L 20 R 39/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 4101/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 39/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem (hier: Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen am Stichtag 30.06.1990).
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts
Bayreuth vom 20.12.2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:

Streitig ist, ob die von der Klägerin von September 1969 bis April 1989 im Beitrittsgebiet ausgeübte Beschäftigung als Ingenieurin beim Volkseigenen Betrieb (VEB) E. T., Bereich Behälter- und Apparatebau, als Zugehörigkeitszeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nach dem Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitragsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG -) festzustellen ist.

Die 1948 in C. geborene Klägerin hat zunächst von September 1964 bis Juli 1966 eine Ausbildung zum Maschinenbauzeichner absolviert und anschließend ein Studium an der Ingenieurschule für Maschinenbau und Textiltechnik in K. vom 01.09.1966 bis 22.02.1967 und vom 23.02.1967 bis 31.07.1969 in Magdeburg absolviert. Mit Urkunde vom 24.07.1969 erhielt die Klägerin die Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Ab 01.09.1969 nahm sie dann ihre Tätigkeit als Ingenieurin im
Volkseigenen Betrieb E. T. auf, wo sie bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses am 07.04.1989 auch beschäftigt war. Noch im April 1989 übersiedelte die Klägerin in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Am 08.10.1989 beantragte die Klägerin bei der Deutschen Rentenversicherung (damals Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin) die Durchführung der Kontenklärung. Auf die wiederhergestellten verfilmten Akten der Beklagten wird insoweit verwiesen.

Mit Schreiben vom 22.04.2004 beantragte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz unter Bezugnahme auf Urteile des Bundessozialgerichts vom 24.03.1998 -
B 4 RA 27/97 R - und vom 30.06.1998 - B 4 RA 94/97 R und B 4 RA 11/97 R -. Die Klägerin habe vor der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der ehemaligen DDR 19 Jahre als Ingenieurin gearbeitet. Es werde um Überprüfung gebeten inwieweit hier Zusatzversorgungsanwartschaften überführt werden könnten. Die Beklagte lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 03.11.2004 den Antrag ab, weil die Regelungen des AAÜG auf die Klägerin nicht anwendbar seien, da die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfüllt würden. Sie habe weder eine positive Versorgungszusage zur Zeiten der DDR gehabt, noch sei am Stichtag 30.06.1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Der hiergegen mit Schreiben vom 09.11.2004 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Das SG Bayreuth hat mit Gerichtsbescheid vom 20.12.2006 die Klage als unbegründet abgewiesen unter Hinweis auf die zwischenzeitlich ergangenen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 26.10.2005 - u.a. 1 BvR 1921/04 -. Das Bundesverfassungsgericht habe in dieser Entscheidung die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Stichtag 30.06.1990 gebilligt und festgestellt, dass keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung bestehe, wenn nur für diejenigen ein fiktiver Anspruch auf Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem der DDR bestehe, die am 30.06.1990 einen fiktiven Anspruch inne hatten. Eine Gleichstellung weiterer Personengruppen, die vor dem 30.06.1990 die ehemalige DDR verlassen hätten und deshalb aus einem von einem Versorgungssystem erfassten Beschäftigungsverhältnis bereits ausgeschieden gewesen seien und deshalb die Voraussetzungen für eine fiktive Versorgungsanwartschaft nicht erfüllten, sei von Verfassungswegen nicht geboten.

Zur Begründung der am 05.01.2007 beim SG Bayreuth eingelegten Berufung hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass sie mit der Entscheidung des SG Bayreuth nicht einverstanden ist und um Überprüfung bittet.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 20.12.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 03.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 01.09.1969 bis 07.04.1989 als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz nach dem AAÜG festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist nicht begründet. Das SG Bayreuth hat zu Recht mit dem Gerichtsbescheid vom 20.12.2006 die Klage gegen den Bescheid vom 03.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.02.2005 abgewiesen, da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat weder eine konkrete Versorgungszusage von ihrem Beschäftigungsbetrieb erhalten, was sie auch selbst schriftsätzlich im Verfahren bestätigt hat, noch kann das Bestehen einer Anwartschaft iS des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG fingiert werden, da sie mangels entsprechender Anwartschaft durch das Verlassen des Beitrittsgebietes keine Anwartschaft verlieren konnte. Ein Anspruch auf Feststellung der Zeiten kann auch nicht aufgrund der vom 4.Senat des Bundessozialgerichts in ständiger Rechtsprechung praktizierten erweiterten Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG hergeleitet werden. Insoweit wird auf die Urteile des BSG vom 09.04.2002 - B 4 RA 31/01 R-, vom 10.04.2002 - B 4 RA 56/01 R und
B 4 RA 10/02 R - sowie vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - verwiesen. Das SG Bayreuth hat in seinem Gerichtsbescheid ausführlich dargelegt, unter welchen Voraussetzungen eine fingierte Anwartschaft im Sinne der erweiterten Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG angenommen werden kann. Gleiches gilt für den Schriftsatz der Beklagten vom 31.01.2007 im laufenden Berufungsverfahren. Von den durch das Bundessozialgericht in den genannten Entscheidungen festgelegten, notwendigen drei Voraussetzungen für die Annahme einer fiktiven Anwartschaft nach dem AAÜG erfüllt die Klägerin die betriebliche Voraussetzung unstreitig nicht. Sie war zwar berechtigt die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen und hat eine entsprechende Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum September 1969 bis April 1989 in einem volkseigenen Betrieb auch tatsächlich ausgeübt, dies ist in den verfilmten Unterlagen der Beklagten auch nachgewiesen. Zur Anerkennung von Zugehörigkeitszeiten zur Altersversorgung der technischen Intelligenz ist jedoch weiterhin erforderlich, dass die Klägerin zumindest bis zum Stichtag 30.06.1990 einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb im Bereich Industrie oder Bauwesen angehört hat. Dies liegt unstreitig nicht vor, da die Klägerin bereits im April 1989 in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt ist und erst hier eine neue Tätigkeit nach einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit aufgenommen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat zwischenzeitlich in seinem Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2005 - 1 BvR 1921/04,
1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05 - festgestellt, dass die vom BSG praktizierte Rechtsprechung zur fiktiven Anwartschaft keine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung für diejenigen bedeutet, die am 30.06.1990 nicht mehr die Voraussetzungen für die Erlangung einer solchen Anwartschaft erfüllten. Die unterschiedliche Behandlung sei durch die Regelungen des Rentenangleichungsgesetzes vom 28.06.1990, das noch vom Gesetzgeber der Deutschen Demokratischen Republik erlassen wurde, sachlich gerechtfertigt, in dem das Neueinbeziehungsverbot des § 22 Abs 1 Rentenangleichungsgesetz enthalten ist und die Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland angepasst wurden. Personen, die bereits vor dem 30.06.1990 aus dem System ausgeschieden und in diesem Zeitpunkt auch noch keine Anwartschaft inne gehabt hätten, hätten schon nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik nie eine schützenswerte Rechtsposition besessen, um deren Erhalt es dem gesamtdeutschen Gesetzgeber aber gegangen sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss ausdrücklich die Stichtagsregelung für verfassungskonform erklärt, ohne dies auf bestimmte Sachverhaltskonstellationen zu beschränken. Es sind auch keine verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte erkennbar, die eine Besserstellung der Personen erforderten, die bereits vor dem 30.06.1990 das Beitrittsgebiet verlassen haben. Da auch noch keine Anwartschaften rentenrechtlicher Art iS der Zusatzversorgung begründet worden waren, scheidet auch eine Verletzung des Eigentumsrechtes der Klägerin aus Art 14 Grundgesetz aus. Die von ihr zurückgelegten Beschäftigungszeiten werden als normale Pflichtversicherungszeiten in der deutschen Rentenversicherung anerkannt und zur Begründung ihrer Rentenhöhe herangezogen. Eine darüber hinausgehende Besserstellung, die eigentumsrechtlich durch Art 14 GG geschützt bzw. geboten wäre, kann nicht erfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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