L 8 SB 1648/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 3570/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1648/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Mit Ausführungsbescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 28.11.2003 wurde beim Kläger der Grad der Behinderung (GdB) mit 60 seit 07.01.2001 festgestellt. Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: Bandscheibenschaden GdB 20, Chronische Bronchitis GdB 20, Ohrgeräusche (Tinnitus), Schwindel GdB 10, Depression, chronisches Schmerzsyndrom GdB 40, Eingepflanzte Kunstlinse links, Sehbehinderung GdB 10, Funktionsbehinderung des linken Schultergelenks GdB 10, Bluthochdruck GdB 10.

Am 28.02.2005 beantragte der Kläger eine Neufeststellung wegen Verschlimmerung und die Feststellung weiterer gesundheitlicher Merkmale für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Der Beklagte holte den Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes M. K. vom 15.04.2005 ein. Darin ist ausgeführt, das Gehvermögen sei durch subjektives Schmerzempfinden eingeschränkt; es bestehe keine Gangunsicherheit und die Gehstrecke betrage ca. 500 m. Mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.06.2005 wurde der Befundbericht sowie die diesem Bericht beigefügten Arztunterlagen ausgewertet mit dem Ergebnis, eine Verschlechterung sei nicht nachgewiesen und die Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche seien nicht erfüllt.

Mit Bescheid vom 29.06.2005 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Neufeststellung des Grades der Behinderung und auf Feststellung von gesundheitlichen Merkmalen ab.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, bei dem GdB seien die schweren Unfallverletzungsfolgen aus einem Verkehrsunfall aus dem Jahre 1977 völlig unberücksichtigt geblieben. Hierzu ist in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.07.2005 ausgeführt, eine Zunahme der Funktionsbehinderungen an den diversen Gelenken sei nicht belegt und der Teil-GdB der seelischen Störung mit chronischem Schmerzsyndrom sei mit 40 weiterhin angemessen. Eine möglicherweise im Jahre 1979 festgestellte Funktionsbehinderung des linken Hüft- und Kniegelenkes bestehe seit Januar 2000 nicht mehr. Auch aus den Röntgenbefunden sei lediglich eine leichte bzw. beginnende degenerative Veränderung zu entnehmen. Eine wesentliche Änderung sei nicht belegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2005 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 29.08.2005 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren, den Beklagten zu verurteilen, ihm einen GdB von 80 sowie das Merkzeichen G ab dem 01.03.2005 zuzusprechen.

Der Beklagte wertete die beigezogenen Rentengutachten der Nervenärztin B. vom 21.02.2003 und des Internisten Dr. C. vom 20.01.2005 versorgungsärztlich aus (Stellungnahme vom 21.03.2006) und gelangte zu dem Ergebnis, dass sich ein höherer Gesamt-GdB als 60 wie bisher nicht begründen lasse.

Das SG holte die Befundberichte des Arztes für Allgemeinmedizin M. K. vom 15.08.2006 und vom 23.02.2007 sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 16.10.2006 ein, die mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.06.2007 ausgewertet wurden. Im Anschluss daran holte das SG von Amts wegen das neurologische Gutachten des Dr. K. vom 10.09.2007 ein. Darin führte dieser aus, der Kläger habe sein Gehvermögen durch die Schmerzsymptomatik als massiv eingeschränkt geschildert, wonach 2 km nur in etwa 20 Minuten möglich seien. Aufgrund der von ihm durchgeführten Untersuchungen i.V.m. den über das neurologische Fachgebiet hinausgehenden Zusatzuntersuchungen könne er keinen ersichtlichen Grund erkennen, der eine gravierende Einschränkung des Gehvermögens bedinge. Auch die mittelgradige Depression könne eine derart geschilderte Einschränkung des Gehvermögens nicht verursachen. Der GdB betrage weiterhin 60.

Mit Urteil vom 28.02.2008 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des dem Bevollmächtigten des Klägers am 17.03.2008 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.

Dagegen hat der Kläger am 28.03.2008 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und trägt ergänzend vor, mit dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Dr. K. sei er nicht einverstanden und es sei insgesamt davon auszugehen, dass dieses Gutachten nicht korrekt erstellt worden sei, weshalb es nicht Grundlage einer klagabweisenden Entscheidung sein könne. Er beantrage daher die Einholung eines neuerlichen medizinischen Sachverständigengutachtens. Insgesamt müsse ihm der beantragte GdB von 80 sowie das Merkzeichen G zuerkannt werden.

Der Kläger stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Februar 2008 sowie den Bescheid vom 29. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 80 sowie den Nachteilsausgleich "G" (erhebliche Gehbehinderung) ab 1. März 2005 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das orthopädische Gutachten des Dr. N. von der Universitätsklinik Freiburg vom 22.09.2008 eingeholt. Darin gelangt dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 22.09.2008 zu dem Ergebnis, eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung sei nicht nachgewiesen. Auf orthopädisch/traumatologischem Fachgebiet liege eine posttraumatische X-Beinfehlstellung mit leichter degenerativer Veränderung des lateralen Kompartimentes mit einem Teil-GdB von 10 vor. Die Höhenminderung des Bandscheibenfaches L4/L5 sowie die Spondylolisthese Typ Meierding I im Nachbarsegment L5/S5 werde zusammen mit einem Teil-GdB von 20 eingeschätzt. Auf nicht orthopädisch/traumatologischem Fachgebiet werde die Depression und das bekannte chronische Schmerzsyndrom mit einem Teil-GdB von 40, die chronische Bronchitis mit einem Teil-GdB von 20 übernommen. Die Ohrgeräusche und die Schwindelsymptomatik lägen mit einem Teil-GdB von 10 vor und die Kunstlinse nach Grauer-Staroperation am linken Auge betrage ebenfalls 10; der bekannte arterielle Bluthochdruck werde mit einem weiteren Teil-GdB von 10 berücksichtigt. Der Gesamt-Grad der Behinderung betrage 60. Auf orthopädisch/traumatologischem Fachgebiet habe sich gegenüber den Vorbefunden keine wesentliche Befundänderung ergeben.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 29.10.2008 ist der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen worden, dass auch der für den Nachteilsausgleich "G" erforderliche Mindest-GdB von 50 für Auswirkungen auf die Gehfähigkeit vom Gutachter Dr. N. nicht festgestellt worden sei. Danach sei lediglich ein Teil-GdB von 10 für die Fehlstellung des linken Beines und ein Teil-GdB von 20 wegen der Wirbelsäulenbeschwerden zugrunde gelegt worden.

Im Erörterungstermin vom 29.05.2009 hat der Berichterstatter den Bevollmächtigten des Klägers in Anwesenheit des Klägers darauf hingewiesen, dass sich die Berufung des Klägers als offensichtlich aussichtslos darstelle, da beide gerichtlichen Sachverständigengutachten kein für den Kläger günstigeres Ergebnis gebracht hätten. Der Berichterstatter hat dem Kläger empfohlen, die Berufung zurückzunehmen; auf die Kostenregelung des § 192 SGG ist der Kläger hingewiesen worden.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Akten des SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 29.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2005 ist rechtmäßig. Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Neufeststellung des GdB von über 60 und auf Feststellung des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Gehbehinderung) zu. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Freiburg ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen - welche ihrerseits nicht zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides gehören - zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Dies ist vorliegend der mit Bescheid vom 28.11.2003 mit einem GdB von 60 bewertete Behinderungszustand.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Hiervon ausgehend beträgt der Gesamt-GdB beim Kläger unverändert 60. Der Senat gelangt mit dem SG zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist, die die Anhebung des Gesamt-GdBs rechtfertigt. Ein Gesamt-GdB von mehr als 60 oder höher liegt beim Kläger nicht vor. Der Senat legt dieser Bewertung den Einzel-GdB von 40 für Depression und chronisches Schmerzsyndrom, Einzel-GdB von 20 für den Bandscheibenschaden und den Einzel-GdB-Wert von 20 für die chronische Bronchitis zugrunde. Dies führt zu dem Gesamt-GdB von 60. Die vier Einzel-GdB-Werte von 10 für Ohrgeräusche und Schwindel, eingepflanzte Kunstlinse links mit Sehbehinderung, Beschwerden im linken Schultergelenk und für den Bluthochdruck wirken sich nicht erhöhend auf den Gesamt-GdB aus. Zu dieser Feststellung gelangt der Senat mit Hilfe des gerichtlichen Sachverständigengutachtens des Dr. K. vom 10.09.2007, das das SG eingeholt hat. Auch der vom Kläger selbst benannte Sachverständige Dr. N. ist in seinem Gutachten vom 22.09.2008 zu keinem anderen Ergebnis gelangt. Hinsichtlich des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Gehbehinderung) kommt eine Feststellung für den Kläger nicht in Betracht, da der für diesen Nachteilsausgleich erforderliche Mindest-GdB von 50 für Auswirkungen auf die Gehfähigkeit nicht bzw. auch nicht annähernd erreicht wird. Es liegen lediglich zwei Teil-GdB-Werte von 10 für die Fehlstellung des linken Beines und von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden vor, die sich auf die Gehfähigkeit auswirken können. Zutreffend hat unter diesen Umständen der gerichtliche Sachverständige Dr. K. eine erhebliche Gehbehinderung beim Kläger auch ausdrücklich verneint.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen. Auf die Aussichtslosigkeit der Berufung war der Kläger vom Berichterstatter im Erörterungstermin vom 29.05.2009 auch ausdrücklich hingewiesen worden.

Der Senat hat dem Kläger gemäß § 192 Abs. 1 SGG Kosten in Höhe von 225 Euro wegen missbräuchlicher Prozessführung auferlegt. Nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG für die jeweilige Instanz (§ 192 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGG).

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 34 Abs. 2 BVerfGG ist ein Missbrauch dann gegeben, wenn eine Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Der Tatbestand der "offensichtlichen Aussichtslosigkeit" ist der Begründung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung zufolge ein Unterfall der "Missbräuchlichkeit" der Rechtsverfolgung (BT-Drs. 14/6335, S. 33). Die Auferlegung von Kosten kommt nur in Betracht, wenn sich der Beteiligte der Missbräuchlichkeit seiner Rechtsverfolgung bewusst ist oder sie bei gehöriger Anstrengung zumindest erkennen kann. Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es kommt nicht auf die konkrete subjektive Sicht des betroffenen Beteiligten an. Anders als beim Begriff des "Mutwillens", der bereits nach dem Wortlaut ein subjektives Element enthält, ist der Fassung des § 192 SGG zufolge, die er mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetztes vom 17.08.2001 erhalten hat, für den Missbrauch nicht mehr erforderlich, dass der Beteiligte subjektiv weiß, die Rechtsverfolgung sei aussichtslos und er führe nun entgegen besserer Einsicht den Prozess weiter. Dies ergibt sich aus der Intention des Gesetzgebers, wie sie im Gesetzgebungsverfahren zu dem Sechsten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes zum Ausdruck gekommen ist (BT-Drs. 14/5943, S. 28), der den § 192 SGG nach dem Vorbild des § 34 Abs. 2 BVerfGG gestalten wollte und für dessen Anwendung trotz seiner Überschrift im Fall des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kein Verschulden des Betroffenen erforderlich ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil des Senats vom 28.11.2008, Az. L 8 AL 1799/07, unveröffentlicht, und Urteil des 5. Senats vom 12.07.2006, Az. L 5 KR 4868/05, veröffentlicht in juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2007, Az. L 8 B 1695/07 R, veröffentlicht in juris; LSG Thüringen, Urteil vom 18.09.2003, Az. L 2 RA 379/03, veröffentlicht in juris; LSG Sachsen, Urteil vom 31.03.2005, Az. L 2 U 124/04, veröffentlicht in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Würzburg, Beschluss vom 24.06.2008, Az. S 6 R 120/08, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für Kosten wegen missbräuchlicher Prozessführung liegen vor, da beide gerichtlichen Sachverständige einen höheren GdB als 60 verneint und den Nachteilsausgleich "G" nicht bejaht haben. Insgesamt liegt damit kein gerichtliches Sachverständigengutachten vor, das die Auffassung des Klägers stützen könnte, so dass das Gericht eine Ermessensentscheidung treffen konnte, ob und in welcher Höhe Kosten nach § 192 SGG auferlegt werden. Unter Ausübung dieses Ermessens hält der Senat den Mindestbetrag der Pauschgebühr nach § 184 Abs. 2 SGG in Höhe von 225 Euro für notwendig und ausreichend.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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