Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3112/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5341/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.10.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1940 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines Multiplen Chemikalien-Sensitivitäts(MCS)-Syndroms wie eine Berufskrankheit.
Der Kläger war in der B. D. vom 26.07.1965 bis zum 15.01.1968 in der K. Metall- und Drahtwerke GmbH in St.-Z., vom 01.04.1968 bis zum 01.11.1969 im B.-Grill in , vom 13.11.1969 bis zum 10.11.1970 bei dem Kolbenhersteller M. KG in St.-Bad C. sowie vom 11.11.1970 bis zum 12.08.1982 bei der P. B. GmbH & Co. in St.-W. bis April 1976 in der Dachgully-Fertigung und ab Mai 1976 in der PUR-Bandschaum-Fertigung beschäftigt.
Im März 1983 machte der Kläger die Anerkennung einer Bronchialerkrankung als Berufskrankheit geltend. Die BG holte das lungenärztliche Gutachten des Prof. Dr. V. vom 25.07.1984 ein und lehnte mit Bescheid vom 26.09.1984 die Anerkennung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ab. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das lungenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 28.10.1985 ein und wies die Klage mit Urteil vom 24.03.1986 (S 2 U 3418/84) ab. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das lungenärztliche Gutachten des Prof. Dr. D. vom 20.06.1988 ein und wies die Berufung mit Urteil vom 03.11.1988 (L 7 U 1413/86) zurück.
Im August 1989 machte der Kläger die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit geltend. Die BG holte das hautärztliche Gutachten des Dr. W. vom 02.08.1991 ein und lehnte mit Bescheid vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992 die Anerkennung der Hauterscheinungen als Berufskrankheit ab. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 07.12.1993 (S 11 U 1413/92) ab. Das LSG wies die Berufung mit Beschluss vom 20.11.1995 (L 7 U 200/94) zurück.
Im März 1997 beantragte der Kläger, über seine Hauterkrankung erneut zu entscheiden. Die BG lehnte mit Bescheid vom 11.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.1997 eine Rücknahme des Bescheides vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992 ab. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.03.1999 (S 6 U 4842/97) ab. Das LSG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das hautärztliche Gutachten des Prof. Dr. Dr. R. vom 14.02.2000 ein und wies die Berufung mit Urteil vom 05.07.2000 (L 7 U 1303/99) zurück. Das BSG verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 11.12.2000 (B 2 U 292/00 B) als unzulässig.
Im März 2005 und August 2005 beantragte der Kläger, über seine Haut- und Atemwegserkrankung erneut zu entscheiden. Die BG lehnte mit Bescheid vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2006 eine Rücknahme ihrer Bescheide ab. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 30.05.2007 (S 1 U 994/06) ab. Im Berufungsverfahren begehrte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 26.09.1984 und des Bescheides vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992, die Anerkennung seiner Atemwegs- und Hauterkrankungen, insbesondere in Form eines MCS-Syndroms, als Berufskrankheit nach den Nrn. 4301, 4302, 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und/oder wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie die Gewährung einer Verletztenrente und hilfsweise nach § 109 SGG die Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. N ... Das LSG führte im Berufungsverfahren unter dem 01.10.2007 aus, nach vorläufiger Prüfung sei das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Dem Kläger gehe es jedoch ohnehin eher um die Anerkennung eins MCS-Syndroms als sogenannte "Wie-BK". Diesbezüglich fehle es jedoch bereits an einer anfechtbaren Entscheidung der Beklagten. Es werde daher angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken. Gegebenenfalls könne der Kläger nach Erledigung des Berufungsverfahrens ein Verwaltungsverfahren betreffend eine "Wie-BK" durchführen und das von ihm gewünschte Gutachten des Prof. Dr. N. gegebenenfalls als Privatgutachten der Beklagten vorlegen. Der Kläger nahm am 05.11.2007 die Berufung zurück (L 10 U 3344/07).
Am 06.11.2007 beantragte der Kläger, die Atemwegs- und Hauterkrankung in Form eines MCS-Syndroms wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente zu gewähren.
Mit Bescheid vom 12.02.2008 lehnte die BG die Anerkennung des vom Kläger geltend gemachten MCS-Syndroms als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. der Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGV VII ab. Bei einem MCS-Syndrom handle es sich nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild, sondern es sei lediglich mit der Bezeichnung "Syndrom" versehen. Fehle es aber schon am Vorliegen einer Krankheit, könne auch keine Erkrankung im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII vorliegen. Entsprechend finde sich das MCS-Syndrom auch nicht in der Anlage zur BKV. Ferner sei das MCS-Syndrom nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand in seiner Ursächlichkeit völlig ungeklärt.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die BG mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 zurück. Eine Anerkennung eines MCS-Syndroms als Berufskrankheit sei angesichts des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich. Nach dem aktuell noch bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand sei die Ätiologie des MCS-Syndroms weiterhin unklar, die Ursache also noch völlig ungeklärt. Gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über eine berufliche Verursachung eines MCS-Syndroms, wie sie in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Anerkennung einer Erkrankung als beruflich verursacht gefordert würden, lägen nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 24.04.2008 Klage zum SG.
Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr. N. vom 17.08.2009 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine Typ-IV-Sensibilisierung der Haut gegenüber Epoxidharz und anderen Kunststoffen, einen Bandscheibenvorfall L4/5, einen Zustand nach Unterlappenresektion links wegen Bronchiektasen sowie eine chronische Bronchitis und äußerte den Verdacht auf einen Diabetes mellitus. Der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers könne als hinreichend gesichert bezeichnet werden. Worauf die Symptomatik jedoch zurückzuführen sei, könne durch die gutachtliche Untersuchung nicht geklärt werden. Der Sachverständige führte ferner aus, für das MCS-Syndrom sei es trotz wissenschaftlicher Anstrengung bisher nicht gelungen, verlässliche Diagnosekriterien herauszuarbeiten, welche das MCS-Syndrom als einheitliches Krankheitsbild darstellen ließen. Es handle es sich nicht um ein Krankheitsbild, das wie eine Berufskrankheit anzuerkennen sei. Entsprechende neue wissenschaftliche Erkenntnisse lägen nicht vor. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in welchem er Mitglied sei, werde sich auf absehbare Zeit auch nicht mit dieser Problematik befassen. Es liege somit keine Berufskrankheit vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2009 wies das SG die Klage ab. Es folgte der Begründung der Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden und führte ergänzend aus, die vom Kläger vorgebrachten Einwände hätten die schlüssigen arbeitsmedizinischen Ausführungen des Prof. Dr. N. nicht zu entkräften vermocht. Anlass für weitere Ermittlungen bestehe nicht. So sei das MCS-Syndrom nach dem aktuellen Stand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft nicht als Berufskrankheit anzuerkennen.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 17.11.2009 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.10.2009 und den Bescheid vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegs- und Hauterkrankung in Form eines MCS-Syndroms wie eine Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Die Beklagte, seit 01.01.2010 Rechtsnachfolgerin der BG, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines MCS-Syndroms wie eine Berufskrankheit.
Vorliegend ist noch die Reichsversicherungsordnung (RVO) und nicht das am 01.01.1997 in Kraft getretene SGB VII anzuwenden, denn das SGB VII gilt erst für nach dem 01.01.1997 eingetretene Versicherungsfälle (§ 212 SGB VII). Der Kläger führt seine bereits im März 1983 und August 1989 geltend gemachten Atemwegs- und Hauterkrankungen auf seine bis zum 12.08.1982 ausgeübte Berufstätigkeit bei der Firma P. B. GmbH & Co. zurück, so dass er offenbar von einem Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 ausgeht. Aus diesem Grunde ist hier auch noch die BKVO vom 20.06.1968 (BGBl. I, S 721) und nicht die am 01.12.1997 in Kraft getretene BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) anzuwenden.
Nach Eintritt des Arbeitsunfalls gewährt der Träger der Unfallversicherung Leistungen (§ 547 RVO). Als Arbeitsunfall gilt eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen verursacht worden sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung mit der BKVO Gebrauch gemacht. Die Voraussetzungen der Berufskrankheiten sind erfüllt, wenn eine Krankheit in der Anlage 1 zur BKVO als Berufskrankheit bezeichnet ist und durch eine versicherte Tätigkeit im Einzelfall verursacht oder verschlimmert worden ist. Die Träger der Unfallversicherung sollen im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind (§ 551 Abs. 2 RVO).
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit sind vorliegend nicht gegeben. Es liegen keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, dass MCS-Syndrome durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Bei einem MCS-Syndrom handelt es sich um eine durch rezidivierende, multiple Symptome in mehreren Organsystemen gekennzeichnete Symptomatik (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 5.1.19, S. 160). Eine besondere Betroffenheit bestimmter Berufe oder das vermehrte Auftreten von MCS-Syndromen nach bestimmten Expositionen ist nicht beweisbar. Die wenigen bisher vorliegenden Publikationen, die Kollektive von MCS-Patienten mit ihren Berufen beschreiben, greifen auf nicht validierte Datenbasen selbstberichtender Patienten zurück. Auch die dort dargestellten Schlussfolgerungen zu vermuteten auslösenden Ursachen sind aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Es liegen bisher keine Ergebnisse von Studien vor, in denen mit erkennbaren Qualitätsstandards versucht worden wäre, einheitliche Kollektive zu definieren und zu beschreiben (Bayerisches LSG, Urteil vom 18.10.2007 - L 3 U 267/03). Kausalitätsbeziehungen konnten mangels messbarer und reproduzierbarer gesundheitlicher Effekte bisher nicht objektiviert werden. Weder liegen eine allgemeine akzeptierte klinische Definition noch übereinstimmende Vorstellungen zur Pathogenese sowie Pathophysiologie vor. Die generelle Geeignetheit bestimmter Einwirkungen, ein MCS-Syndrom zu verursachen sowie eine besondere Betroffenheit bestimmter Berufe sind derzeit nicht zu belegen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 5.1.19, S. 160).
Eine Anerkennung des MCS-Syndroms gemäß § 551 Abs. 2 RVO als Berufskrankheit ist daher nicht möglich (Bayerisches LSG, Urteil vom 18.10.2007 - L 3 U 267/03; Bayerisches LSG, Urteil vom 13.11.2002 - L 2 U 530/00; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2001 - L 2 U 236/98; Bayerisches LSG, Urteil vom 11.07.2001 - L 2 U 300/99; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.08.2000 - L 17 U 26/99).
Ob die Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheiten im Sinne des § 551 Abs. 1 RVO i. V. m. der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen sind, war vorliegend vom Senat nicht zu prüfen. Denn die BG hat dies bereits mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 26.09.1984 sowie vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992 abgelehnt. Über eine Rücknahme dieser Bescheide gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat die BG mit dem angegriffenen Bescheid vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 nicht entschieden.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1940 geborene Kläger begehrt die Feststellung eines Multiplen Chemikalien-Sensitivitäts(MCS)-Syndroms wie eine Berufskrankheit.
Der Kläger war in der B. D. vom 26.07.1965 bis zum 15.01.1968 in der K. Metall- und Drahtwerke GmbH in St.-Z., vom 01.04.1968 bis zum 01.11.1969 im B.-Grill in , vom 13.11.1969 bis zum 10.11.1970 bei dem Kolbenhersteller M. KG in St.-Bad C. sowie vom 11.11.1970 bis zum 12.08.1982 bei der P. B. GmbH & Co. in St.-W. bis April 1976 in der Dachgully-Fertigung und ab Mai 1976 in der PUR-Bandschaum-Fertigung beschäftigt.
Im März 1983 machte der Kläger die Anerkennung einer Bronchialerkrankung als Berufskrankheit geltend. Die BG holte das lungenärztliche Gutachten des Prof. Dr. V. vom 25.07.1984 ein und lehnte mit Bescheid vom 26.09.1984 die Anerkennung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ab. Das Sozialgericht Stuttgart (SG) holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das lungenärztliche Gutachten des Dr. N. vom 28.10.1985 ein und wies die Klage mit Urteil vom 24.03.1986 (S 2 U 3418/84) ab. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das lungenärztliche Gutachten des Prof. Dr. D. vom 20.06.1988 ein und wies die Berufung mit Urteil vom 03.11.1988 (L 7 U 1413/86) zurück.
Im August 1989 machte der Kläger die Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit geltend. Die BG holte das hautärztliche Gutachten des Dr. W. vom 02.08.1991 ein und lehnte mit Bescheid vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992 die Anerkennung der Hauterscheinungen als Berufskrankheit ab. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 07.12.1993 (S 11 U 1413/92) ab. Das LSG wies die Berufung mit Beschluss vom 20.11.1995 (L 7 U 200/94) zurück.
Im März 1997 beantragte der Kläger, über seine Hauterkrankung erneut zu entscheiden. Die BG lehnte mit Bescheid vom 11.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.1997 eine Rücknahme des Bescheides vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992 ab. Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.03.1999 (S 6 U 4842/97) ab. Das LSG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das hautärztliche Gutachten des Prof. Dr. Dr. R. vom 14.02.2000 ein und wies die Berufung mit Urteil vom 05.07.2000 (L 7 U 1303/99) zurück. Das BSG verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 11.12.2000 (B 2 U 292/00 B) als unzulässig.
Im März 2005 und August 2005 beantragte der Kläger, über seine Haut- und Atemwegserkrankung erneut zu entscheiden. Die BG lehnte mit Bescheid vom 20.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2006 eine Rücknahme ihrer Bescheide ab. Das SG wies die Klage mit Urteil vom 30.05.2007 (S 1 U 994/06) ab. Im Berufungsverfahren begehrte der Kläger die Rücknahme des Bescheides vom 26.09.1984 und des Bescheides vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992, die Anerkennung seiner Atemwegs- und Hauterkrankungen, insbesondere in Form eines MCS-Syndroms, als Berufskrankheit nach den Nrn. 4301, 4302, 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) und/oder wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie die Gewährung einer Verletztenrente und hilfsweise nach § 109 SGG die Einholung eines Gutachtens bei Prof. Dr. N ... Das LSG führte im Berufungsverfahren unter dem 01.10.2007 aus, nach vorläufiger Prüfung sei das angefochtene Urteil nicht zu beanstanden. Dem Kläger gehe es jedoch ohnehin eher um die Anerkennung eins MCS-Syndroms als sogenannte "Wie-BK". Diesbezüglich fehle es jedoch bereits an einer anfechtbaren Entscheidung der Beklagten. Es werde daher angeregt, die Fortführung des Berufungsverfahrens zu überdenken. Gegebenenfalls könne der Kläger nach Erledigung des Berufungsverfahrens ein Verwaltungsverfahren betreffend eine "Wie-BK" durchführen und das von ihm gewünschte Gutachten des Prof. Dr. N. gegebenenfalls als Privatgutachten der Beklagten vorlegen. Der Kläger nahm am 05.11.2007 die Berufung zurück (L 10 U 3344/07).
Am 06.11.2007 beantragte der Kläger, die Atemwegs- und Hauterkrankung in Form eines MCS-Syndroms wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente zu gewähren.
Mit Bescheid vom 12.02.2008 lehnte die BG die Anerkennung des vom Kläger geltend gemachten MCS-Syndroms als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII i. V. m. der Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGV VII ab. Bei einem MCS-Syndrom handle es sich nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten nicht um ein eigenständiges Krankheitsbild, sondern es sei lediglich mit der Bezeichnung "Syndrom" versehen. Fehle es aber schon am Vorliegen einer Krankheit, könne auch keine Erkrankung im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII vorliegen. Entsprechend finde sich das MCS-Syndrom auch nicht in der Anlage zur BKV. Ferner sei das MCS-Syndrom nach aktuellem medizinisch-wissenschaftlichem Kenntnisstand in seiner Ursächlichkeit völlig ungeklärt.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die BG mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 zurück. Eine Anerkennung eines MCS-Syndroms als Berufskrankheit sei angesichts des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich. Nach dem aktuell noch bestehenden medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand sei die Ätiologie des MCS-Syndroms weiterhin unklar, die Ursache also noch völlig ungeklärt. Gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über eine berufliche Verursachung eines MCS-Syndroms, wie sie in der gesetzlichen Unfallversicherung zur Anerkennung einer Erkrankung als beruflich verursacht gefordert würden, lägen nicht vor.
Hiergegen erhob der Kläger am 24.04.2008 Klage zum SG.
Das SG holte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das arbeitsmedizinische Gutachten des Prof. Dr. N. vom 17.08.2009 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine Typ-IV-Sensibilisierung der Haut gegenüber Epoxidharz und anderen Kunststoffen, einen Bandscheibenvorfall L4/5, einen Zustand nach Unterlappenresektion links wegen Bronchiektasen sowie eine chronische Bronchitis und äußerte den Verdacht auf einen Diabetes mellitus. Der aktuelle Gesundheitszustand des Klägers könne als hinreichend gesichert bezeichnet werden. Worauf die Symptomatik jedoch zurückzuführen sei, könne durch die gutachtliche Untersuchung nicht geklärt werden. Der Sachverständige führte ferner aus, für das MCS-Syndrom sei es trotz wissenschaftlicher Anstrengung bisher nicht gelungen, verlässliche Diagnosekriterien herauszuarbeiten, welche das MCS-Syndrom als einheitliches Krankheitsbild darstellen ließen. Es handle es sich nicht um ein Krankheitsbild, das wie eine Berufskrankheit anzuerkennen sei. Entsprechende neue wissenschaftliche Erkenntnisse lägen nicht vor. Der Ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in welchem er Mitglied sei, werde sich auf absehbare Zeit auch nicht mit dieser Problematik befassen. Es liege somit keine Berufskrankheit vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2009 wies das SG die Klage ab. Es folgte der Begründung der Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden und führte ergänzend aus, die vom Kläger vorgebrachten Einwände hätten die schlüssigen arbeitsmedizinischen Ausführungen des Prof. Dr. N. nicht zu entkräften vermocht. Anlass für weitere Ermittlungen bestehe nicht. So sei das MCS-Syndrom nach dem aktuellen Stand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft nicht als Berufskrankheit anzuerkennen.
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 17.11.2009 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20.10.2009 und den Bescheid vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 aufzuheben und festzustellen, dass seine Atemwegs- und Hauterkrankung in Form eines MCS-Syndroms wie eine Berufskrankheit anzuerkennen ist.
Die Beklagte, seit 01.01.2010 Rechtsnachfolgerin der BG, beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines MCS-Syndroms wie eine Berufskrankheit.
Vorliegend ist noch die Reichsversicherungsordnung (RVO) und nicht das am 01.01.1997 in Kraft getretene SGB VII anzuwenden, denn das SGB VII gilt erst für nach dem 01.01.1997 eingetretene Versicherungsfälle (§ 212 SGB VII). Der Kläger führt seine bereits im März 1983 und August 1989 geltend gemachten Atemwegs- und Hauterkrankungen auf seine bis zum 12.08.1982 ausgeübte Berufstätigkeit bei der Firma P. B. GmbH & Co. zurück, so dass er offenbar von einem Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 ausgeht. Aus diesem Grunde ist hier auch noch die BKVO vom 20.06.1968 (BGBl. I, S 721) und nicht die am 01.12.1997 in Kraft getretene BKV vom 31.10.1997 (BGBl. I, S. 2623) anzuwenden.
Nach Eintritt des Arbeitsunfalls gewährt der Träger der Unfallversicherung Leistungen (§ 547 RVO). Als Arbeitsunfall gilt eine Berufskrankheit (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen verursacht worden sind (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung mit der BKVO Gebrauch gemacht. Die Voraussetzungen der Berufskrankheiten sind erfüllt, wenn eine Krankheit in der Anlage 1 zur BKVO als Berufskrankheit bezeichnet ist und durch eine versicherte Tätigkeit im Einzelfall verursacht oder verschlimmert worden ist. Die Träger der Unfallversicherung sollen im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sind (§ 551 Abs. 2 RVO).
Die Voraussetzungen für eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit sind vorliegend nicht gegeben. Es liegen keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, dass MCS-Syndrome durch besondere Einwirkungen verursacht werden, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
Bei einem MCS-Syndrom handelt es sich um eine durch rezidivierende, multiple Symptome in mehreren Organsystemen gekennzeichnete Symptomatik (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 5.1.19, S. 160). Eine besondere Betroffenheit bestimmter Berufe oder das vermehrte Auftreten von MCS-Syndromen nach bestimmten Expositionen ist nicht beweisbar. Die wenigen bisher vorliegenden Publikationen, die Kollektive von MCS-Patienten mit ihren Berufen beschreiben, greifen auf nicht validierte Datenbasen selbstberichtender Patienten zurück. Auch die dort dargestellten Schlussfolgerungen zu vermuteten auslösenden Ursachen sind aus arbeitsmedizinischer Sicht nicht nachvollziehbar. Es liegen bisher keine Ergebnisse von Studien vor, in denen mit erkennbaren Qualitätsstandards versucht worden wäre, einheitliche Kollektive zu definieren und zu beschreiben (Bayerisches LSG, Urteil vom 18.10.2007 - L 3 U 267/03). Kausalitätsbeziehungen konnten mangels messbarer und reproduzierbarer gesundheitlicher Effekte bisher nicht objektiviert werden. Weder liegen eine allgemeine akzeptierte klinische Definition noch übereinstimmende Vorstellungen zur Pathogenese sowie Pathophysiologie vor. Die generelle Geeignetheit bestimmter Einwirkungen, ein MCS-Syndrom zu verursachen sowie eine besondere Betroffenheit bestimmter Berufe sind derzeit nicht zu belegen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Nr. 5.1.19, S. 160).
Eine Anerkennung des MCS-Syndroms gemäß § 551 Abs. 2 RVO als Berufskrankheit ist daher nicht möglich (Bayerisches LSG, Urteil vom 18.10.2007 - L 3 U 267/03; Bayerisches LSG, Urteil vom 13.11.2002 - L 2 U 530/00; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2001 - L 2 U 236/98; Bayerisches LSG, Urteil vom 11.07.2001 - L 2 U 300/99; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30.08.2000 - L 17 U 26/99).
Ob die Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheiten im Sinne des § 551 Abs. 1 RVO i. V. m. der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen sind, war vorliegend vom Senat nicht zu prüfen. Denn die BG hat dies bereits mit den bestandskräftigen Bescheiden vom 26.09.1984 sowie vom 26.02.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.06.1992 abgelehnt. Über eine Rücknahme dieser Bescheide gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hat die BG mit dem angegriffenen Bescheid vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2008 nicht entschieden.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht.
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