Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 P 1574/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3836/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juni 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008 hat.
Der am 1947 geborene Kläger war bis zum 29. Februar 2008 bei der Beklagten über seine am 1960 geborene Ehefrau familienpflegeversichert. Seit 01. März 2008 ist er bei der Pflegekasse der AOK Schleswig-Holstein ebenfalls über seine Ehefrau familienpflegepflichtversichert. Beim Kläger besteht (Bescheid des Versorgungsamts K. vom 01. Juli 1999) ein Grad der Behinderung (GdB) von 100, wobei auch die Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt waren. Mit Bescheid des Versorgungsamts K. vom 22. Oktober 2003 worden insoweit folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt: Hirnschädigung mit Teilleistungsstörung, seelische Störung, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenfehler, Bluthochdruck, coronare Herzerkrankung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Polyarthrose, chronische Bronchitis, Lungenblähung, Taubheit rechts. Mit Bescheid des Landratsamts F. (Sozialamt) vom 22. Oktober 2007 wurden ab 11. September 2007 auch die Voraussetzungen des Merkzeichens aG festgestellt.
Nachdem aufgrund von Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg im November 1998 bzw. Mai 1999 ein vom Kläger gestellter Antrag auf Pflegegeld abgelehnt worden war, beantragte der Kläger am 03. Dezember 2003 bei der Beklagten erneut Leistungen der Pflegeversicherung (Kombinationsleistungen). Als Pflegeperson wurde die Ehefrau angegeben. Dabei wurden als Unterlagen u.a. der Schwerbehindertenausweis des Klägers vom 22. Oktober 2003, Bescheinigungen des Arztes für Psychiatrie - Psychotherapie - Dr. S. vom 03. April und 09. Dezember 2003 sowie das Schreiben der Ärztin S.-F. vom Landratsamt C. (Öffentlicher Gesundheitsdienst) vom 23. Oktober 2003 vorgelegt. Die Beklagte erhob das am 09. Februar 2004 erstattete Gutachten des MDK, in dem als pflegebegründende Diagnosen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen ohne neurologische Symptomatik genannt wurden. Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege wurde mit 16 Minuten festgestellt, nämlich neun Minuten bei der Körperpflege (Rücken und Füße waschen, Urinflasche leeren) und sieben Minuten bei der Mobilität (Unterkörper an- und ausziehen). Daraufhin hatte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10. Februar 2004 abgelehnt. Im Widerspruchsverfahren erhob die Beklagte das am 27. Mai 2004 erstattete weitere Gutachten der Pflegefachkraft Ge. vom MDK, in dem bei pflegebegründenden Diagnosen einer affektiv organischen Störung als Folge eines schweren Schädel-Hirntraumas 1975 und einer nächtlicher Harndranginkontinenz der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege mit 29 Minuten festgestellt wurde, nämlich 15 Minuten bei der Körperpflege (der Kläger könne den Oberkörper vorn selbst waschen, beim Wechsel von Vorlagen sei ein Teilhilfebedarf nachvollziehbar) und 14 Minuten bei der Mobilität (beim Aufstehen und Zubettgehen sei Teilhilfebedarf nachvollziehbar, ebenso beim An- und Auskleiden). Nach Abgabe einer weiteren Stellungnahme der Pflegefachkraft Ge. vom 25. August 2004 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2004 zurückgewiesen.
Am 26. Oktober 2004 beantragte der Kläger erneut Pflegegeld. Dazu legte er verschiedene Unterlagen vor. Nachdem eine erneute Untersuchung für erforderlich gehalten worden war (MDK-Stellungnahme vom 09. Februar 2005), wurde der Kläger am 11. April 2005 in seiner häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Sc. vom MDK untersucht. Nach dem am 23. Mai 2005 erstatteten Gutachten war angegeben worden, derzeit werde einmal wöchentlich Dr. S. aufgesucht, ebenfalls in Begleitung der Ehefrau. Das Ehepaar werde von einer Nachbarin mit dem Auto gefahren. Der Kläger nehme das Neuroleptikum Neurocil ein. Als Folge zeige sich eine ausgeprägte Müdigkeit und Antriebsstörung. Der Kläger wurde auf dem Wohnzimmersofa liegend angetroffen. Er sei bei Ansprache aufgewacht. Der Aufforderung, aufzustehen und einige Schritte zu gehen, sei er nicht nachgekommen. Der Kläger sei kurze Zeit später wieder eingeschlafen, habe sehr gedämpft gewirkt. Der Kläger habe über Schmerzen am ganzen Körper geklagt. Er müsse ständig beim Gehen begleitet werden, außer Haus benutze er einen Rollator. Der Versicherte liege überwiegend auf dem Sofa. Sämtliche grundpflegerischen Verrichtungen müssten übernommen werden. Der Kläger könne selbst mit dem Besteck umgehen und essen. Getränke stünden in Reichweite, wobei er selbst aus einer Flasche trinke. Es bestehe eine Blaseninkontinenz. Inkontinenzhilfsmittel würden derzeit aus finanziellen Gründen nicht verwendet. Es bestehe ein erhöhter Umkleidebedarf und Bettwäschewechsel. Der Kläger benutze zur Miktion eine Urinflasche, welche von der Pflegeperson entleert werde. Die Defäkation erfolge ein- bis zweimal täglich auf der Toilette. Dabei bestehe Hilfebedarf beim Säubern. Es bestehe eine ausgeprägte Antriebsarmut. Der Kläger führe die Maßnahmen der Körperpflege nicht aus eigenem Antrieb durch. Zum Begutachtungszeitpunkt habe ein apathischer, schläfriger Bewusstseinszustand bestanden. Die Benutzung der Dusche habe der Kläger abgelehnt. Teilweise habe eine ängstliche Grundhaltung bestanden. Ohne medikamentöse Therapie ergebe sich ein sehr aggressives Verhalten mit Beschimpfungen der Pflegeperson. Der Kläger werfe auch mit Gegenständen. Teilweise bestehe eine nächtliche Unruhe. Der Kläger sehe nur fern, äußere ansonsten keine Interessen. Die Gutachterin schätzte den täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege mit 58 Minuten ein, nämlich 48 Minuten bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Teilwäsche Unterkörper, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Wechsel/Entleerung Urinbeutel/Toilettenstuhl) und zehn Minuten bei der Mobilität (Ankleiden gesamt, Entkleiden gesamt). Die Gutachterin führte ferner aus, die Ehefrau als Pflegeperson mache einen wesentlich höheren Hilfebedarf geltend. Dieser sei jedoch aus gutachterlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Der Kläger benötige aufgrund der psychischen Erkrankung Anleitung und Teilhilfe zur Durchführung der Körperpflege. Die Urinflasche müsse mehrmals täglich von der Pflegeperson entleert werden. Weiterer Hilfebedarf bestehe beim Kleiden (Anleitung zum Wäschewechsel und Teilhilfe beim Kleiden des Unterkörpers). Es wurde das Vorliegen der Pflegestufe I ab Januar 2005 bejaht. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30. Mai 2005 ab 01. Januar 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I in Höhe von monatlich EUR 205,00, das dem Kläger in der Folgezeit per Scheck ausgezahlt wurde, da er nicht über eine Bankverbindung verfügte.
Am 23. Mai 2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Höherstufungsantrag. Beigefügt war ein "Pflegebogen zur Vorlage beim MDK für den grundpflegerischen Hilfebedarf". Darin wurde angegeben, der Krankheitszustand des Klägers habe sich sehr verschlechtert. Es bestünden Aggressionen auf höchster Stufe; anschließend sei der Kläger wie ein hilfloses Kind. Es wurde auch eine weitere Pflegeperson (Frau K.) benannt. Die Beklagte erhob eine Stellungnahme nach Aktenlage der Dr. Fa. vom MDK vom 23. Juni 2006, in der der grundpflegerische tägliche Hilfebedarf mit 75 Minuten festgestellt wurde (Körperpflege 52 Minuten, Ernährung neun Minuten, Mobilität 14 Minuten). Der Gutachter führte aus, im Unterschied zum vorangegangenen Gutachten erfolge die Pflege jetzt nicht mehr ausschließlich durch die Ehefrau selbst, sondern durch eine zusätzliche Hilfsperson. Nach dem vorgelegten "Pflegebogen" benötige der Kläger Hilfe bei der Ganzkörperwäsche, bei der abendlichen Intimpflege, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, beim Rasieren und beim Toilettengang. Er sei jetzt mit Einlagen versorgt. Hilfebedarf bestehe auch beim Richten der Bekleidung und beim Säubern des Intimbereichs. Pflegerelevant seien im Bereich der Körperpflege 52 Minuten. Im Bereich der Ernährung mache die Ehefrau Hilfe beim Kleinschneiden und bei der Nahrungsaufnahme geltend. Nachzuvollziehen sei eine Teilhilfe bei der Portionierung und auch bei der Beaufsichtigung, ob der Kläger ausreichend esse und trinke. Eine vollständige Übernahme der Essenseingabe sei nicht nachvollziehbar. Pflegestufenrelevant seien im Bereich der Ernährung damit neun Minuten. Hinsichtlich der Mobilität benötige der Kläger Teilhilfe beim An- und Ausziehen. Bei gelegentlich bestehender Antriebsarmut müsse man ihn sicherlich zum Gehen auffordern. Ein dauerhafter Hilfebedarf beim Gehen könne ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Pflegestufenrelevant im Bereich der Mobilität seien damit "45 Min." (richtig 14 Minuten). Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich der tägliche grundpflegerische Hilfebedarf geringfügig erhöht, liege jedoch immer noch im Bereich der Pflegestufe I. Mit Bescheid vom 05. Juli 2006 lehnte danach die Beklagte den Höherstufungsantrag ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Am 20. Juli 2006 ging dann beim MDK in F. das Schreiben des Polizeihauptmeisters We., Polizeidirektion C., Polizeirevier N., vom 11. Juli 2007 ein, in dem Folgendes ausgeführt war:
" ... Im Zuge polizeilicher Ermittlungen wurde hier bekannt, dass sich D. P. die Einstufung in die Pflegestufe I der Pflegekasse betrügerisch erschlichen haben soll. Er habe damit geprahlt, dass er vor der Einstufung durch den Medizinischen Dienst sich eine mit Urin und Kot verschmutzte Windel angelegt habe. Danach habe er sich hingelegt und absichtlich mit Speichel im Gesicht verschmiert. Dadurch sei er dann als Pflegefall eingestuft worden. D. P. ist mehrfach in den zurückliegenden Wochen und Monaten polizeilich in Erscheinung getreten. Er war am 20.01.06 zur Vernehmung bei Herrn R. beim Polizeiposten H. und am 05.01.06 bei Herrn Ro. beim Polizeiposten A ... Zur Zeit werden von Herrn De. vom Polizeirevier N. Ermittlungen gegen Herrn P. im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges geführt. D. P. ist im Besitz einer Fahrerlaubnis für Pkw und nimmt regelmäßig mit seinem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teil. Die genannten Beamten können bestätigen, dass D. P. weder krank noch behindert ist".
Beigefügt war auch ein Vermerk "Pflegebedürftigkeit D. P." des Polizeihauptmeisters Dettling vom 04. Juli 2006, in dem ausgeführt war:
"Im Zuge der Ermittlungen wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte ich am 12.02.2006 mit Herrn P. zu tun. Er machte keineswegs einen hilfsbedürftigen Eindruck. Mir fielen weder Behinderungen körperlicher, noch geistiger Natur auf. In der Wohnung (Esszimmer/Wohnzimmer) waren keine Anzeichen festzustellen, die auf eine Hilfsbedürftigkeit hindeuteten. Beim Eintreffen (ca. 20.45 Uhr) saß er im Wohnzimmer und war in der Lage, schnellstens aufzustehen. Er hatte auch keinerlei Mühe, seinen Pkw aus der engen Garage herauszufahren. Bei weiteren Kontakten in dieser Sache konnten bei Herrn P. auch keinerlei Beschwerden festgestellt werden. Auch erwähnte er selbst nie etwas Derartiges. Bei einer späteren Anzeigeerstattung hatte ich wiederum Kontakt mit Herrn P ... Er war damals zur Anzeigeerstattung zum Polizeirevier N. gefahren. Auch bei diesem Kontakt wurden keinerlei Behinderungen festgestellt".
Im Hinblick auf diese Informationen teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 2006 mit, dass momentan eine Überprüfung seiner Pflegebedürftigkeit laufe. Vor Abschluss der Ermittlungen sei eine weitere Zahlung der Pflegeleistungen nicht möglich. Der Kläger wandte sich auch gegen die Einstellung der Pflegegeldzahlungen. Er legte die Bescheinigung des Dr. S. vom 21. Juli 2006 vor, in der über die psychiatrische Behandlung der Eheleute seit Mai 2002 berichtet wurde. Dr. S. gab an, der Therapieverlauf beim Kläger habe zuletzt trotz permanenter Betreuung durch seine Ehefrau und intensive medikamentöse Behandlung mit Neurocil zu einer Zunahme seiner Impulskontrollstörungen geführt. Das Ehepaar habe in den letzten Jahren dreimal umziehen müssen, weil es zum Teil durch das Verhalten des Klägers zu erheblichen Streitigkeiten mit der Nachbarschaft und dem Vermieter gekommen sei. Der Kläger sei in seiner psychischen Verfassung häufig gereizt, neige zu aggressiven Durchbrüchen gegenüber der Umwelt und habe seine früher schon vorhandene Tendenz zum Rückzug verstärkt. Der Kläger wäre alleine auf sich gestellt nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen und wäre somit nicht nur heimpflichtig, sondern müsste in ein Heim für schwer psychisch Kranke kommen. Die ständige Betreuung durch die Ehefrau sei 24 Stunden erforderlich. Wenn eine längere Pause in der täglichen Betreuung bestehen würde, würde der Kläger sich verlassen und einsam fühlen; er würde dann unruhig-aggressiv reagieren. Die Betreuung durch seine Ehefrau sei weiterhin erforderlich zur persönlichen Pflege und zur Alltagsstrukturierung. Aus psychiatrischer Sicht sei eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit, mindestens Pflegestufe II, gegeben und es liege eine "MdE" von 100 vor. Der Kläger sei wegen seiner Gangstörung, falls er die Wohnung verlasse, auf ständige Begleitung angewiesen. Am 05. September 2006 fand dann beim Kläger ein unangekündigter Hausbesuch zur Begutachtung durch die Pflegefachkraft Ki. vom MDK statt, bei dem auch die weitere Pflegefachkraft Ba. anwesend war (vgl. dazu Aktennotiz vom 06. September 2006). In dem aufgrund dieses Hausbesuches am 19. September 2006 erstatteten Gutachten führte Pflegefachkraft Ki. aus, der Kläger sei korrekt gekleidet im Hof angetroffen worden, habe selbstständig die Gattertür geöffnet. Er habe über Rückenschmerzen sowie Schmerzen in den Knien geklagt. Er nehme derzeit dreimal 20 Tropfen Neurocil. Er fahre regelmäßig mit dem Auto, nämlich einmal pro Woche zum Neurologen und zwei- bis dreimal im Monat zum Hausarzt. Zu Nervensystem/Psyche wurde ausgeführt, bei dem Versicherten bestehe eine affektiv-organische Störung mit organischer Persönlichkeitsstörung als Folge eines schweren Schädel-Hirntraumas mit emotionaler Anpassungsstörung. Der Kläger werde sehr schnell aggressiv, lasse sich schnell provozieren, neige zu starken Wutausbrüchen, werde auch seiner Ehefrau gegenüber verbal und körperlich des Öfteren aggressiv. Diese entwickle zunehmend depressive Störungen, wolle den Kläger jedoch trotzdem weiterhin pflegen. Am Begutachtungstag habe der Kläger alle Fragen selbstständig adäquat beantworten können, er habe des Öfteren den Wunsch gehabt, dass seine Frau antworte, damit er nicht aggressiv werde. Am Begutachtungstag sei er sehr freundlich zu seiner Frau gewesen. Diese habe angegeben, dass er sonst nicht so mit ihr rede. Antriebsarmut sowie Vernachlässigung der Körperpflege bestehe nicht. Der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege wurde auf 24 Minuten eingeschätzt, nämlich 16 Minuten bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Duschen, Wechsel/Entleerung Urinbeutel/Toilettenstuhl) und acht Minuten bei der Mobilität (Aufstehen/Zubettgehen, Ankleiden gesamt, Entkleiden gesamt, Stehen-Transfer). Im Vergleich zum Vorgutachten vom April 2005 habe sich insgesamt der Hilfebedarf vermindert. Beim Waschen sei der Kläger nur noch auf Hilfestellungen im Bereich des Rückens und der Füße angewiesen. Die Intimpflege könne der Kläger selbstständig durchführen, weshalb eine zusätzliche Intimpflege abends von Seiten der Pflegekraft nicht mehr erforderlich sei. Zahnpflege, Kämmen und Rasieren seien inzwischen wieder selbstständig möglich. Beim An- und Auskleiden seien ebenfalls nur noch Hilfestellungen im Bereich des Unterkörpers erforderlich. Das An- und Auskleiden des Oberkörpers gelinge ohne Hilfestellungen selbstständig. Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich die Antriebsminderung deutlich verbessert. Bei damaliger Einnahme von 100 Tropfen Neurocil täglich sei der Kläger sehr schläfrig und teilweise apathisch gewesen, weshalb ein insgesamt höherer Hilfebedarf vorgelegen habe. Inzwischen sei die Neurocil-Einnahme reduziert worden. Der Kläger sei wach, antriebsstark, benötige lediglich aufgrund der schmerzhaften Bewegungseinschränkungen leichte Hilfestellungen in der grundpflegerischen Versorgung. Ein vordergründig hoher Hilfebedarf liege im Bereich der allgemeinen Beaufsichtigung und Betreuung aufgrund der starken Tendenz zu aggressiven Durchbrüchen vor.
Mit Schreiben vom 28. September 2006 ("Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes ... Anhörung") teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Informationen der Staatsanwaltschaft T. und der Polizeidirektion C. ließen im Einklang mit dem Ergebnis des MDK-Gutachtens vom 05. (gemeint 19.) September 2006 den Schluss zu, dass spätestens zum Zeitpunkt der Vernehmung am 05. Januar 2006 im Polizeiposten Altensteig die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Pflegestufe nicht mehr vorgelegen hätten. Es sei beabsichtigt, den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2005 rückwirkend zum 05. Januar 2006 aufzuheben. Die Rücknahme dieses begünstigenden Verwaltungsakts solle erfolgen, da er (der Kläger) den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung (Vortäuschung von Pflegebedürftigkeit) herbeigeführt habe, bzw. der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlichen Beziehungen unrichtig und unvollständig gemacht habe. Diese Rechtswidrigkeit sei dem Kläger auch bekannt. Das seit 05. Januar 2006 überzahlte Pflegegeld solle zurückgefordert werden. Eine Grundlage für die bereits eingestellten Leistungen ab 01. August 2006 entfalle damit. Dem Kläger wurde vor einer Bescheidung die Möglichkeit zur Äußerung bis zum 14. Oktober 2006 gegeben. Dieser beabsichtigten Entscheidung widersprach der Kläger mit Schreiben vom 02. Oktober 2006, indem er eine Begründung ankündigte. Entsprechend dem Anhörungsschreiben hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 ("Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes ... Bescheid") den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2005 rückwirkend zum 05. Januar 2006 auf und forderte das bereits ausgezahlte Pflegegeld in Höhe von EUR 1.483,00 zurück. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, die Voraussetzungen der Pflegestufe I lägen weiterhin vor. Aufgrund der bei ihm bestehenden Krankheiten bedürfe er täglich 24 Stunden der Betreuung, der Beaufsichtigung und der Versorgung durch seine Ehefrau, die auch für die Körperpflege zu sorgen habe. Es müsse eine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Die über ihn (den Kläger) verbreiteten Behauptungen, er sei gesund und nicht berechtigt, Pflegegeld zu erhalten, träfen nicht zu. Der Kläger legte das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin - Rehabilitationswesen - Dr. Sch. vom 01. März 2007 vor, in dem über die hausärztliche Behandlung des Klägers seit 17. Juli 2006 berichtet wurde. Mit Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsstelle vom 11. April 2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Es wurde ausgeführt, zum Zeitpunkt der Begutachtung am 05. September 2006 habe eindeutig erhebliche Pflegebedürftigkeit nicht mehr bestanden; dieser Zustand sei bereits zum Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung am 05. Januar 2006 eingetreten. Deswegen sei der Bescheid vom 30. Mai 2005 nach pflichtgemäßem Ermessen rückwirkend zum 05. Januar 2006 aufzuheben; bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten. Soweit ein Verwaltungsakt (hier: Leistungsbescheid vom 30. Mai 2005), der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründe oder bestätige (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig sei, dürfe er, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme sei bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe möglich, wenn der Begünstigte, wie der Kläger, sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden sei, oder der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe, bzw. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe (§ 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB X]). Nach alledem seien aktuell weder die Leistungsvoraussetzungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz gegeben, noch lägen Hinderungsgründe vor, die gegen eine Rechtswidrigkeit und damit die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts sprächen.
Deswegen erhob der Kläger am 23. April 2007 mit Fernkopie Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er machte geltend, es lägen die Voraussetzungen für die Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts zum 05. Januar 2006 nicht vor. Er sei pflegebedürftig und habe auch keine betrügerischen Maßnahmen ergriffen, um sich die Einstufung in die Pflegestufe I zu erschleichen. Der im Widerspruchsbescheid aufscheinende Sachverhalt, der im Schreiben der Polizeidirektion mitgeteilt worden sei, werde bestritten. Aus dem vorgelegten Attest des Dr. Sch. vom 14. Juni 2007 ergebe sich, dass die Einstufung in die Pflegestufe I absolut gerechtfertigt sei. Dass er auch tatsächlich ganztägig versorgt und betreut werden müsse, ergebe sich auch aus dem Zeugnis seiner Ehefrau. Er legte außer dem Attest des Dr. Sch. vom 14. Juni 2007 weitere Arztbriefe bzw. Bescheinigungen vor: Bescheinigung des Dr. S. vom 21. Juli 2006, Arztbriefe des Facharztes für Innere Medizin, Kardiologie Dr. Bo. vom 12. Dezember 2006 sowie vom 08. und 24. Mai 2007, Arztbrief der Ärzte für Chirurgie Dr. St./Dr. P. vom 05. Januar 2007, Arztbrief der Gemeinschaftspraxis Dr. M. und E., Fachärzte für HNO-Heilkunde, vom 27. Februar 2007, Arztbrief des Dr. We., Urologische Gemeinschaftspraxis, vom 10. August 2007, Arztbrief der Dr. Ma., Fachärztin für Innere Medizin, vom 30. August 2007, Atteste des Dr. Sch. vom 14. September und 04. Oktober 2007, Arztbrief des Priv.-Doz. Dr. Ko., Chefarzt der Abteilung für Pneumologie der Klinik S., vom 15. Oktober 2007. Er reichte auch den Bescheid des Landratsamts F. (Sozialamt) vom 22. Oktober 2007 ein.
Die Beklagte trat der Klage entgegen, wobei sie jedoch im Erörterungstermin vom 26. Juni 2008 den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 insoweit zurücknahm, als die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld auch mit Wirkung für die Vergangenheit, also für den Zeitraum bis 31. Oktober 2006 verfügt worden sei. Die in den Arztberichten genannten Diagnosen und Erkrankungen, die großteils schon bekannt und auch im MDK-Gutachten vom 19. September 2006 genannt worden seien, führten zu keiner Änderung in der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit. Eine bestehende Krankheit führe nicht automatisch zur Anerkennung einer Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung. Dies ergebe sich auch nicht zwangsläufig im Hinblick auf die Schwere und die Auswirkungen einer Erkrankung auf das Allgemeinbefinden. Das Gutachten vom 19. September 2006 sei objektiv und sachgerecht erstellt worden; es spiegele den beim Kläger tatsächlich erforderlichen Pflegebedarf wider. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich auch keine Veränderung im Sinne der Zunahme der Pflegebedürftigkeit. Sie verweise im Übrigen auch auf das "Flugblatt" des Klägers vom 16. März 2007, das von ihm an seinem damaligen Wohnort durch Einwurf in die Briefkästen verteilt worden sei. Darin sei zu einer Geburtstagsparty am 12. Mai 2007 eingeladen worden. Die Beklagte nannte auch die ihr mitgeteilten Aktenzeichen zu drei gegen den Kläger geführte Strafverfahren.
Das SG zog die SchwbG-Akte des Landratsamts F. (Sozialamt) bei. Ferner erhob es schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Dr. Sch. vom 03. November 2007, der die Behandlungsdaten seit 17. Juli 2006 auflistete und weitere Arztbriefe bzw. Atteste vorlegte (Bl. 116 bis 129 der SG-Akte), des Dr. Bo. vom 12. November 2007, der über Behandlungen des Klägers seit 29. November 2006 berichtete und ebenfalls weitere von ihm bzw. von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. Ma. verfasste Arztbriefe einreichte (Bl. 136 bis 149 der SG-Akte), und des Dr. S. vom 17./28. April 2008, der über die Behandlungen des Klägers insbesondere seit 07. Januar 2005 berichtete (Bl. 176 bis 180 der SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2008 wies das SG die Klage ab. Die Klage erweise sich, was den Zeitraum ab 01. November 2006 anbelange, als unbegründet. Insoweit habe die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis zutreffend darauf erkannt, dass beim Kläger wegen einer wesentlichen Änderung die Voraussetzungen für die Weitergewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I nicht mehr erfüllt gewesen seien. Die Abweisung der Klage bezüglich des Zeitraums ab 01. November 2006 ergebe sich zunächst bereits aus den angefochtenen Bescheiden. Es werde auf die Begründung der genannten Bescheide verwiesen. Es werde ferner auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hingewiesen. Die wesentliche Verringerung des grundpflegerischen Hilfebedarfs jedenfalls ab 01. November 2006 ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Vergleich der Gutachten des MDK vom 11. April/23. Mai 2005 einerseits und des MDK-Gutachtens vom 05. September/19. September 2006 andererseits. An der Richtigkeit der sozialmedizinischen Beurteilung im MDK-Gutachten vom September 2006 zu zweifeln, habe das Gericht um so weniger Anlass, als der Kläger auch wieder selbst habe Auto fahren können und sich auch aus den Befund- und Behandlungsberichten der im Klageverfahren gehörten ärztlichen Behandler keine abweichenden, gravierenden Krankheitsbefunde und Funktionsdefizite von Dauercharakter ergeben hätten. Ob sich bezüglich der internistischen Gesundheitsstörungen ab Ende 2007 eine wesentliche und dauerhafte Änderung/Verschlechterung im Gesundheitszustand und dementsprechend auch ein höherer grundpflegerischer Hilfebedarf ergeben habe, wobei die Anerkennung des Merkzeichens aG und die Versorgung mit einem Rollstuhl dafür sprechen könnten, lasse sich aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht abschließend beurteilen, könne jedoch dahingestellt bleiben. Die erneute Zuerkennung der Pflegestufe I ab Ende 2007 käme nämlich nur in Betracht, wenn sich bezüglich eines gegebenenfalls erhöhten grundpflegerischen Bedarfs ein Dauerzustand von mindestens sechs Monaten nachweisen ließe. Für eine (erneute) dauerhafte wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands und insbesondere für einen (erneut) dauerhaft weitergehend erhöhten Hilfebedarf sei auch den zuletzt klägerischerseits vorgelegten Arztbriefen/Befundberichten nichts zu entnehmen und dies sei auch nach Auffassung des Gerichts bislang nicht ausreichend belegt. Auch habe der Kläger selbst offensichtlich, solange er noch bei der Beklagten versichert gewesen sei, keine Veranlassung mehr gesehen, etwa wegen Verschlechterung seiner Pflegesituation bei der Beklagten einen weiteren Erhöhungsantrag zu stellen und damit eine aktuelle weitere MDK-Begutachtung zu veranlassen. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger mit Zustellungsurkunde am 16. Juli 2008 zugestellt.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. August 2008 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er macht geltend, ihm habe gegen die Beklagte Pflegegeld nach Pflegestufe I bis 29. Februar 2008 zugestanden. Das SG wäre verpflichtet gewesen, zur Frage der Pflegebedürftigkeit ein Sachverständigengutachten zu erheben. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass das Landratsamt F. 2007 weitere Merkzeichen anerkannt habe. Auch sei er (der Kläger) von der Krankenkasse mit einem Rollstuhl versorgt worden. Aufgrund des laufenden Klageverfahrens sei er nicht verpflichtet gewesen, einen Erhöhungsantrag zu stellen. Er habe auf den Untersuchungsgrundsatz im gerichtlichen Verfahren vertraut. Im Verwaltungsverfahren sei die Beklagte, getragen von Misstrauen ihm gegenüber, bestrebt gewesen zu zeigen, dass man auch Leistungen entziehen könne. Angaben zur Kontinenz bzw. Inkontinenz seien in Frage gestellt worden; es seien eigene Schlussfolgerungen gezogen worden, indem er weder als krank noch als behindert eingestuft worden sei. Bei ihm bestehe im Übrigen aufgrund der Diagnose der affektiv-organischen Störung mit paranoiden Inhalten als Folge eines schweren Schädelhirntraumas und wegen weiterer körperlicher Erkrankungen ein immer wieder schwankendes Bild. Dies ergebe sich aus den vom SG eingeholten Auskünften und Arztbriefen des Dr. Sch. und des Dr. S ... Selbst wenn er (der Kläger) agil erschienen sei, habe er doch im streitigen Zeitraum ständiger unterstützender bzw. übernehmender Pflegeleistungen durch seine Ehefrau im Umfang der Pflegestufe I bedurft. Auch über den 31. Oktober 2006 hinaus habe mithin, ohne geänderte Verhältnisse, Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegestufe I bestanden. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass die AOK Schleswig-Holstein aufgrund eines erst Anfang August 2008 dort gestellten Antrags mit dem vorgelegten Bescheid vom 25. September 2008 bei einem täglichen Grundpflegebedarf von 91 Minuten Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. August 2008 bewilligt habe. Zwischenzeitlich seien sogar aufgrund eines Änderungsbescheids (vom 29. Dezember 2008) ab 01. Oktober 2008 die Voraussetzungen der Pflegestufe II anerkannt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die streitbefangenen Bescheide und den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend, soweit es um die Aufhebung ab 01. November 2006 geht. Sie habe dem Kläger am 11. November 2007 einen Elektrorollstuhl genehmigt und dafür EUR 4.761,50 bezahlt. Dazu hat die Beklagte die entsprechenden Unterlagen einschließlich der Verordnung des Dr. Sch. vom 18. Oktober 2007 vorgelegt. Aufgrund der ebenfalls vorgelegten Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung N. (T.) vom 24. März 2009 ergebe sich, dass der Rollstuhl insoweit nicht pflegerelevant sei. Es bestehe danach eine Diskrepanz zwischen den vom Kläger angegebenen Fähigkeitsstörungen und der Rollstuhlbenutzung. Danach wäre, sofern man seinen Angaben zu den Fähigkeitsstörungen Glauben schenken wollte, eine Rollstuhlbenutzung nicht möglich. Im Umkehrschluss wäre festzustellen, dass bei tatsächlicher Rollstuhlbenutzung wohl doch nicht so weitgehende Fähigkeitsstörungen vorliegen würden. Aufgrund der Vorgeschichte sei davon auszugehen, dass die gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. angegebenen Fähigkeitsstörungen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten. Im Gutachten des MDK vom 19. September 2006 seien die maßgebenden Änderungen der Verhältnisse festgestellt worden.
Der Berichterstatter des Senats hat von der Pflegekasse bei der AOK Schleswig-Holstein das Gutachten der Pflegefachkraft Hö. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. vom 23. September 2008 beigezogen. Darin wurde der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege ab Beginn des Antragsmonats auf 91 Minuten, nämlich 58 Minuten bei der Körperpflege und 33 Minuten bei der Mobilität geschätzt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und auch sonst statthaft, denn streitig ist der Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008, mithin für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch begründet, denn dem Kläger steht - entgegen der Ansicht des SG - der mit der Anfechtungsklage zu erfolgende Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I gegen die Beklagte (auch) vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008 (Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten) zu.
Die Beklagte hatte - nach entsprechender Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 28. September 2006 zur Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 30. Mai 2005 - ursprünglich mit dem angegriffenen Bescheid vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2005 gestützt auf § 45 SGB X rückwirkend ab 05. Januar 2006 aufgehoben und die Rückzahlungspflicht für das ab 05. Januar 2006 gezahlte Pflegegeld nach Pflegestufe I verfügt. Durch Erklärung vom 26. Juni 2008 hat die Beklagte die Rücknahme auf die Zeit ab 01. November 2006 begrenzt und den ursprünglich für die Zeit ab 05. Januar 2006 erhobenen Erstattungsanspruch nicht mehr aufrechterhalten. Auch soweit Streitgegenstand nur die Zeit vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008 ist, mithin nur darüber zu entscheiden ist, ob die Leistungsgewährung letztlich zu Recht zum 31. Oktober 2006 eingestellt worden ist, ist der angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
1. Als verwaltungsverfahrensrechtliche Grundlage hat die Beklagte sich auf § 45 SGB X gestützt. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Anhörungsschreibens vom 28. September 2006 ("Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes") und dem Bescheid vom 23. Oktober 2006 selbst, worin jeweils die Rücknahmevorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zitiert wird, die dann im Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 ausdrücklich genannt ist. Daran ändert sich durch die Prozesserklärung der Beklagten im Erörterungstermin vom 26. Juni 2008 zur Begrenzung der Rücknahme nichts.
Nach § 45 SGB X gilt: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 1). Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse mit der Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach § 45 Abs. 3 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. In den Fällen des Satzes 1 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (Sätze 1 bis 4). Schließlich bestimmt § 45 Abs. 4 SGB X, dass nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 2 und des Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigen Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen.
Die Bestimmung des § 45 SGB X setzt Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Ursprungsbescheids (hier vom 30. Mai 2005), also ursprüngliche Rechtswidrigkeit voraus. Die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ursprünglichen Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts trägt die Verwaltungsbehörde.
Der Senat vermag hier nicht festzustellen, dass beim Kläger bei Erlass des Bescheids vom 30. Mai 2005 (Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Januar 2005) die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) nicht vorgelegen haben. Nach § 37 Abs. 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen (Satz 1). Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (Satz 2). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dabei der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI) mehr als 45 Minuten entfallen. Schon die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I am 01. Januar bzw. 30. Mai 2005 nicht vorgelegen hätten. Im Anhörungsschreiben vom 28. September 2006 sowie im Rücknahmebescheid vom 23. Oktober 2006 wurde lediglich formuliert, dass spätestens zum Zeitpunkt der Vernehmung des Klägers am 05. Januar 2006 im Polizeiposten Altensteig keine Voraussetzungen zur Anerkennung einer Pflegestufe mehr vorgelegen hätten. Auch im Widerspruchsbescheid ist insoweit lediglich festgestellt worden, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung (05. September 2006) eindeutig keine erhebliche Pflegebedürftigkeit mehr bestanden und darüber hinaus spätestens zum Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmungen am 05. Januar 2006 dieser Zustand bereits eingetreten gewesen sei. Unabhängig davon, ob die Beklagte Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, war danach der Rücknahmebescheid nicht nach § 45 SGB X gerechtfertigt. Die Beklagte selbst geht danach davon aus, dass am 01. Januar 2005, ab dem sie Pflegegeld nach der Pflegestufe I mit dem Bescheid vom 30. Mai 2005 bewilligt hatte, die Voraussetzungen für diese Bewilligung vorgelegen haben, dass aber am 05. Januar 2006 oder am 05. September 2006 eine wesentliche Änderung eingetreten ist und zu diesen Zeitpunkten die Voraussetzungen für die Bewilligung nicht mehr vorgelegen haben. Rechtsgrundlage für die Rücknahme wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist nicht § 45 SGB X, sondern § 48 SGB X.
2. Das SG hat die Aufhebung ab 01. November 2006 auch nicht nach § 45 SGB X, sondern nach § 48 SGB X als gerechtfertigt angesehen. § 48 SGB X hat die Beklagte ersichtlich nicht als verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 05. Januar bzw. zuletzt erst ab 01. November 2006 herangezogen. Selbst wenn eine Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X zulässig wäre (a.), lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht vor (b. bis d.).
a.) Nach § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt (auch im gerichtlichen Verfahren) in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Ein Verwaltungsakt, der auf § 48 SGB X gestützt ist, aber einen von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsakt aufhebt, der nur nach § 45 SGB X aufgehoben werden könnte, ist nicht mittels Umdeutung aufrechtzuerhalten. Dies folgt aus § 43 Abs. 3 SGB X, wonach eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann. Anders ist dies aber in dem umgekehrten Fall: Wenn die Verwaltung irrtümlich annimmt, die Beseitigung eines Verwaltungsakts erst nach einer Interessenabwägung, einer Verschuldensprüfung und einer Ermessensentschließung verfügen zu dürfen, und dies auch tut, aber die Voraussetzungen des § 48 SGB X für einen Verwaltungsakt derselben Zielrichtung gegeben sind, ist die Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X grundsätzlich möglich. Dass der Kläger bei einer Anhörung nicht auf § 48 SGB X, sondern nur auf § 45 SGB X hingewiesen worden ist, begründet keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umdeutung, weil beide Bescheide auf die Herabsetzung ab einem bestimmten Zeitpunkt gerichtet sind. Die Rechtsfolgen des umgedeuteten Verwaltungsakts sind für den Kläger auch nicht ungünstiger, als die eines rechtmäßigen auf § 45 SGB X gestützten Verwaltungsakts (Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1300 § 48 Nr. 25). Selbst wenn die Umdeutung im Hinblick darauf, dass die Beklagte erst nachträglich die Aufhebung auf die in der Zukunft liegende Zeit ab 01. November 2006 begrenzt hat, als rechtmäßig angesehen würde, wäre die Aufhebung ab 01. November 2006 hier nicht nach § 48 SGB X gerechtfertigt.
b.) Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe (hier Pflegegeld nach Pflegestufe I) ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Diese Voraussetzungen eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung waren hier hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 30. Mai 2005 erfüllt, mit dem dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Januar 2005 nach § 37 SGB XI bewilligt worden war.
c.) Der Senat vermag nicht festzustellen, dass beim Kläger sich der Hilfebedarf bei der Grundpflege ab 01. November 2006 wesentlich vermindert hatte, sodass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr vorgelegen haben. Die Feststellungslast hinsichtlich des Bestehens einer wesentlichen Verminderung des Hilfebedarfs trifft hier die Beklagte, die sich darauf berufen möchte. Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse, mit denen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft sind, vorhanden gewesen sind, hier die zum Zeitpunkt der Aufhebung (zuletzt) ab 01. November 2006 bestehenden tatsächlichen Verhältnisse, mit denen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind (Bescheid vom 30. Mai 2005 auf der Grundlage des MDK-Gutachtens vom 23. Mai 2005), vorhanden gewesen sind.
d.) Pflegebegründende Diagnose war bereits bei der Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I durch die Beklagte ab 01. Januar 2005 eine affektiv organische Störung als Folge eines schweren Schädel-Hirntraumas, wie der Senat dem MDK-Gutachten der Pflegefachkraft Sc. vom 23. Mai 2005 entnimmt, wonach eine ausgeprägte Antriebsarmut bestand bei einem apathischen und schläfrigen Bewusstseinszustand mit teilweise ängstlicher Grundhaltung. Ohne die medikamentöse Therapie, wobei eine Medikation mit Neurocil, einem stark dämpfenden Neuroleptikum angegeben war, bestand ein sehr aggressives Verhalten. Insoweit war ein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von 58 Minuten festgestellt worden. Die genannte pflegebegründende Diagnose sowie die genannte Medikation nannte auch Dr. S. im Attest vom 21. Januar 2005. Sie wurde auch noch bei der MDK-Begutachtung am 19. September 2006 (Untersuchung am 05. September 2006) festgestellt, wobei auch zu jenem Zeitpunkt der Kläger dreimal täglich 20 Tropfen des genannten Neuroleptikums einnahm. Auch insoweit wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger sehr schnell aggressiv werde und sich provozieren lasse. Zwar wurde bei der Untersuchung am 05. September 2006 keine Antriebsminderung festgestellt. Jedoch wurde ein hoher Hilfebedarf im Bereich der allgemeinen Beaufsichtigung und Betreuung wegen der starken Tendenz zu aggressiven Durchbrüchen bejaht. Die vom Kläger vorgelegten Arztbriefe/Atteste, insbesondere des Dr. S. und des Dr. Sch., und die vom SG eingeholten Auskünfte als sachverständige Zeugen bei den behandelnden Ärzten, nämlich Dr. Sch. (Auskunft vom 03. November 2007 über die Behandlungen seit 17. Juli 2006), bei Dr. Bo. (Auskunft vom 12.November 2007 über die Behandlungen seit 29. November 2006) und bei Dr. S. (Auskünfte vom 17. und 24. April 2008 über die Behandlungen seit 07. Januar 2005) bestätigen insoweit ein wechselndes, instabiles Krankheitsbild beim Kläger, wobei sich bei der Untersuchung des Klägers am 29. November 2006 durch Dr. Bo. (Arztbrief vom 05. Dezember 2006) auch weitere Diagnosen ergeben, nämlich eher atypische, zum Teil belastungsabhängige Thoraxschmerzen, beginnende Kardiomyopathie mit leichter linksventrikulärer Dillation, COPD, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und geringgradige Aortenklappen-insuffizienz 1. Grades. Ferner wurden als Risikofaktoren Adipositas per magna, Ex-Nikotinabusus und arterieller Hypertonus genannt. Dieser ersichtlich schwankende Gesundheitszustand des Klägers wird insbesondere auch durch die Angaben des Dr. S. zur wechselnden Medikation mit Neurocil seit 07. Januar 2005 bestätigt. Für die in dem Schreiben der Polizeidirektion Calw vom 11. Juli 2006 genannte Behauptung, der Kläger habe sich vor der Untersuchung durch den MDK am 11. April 2005 eine mit Urin und Kot verschmutzte Windel angelegt und sich das Gesicht absichtlich mit Speichel verschmiert, findet sich in dem Gutachten vom 23. Mai 2005 kein Anhalt. Vielmehr ergibt sich aus dem Gutachten, dass der Kläger Inkontinenzhilfsmittel aus finanziellen Gründen nicht verwendet habe. Dasselbe gilt für angebliche Einschränkungen in der Mobilität hinsichtlich des Gehens. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass beim Kläger dann ab 11. September 2007 die Voraussetzungen des Merkzeichens aG festgestellt worden sind, die Krankenkasse dem Kläger ab 11. November 2007 einen Elektrorollstuhl zur Verfügung gestellt hat und im Übrigen dann die für den Kläger ab 01. März 2008 zuständige Pflegekasse der AOK Schleswig-Holstein ihm aufgrund eines im August 2008 gestellten Antrags nach Erhebung eines Gutachtens vom 23. September 2008 (täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege 91 Minuten) ab 01. August 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe I (wieder) bewilligt hat, wobei diese Bewilligung dann nach Erhebung eines weiteren Gutachtens vom 26. Dezember 2008 ab 01. Oktober 2008 in Pflegegeld nach Pflegestufe II geändert wurde. Insoweit vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass es erst kurz nach dem 01. November 2006 zu einer erneuten Erhöhung des täglichen Hilfebedarfs in der Grundpflege gekommen war. Damit vermag der Senat nicht festzustellen, dass es zunächst ab 01. November 2006 zu einer wesentlichen Verminderung des täglichen Hilfebedarfs gekommen war. Darauf, in welchem Umfang der Kläger den ihm von der Beklagten im November 2007 zur Verfügung gestellten Elektrorollstuhl außerhalb des häuslichen Bereichs tatsächlich genutzt hat, kommt es nicht an.
Danach waren die angegriffenen Bescheide und der Gerichtsbescheid aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008 hat.
Der am 1947 geborene Kläger war bis zum 29. Februar 2008 bei der Beklagten über seine am 1960 geborene Ehefrau familienpflegeversichert. Seit 01. März 2008 ist er bei der Pflegekasse der AOK Schleswig-Holstein ebenfalls über seine Ehefrau familienpflegepflichtversichert. Beim Kläger besteht (Bescheid des Versorgungsamts K. vom 01. Juli 1999) ein Grad der Behinderung (GdB) von 100, wobei auch die Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt waren. Mit Bescheid des Versorgungsamts K. vom 22. Oktober 2003 worden insoweit folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt: Hirnschädigung mit Teilleistungsstörung, seelische Störung, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenfehler, Bluthochdruck, coronare Herzerkrankung, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Polyarthrose, chronische Bronchitis, Lungenblähung, Taubheit rechts. Mit Bescheid des Landratsamts F. (Sozialamt) vom 22. Oktober 2007 wurden ab 11. September 2007 auch die Voraussetzungen des Merkzeichens aG festgestellt.
Nachdem aufgrund von Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg im November 1998 bzw. Mai 1999 ein vom Kläger gestellter Antrag auf Pflegegeld abgelehnt worden war, beantragte der Kläger am 03. Dezember 2003 bei der Beklagten erneut Leistungen der Pflegeversicherung (Kombinationsleistungen). Als Pflegeperson wurde die Ehefrau angegeben. Dabei wurden als Unterlagen u.a. der Schwerbehindertenausweis des Klägers vom 22. Oktober 2003, Bescheinigungen des Arztes für Psychiatrie - Psychotherapie - Dr. S. vom 03. April und 09. Dezember 2003 sowie das Schreiben der Ärztin S.-F. vom Landratsamt C. (Öffentlicher Gesundheitsdienst) vom 23. Oktober 2003 vorgelegt. Die Beklagte erhob das am 09. Februar 2004 erstattete Gutachten des MDK, in dem als pflegebegründende Diagnosen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen ohne neurologische Symptomatik genannt wurden. Der tägliche Hilfebedarf in der Grundpflege wurde mit 16 Minuten festgestellt, nämlich neun Minuten bei der Körperpflege (Rücken und Füße waschen, Urinflasche leeren) und sieben Minuten bei der Mobilität (Unterkörper an- und ausziehen). Daraufhin hatte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 10. Februar 2004 abgelehnt. Im Widerspruchsverfahren erhob die Beklagte das am 27. Mai 2004 erstattete weitere Gutachten der Pflegefachkraft Ge. vom MDK, in dem bei pflegebegründenden Diagnosen einer affektiv organischen Störung als Folge eines schweren Schädel-Hirntraumas 1975 und einer nächtlicher Harndranginkontinenz der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege mit 29 Minuten festgestellt wurde, nämlich 15 Minuten bei der Körperpflege (der Kläger könne den Oberkörper vorn selbst waschen, beim Wechsel von Vorlagen sei ein Teilhilfebedarf nachvollziehbar) und 14 Minuten bei der Mobilität (beim Aufstehen und Zubettgehen sei Teilhilfebedarf nachvollziehbar, ebenso beim An- und Auskleiden). Nach Abgabe einer weiteren Stellungnahme der Pflegefachkraft Ge. vom 25. August 2004 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2004 zurückgewiesen.
Am 26. Oktober 2004 beantragte der Kläger erneut Pflegegeld. Dazu legte er verschiedene Unterlagen vor. Nachdem eine erneute Untersuchung für erforderlich gehalten worden war (MDK-Stellungnahme vom 09. Februar 2005), wurde der Kläger am 11. April 2005 in seiner häuslichen Umgebung durch die Pflegefachkraft Sc. vom MDK untersucht. Nach dem am 23. Mai 2005 erstatteten Gutachten war angegeben worden, derzeit werde einmal wöchentlich Dr. S. aufgesucht, ebenfalls in Begleitung der Ehefrau. Das Ehepaar werde von einer Nachbarin mit dem Auto gefahren. Der Kläger nehme das Neuroleptikum Neurocil ein. Als Folge zeige sich eine ausgeprägte Müdigkeit und Antriebsstörung. Der Kläger wurde auf dem Wohnzimmersofa liegend angetroffen. Er sei bei Ansprache aufgewacht. Der Aufforderung, aufzustehen und einige Schritte zu gehen, sei er nicht nachgekommen. Der Kläger sei kurze Zeit später wieder eingeschlafen, habe sehr gedämpft gewirkt. Der Kläger habe über Schmerzen am ganzen Körper geklagt. Er müsse ständig beim Gehen begleitet werden, außer Haus benutze er einen Rollator. Der Versicherte liege überwiegend auf dem Sofa. Sämtliche grundpflegerischen Verrichtungen müssten übernommen werden. Der Kläger könne selbst mit dem Besteck umgehen und essen. Getränke stünden in Reichweite, wobei er selbst aus einer Flasche trinke. Es bestehe eine Blaseninkontinenz. Inkontinenzhilfsmittel würden derzeit aus finanziellen Gründen nicht verwendet. Es bestehe ein erhöhter Umkleidebedarf und Bettwäschewechsel. Der Kläger benutze zur Miktion eine Urinflasche, welche von der Pflegeperson entleert werde. Die Defäkation erfolge ein- bis zweimal täglich auf der Toilette. Dabei bestehe Hilfebedarf beim Säubern. Es bestehe eine ausgeprägte Antriebsarmut. Der Kläger führe die Maßnahmen der Körperpflege nicht aus eigenem Antrieb durch. Zum Begutachtungszeitpunkt habe ein apathischer, schläfriger Bewusstseinszustand bestanden. Die Benutzung der Dusche habe der Kläger abgelehnt. Teilweise habe eine ängstliche Grundhaltung bestanden. Ohne medikamentöse Therapie ergebe sich ein sehr aggressives Verhalten mit Beschimpfungen der Pflegeperson. Der Kläger werfe auch mit Gegenständen. Teilweise bestehe eine nächtliche Unruhe. Der Kläger sehe nur fern, äußere ansonsten keine Interessen. Die Gutachterin schätzte den täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege mit 58 Minuten ein, nämlich 48 Minuten bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Teilwäsche Unterkörper, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Wechsel/Entleerung Urinbeutel/Toilettenstuhl) und zehn Minuten bei der Mobilität (Ankleiden gesamt, Entkleiden gesamt). Die Gutachterin führte ferner aus, die Ehefrau als Pflegeperson mache einen wesentlich höheren Hilfebedarf geltend. Dieser sei jedoch aus gutachterlicher Sicht nicht nachvollziehbar. Der Kläger benötige aufgrund der psychischen Erkrankung Anleitung und Teilhilfe zur Durchführung der Körperpflege. Die Urinflasche müsse mehrmals täglich von der Pflegeperson entleert werden. Weiterer Hilfebedarf bestehe beim Kleiden (Anleitung zum Wäschewechsel und Teilhilfe beim Kleiden des Unterkörpers). Es wurde das Vorliegen der Pflegestufe I ab Januar 2005 bejaht. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 30. Mai 2005 ab 01. Januar 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I in Höhe von monatlich EUR 205,00, das dem Kläger in der Folgezeit per Scheck ausgezahlt wurde, da er nicht über eine Bankverbindung verfügte.
Am 23. Mai 2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Höherstufungsantrag. Beigefügt war ein "Pflegebogen zur Vorlage beim MDK für den grundpflegerischen Hilfebedarf". Darin wurde angegeben, der Krankheitszustand des Klägers habe sich sehr verschlechtert. Es bestünden Aggressionen auf höchster Stufe; anschließend sei der Kläger wie ein hilfloses Kind. Es wurde auch eine weitere Pflegeperson (Frau K.) benannt. Die Beklagte erhob eine Stellungnahme nach Aktenlage der Dr. Fa. vom MDK vom 23. Juni 2006, in der der grundpflegerische tägliche Hilfebedarf mit 75 Minuten festgestellt wurde (Körperpflege 52 Minuten, Ernährung neun Minuten, Mobilität 14 Minuten). Der Gutachter führte aus, im Unterschied zum vorangegangenen Gutachten erfolge die Pflege jetzt nicht mehr ausschließlich durch die Ehefrau selbst, sondern durch eine zusätzliche Hilfsperson. Nach dem vorgelegten "Pflegebogen" benötige der Kläger Hilfe bei der Ganzkörperwäsche, bei der abendlichen Intimpflege, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, beim Rasieren und beim Toilettengang. Er sei jetzt mit Einlagen versorgt. Hilfebedarf bestehe auch beim Richten der Bekleidung und beim Säubern des Intimbereichs. Pflegerelevant seien im Bereich der Körperpflege 52 Minuten. Im Bereich der Ernährung mache die Ehefrau Hilfe beim Kleinschneiden und bei der Nahrungsaufnahme geltend. Nachzuvollziehen sei eine Teilhilfe bei der Portionierung und auch bei der Beaufsichtigung, ob der Kläger ausreichend esse und trinke. Eine vollständige Übernahme der Essenseingabe sei nicht nachvollziehbar. Pflegestufenrelevant seien im Bereich der Ernährung damit neun Minuten. Hinsichtlich der Mobilität benötige der Kläger Teilhilfe beim An- und Ausziehen. Bei gelegentlich bestehender Antriebsarmut müsse man ihn sicherlich zum Gehen auffordern. Ein dauerhafter Hilfebedarf beim Gehen könne ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Pflegestufenrelevant im Bereich der Mobilität seien damit "45 Min." (richtig 14 Minuten). Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich der tägliche grundpflegerische Hilfebedarf geringfügig erhöht, liege jedoch immer noch im Bereich der Pflegestufe I. Mit Bescheid vom 05. Juli 2006 lehnte danach die Beklagte den Höherstufungsantrag ab. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Am 20. Juli 2006 ging dann beim MDK in F. das Schreiben des Polizeihauptmeisters We., Polizeidirektion C., Polizeirevier N., vom 11. Juli 2007 ein, in dem Folgendes ausgeführt war:
" ... Im Zuge polizeilicher Ermittlungen wurde hier bekannt, dass sich D. P. die Einstufung in die Pflegestufe I der Pflegekasse betrügerisch erschlichen haben soll. Er habe damit geprahlt, dass er vor der Einstufung durch den Medizinischen Dienst sich eine mit Urin und Kot verschmutzte Windel angelegt habe. Danach habe er sich hingelegt und absichtlich mit Speichel im Gesicht verschmiert. Dadurch sei er dann als Pflegefall eingestuft worden. D. P. ist mehrfach in den zurückliegenden Wochen und Monaten polizeilich in Erscheinung getreten. Er war am 20.01.06 zur Vernehmung bei Herrn R. beim Polizeiposten H. und am 05.01.06 bei Herrn Ro. beim Polizeiposten A ... Zur Zeit werden von Herrn De. vom Polizeirevier N. Ermittlungen gegen Herrn P. im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges geführt. D. P. ist im Besitz einer Fahrerlaubnis für Pkw und nimmt regelmäßig mit seinem Pkw am öffentlichen Straßenverkehr teil. Die genannten Beamten können bestätigen, dass D. P. weder krank noch behindert ist".
Beigefügt war auch ein Vermerk "Pflegebedürftigkeit D. P." des Polizeihauptmeisters Dettling vom 04. Juli 2006, in dem ausgeführt war:
"Im Zuge der Ermittlungen wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort hatte ich am 12.02.2006 mit Herrn P. zu tun. Er machte keineswegs einen hilfsbedürftigen Eindruck. Mir fielen weder Behinderungen körperlicher, noch geistiger Natur auf. In der Wohnung (Esszimmer/Wohnzimmer) waren keine Anzeichen festzustellen, die auf eine Hilfsbedürftigkeit hindeuteten. Beim Eintreffen (ca. 20.45 Uhr) saß er im Wohnzimmer und war in der Lage, schnellstens aufzustehen. Er hatte auch keinerlei Mühe, seinen Pkw aus der engen Garage herauszufahren. Bei weiteren Kontakten in dieser Sache konnten bei Herrn P. auch keinerlei Beschwerden festgestellt werden. Auch erwähnte er selbst nie etwas Derartiges. Bei einer späteren Anzeigeerstattung hatte ich wiederum Kontakt mit Herrn P ... Er war damals zur Anzeigeerstattung zum Polizeirevier N. gefahren. Auch bei diesem Kontakt wurden keinerlei Behinderungen festgestellt".
Im Hinblick auf diese Informationen teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Juli 2006 mit, dass momentan eine Überprüfung seiner Pflegebedürftigkeit laufe. Vor Abschluss der Ermittlungen sei eine weitere Zahlung der Pflegeleistungen nicht möglich. Der Kläger wandte sich auch gegen die Einstellung der Pflegegeldzahlungen. Er legte die Bescheinigung des Dr. S. vom 21. Juli 2006 vor, in der über die psychiatrische Behandlung der Eheleute seit Mai 2002 berichtet wurde. Dr. S. gab an, der Therapieverlauf beim Kläger habe zuletzt trotz permanenter Betreuung durch seine Ehefrau und intensive medikamentöse Behandlung mit Neurocil zu einer Zunahme seiner Impulskontrollstörungen geführt. Das Ehepaar habe in den letzten Jahren dreimal umziehen müssen, weil es zum Teil durch das Verhalten des Klägers zu erheblichen Streitigkeiten mit der Nachbarschaft und dem Vermieter gekommen sei. Der Kläger sei in seiner psychischen Verfassung häufig gereizt, neige zu aggressiven Durchbrüchen gegenüber der Umwelt und habe seine früher schon vorhandene Tendenz zum Rückzug verstärkt. Der Kläger wäre alleine auf sich gestellt nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen und wäre somit nicht nur heimpflichtig, sondern müsste in ein Heim für schwer psychisch Kranke kommen. Die ständige Betreuung durch die Ehefrau sei 24 Stunden erforderlich. Wenn eine längere Pause in der täglichen Betreuung bestehen würde, würde der Kläger sich verlassen und einsam fühlen; er würde dann unruhig-aggressiv reagieren. Die Betreuung durch seine Ehefrau sei weiterhin erforderlich zur persönlichen Pflege und zur Alltagsstrukturierung. Aus psychiatrischer Sicht sei eine dauerhafte Pflegebedürftigkeit, mindestens Pflegestufe II, gegeben und es liege eine "MdE" von 100 vor. Der Kläger sei wegen seiner Gangstörung, falls er die Wohnung verlasse, auf ständige Begleitung angewiesen. Am 05. September 2006 fand dann beim Kläger ein unangekündigter Hausbesuch zur Begutachtung durch die Pflegefachkraft Ki. vom MDK statt, bei dem auch die weitere Pflegefachkraft Ba. anwesend war (vgl. dazu Aktennotiz vom 06. September 2006). In dem aufgrund dieses Hausbesuches am 19. September 2006 erstatteten Gutachten führte Pflegefachkraft Ki. aus, der Kläger sei korrekt gekleidet im Hof angetroffen worden, habe selbstständig die Gattertür geöffnet. Er habe über Rückenschmerzen sowie Schmerzen in den Knien geklagt. Er nehme derzeit dreimal 20 Tropfen Neurocil. Er fahre regelmäßig mit dem Auto, nämlich einmal pro Woche zum Neurologen und zwei- bis dreimal im Monat zum Hausarzt. Zu Nervensystem/Psyche wurde ausgeführt, bei dem Versicherten bestehe eine affektiv-organische Störung mit organischer Persönlichkeitsstörung als Folge eines schweren Schädel-Hirntraumas mit emotionaler Anpassungsstörung. Der Kläger werde sehr schnell aggressiv, lasse sich schnell provozieren, neige zu starken Wutausbrüchen, werde auch seiner Ehefrau gegenüber verbal und körperlich des Öfteren aggressiv. Diese entwickle zunehmend depressive Störungen, wolle den Kläger jedoch trotzdem weiterhin pflegen. Am Begutachtungstag habe der Kläger alle Fragen selbstständig adäquat beantworten können, er habe des Öfteren den Wunsch gehabt, dass seine Frau antworte, damit er nicht aggressiv werde. Am Begutachtungstag sei er sehr freundlich zu seiner Frau gewesen. Diese habe angegeben, dass er sonst nicht so mit ihr rede. Antriebsarmut sowie Vernachlässigung der Körperpflege bestehe nicht. Der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege wurde auf 24 Minuten eingeschätzt, nämlich 16 Minuten bei der Körperpflege (Ganzkörperwäsche, Duschen, Wechsel/Entleerung Urinbeutel/Toilettenstuhl) und acht Minuten bei der Mobilität (Aufstehen/Zubettgehen, Ankleiden gesamt, Entkleiden gesamt, Stehen-Transfer). Im Vergleich zum Vorgutachten vom April 2005 habe sich insgesamt der Hilfebedarf vermindert. Beim Waschen sei der Kläger nur noch auf Hilfestellungen im Bereich des Rückens und der Füße angewiesen. Die Intimpflege könne der Kläger selbstständig durchführen, weshalb eine zusätzliche Intimpflege abends von Seiten der Pflegekraft nicht mehr erforderlich sei. Zahnpflege, Kämmen und Rasieren seien inzwischen wieder selbstständig möglich. Beim An- und Auskleiden seien ebenfalls nur noch Hilfestellungen im Bereich des Unterkörpers erforderlich. Das An- und Auskleiden des Oberkörpers gelinge ohne Hilfestellungen selbstständig. Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich die Antriebsminderung deutlich verbessert. Bei damaliger Einnahme von 100 Tropfen Neurocil täglich sei der Kläger sehr schläfrig und teilweise apathisch gewesen, weshalb ein insgesamt höherer Hilfebedarf vorgelegen habe. Inzwischen sei die Neurocil-Einnahme reduziert worden. Der Kläger sei wach, antriebsstark, benötige lediglich aufgrund der schmerzhaften Bewegungseinschränkungen leichte Hilfestellungen in der grundpflegerischen Versorgung. Ein vordergründig hoher Hilfebedarf liege im Bereich der allgemeinen Beaufsichtigung und Betreuung aufgrund der starken Tendenz zu aggressiven Durchbrüchen vor.
Mit Schreiben vom 28. September 2006 ("Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes ... Anhörung") teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Informationen der Staatsanwaltschaft T. und der Polizeidirektion C. ließen im Einklang mit dem Ergebnis des MDK-Gutachtens vom 05. (gemeint 19.) September 2006 den Schluss zu, dass spätestens zum Zeitpunkt der Vernehmung am 05. Januar 2006 im Polizeiposten Altensteig die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Pflegestufe nicht mehr vorgelegen hätten. Es sei beabsichtigt, den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2005 rückwirkend zum 05. Januar 2006 aufzuheben. Die Rücknahme dieses begünstigenden Verwaltungsakts solle erfolgen, da er (der Kläger) den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung (Vortäuschung von Pflegebedürftigkeit) herbeigeführt habe, bzw. der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlichen Beziehungen unrichtig und unvollständig gemacht habe. Diese Rechtswidrigkeit sei dem Kläger auch bekannt. Das seit 05. Januar 2006 überzahlte Pflegegeld solle zurückgefordert werden. Eine Grundlage für die bereits eingestellten Leistungen ab 01. August 2006 entfalle damit. Dem Kläger wurde vor einer Bescheidung die Möglichkeit zur Äußerung bis zum 14. Oktober 2006 gegeben. Dieser beabsichtigten Entscheidung widersprach der Kläger mit Schreiben vom 02. Oktober 2006, indem er eine Begründung ankündigte. Entsprechend dem Anhörungsschreiben hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 ("Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes ... Bescheid") den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2005 rückwirkend zum 05. Januar 2006 auf und forderte das bereits ausgezahlte Pflegegeld in Höhe von EUR 1.483,00 zurück. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, die Voraussetzungen der Pflegestufe I lägen weiterhin vor. Aufgrund der bei ihm bestehenden Krankheiten bedürfe er täglich 24 Stunden der Betreuung, der Beaufsichtigung und der Versorgung durch seine Ehefrau, die auch für die Körperpflege zu sorgen habe. Es müsse eine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt werden. Die über ihn (den Kläger) verbreiteten Behauptungen, er sei gesund und nicht berechtigt, Pflegegeld zu erhalten, träfen nicht zu. Der Kläger legte das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin - Rehabilitationswesen - Dr. Sch. vom 01. März 2007 vor, in dem über die hausärztliche Behandlung des Klägers seit 17. Juli 2006 berichtet wurde. Mit Widerspruchsbescheid der bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsstelle vom 11. April 2007 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Es wurde ausgeführt, zum Zeitpunkt der Begutachtung am 05. September 2006 habe eindeutig erhebliche Pflegebedürftigkeit nicht mehr bestanden; dieser Zustand sei bereits zum Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung am 05. Januar 2006 eingetreten. Deswegen sei der Bescheid vom 30. Mai 2005 nach pflichtgemäßem Ermessen rückwirkend zum 05. Januar 2006 aufzuheben; bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten. Soweit ein Verwaltungsakt (hier: Leistungsbescheid vom 30. Mai 2005), der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründe oder bestätige (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig sei, dürfe er, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, nur unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Eine Rücknahme sei bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe möglich, wenn der Begünstigte, wie der Kläger, sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Dies sei regelmäßig der Fall, wenn der Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden sei, oder der Verwaltungsakt auf Angaben beruhe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe, bzw. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe (§ 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs [SGB X]). Nach alledem seien aktuell weder die Leistungsvoraussetzungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz gegeben, noch lägen Hinderungsgründe vor, die gegen eine Rechtswidrigkeit und damit die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsakts sprächen.
Deswegen erhob der Kläger am 23. April 2007 mit Fernkopie Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Er machte geltend, es lägen die Voraussetzungen für die Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts zum 05. Januar 2006 nicht vor. Er sei pflegebedürftig und habe auch keine betrügerischen Maßnahmen ergriffen, um sich die Einstufung in die Pflegestufe I zu erschleichen. Der im Widerspruchsbescheid aufscheinende Sachverhalt, der im Schreiben der Polizeidirektion mitgeteilt worden sei, werde bestritten. Aus dem vorgelegten Attest des Dr. Sch. vom 14. Juni 2007 ergebe sich, dass die Einstufung in die Pflegestufe I absolut gerechtfertigt sei. Dass er auch tatsächlich ganztägig versorgt und betreut werden müsse, ergebe sich auch aus dem Zeugnis seiner Ehefrau. Er legte außer dem Attest des Dr. Sch. vom 14. Juni 2007 weitere Arztbriefe bzw. Bescheinigungen vor: Bescheinigung des Dr. S. vom 21. Juli 2006, Arztbriefe des Facharztes für Innere Medizin, Kardiologie Dr. Bo. vom 12. Dezember 2006 sowie vom 08. und 24. Mai 2007, Arztbrief der Ärzte für Chirurgie Dr. St./Dr. P. vom 05. Januar 2007, Arztbrief der Gemeinschaftspraxis Dr. M. und E., Fachärzte für HNO-Heilkunde, vom 27. Februar 2007, Arztbrief des Dr. We., Urologische Gemeinschaftspraxis, vom 10. August 2007, Arztbrief der Dr. Ma., Fachärztin für Innere Medizin, vom 30. August 2007, Atteste des Dr. Sch. vom 14. September und 04. Oktober 2007, Arztbrief des Priv.-Doz. Dr. Ko., Chefarzt der Abteilung für Pneumologie der Klinik S., vom 15. Oktober 2007. Er reichte auch den Bescheid des Landratsamts F. (Sozialamt) vom 22. Oktober 2007 ein.
Die Beklagte trat der Klage entgegen, wobei sie jedoch im Erörterungstermin vom 26. Juni 2008 den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 insoweit zurücknahm, als die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld auch mit Wirkung für die Vergangenheit, also für den Zeitraum bis 31. Oktober 2006 verfügt worden sei. Die in den Arztberichten genannten Diagnosen und Erkrankungen, die großteils schon bekannt und auch im MDK-Gutachten vom 19. September 2006 genannt worden seien, führten zu keiner Änderung in der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit. Eine bestehende Krankheit führe nicht automatisch zur Anerkennung einer Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung. Dies ergebe sich auch nicht zwangsläufig im Hinblick auf die Schwere und die Auswirkungen einer Erkrankung auf das Allgemeinbefinden. Das Gutachten vom 19. September 2006 sei objektiv und sachgerecht erstellt worden; es spiegele den beim Kläger tatsächlich erforderlichen Pflegebedarf wider. Aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich auch keine Veränderung im Sinne der Zunahme der Pflegebedürftigkeit. Sie verweise im Übrigen auch auf das "Flugblatt" des Klägers vom 16. März 2007, das von ihm an seinem damaligen Wohnort durch Einwurf in die Briefkästen verteilt worden sei. Darin sei zu einer Geburtstagsparty am 12. Mai 2007 eingeladen worden. Die Beklagte nannte auch die ihr mitgeteilten Aktenzeichen zu drei gegen den Kläger geführte Strafverfahren.
Das SG zog die SchwbG-Akte des Landratsamts F. (Sozialamt) bei. Ferner erhob es schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Dr. Sch. vom 03. November 2007, der die Behandlungsdaten seit 17. Juli 2006 auflistete und weitere Arztbriefe bzw. Atteste vorlegte (Bl. 116 bis 129 der SG-Akte), des Dr. Bo. vom 12. November 2007, der über Behandlungen des Klägers seit 29. November 2006 berichtete und ebenfalls weitere von ihm bzw. von der Fachärztin für Innere Medizin Dr. Ma. verfasste Arztbriefe einreichte (Bl. 136 bis 149 der SG-Akte), und des Dr. S. vom 17./28. April 2008, der über die Behandlungen des Klägers insbesondere seit 07. Januar 2005 berichtete (Bl. 176 bis 180 der SG-Akte).
Mit Gerichtsbescheid vom 26. Juni 2008 wies das SG die Klage ab. Die Klage erweise sich, was den Zeitraum ab 01. November 2006 anbelange, als unbegründet. Insoweit habe die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden im Ergebnis zutreffend darauf erkannt, dass beim Kläger wegen einer wesentlichen Änderung die Voraussetzungen für die Weitergewährung von Pflegegeld nach Pflegestufe I nicht mehr erfüllt gewesen seien. Die Abweisung der Klage bezüglich des Zeitraums ab 01. November 2006 ergebe sich zunächst bereits aus den angefochtenen Bescheiden. Es werde auf die Begründung der genannten Bescheide verwiesen. Es werde ferner auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hingewiesen. Die wesentliche Verringerung des grundpflegerischen Hilfebedarfs jedenfalls ab 01. November 2006 ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Vergleich der Gutachten des MDK vom 11. April/23. Mai 2005 einerseits und des MDK-Gutachtens vom 05. September/19. September 2006 andererseits. An der Richtigkeit der sozialmedizinischen Beurteilung im MDK-Gutachten vom September 2006 zu zweifeln, habe das Gericht um so weniger Anlass, als der Kläger auch wieder selbst habe Auto fahren können und sich auch aus den Befund- und Behandlungsberichten der im Klageverfahren gehörten ärztlichen Behandler keine abweichenden, gravierenden Krankheitsbefunde und Funktionsdefizite von Dauercharakter ergeben hätten. Ob sich bezüglich der internistischen Gesundheitsstörungen ab Ende 2007 eine wesentliche und dauerhafte Änderung/Verschlechterung im Gesundheitszustand und dementsprechend auch ein höherer grundpflegerischer Hilfebedarf ergeben habe, wobei die Anerkennung des Merkzeichens aG und die Versorgung mit einem Rollstuhl dafür sprechen könnten, lasse sich aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen nicht abschließend beurteilen, könne jedoch dahingestellt bleiben. Die erneute Zuerkennung der Pflegestufe I ab Ende 2007 käme nämlich nur in Betracht, wenn sich bezüglich eines gegebenenfalls erhöhten grundpflegerischen Bedarfs ein Dauerzustand von mindestens sechs Monaten nachweisen ließe. Für eine (erneute) dauerhafte wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands und insbesondere für einen (erneut) dauerhaft weitergehend erhöhten Hilfebedarf sei auch den zuletzt klägerischerseits vorgelegten Arztbriefen/Befundberichten nichts zu entnehmen und dies sei auch nach Auffassung des Gerichts bislang nicht ausreichend belegt. Auch habe der Kläger selbst offensichtlich, solange er noch bei der Beklagten versichert gewesen sei, keine Veranlassung mehr gesehen, etwa wegen Verschlechterung seiner Pflegesituation bei der Beklagten einen weiteren Erhöhungsantrag zu stellen und damit eine aktuelle weitere MDK-Begutachtung zu veranlassen. Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger mit Zustellungsurkunde am 16. Juli 2008 zugestellt.
Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. August 2008 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er macht geltend, ihm habe gegen die Beklagte Pflegegeld nach Pflegestufe I bis 29. Februar 2008 zugestanden. Das SG wäre verpflichtet gewesen, zur Frage der Pflegebedürftigkeit ein Sachverständigengutachten zu erheben. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass das Landratsamt F. 2007 weitere Merkzeichen anerkannt habe. Auch sei er (der Kläger) von der Krankenkasse mit einem Rollstuhl versorgt worden. Aufgrund des laufenden Klageverfahrens sei er nicht verpflichtet gewesen, einen Erhöhungsantrag zu stellen. Er habe auf den Untersuchungsgrundsatz im gerichtlichen Verfahren vertraut. Im Verwaltungsverfahren sei die Beklagte, getragen von Misstrauen ihm gegenüber, bestrebt gewesen zu zeigen, dass man auch Leistungen entziehen könne. Angaben zur Kontinenz bzw. Inkontinenz seien in Frage gestellt worden; es seien eigene Schlussfolgerungen gezogen worden, indem er weder als krank noch als behindert eingestuft worden sei. Bei ihm bestehe im Übrigen aufgrund der Diagnose der affektiv-organischen Störung mit paranoiden Inhalten als Folge eines schweren Schädelhirntraumas und wegen weiterer körperlicher Erkrankungen ein immer wieder schwankendes Bild. Dies ergebe sich aus den vom SG eingeholten Auskünften und Arztbriefen des Dr. Sch. und des Dr. S ... Selbst wenn er (der Kläger) agil erschienen sei, habe er doch im streitigen Zeitraum ständiger unterstützender bzw. übernehmender Pflegeleistungen durch seine Ehefrau im Umfang der Pflegestufe I bedurft. Auch über den 31. Oktober 2006 hinaus habe mithin, ohne geänderte Verhältnisse, Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegestufe I bestanden. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass die AOK Schleswig-Holstein aufgrund eines erst Anfang August 2008 dort gestellten Antrags mit dem vorgelegten Bescheid vom 25. September 2008 bei einem täglichen Grundpflegebedarf von 91 Minuten Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. August 2008 bewilligt habe. Zwischenzeitlich seien sogar aufgrund eines Änderungsbescheids (vom 29. Dezember 2008) ab 01. Oktober 2008 die Voraussetzungen der Pflegestufe II anerkannt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Juni 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die streitbefangenen Bescheide und den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend, soweit es um die Aufhebung ab 01. November 2006 geht. Sie habe dem Kläger am 11. November 2007 einen Elektrorollstuhl genehmigt und dafür EUR 4.761,50 bezahlt. Dazu hat die Beklagte die entsprechenden Unterlagen einschließlich der Verordnung des Dr. Sch. vom 18. Oktober 2007 vorgelegt. Aufgrund der ebenfalls vorgelegten Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung N. (T.) vom 24. März 2009 ergebe sich, dass der Rollstuhl insoweit nicht pflegerelevant sei. Es bestehe danach eine Diskrepanz zwischen den vom Kläger angegebenen Fähigkeitsstörungen und der Rollstuhlbenutzung. Danach wäre, sofern man seinen Angaben zu den Fähigkeitsstörungen Glauben schenken wollte, eine Rollstuhlbenutzung nicht möglich. Im Umkehrschluss wäre festzustellen, dass bei tatsächlicher Rollstuhlbenutzung wohl doch nicht so weitgehende Fähigkeitsstörungen vorliegen würden. Aufgrund der Vorgeschichte sei davon auszugehen, dass die gegenüber dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. angegebenen Fähigkeitsstörungen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen hätten. Im Gutachten des MDK vom 19. September 2006 seien die maßgebenden Änderungen der Verhältnisse festgestellt worden.
Der Berichterstatter des Senats hat von der Pflegekasse bei der AOK Schleswig-Holstein das Gutachten der Pflegefachkraft Hö. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung N. vom 23. September 2008 beigezogen. Darin wurde der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege ab Beginn des Antragsmonats auf 91 Minuten, nämlich 58 Minuten bei der Körperpflege und 33 Minuten bei der Mobilität geschätzt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig und auch sonst statthaft, denn streitig ist der Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008, mithin für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch begründet, denn dem Kläger steht - entgegen der Ansicht des SG - der mit der Anfechtungsklage zu erfolgende Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I gegen die Beklagte (auch) vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008 (Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten) zu.
Die Beklagte hatte - nach entsprechender Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 28. September 2006 zur Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 30. Mai 2005 - ursprünglich mit dem angegriffenen Bescheid vom 23. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2007 den Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2005 gestützt auf § 45 SGB X rückwirkend ab 05. Januar 2006 aufgehoben und die Rückzahlungspflicht für das ab 05. Januar 2006 gezahlte Pflegegeld nach Pflegestufe I verfügt. Durch Erklärung vom 26. Juni 2008 hat die Beklagte die Rücknahme auf die Zeit ab 01. November 2006 begrenzt und den ursprünglich für die Zeit ab 05. Januar 2006 erhobenen Erstattungsanspruch nicht mehr aufrechterhalten. Auch soweit Streitgegenstand nur die Zeit vom 01. November 2006 bis 29. Februar 2008 ist, mithin nur darüber zu entscheiden ist, ob die Leistungsgewährung letztlich zu Recht zum 31. Oktober 2006 eingestellt worden ist, ist der angegriffene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
1. Als verwaltungsverfahrensrechtliche Grundlage hat die Beklagte sich auf § 45 SGB X gestützt. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Anhörungsschreibens vom 28. September 2006 ("Aufhebung eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes") und dem Bescheid vom 23. Oktober 2006 selbst, worin jeweils die Rücknahmevorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X zitiert wird, die dann im Widerspruchsbescheid vom 11. April 2007 ausdrücklich genannt ist. Daran ändert sich durch die Prozesserklärung der Beklagten im Erörterungstermin vom 26. Juni 2008 zur Begrenzung der Rücknahme nichts.
Nach § 45 SGB X gilt: Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 1). Nach § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse mit der Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig gemacht werden kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach § 45 Abs. 3 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. In den Fällen des Satzes 1 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (Sätze 1 bis 4). Schließlich bestimmt § 45 Abs. 4 SGB X, dass nur in den Fällen des Abs. 2 Satz 2 und des Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigen Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen.
Die Bestimmung des § 45 SGB X setzt Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Ursprungsbescheids (hier vom 30. Mai 2005), also ursprüngliche Rechtswidrigkeit voraus. Die Feststellungslast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ursprünglichen Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts trägt die Verwaltungsbehörde.
Der Senat vermag hier nicht festzustellen, dass beim Kläger bei Erlass des Bescheids vom 30. Mai 2005 (Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Januar 2005) die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) nicht vorgelegen haben. Nach § 37 Abs. 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen (Satz 1). Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (Satz 2). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI muss dabei der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI) mehr als 45 Minuten entfallen. Schon die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I am 01. Januar bzw. 30. Mai 2005 nicht vorgelegen hätten. Im Anhörungsschreiben vom 28. September 2006 sowie im Rücknahmebescheid vom 23. Oktober 2006 wurde lediglich formuliert, dass spätestens zum Zeitpunkt der Vernehmung des Klägers am 05. Januar 2006 im Polizeiposten Altensteig keine Voraussetzungen zur Anerkennung einer Pflegestufe mehr vorgelegen hätten. Auch im Widerspruchsbescheid ist insoweit lediglich festgestellt worden, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung (05. September 2006) eindeutig keine erhebliche Pflegebedürftigkeit mehr bestanden und darüber hinaus spätestens zum Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmungen am 05. Januar 2006 dieser Zustand bereits eingetreten gewesen sei. Unabhängig davon, ob die Beklagte Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, war danach der Rücknahmebescheid nicht nach § 45 SGB X gerechtfertigt. Die Beklagte selbst geht danach davon aus, dass am 01. Januar 2005, ab dem sie Pflegegeld nach der Pflegestufe I mit dem Bescheid vom 30. Mai 2005 bewilligt hatte, die Voraussetzungen für diese Bewilligung vorgelegen haben, dass aber am 05. Januar 2006 oder am 05. September 2006 eine wesentliche Änderung eingetreten ist und zu diesen Zeitpunkten die Voraussetzungen für die Bewilligung nicht mehr vorgelegen haben. Rechtsgrundlage für die Rücknahme wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist nicht § 45 SGB X, sondern § 48 SGB X.
2. Das SG hat die Aufhebung ab 01. November 2006 auch nicht nach § 45 SGB X, sondern nach § 48 SGB X als gerechtfertigt angesehen. § 48 SGB X hat die Beklagte ersichtlich nicht als verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 05. Januar bzw. zuletzt erst ab 01. November 2006 herangezogen. Selbst wenn eine Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X zulässig wäre (a.), lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X nicht vor (b. bis d.).
a.) Nach § 43 Abs. 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt (auch im gerichtlichen Verfahren) in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenen Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Ein Verwaltungsakt, der auf § 48 SGB X gestützt ist, aber einen von Anfang an rechtswidrigen Verwaltungsakt aufhebt, der nur nach § 45 SGB X aufgehoben werden könnte, ist nicht mittels Umdeutung aufrechtzuerhalten. Dies folgt aus § 43 Abs. 3 SGB X, wonach eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann. Anders ist dies aber in dem umgekehrten Fall: Wenn die Verwaltung irrtümlich annimmt, die Beseitigung eines Verwaltungsakts erst nach einer Interessenabwägung, einer Verschuldensprüfung und einer Ermessensentschließung verfügen zu dürfen, und dies auch tut, aber die Voraussetzungen des § 48 SGB X für einen Verwaltungsakt derselben Zielrichtung gegeben sind, ist die Umdeutung nach § 43 Abs. 1 SGB X grundsätzlich möglich. Dass der Kläger bei einer Anhörung nicht auf § 48 SGB X, sondern nur auf § 45 SGB X hingewiesen worden ist, begründet keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Umdeutung, weil beide Bescheide auf die Herabsetzung ab einem bestimmten Zeitpunkt gerichtet sind. Die Rechtsfolgen des umgedeuteten Verwaltungsakts sind für den Kläger auch nicht ungünstiger, als die eines rechtmäßigen auf § 45 SGB X gestützten Verwaltungsakts (Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-1300 § 48 Nr. 25). Selbst wenn die Umdeutung im Hinblick darauf, dass die Beklagte erst nachträglich die Aufhebung auf die in der Zukunft liegende Zeit ab 01. November 2006 begrenzt hat, als rechtmäßig angesehen würde, wäre die Aufhebung ab 01. November 2006 hier nicht nach § 48 SGB X gerechtfertigt.
b.) Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe (hier Pflegegeld nach Pflegestufe I) ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. BSG SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Diese Voraussetzungen eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung waren hier hinsichtlich des Bescheids der Beklagten vom 30. Mai 2005 erfüllt, mit dem dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Januar 2005 nach § 37 SGB XI bewilligt worden war.
c.) Der Senat vermag nicht festzustellen, dass beim Kläger sich der Hilfebedarf bei der Grundpflege ab 01. November 2006 wesentlich vermindert hatte, sodass die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht mehr vorgelegen haben. Die Feststellungslast hinsichtlich des Bestehens einer wesentlichen Verminderung des Hilfebedarfs trifft hier die Beklagte, die sich darauf berufen möchte. Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse, mit denen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft sind, vorhanden gewesen sind, hier die zum Zeitpunkt der Aufhebung (zuletzt) ab 01. November 2006 bestehenden tatsächlichen Verhältnisse, mit denen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind (Bescheid vom 30. Mai 2005 auf der Grundlage des MDK-Gutachtens vom 23. Mai 2005), vorhanden gewesen sind.
d.) Pflegebegründende Diagnose war bereits bei der Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I durch die Beklagte ab 01. Januar 2005 eine affektiv organische Störung als Folge eines schweren Schädel-Hirntraumas, wie der Senat dem MDK-Gutachten der Pflegefachkraft Sc. vom 23. Mai 2005 entnimmt, wonach eine ausgeprägte Antriebsarmut bestand bei einem apathischen und schläfrigen Bewusstseinszustand mit teilweise ängstlicher Grundhaltung. Ohne die medikamentöse Therapie, wobei eine Medikation mit Neurocil, einem stark dämpfenden Neuroleptikum angegeben war, bestand ein sehr aggressives Verhalten. Insoweit war ein täglicher Hilfebedarf bei der Grundpflege von 58 Minuten festgestellt worden. Die genannte pflegebegründende Diagnose sowie die genannte Medikation nannte auch Dr. S. im Attest vom 21. Januar 2005. Sie wurde auch noch bei der MDK-Begutachtung am 19. September 2006 (Untersuchung am 05. September 2006) festgestellt, wobei auch zu jenem Zeitpunkt der Kläger dreimal täglich 20 Tropfen des genannten Neuroleptikums einnahm. Auch insoweit wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger sehr schnell aggressiv werde und sich provozieren lasse. Zwar wurde bei der Untersuchung am 05. September 2006 keine Antriebsminderung festgestellt. Jedoch wurde ein hoher Hilfebedarf im Bereich der allgemeinen Beaufsichtigung und Betreuung wegen der starken Tendenz zu aggressiven Durchbrüchen bejaht. Die vom Kläger vorgelegten Arztbriefe/Atteste, insbesondere des Dr. S. und des Dr. Sch., und die vom SG eingeholten Auskünfte als sachverständige Zeugen bei den behandelnden Ärzten, nämlich Dr. Sch. (Auskunft vom 03. November 2007 über die Behandlungen seit 17. Juli 2006), bei Dr. Bo. (Auskunft vom 12.November 2007 über die Behandlungen seit 29. November 2006) und bei Dr. S. (Auskünfte vom 17. und 24. April 2008 über die Behandlungen seit 07. Januar 2005) bestätigen insoweit ein wechselndes, instabiles Krankheitsbild beim Kläger, wobei sich bei der Untersuchung des Klägers am 29. November 2006 durch Dr. Bo. (Arztbrief vom 05. Dezember 2006) auch weitere Diagnosen ergeben, nämlich eher atypische, zum Teil belastungsabhängige Thoraxschmerzen, beginnende Kardiomyopathie mit leichter linksventrikulärer Dillation, COPD, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom und geringgradige Aortenklappen-insuffizienz 1. Grades. Ferner wurden als Risikofaktoren Adipositas per magna, Ex-Nikotinabusus und arterieller Hypertonus genannt. Dieser ersichtlich schwankende Gesundheitszustand des Klägers wird insbesondere auch durch die Angaben des Dr. S. zur wechselnden Medikation mit Neurocil seit 07. Januar 2005 bestätigt. Für die in dem Schreiben der Polizeidirektion Calw vom 11. Juli 2006 genannte Behauptung, der Kläger habe sich vor der Untersuchung durch den MDK am 11. April 2005 eine mit Urin und Kot verschmutzte Windel angelegt und sich das Gesicht absichtlich mit Speichel verschmiert, findet sich in dem Gutachten vom 23. Mai 2005 kein Anhalt. Vielmehr ergibt sich aus dem Gutachten, dass der Kläger Inkontinenzhilfsmittel aus finanziellen Gründen nicht verwendet habe. Dasselbe gilt für angebliche Einschränkungen in der Mobilität hinsichtlich des Gehens. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass beim Kläger dann ab 11. September 2007 die Voraussetzungen des Merkzeichens aG festgestellt worden sind, die Krankenkasse dem Kläger ab 11. November 2007 einen Elektrorollstuhl zur Verfügung gestellt hat und im Übrigen dann die für den Kläger ab 01. März 2008 zuständige Pflegekasse der AOK Schleswig-Holstein ihm aufgrund eines im August 2008 gestellten Antrags nach Erhebung eines Gutachtens vom 23. September 2008 (täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege 91 Minuten) ab 01. August 2008 Pflegegeld nach Pflegestufe I (wieder) bewilligt hat, wobei diese Bewilligung dann nach Erhebung eines weiteren Gutachtens vom 26. Dezember 2008 ab 01. Oktober 2008 in Pflegegeld nach Pflegestufe II geändert wurde. Insoweit vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass es erst kurz nach dem 01. November 2006 zu einer erneuten Erhöhung des täglichen Hilfebedarfs in der Grundpflege gekommen war. Damit vermag der Senat nicht festzustellen, dass es zunächst ab 01. November 2006 zu einer wesentlichen Verminderung des täglichen Hilfebedarfs gekommen war. Darauf, in welchem Umfang der Kläger den ihm von der Beklagten im November 2007 zur Verfügung gestellten Elektrorollstuhl außerhalb des häuslichen Bereichs tatsächlich genutzt hat, kommt es nicht an.
Danach waren die angegriffenen Bescheide und der Gerichtsbescheid aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
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