Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2494/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1534/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erstrebt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Bei der im Jahre 1953 geborene Klägerin wurde mit Bescheid des Versorgungsamtes Karlsruhe vom 06.05.1998 wegen der Behinderungen "Degeneratives Cerviko-brachial-Syndrom, Lendenwirbelsäulensyndrom" ein GdB von weniger als 20 festgestellt.
Mit dem am 30.05.2005 beim Beklagten eingegangenen Erhöhungsantrag machte die Klägerin Verschlimmerung des Lendenwirbelsäulensyndroms durch ausstrahlende Schmerzen im linken Bein mit Taubheitsgefühl und Bandscheibenvorfall sowie als neu aufgetretene Gesundheitsstörungen einen Drehschwindel, einen Tinnitus beidseits, Depressionen mit Schlafstörungen, eine Migräne, eine Hiatusinsuffizienz, Rheuma und ein hyperkeratotisch-rhagadiformes Hand- sowie Fußekzem geltend. Der Beklagte führte daraufhin Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten E. (Allgemeinmediziner), Dr. H. (Hals-Nasen-Ohren-Arzt) und Dr. G. (Psychiater) durch. Darüber hinaus holte er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 18.10.2005 ein.
Mit Bescheid vom 02.12.2005 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.05.1998 auf und stellte bei der Klägerin wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschaden am Kniegelenk, chronisches Schmerzsyndrom, Fingerpolyarthrose" (Teil-GdB 30) sowie "Depression, Migräne" (Teil-GdB 20) einen GdB von 40 nebst dauernder Einbuße der körperlichen Beweglichkeit seit dem 30.05.2005 fest. Die darüber hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Speiseröhrengleitbruch, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Schlafstörungen, chronisches Ekzem" bedingten keine Funktionsbeeinträchtigungen bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten deshalb keine Behinderung i. S. des SGB IX dar.
Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht vollständig erfasst und auch nicht angemessen bewertet. Der Beklagte zog daraufhin weitere Unterlagen des Allgemeinmediziners E. bei.
Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 18.04.2006 (bisherige Bewertung zutreffend) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 zurück.
Am 31.05.2006 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe Klage.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Psychiaters Dr. G. vom 11.10.2006 (mittelgradige depressive Episode), des Allgemeinmediziners E. vom 16.10.2006 (somat. Depressionen [30 %], chronische Cervikobrachialgien bei Protrusion C6/7 und Foramenstenose [20 %], Gonarthrosen beidseits rezidivierend [10 %]; insgesamt 40-50 %]), des Orthopäden Dr. L. vom 19.10.2006 (mittelgradige Lumbalgie bei Chondrose L5/S1, leichtes unteres Cervikalsyndrom sowie Schulter-Arm-Syndrom mit Einsteifungstendenz mittleren Grades, Kniegelenksprobleme nicht zur Sprache gebracht und behandelt; Ausführungen von Dr. K. reproduzierbar) sowie des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. H. vom 24.01.2007 (bei letztmaliger Behandlung im September 2005 schwere depressive Episode [GdB 30]) ein.
Der Beklagte legte daraufhin die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 09.05.2007 (Depression, Migräne [Teil-GdB 30], degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen [Teil-GdB 20], Knorpelschäden an beiden Kniegelenken [Teil-GdB 10] und Fingerpolyarthrose [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 40) vor.
Sodann holte das Sozialgericht das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie für psychotherapeutische Medizin Dr. W. vom 05.08.2007 (mittelgradige depressive Episode, anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit [Teil-GdB 30]; unter Einbeziehung der aus den Akten übernommenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden und - derzeit allerdings nicht feststellbaren - Nervenwurzelreizerscheinungen [Teil-GdB 20], Knorpelschäden an beiden Kniegelenken [Teil-GdB 10] und Fingerpolyarthrose [Teil-GdB 10] Gesamt-GdB 40) ein.
Mit Urteil vom 12.02.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Insbesondere die von Dr. L. beschriebenen durchgängig mittelgradigen Beeinträchtigungen bedingten keinen höheren GdB. Der Teil-GdB auf psychiatrischem Fachgebiet sei entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen Dr. W. mit einem Teil-GdB von 30 zutreffend bewertet. Insbesondere sei ein solcher GdB auch für stärker behindernde psychische Störungen angemessen. Solche Einschränkungen lägen bei der Klägerin allerdings nicht dauerhaft vor. Vielmehr leide sie an depressiven Episoden mit schwankender Stärke. Im Durchschnitt ergebe sich damit auch unter Einbeziehung der somatoformen Schmerzstörung kein höherer Teil-GdB. Für die Gonarthrose und die Fingerpolyarthrose sei jeweils ein Teil-GdB von 10 angemessenen. Hieraus ergebe sich insgesamt ein GdB von 40. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 03.03.2008 zugestellt.
Am 31.03.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Folgezeit hat sie zum Teil bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Arztbriefe bzw. Bescheinigungen der Radiologin Dr. Peter vom 04.04.2007 und des Psychiaters Dr. G. vom 05.10.2007, 28.02.2008 und 27.04.2009 vorgelegt.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Allgemeinmediziners E. vom 18.05.2009 (unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen, darunter Berichten und Arztbriefen des Rheuma-Zentrums B., der DRK-Klinik B. und des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch.: mittelschwere Depressionen [Teil-GdB ca. 40-50], mittelschwere Wirbelsäulenerkrankung [Teil-GdB ca. 40], geringfügiger Diabetes mellitus IIb mit Hypertonie [Teil-GdB ca. 10], leichtgradige Ekzeme [Teil-GdB ca. 10]; Gesamt-GdB ca. 50-60) sowie des Psychiaters Dr. G. vom 18.06.2009 (mittelschwere Migräne ohne Aura sowie mittelschwere rezidivierende depressive Störung, derzeit schwere Episode) eingeholt
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Gesundheitsstörungen seien bislang nicht vollständig, insbesondere nicht aktuell erfasst und nicht angemessen bewertet. Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2008 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von mindestens 70 ab dem 30.05.2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt unter Vorlage versorgungsärztlicher Stellungnahmen, zuletzt von Dr. G. vom 14.09.2009, vor, bei der Klägerin bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20), eine Depression sowie eine somatoforme Schmerzstörung (Teil-GdB 30), Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB 10), eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10) und ein mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbarer Diabetes mellitus (Teil-GdB 10). Dies rechtfertige weiterhin einen Gesamt-GdB von 40.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Karlsruhe sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Zwar erstrebt die Klägerin mit ihrer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 m.w.N.) neben der Abänderung des Bescheides vom 02.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 zu Recht unmittelbar die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines höheren GdB. Insbesondere steht nämlich der Bescheid vom 06.05.1998 einem solchen Verpflichtungsausspruch nicht entgegen. Zum einen war nämlich mit der Feststellung eines GdB von weniger als 20 in der Sache eine Ablehnung des Erstantrages erfolgt und damit kein Dauerverwaltungsakt ergangen, der dem Begehren der Klägerin - bis zu einer Aufhebung nach den Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - entgegen gehalten werden könnte. Zum anderen hat der Beklagte die genannte Verwaltungsentscheidung bereits mit den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheiden aufgehoben; und auf diesen Verfügungssatz erstreckt sich das hier streitgegenständliche Anfechtungsbegehren der Klägerin bei sachdienlicher Auslegung (§ 123 SGG) nicht.
Indes hat ihre Klage in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind im zur Entscheidung des Senats gestellten Umfang rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Denn die Voraussetzungen für die erstrebte Feststellung eines GdB von mehr als 40 liegen in der Sache nicht vor.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozeßordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008 BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze sind zunächst die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 30 in die Bewertung einzustellen. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil vom 12.02.2008 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Allgemeinmediziner E. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2009 mitgeteilten Einschränkungen infolge der Depression (Lust- und Antriebslosigkeit sowie Schlaflosigkeit) mit den im Gutachten des Sachverständigen Dr. W. vom 05.08.2007 angeführten Beeinträchtigungen (erhebliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, Schlafstörungen) übereinstimmen und daher keine abweichende Einschätzung zu rechtfertigen vermögen. Auch hat der Sachverständige schlüssig darauf hingewiesen, dass nicht nur die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin, sondern auch ihre alle zwei bis drei Wochen auftretende Migräne (vgl. hierzu die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. W. sowie die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. G. vom 18.06.2009) als Somatisierungsform der Depression von dieser Beurteilung umfasst wird.
Hinzu kommen die Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin. Diese sind mit einem Teil-GdB von 20 zutreffend bewertet. Insbesondere liegen mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die nach Teil B Nr. 18.9 (Seite 90) der VG einen Teil-GdB von 30 bis 40 rechtfertigen könnten, nicht vor. Die zuletzt vom behandelnden Allgemeinmediziner E. mitgeteilten Funktionsbeeinträchtigungen der Halswirbelsäule (Cervikobrachialgien, HWS-Blockierungen und ausstrahlende Schmerzen in beide Arme mit Gefühlsstörungen) und der Lendenwirbelsäule (chronische Lumbago) sind allenfalls als mittelgradige Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, der Halswirbelsäule, anzusehen. Die Lumboischialgien sind angesichts des vom Rheuma-Zentrum B. im Entlassungsbericht vom 10.04.2008 mitgeteilten lumbalen Schober von 4 cm sowie dem vom Allgemeinmediziner E. der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2009 angegebenen Finger-Boden-Abstand von nur 10 cm in ihren Auswirkungen eher geringfügig. Die im Entlassungsbericht des Rheuma-Zentrums Baden-Baden als Aufnahmebefund weiter angegebene Bewegungseinschränkung nicht nur der Halswirbelsäule, sondern auch der Lendenwirbelsäule um die Hälfte in allen Ebenen lässt sich danach nicht schlüssig auf organische Ursachen zurückführen, ebenso wenig der dort angegebene Finger-Boden-Abstand von 40 cm. Vielmehr ist die Bewegungseinschränkung überzeugend allein durch die oben angeführte und im Rahmen der psychischen Beeinträchtigungen zu bewertende somatoforme Schmerzstörung zu erklären. Hierfür spricht auch der Umstand, dass sich die Beschwerden der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts des Rheuma-Zentrums B. im Verlaufe der dreiwöchigen Behandlung im März 2008 erheblich lindern ließen. Angesichts der insbesondere im Bereich des Schmerzerlebens bestehenden Überschneidungen zwischen den psychiatrischem Beeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 30 und den durch die Wirbelsäule hervorgerufenen Beschwerden mit einem Teil-GdB von 20 lässt sich eine Erhöhung des für die erstgenannten Funktionsbeeinträchtigungen anzusetzenden Teil-GdB auf allenfalls 40 (knapp) rechtfertigen. Die ferner zu berücksichtigenden Funktionsbehinderungen der Klägerin lassen eine weitere Erhöhung nicht zu:
Dies gilt insbesondere für den vom behandelnden Allgemeinmediziner E. nur mit einem Teil-GdB von 10 in Ansatz gebrachten Diabetes mellitus Typ IIb mit Hypertonie (vgl. hierzu die vom Senat eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 18.05.2009). Denn selbst dann, wenn die darin berichtete medikamentöse Einstellung durch die Hypoglykämieneigung erhöhende Medikamente erfolgt und daher mit einem Teil-GdB von 20 in die Beurteilung einzustellen ist (vgl. Nr. 1 Teil B 5.1 [Seite 73 f.] der VG), rechtfertigt dies als leichte Funktionsbeeinträchtigung unter Zugrundelegung von Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG - wie oben ausgeführt vielfach - nicht den Schluss auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den oben gemachten Ausführungen die psychiatrischem Beeinträchtigungen und die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule in ihrer Gesamtheit einen GdB von 40 nur knapp erreichen. Ein GdB von 50 lässt sich damit auch unter Einbeziehung eines Teil-GdB von 20 für den Diabetes mellitus IIb mit Hypertonie nicht begründen.
Gleiches gilt nach Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG für die weiteren Gesundheitsstörungen. So ist für die vom Allgemeinmediziner E. in der vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16.10.2006 als gering und vom Rheuma-Zentrum B. als diskret (vgl. hierzu den Entlassungsbericht vom 10.04.2008) eingeschätzte Kniegelenksarthrose beidseits, die in der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Allgemeinmediziners E. vom 18.05.2009 keinerlei Erwähnung mehr gefunden hat, gemeinsam mit der allenfalls leichtgradigen Hüftgelenksarthrose (vgl. auch hierzu den Entlassungsbericht des Rheuma-Zentrums Baden-Baden vom 10.04.2008) ein Teil-GdB von allenfalls 10 gerechtfertigt (vgl. Teil B Nr. 18.14 [Seite 98 ff.] der VG). Ebenso ist die Fingerpolyarthrose vom Beklagten zutreffend mit einem Teil-GdB von lediglich 10 bewertet (vgl. Teil B Nr. 18.13 [Seite 95 ff.] der VG). Eine allenfalls ebensolche Bewertung ergibt sich auch für das chronische (Hand)Ekzem (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners E. vom 18.05.2009 sowie Teil B Nr. 17.1 [Seite 81 f.] der VG.
Das vom Neurologen und Psychiater Dr. Sch. im Rahmen der Untersuchung 17.03.2008 diagnostizierten Karpaltunnelsyndrom rechts (vgl. den Arztbrief vom 19.03.2008) ist durch Dekompressionsoperation am 24.04.2008 (vgl. den Arztbrief und den Operationsbericht der DRD-Klinik B. vom 24.04.2008) wesentlich gebessert worden (vgl. hierzu den Arztbrief von Dr. Sch. vom 23.11.2008) und daher angesichts der nur kurzzeitigen Beeinträchtigung für die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht relevant. Auch liegen weitere hier erhebliche Beeinträchtigungen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin erstrebt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Bei der im Jahre 1953 geborene Klägerin wurde mit Bescheid des Versorgungsamtes Karlsruhe vom 06.05.1998 wegen der Behinderungen "Degeneratives Cerviko-brachial-Syndrom, Lendenwirbelsäulensyndrom" ein GdB von weniger als 20 festgestellt.
Mit dem am 30.05.2005 beim Beklagten eingegangenen Erhöhungsantrag machte die Klägerin Verschlimmerung des Lendenwirbelsäulensyndroms durch ausstrahlende Schmerzen im linken Bein mit Taubheitsgefühl und Bandscheibenvorfall sowie als neu aufgetretene Gesundheitsstörungen einen Drehschwindel, einen Tinnitus beidseits, Depressionen mit Schlafstörungen, eine Migräne, eine Hiatusinsuffizienz, Rheuma und ein hyperkeratotisch-rhagadiformes Hand- sowie Fußekzem geltend. Der Beklagte führte daraufhin Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten E. (Allgemeinmediziner), Dr. H. (Hals-Nasen-Ohren-Arzt) und Dr. G. (Psychiater) durch. Darüber hinaus holte er die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. B. vom 18.10.2005 ein.
Mit Bescheid vom 02.12.2005 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.05.1998 auf und stellte bei der Klägerin wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Knorpelschaden am Kniegelenk, chronisches Schmerzsyndrom, Fingerpolyarthrose" (Teil-GdB 30) sowie "Depression, Migräne" (Teil-GdB 20) einen GdB von 40 nebst dauernder Einbuße der körperlichen Beweglichkeit seit dem 30.05.2005 fest. Die darüber hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Speiseröhrengleitbruch, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Schlafstörungen, chronisches Ekzem" bedingten keine Funktionsbeeinträchtigungen bzw. keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten deshalb keine Behinderung i. S. des SGB IX dar.
Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, die bei ihr vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien nicht vollständig erfasst und auch nicht angemessen bewertet. Der Beklagte zog daraufhin weitere Unterlagen des Allgemeinmediziners E. bei.
Gestützt auf die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 18.04.2006 (bisherige Bewertung zutreffend) wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2006 zurück.
Am 31.05.2006 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe Klage.
Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Psychiaters Dr. G. vom 11.10.2006 (mittelgradige depressive Episode), des Allgemeinmediziners E. vom 16.10.2006 (somat. Depressionen [30 %], chronische Cervikobrachialgien bei Protrusion C6/7 und Foramenstenose [20 %], Gonarthrosen beidseits rezidivierend [10 %]; insgesamt 40-50 %]), des Orthopäden Dr. L. vom 19.10.2006 (mittelgradige Lumbalgie bei Chondrose L5/S1, leichtes unteres Cervikalsyndrom sowie Schulter-Arm-Syndrom mit Einsteifungstendenz mittleren Grades, Kniegelenksprobleme nicht zur Sprache gebracht und behandelt; Ausführungen von Dr. K. reproduzierbar) sowie des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. H. vom 24.01.2007 (bei letztmaliger Behandlung im September 2005 schwere depressive Episode [GdB 30]) ein.
Der Beklagte legte daraufhin die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. F. vom 09.05.2007 (Depression, Migräne [Teil-GdB 30], degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen [Teil-GdB 20], Knorpelschäden an beiden Kniegelenken [Teil-GdB 10] und Fingerpolyarthrose [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 40) vor.
Sodann holte das Sozialgericht das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie für psychotherapeutische Medizin Dr. W. vom 05.08.2007 (mittelgradige depressive Episode, anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit [Teil-GdB 30]; unter Einbeziehung der aus den Akten übernommenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden und - derzeit allerdings nicht feststellbaren - Nervenwurzelreizerscheinungen [Teil-GdB 20], Knorpelschäden an beiden Kniegelenken [Teil-GdB 10] und Fingerpolyarthrose [Teil-GdB 10] Gesamt-GdB 40) ein.
Mit Urteil vom 12.02.2008 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 20 in Ansatz zu bringen. Insbesondere die von Dr. L. beschriebenen durchgängig mittelgradigen Beeinträchtigungen bedingten keinen höheren GdB. Der Teil-GdB auf psychiatrischem Fachgebiet sei entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen Dr. W. mit einem Teil-GdB von 30 zutreffend bewertet. Insbesondere sei ein solcher GdB auch für stärker behindernde psychische Störungen angemessen. Solche Einschränkungen lägen bei der Klägerin allerdings nicht dauerhaft vor. Vielmehr leide sie an depressiven Episoden mit schwankender Stärke. Im Durchschnitt ergebe sich damit auch unter Einbeziehung der somatoformen Schmerzstörung kein höherer Teil-GdB. Für die Gonarthrose und die Fingerpolyarthrose sei jeweils ein Teil-GdB von 10 angemessenen. Hieraus ergebe sich insgesamt ein GdB von 40. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 03.03.2008 zugestellt.
Am 31.03.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Folgezeit hat sie zum Teil bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Arztbriefe bzw. Bescheinigungen der Radiologin Dr. Peter vom 04.04.2007 und des Psychiaters Dr. G. vom 05.10.2007, 28.02.2008 und 27.04.2009 vorgelegt.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen des Allgemeinmediziners E. vom 18.05.2009 (unter Vorlage verschiedener ärztlicher Unterlagen, darunter Berichten und Arztbriefen des Rheuma-Zentrums B., der DRK-Klinik B. und des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch.: mittelschwere Depressionen [Teil-GdB ca. 40-50], mittelschwere Wirbelsäulenerkrankung [Teil-GdB ca. 40], geringfügiger Diabetes mellitus IIb mit Hypertonie [Teil-GdB ca. 10], leichtgradige Ekzeme [Teil-GdB ca. 10]; Gesamt-GdB ca. 50-60) sowie des Psychiaters Dr. G. vom 18.06.2009 (mittelschwere Migräne ohne Aura sowie mittelschwere rezidivierende depressive Störung, derzeit schwere Episode) eingeholt
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Gesundheitsstörungen seien bislang nicht vollständig, insbesondere nicht aktuell erfasst und nicht angemessen bewertet. Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2008 aufzuheben sowie den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 zu verurteilen, bei ihr einen GdB von mindestens 70 ab dem 30.05.2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt unter Vorlage versorgungsärztlicher Stellungnahmen, zuletzt von Dr. G. vom 14.09.2009, vor, bei der Klägerin bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 20), eine Depression sowie eine somatoforme Schmerzstörung (Teil-GdB 30), Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB 10), eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 10) und ein mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbarer Diabetes mellitus (Teil-GdB 10). Dies rechtfertige weiterhin einen Gesamt-GdB von 40.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Karlsruhe sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Zwar erstrebt die Klägerin mit ihrer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 m.w.N.) neben der Abänderung des Bescheides vom 02.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2006 zu Recht unmittelbar die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines höheren GdB. Insbesondere steht nämlich der Bescheid vom 06.05.1998 einem solchen Verpflichtungsausspruch nicht entgegen. Zum einen war nämlich mit der Feststellung eines GdB von weniger als 20 in der Sache eine Ablehnung des Erstantrages erfolgt und damit kein Dauerverwaltungsakt ergangen, der dem Begehren der Klägerin - bis zu einer Aufhebung nach den Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - entgegen gehalten werden könnte. Zum anderen hat der Beklagte die genannte Verwaltungsentscheidung bereits mit den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bescheiden aufgehoben; und auf diesen Verfügungssatz erstreckt sich das hier streitgegenständliche Anfechtungsbegehren der Klägerin bei sachdienlicher Auslegung (§ 123 SGG) nicht.
Indes hat ihre Klage in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind im zur Entscheidung des Senats gestellten Umfang rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Denn die Voraussetzungen für die erstrebte Feststellung eines GdB von mehr als 40 liegen in der Sache nicht vor.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozeßordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008 BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG, Nr. 19 Absätze 3 und 4 der AHP).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar.
In Anwendung dieser Grundsätze sind zunächst die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 30 in die Bewertung einzustellen. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil vom 12.02.2008 ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Allgemeinmediziner E. in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2009 mitgeteilten Einschränkungen infolge der Depression (Lust- und Antriebslosigkeit sowie Schlaflosigkeit) mit den im Gutachten des Sachverständigen Dr. W. vom 05.08.2007 angeführten Beeinträchtigungen (erhebliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, Schlafstörungen) übereinstimmen und daher keine abweichende Einschätzung zu rechtfertigen vermögen. Auch hat der Sachverständige schlüssig darauf hingewiesen, dass nicht nur die somatoforme Schmerzstörung der Klägerin, sondern auch ihre alle zwei bis drei Wochen auftretende Migräne (vgl. hierzu die Angaben der Klägerin gegenüber Dr. W. sowie die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. G. vom 18.06.2009) als Somatisierungsform der Depression von dieser Beurteilung umfasst wird.
Hinzu kommen die Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin. Diese sind mit einem Teil-GdB von 20 zutreffend bewertet. Insbesondere liegen mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die nach Teil B Nr. 18.9 (Seite 90) der VG einen Teil-GdB von 30 bis 40 rechtfertigen könnten, nicht vor. Die zuletzt vom behandelnden Allgemeinmediziner E. mitgeteilten Funktionsbeeinträchtigungen der Halswirbelsäule (Cervikobrachialgien, HWS-Blockierungen und ausstrahlende Schmerzen in beide Arme mit Gefühlsstörungen) und der Lendenwirbelsäule (chronische Lumbago) sind allenfalls als mittelgradige Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, der Halswirbelsäule, anzusehen. Die Lumboischialgien sind angesichts des vom Rheuma-Zentrum B. im Entlassungsbericht vom 10.04.2008 mitgeteilten lumbalen Schober von 4 cm sowie dem vom Allgemeinmediziner E. der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 18.05.2009 angegebenen Finger-Boden-Abstand von nur 10 cm in ihren Auswirkungen eher geringfügig. Die im Entlassungsbericht des Rheuma-Zentrums Baden-Baden als Aufnahmebefund weiter angegebene Bewegungseinschränkung nicht nur der Halswirbelsäule, sondern auch der Lendenwirbelsäule um die Hälfte in allen Ebenen lässt sich danach nicht schlüssig auf organische Ursachen zurückführen, ebenso wenig der dort angegebene Finger-Boden-Abstand von 40 cm. Vielmehr ist die Bewegungseinschränkung überzeugend allein durch die oben angeführte und im Rahmen der psychischen Beeinträchtigungen zu bewertende somatoforme Schmerzstörung zu erklären. Hierfür spricht auch der Umstand, dass sich die Beschwerden der Klägerin ausweislich des Entlassungsberichts des Rheuma-Zentrums B. im Verlaufe der dreiwöchigen Behandlung im März 2008 erheblich lindern ließen. Angesichts der insbesondere im Bereich des Schmerzerlebens bestehenden Überschneidungen zwischen den psychiatrischem Beeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 30 und den durch die Wirbelsäule hervorgerufenen Beschwerden mit einem Teil-GdB von 20 lässt sich eine Erhöhung des für die erstgenannten Funktionsbeeinträchtigungen anzusetzenden Teil-GdB auf allenfalls 40 (knapp) rechtfertigen. Die ferner zu berücksichtigenden Funktionsbehinderungen der Klägerin lassen eine weitere Erhöhung nicht zu:
Dies gilt insbesondere für den vom behandelnden Allgemeinmediziner E. nur mit einem Teil-GdB von 10 in Ansatz gebrachten Diabetes mellitus Typ IIb mit Hypertonie (vgl. hierzu die vom Senat eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 18.05.2009). Denn selbst dann, wenn die darin berichtete medikamentöse Einstellung durch die Hypoglykämieneigung erhöhende Medikamente erfolgt und daher mit einem Teil-GdB von 20 in die Beurteilung einzustellen ist (vgl. Nr. 1 Teil B 5.1 [Seite 73 f.] der VG), rechtfertigt dies als leichte Funktionsbeeinträchtigung unter Zugrundelegung von Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG - wie oben ausgeführt vielfach - nicht den Schluss auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass nach den oben gemachten Ausführungen die psychiatrischem Beeinträchtigungen und die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule in ihrer Gesamtheit einen GdB von 40 nur knapp erreichen. Ein GdB von 50 lässt sich damit auch unter Einbeziehung eines Teil-GdB von 20 für den Diabetes mellitus IIb mit Hypertonie nicht begründen.
Gleiches gilt nach Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG für die weiteren Gesundheitsstörungen. So ist für die vom Allgemeinmediziner E. in der vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16.10.2006 als gering und vom Rheuma-Zentrum B. als diskret (vgl. hierzu den Entlassungsbericht vom 10.04.2008) eingeschätzte Kniegelenksarthrose beidseits, die in der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Allgemeinmediziners E. vom 18.05.2009 keinerlei Erwähnung mehr gefunden hat, gemeinsam mit der allenfalls leichtgradigen Hüftgelenksarthrose (vgl. auch hierzu den Entlassungsbericht des Rheuma-Zentrums Baden-Baden vom 10.04.2008) ein Teil-GdB von allenfalls 10 gerechtfertigt (vgl. Teil B Nr. 18.14 [Seite 98 ff.] der VG). Ebenso ist die Fingerpolyarthrose vom Beklagten zutreffend mit einem Teil-GdB von lediglich 10 bewertet (vgl. Teil B Nr. 18.13 [Seite 95 ff.] der VG). Eine allenfalls ebensolche Bewertung ergibt sich auch für das chronische (Hand)Ekzem (vgl. die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Allgemeinmediziners E. vom 18.05.2009 sowie Teil B Nr. 17.1 [Seite 81 f.] der VG.
Das vom Neurologen und Psychiater Dr. Sch. im Rahmen der Untersuchung 17.03.2008 diagnostizierten Karpaltunnelsyndrom rechts (vgl. den Arztbrief vom 19.03.2008) ist durch Dekompressionsoperation am 24.04.2008 (vgl. den Arztbrief und den Operationsbericht der DRD-Klinik B. vom 24.04.2008) wesentlich gebessert worden (vgl. hierzu den Arztbrief von Dr. Sch. vom 23.11.2008) und daher angesichts der nur kurzzeitigen Beeinträchtigung für die Einschätzung des Gesamt-GdB nicht relevant. Auch liegen weitere hier erhebliche Beeinträchtigungen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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