L 19 R 524/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 R 762/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 524/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine wirksam durchgeführte Beitragserstattung führt zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses und schließt Ansprüche auf eine Versichertenrente aus.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.05.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Altersrente trotz erfolgter Beitragserstattung bzw. einen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberbeiträge hat.

Der 1939 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er war vom 29.11.1968 bis 14.04.1989 in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt und ist anschließend in die Türkei zurückgekehrt. Auf seinen Antrag vom 12.02.1991 wurden ihm die in dieser Zeit entrichteten Arbeitnehmerbeitragsanteile von der Beklagten in Höhe von 42.206,32 DM aufgrund des Bescheides vom 23.05.1991 erstattet. Ein Rechtsbehelf hiergegen wurde nicht ergriffen. Der Zugang des Bescheides ist mit Rückschein vom 19.06.1991 bestätigt.

Mit Schreiben vom 26.05.2004 wandte sich der Kläger an die Beklagte. Er habe in Deutschland 20 Jahre lang gearbeitet und lebe jetzt in der Türkei. Er habe länger als 10 Jahre bei einer Firma in S. bei G. gearbeitet. Er wolle diese Firma wegen seiner Betriebsrente anschreiben, doch habe er leider die Adresse nicht mehr. Er bitte, ihm die Adresse von dieser Firma zu schicken. Die Beklagte wertete dieses Schreiben offensichtlich als Antrag auf Beitragserstattung oder Leistungsgewährung und teilte dem Kläger mit Schreiben vom 21.06.2004 mit, dass ihm die geleisteten Beiträge mit Bescheid vom 23.05.1991 erstattet worden seien und dass dadurch das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst sei. Somit bestehe u.a. kein Anspruch auf Zahlung einer Rente mehr. Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung seien direkt beim deutschen Arbeitgeber zu beantragen. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass eine betriebliche Altersversorgung nicht bei allen Arbeitgebern in Deutschland bestehe. Die gewünschte Anschrift des früheren Arbeitgebers wurde mitgeteilt. Mit Schreiben vom 22.07.2004 teilte der Kläger mit, dass er das Schreiben der Beklagten vom 21.06.2004 erhalten habe und er hiergegen Widerspruch einlege. Eine weitere Begründung erfolgte nicht. Die Beklagte wies sodann den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2004 als unbegründet zurück.

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat mit Urteil vom 14.05.2008 die hiergegen am 30.09.2004 ohne Begründung erhobene Klage abgewiesen und unter Bezugnahme auf § 1303 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgeführt, dass durch die erfolgte Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den zurückliegenden Versicherungszeiten ausgeschlossen seien. Es bestehe kein Versicherungsverhältnis mehr, aus dem Leistungen in Anspruch genommen werden könnten. Auch aus den Arbeitgeberbeiträgen allein könne keine Altersrente in Anspruch genommen werden.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 25.06.2008, eingegangen beim SG am 04.07.2008, beim Bayer. Landessozialgericht am 11.07.2008 Berufung mit der Begründung eingelegt, er habe nur einen Teil der Beiträge erhalten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.05.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu gewähren, hilfsweise die nicht erstatteten Arbeitgeberbeiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 14.05.2008 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht mit dem Bescheid vom 21.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2004 sowohl einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente als auch einen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile abgelehnt.

Ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Regelaltersrente setzt gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) voraus, dass er die Regelaltersgrenze erreicht hat und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist (§ 50 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI). Der Kläger kann aber keine auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten mehr nachweisen, denn die von ihm aufgrund der versicherungspflichtigen Tätigkeit geleisteten Beiträge für die Zeit vom 29.11.1968 bis 14.04.1989 wurden von der Beklagten auf seinen Antrag vom 12.02.1991 hin in Höhe von 42.206,32 DM erstattet. Durch die Erstattung sind die vom Kläger zurückgelegten Beitragszeiten verfallen, das Versicherungsverhältnis ist aufgelöst worden. Aus den nicht erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung kann ein Anspruch auf Regelaltersrente nicht hergeleitet werden.

Da dem Kläger die Beiträge vor dem 01.01.1992 erstattet wurden, ist § 1303 RVO anzuwenden, denn § 210 SGB VI ist erst auf Beitragserstattungen ab dem 01.01.1992 anzuwenden (Artikel 85 Abs 1 Rentenreformgesetz 1992 -RRG 1992- vom 18.12.1989, BGBl I S 2261 iVm Artikel 42 Rentenüberleitungsgesetz -RÜG- vom 25.07.1991, BGBl I S 1606; vgl Kasseler Kommentar - Gürtner § 210 SGB VI RdNr 28 Stand März 2005 mwN). Gemäß § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO sind dem Kläger auf Antrag die Hälfte der für die Zeit nach dem 20.06.1948 im Bundesgebiet, für die Zeit nach dem 24.06.1948 im Land Berlin und für die Zeit nach dem 19.11.1947 im Saarland entrichteten Beiträge zu erstatten. Dies ist hier aufgrund des bestandkräftigen Bescheides vom 23.05.1991 erfolgt. Gründe, die für eine Unwirksamkeit der Erstattung sprechen, sind nicht erkennbar. Es steht somit fest, dass die vom Kläger während seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland geleisteten Beiträge erstattet worden sind.

Gemäß § 1303 Abs 7 RVO schließen diese Beitragserstattungen weitere Ansprüche aus den zurückliegenden Versicherungszeiten aus. Weitere - spätere - rentenrechtliche Zeiten hat der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nicht zurückgelegt. Die durchgeführten Beitragserstattungen führen dabei nicht nur zur Auflösung des beim Rentenversicherungsträger aufgelaufenen Guthabens der erstattungsfähigen Beiträge, sondern zur rückwirkenden Löschung des Versicherungsverhältnisses als solchem in seiner Gesamtheit (vgl Kasseler Kommentar Funk § 1303 RVO RdNr 28 mwN) bzw. in leistungsrechtlicher Hinsicht zum Verfall der bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten (BSG vom 18.02.1981 - 1 RJ 134/79 - SozR 2200 § 1303 Nr 18 bezüglich der Heiratserstattung nach § 1304 Abs 1 RVO aF). Die Beitragserstattung nach § 1303 RVO hat die Auflösung des Versicherungsverhältnisses als Rechtsfolge, ohne dass dies in dieser Vorschrift ausdrücklich bestimmt war (vgl dazu BSG vom 16.01.1968 - 11 RA 290/66 - SozR Nr 66 zu § 1246). Auch der Fortfall der Ansprüche aus den "bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten" (§ 54 SGB VI) entspricht weitgehend dem bisherigen Recht (vgl Finke in: Hauck-Heines SGB VI § 210 Nr 20). Zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht somit kein Versicherungsverhältnis mehr, aus dem Ansprüche hergeleitet werden könnten. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sind mit der Beitragserstattung endgültig beseitigt.

Mangels Versicherungsverhältnis kann sich auch kein Anspruch auf eine Rente allein aus den nicht erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung ergeben. Der Kläger kann sich insoweit nicht auf eine Verletzung von Grundrechten berufen. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht haben bereits wiederholt festgestellt, dass der Kläger aus den nicht erstatteten Beitragsanteilen des Arbeitgebers allein keine eigentumsrechtlich geschützten Anwartschaften erlangt, die über Artikel 14 des Grundgesetzes (GG) geschützt wären (vgl BVerfG vom 24.11.1986 -1 BvR 772/85 - SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG vom 18.02.1981 - 1 RJ 134/79 - SozR 2200 § 1303 Nr 18; BSG vom 04.10.1979 - 1 RA 83/78 - SozR 2200 § 1303 Nr 14). Ein Verstoß gegen andere Grundrechte des Klägers, insbesondere gegen den Gleichheitssatz nach Artikel 3 GG, ist ebenfalls nicht zu erkennen. Die Beitragserstattung führt bei allen Versicherten zu einer Auflösung des Versicherungsverhältnisses und damit in leistungsrechtlicher Hinsicht zu einem Verfall der bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten, so dass ein verfassungsrechtlich relevanter Tatbestand der Ungleichbehandlung nicht gegeben ist (vgl auch BVerfG vom 16.06.1981 - 1 BvR 445/81 - SozR 2200 § 1303 Nr 19).

Für einen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberbeiträge ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Im Übrigen hat die Beklagte auch zutreffend darauf hingewiesen, dass Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung unmittelbar beim Arbeitgeber geltend zu machen sind.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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