraus bestimmt waren. Frau E. hat dies in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt. Denn insbesondere durch die von der Beigeladenen zu 3) zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten verfügt diese auch alleine über deren Belegung.

Auch die Tatsache, dass die Klägerin bei Nichtauftritt z.B. wegen Erkrankung kein Honorar erhalten hätte, führt nicht dazu, dass die Klägerin ein unternehmerisches Risiko trägt und damit als selbständig anzusehen wäre. Denn die Klägerin war innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten nur zu drei Soloauftritten verpflichtet. lm Übrigen verfügt sie aber über ein festes Arbeitseinkommen auf Grund des Arbeitsvertrages mit der Beigeladenen zu 3). Die Solistenauftritte waren somit nur ein zusätzliches Arbeitsentgelt. Sie war während dieser Solistenauftritte ebenso in den Betrieb ihres Arbeitgebers fremdbestimmt eingegliedert wie sie dies als Orchestermusikerin auf Grund ihres Arbeitsvertrages ist.

Letztlich führt auch die Tatsache, dass die Klägerin bei ihren Soloauftritten, anders als im Orchester, frei in ihrer künstlerischen Ausgestaltung und Interpretation ist - wie Frau E. angegeben hat -‚ zu keinem anderen Ergebnis. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2001, - B 12 KR 8/01 -‚ Urteil vom 14. Dezember 1999, B 2 U 48/98 R -; Urteil vom 21. Februar 1990, - 12 RK 47/87 -) kann das Weisungsrecht vornehmlich bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn jemand nur in den Betrieb eingegliedert ist. Dies ist im vorliegenden Fall gegeben, weil sich aus der Art der Beschäftigung selbst bereits ergibt, dass hier keine strikte Weisung möglich ist. Bei der Tätigkeit in einem Orchester muss sich jeder einzelne Künstler/Musiker aus der Natur der Sache heraus den Anweisungen des Dirigenten unterwerfen. Dies ist bei einer Solistentätigkeit grundsätzlich anders, denn die künstlerische Ausgestaltung und Interpretation durch den Solisten ist gerade notwendig für einen künstlerischen Erfolg. Es handelt sich hier um sogenannte Dienste höherer Art und deshalb kann auch das Weisungsrecht eines Dirigenten (bzw. Intendanten/Arbeitgeber) zurückgedrängt sein, ohne dass dadurch bereits eine selbständige Beschäftigung bejaht werden kann. Denn die Klägerin ist in den Betrieb (Beigeladenen zu 3) als abhängig Beschäftigte eingegliedert, sowohl als angestellte Musikerin als auch als auftretende Solistin. Ihr Arbeitgeber ist immer die Beigeladene zu 3).

Unerheblich ist, ob nach § 15 Abs. 2 Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern eine sogenannte höchstzulässige Dienstgrenze gegeben ist. Eine solche Dienstgrenze kann auf die grundsätzliche Bewertung im Sozialversicherungsrecht, ob eine selbständige oder abhängige Tätigkeit vorliege, keinen Einfluss haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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