L 20 AS 1137/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 104 AS 28429/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 1137/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Übernahme von Fahrtkosten für den Schulbesuch im Zeitraum vom 16. Juli bis 30. September 2005.

Der 1986 geborene Kläger wohnte mit seinem Vater, der zugleich sein Prozessbevollmächtig-ter ist, und seinem Bruder zunächst in der F in B. Er besuchte - bis zur Ablegung der Abitur-prüfung im Juni/Juli 2008 - die C Oberschule in der B, die er von dieser Wohnung aus zu Fuß aufsuchte. Zur Senkung der Unterkunftskosten zog die Familie am 16. Juli 2005 in die D nach B. Von dort benutzte der Kläger den öffentlichen Personennahverkehr, um den ca. 5,5 km lan-gen Weg zur C Oberschule zurückzulegen. Der Kläger bezog im Zeitraum von Januar bis De-zember 2005 Leistungen nach dem SGB II, dies zunächst vom Beklagten, ab 01. Oktober 2005 dann vom JobCenter Neukölln.

Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2007 im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin zum Aktenzeichen S 102 AS 5766/06 sicherte die Vertreterin des Beklagten zu, den Antrag des Vaters des Klägers "auf Bewilligung einer zusätzlichen Monatskarte für den Sohn F" zu bescheiden.

Mit Bescheid vom 21. August 2007 lehnte die Beklagte den "Antrag auf Erstattung der Fahrtkosten in Höhe von monatlich 26 EUR für die Zeit vom 16. Juli bis 30.September 2005" ab. In der für diesen Zeitraum dem Kläger gewährten Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR monatlich sei auch ein Anteil für monatliche Fahrkosten enthalten. Das günstige Ausbildungsticket koste im Monat nur 26 EUR und sei aus der Regelleitung zu bestreiten.

Mit dem am 08. September 2007 erhobenen Widerspruch machte der Prozessbevollmächtigte für den Kläger geltend, dass er durch Fehlverhalten des JobCenters die Wohnung in der F ver-loren habe. Von dort habe sein Sohn zu Fuß zur C Oberschule gehen können. Jetzt sei dies nicht mehr möglich, daher benötige er eine Monatskarte. Diese mit dem Schulbesuch verbun-denen notwendigen Sonderaufwendungen seien von dem Beklagen zu tragen, und zwar von August 2005 bis zum Schulende im Juni 2008.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2007 wies der Beklagte den Widerspruch mit der ergänzenden Begründung zurück, es liege auch kein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II vor. Denn der Kläger habe die Kosten für die Monatskarte bisher selbst aufge-bracht, ohne dass es zu einer Unterdeckung des Bedarfs in der Zeit des Anfalls der geltend ge-machten Kosten gekommen sei.

Hiergegen hat der Kläger am 06. November 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er eine Kostenübernahme für die Monatskarten im Zeitraum vom 08. August 2005 bis einschließlich Mai 2008 begehrt hat. Die Kosten seien durch das JobCenter verursacht worden und seien deshalb zu übernehmen. Die Kosten seien unabweislich. Die Verzinsung sei mit 12% anzusetzen, da der Prozessbevollmächtige des Klägers zu diesem Zinssatz einen Kredit aufge-nommen habe, um den Umzug und auch die weiteren Kosten zu finanzieren. Die Kostenüber-nahme habe er für den gesamten Zeitraum beantragt, in dem sein Sohn die Schule besuche, bis dieser Abitur mache.

Dem schriftlichen Vorbringen des Klägers entnahm das Sozialgericht den Antrag,

den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm in der Zeit von August 2005 bis Mai 2008 ein um monatlich 26 EUR höheres Alg II zu gewähren und die etwaigen monatlichen Beträge von 26 EUR mit 12 % per anno zu verzinsen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der angegriffene Bescheid treffe lediglich eine Entscheidung für die Zeit vom 16. Juli 2005 bis zum 30. September 2005. Für die Zeit ab 01. Oktober 2005 sei überhaupt keine Entscheidung getroffen worden, deren Aufhebung beantragt werden könne. Die Aufnahme eines Kredites ca. 1 ½ Monate vor der Inanspruchnahme der Schülermonatskarte sei nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 22. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger die Gewährung von um 26 EUR höheren monatlichen Grundssicherungsleistungen für die Zeit (gemeint wohl) bis zum 15. Juli 2007 und vom 01. Oktober 2005 bis zum 31. Mai 2008 erstrebe, sei die Klage bereits unzulässig. Für diese Zeiträume fehle es an der Sachurteilsvorausset-zung einer bereits vorliegenden Verwaltungsentscheidung bzw. eines ordnungsgemäß durchge-führten Vorverfahrens gemäß § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Für den Zeitraum vom 16. Juli bis zum 30. September 2005 sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Zutreffend habe die Be-klagte ausgeführt, dass die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr aus der Regelleistung, die der Kläger in der Zeit von Juli bis September 2005 auch erhalten habe, zu tragen seien und für diesen Zeitraum auch kein unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II bestehe. Ein unabweisbarer Bedarf werde auch nicht durch die Aufnahme eines Kredites durch den Vater des Klägers begründet, da der Kredit von diesem und nicht vom Kläger zu tilgen sei.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07. Juni 2008 zugestellte Urteil rich-tet sich die am 11. Juni 2008 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Be-rufung, mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Der Antrag sei bereits im Juli 2005 für die Zeit bis zum Erreichen des Abiturs gestellt worden. Der Bescheid der Beklagten gelte selbstverständlich auch für die Zukunft. Das LSG Niedersachsen-Bremen habe hinsichtlich der Gewährung von Monatskarten für Schüler eine positive Entscheidung getroffen. Der Kläger bilde mit dem Prozessbevollmächtigten und seinem Bruder eine Bedarfsgemeinschaft, daher seien es gemeinsame Schulden und die Einnahmen des Klägers dienten auch der Rückführung des teuren Kredites. Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2008 hat der Prozessbevollmächtigte des Klä-gers die Verspätung gerügt, sein Sohn habe das Abitur bereits abgelegt. Sie besäßen kein Fahr-rad, Fahrräder würden dauernd geklaut werden, es gäbe keine sichere Unterbringung, Fahrräder gingen dauernd kaputt, Helm und Schutzkleidung seien nicht vorhanden, das Fahrrad sei eines der gefährlichsten Verkehrsmitteln - offenbar wolle man eine biologische Lösung.

Dem schriftlichen Vorbringen des Klägers entnimmt der Senat den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Schüler-Monatsfahrkarte im öffentlichen Personennahverkehr in Höhe von 26 EUR monat-lich für den Zeitraum vom 16. Juli 2005 bis 31. Mai 2008 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Auch das LSG Niedersachsen-Bremen gehe in seiner Entscheidung vom 03. Dezember 2007 grundsätzlich davon aus, dass die Kosten für die Monatskarte eines Schülers von der Regelleistung umfasst seien. Im dorti-gen Fall habe es sich jedoch um eine atypische Bedarfssituation gehandelt, für die eine typisierende Hilfe nicht vorgesehen sei. Insbesondere hätte die Beschwerdeführerin dort erheblich höhere Kosten für die Monatskarte aufzuwenden gehabt, nämlich 89,25 EUR. Es komme hinzu, dass die dortige Beschwerdeführerin wegen der Entfernung zum Gymnasium (22 km) zwin-gend auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen gewesen sei; ein näher liegen-des Gymnasium habe es nicht gegeben. Der hiesige Berufungskläger habe jedoch bis zu seiner Schule lediglich eine Entfernung von 6,13 km zu überwinden, die auch mit dem Fahrrad zu-rückgelegt werden könne. Zudem habe er für eine Schüler-Monatskarte lediglich Kosten in Höhe von 26 EUR aufzuwenden.

Mit Bescheid vom 03. Juli 2008 hat es der Beklagte auch für den Zeitraum vom 01. Oktober 2005 bis 31. Mai 2008 abgelehnt, Kosten für die Schülermonatskarte zu übernehmen. Durch den Umzug nach Neukölln beziehe der Kläger seit 01. Oktober 2005 Leistungen durch das JobCenter Neukölln, weshalb es an der Zuständigkeit des Beklagten fehle.

Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 hat der Senat das Land Berlin, vertreten durch das Be-zirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.

Der Beigeladene beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten zum Aktenzeichen (H M) sowie die Behelfsverwaltungsakte zum Aktenzeichen (F M) ver-wiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil die ord-nungsgemäß zugestellte Ladung ihn auf diese Möglichkeit hingewiesen hat (§ 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 21. August 2007 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 15. Oktober 2007, der den Zeitraum vom 16. Juli 2005 bis 30. Septem-ber 2005 betrifft. Der den Zeitraum vom 01. Oktober 2005 bis 31. Mai 2008 erfassende Be-scheid vom 03. Juli 2008 wurde nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens, da er den Bescheid vom 21. August 2007 weder abändert noch ersetzt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 96 Rn. 5a am Ende).

Soweit der Kläger Leistungen auch für darüber hinausgehende Zeiträume im Gerichtsverfahren geltend macht, hat das Sozialgericht zutreffend entschieden, dass die Klage unzulässig war (§ 153 Abs. 2 SGG).

Der allein zulässigerweise angegriffene Bescheid der Beklagten vom 21. August 2007 in Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der monatlichen Kosten in Höhe von 26 EUR für eine BVG-Schüler-Monatskarte.

1. Diese Kosten sind nicht bereits durch einen Anspruch aus dem Berliner Schulgesetz gedeckt, welches den hier begehrten Leistungen vorrangig wäre und einen Leistungsausschluss bewir-ken würde (§ 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 2 SGB XII). Eine Anspruchsgrundlage wird dort nicht genannt.

2. Ein Anspruch gegen den Beklagten auf Leistungen der Schülerbeförderung in Form eines Zuschusses besteht nicht.

a) Zwar gehört der 1986 geborene Kläger, der mit seinem erwerbsfähigen Vater zusammenlebt, zum Personenkreis der nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten. Zur Bedarfsgemeinschaft gehö-ren die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit diese - wie vorliegend - die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (§ 7 Abs. 3 Nr. 1 und 4 SGB II). Der Kläger erhielt im streitge-genständlichen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II.

Der Kläger war nicht nach § 7 Abs. 5 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Gemäß § 7 Abs. 5 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungs-förderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60-62 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts (dazu auch Bundessozialgericht - BSG - vom 06. September 2007 - B 14/7b AS 36/06 R - sowie vom 17. März 2009 - B 14 AS 63/078 R -, zitiert nach juris). Eine Ausnahme hiervon gilt unter anderem nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II für Auszubildende, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben. Ein solcher Ausnahme-fall liegt hier vor. Der die gymnasialen Oberstufe besuchende Kläger wohnte im streitgegen-ständlichen Zeitraum bei seinem Vater.

b) Das SGB II sieht jedoch keine Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Leistung vor.

aa) Leistungen für Schülerfahrtkosten sind weder als Mehrbedarf nach § 21 SGB II, noch als Sonderbedarf nach § 23 Abs. 3 SGB II vorgesehen. Vielmehr sind Leistungen für Sonder- oder Mehrbedarf nur für die in §§ 21, 23 Abs. 3 SGB II normierten Bedarfslagen zu gewähren. Leis-tungen für Schülerbeförderung werden hier nicht genannt. Eine abweichende Festsetzung der pauschalierten Regelleistung nach § 20 SGB II wegen atypischer Bedarfslagen ist nach § 3 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen (BSGE 97, 242; Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R -, Rn. 17; Lang/Knickrehm, in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 21 Rn. 4 m.w.N.).

Ein Anspruch scheidet auch deshalb aus, weil durch Leistungen zur Sicherung des Lebensun-terhalts nach §§ 19 ff. SGB II die eigentlichen Ausbildungskosten nicht finanziert werden sol-len. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das SGB II nicht dazu dienen, Leistungen für eine dem Grunde nach anderweitig förderungsfähige Ausbildung zu gewähren. Das Recht der Grundsicherung soll vielmehr von Leistungen zur Ausbildungsförderung freigehalten werden, soweit der Hilfebedarf im Hinblick auf den Lebensunterhalt durch die Ausbildung entsteht (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 44/08 R -, Rn. 18; BSGE 99, 67). Die Verlage-rung ausbildungsbedingter, aber ausbildungsförderungsrechtlich nicht berücksichtigter Bedarfe in den Bereich der existenzsichernden Leistungen ist grundsätzlich ausgeschlossen (zur Vor-gängerregelung des § 26 BSHG bereits BVerwGE 94, 224, 228; vgl. BT-Drucks. 15/1514 S 57 und BT-Drucks. 15/1749 S 31), soweit der Gesetzgeber Ausnahmen hiervon nicht ausdrücklich zulässt, wie dies etwa in § 24a SGB II (Zusätzliche Leistungen für die Schule) seit dem 01. August 2009 der Fall ist.

Die Aufwendungen für die Anschaffung der BVG-Schülermonatskarte sind jedoch allein aus-bildungsbedingt. Sie entstehen nicht durch die Inanspruchnahme von Verkehrsmitteln im Rahmen der allgemeinen Lebensführung, sondern - ungeachtet der praktischen Möglichkeit, die Schülermonatskarte auch für andere Zwecke zu nutzen - nur im Hinblick auf den Besuch der gymnasialen Oberstufe.

bb) Auch ein Anspruch nach den Vorschriften über die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 16 ff. SGB II) scheidet aus. Weder §§ 16 ff. SGB II noch die über § 16 Abs. 1 SGB II in den Leistungskatalog der Grundsicherung für Arbeitsuchende inkorporierten Leistungen des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gewähren einen solchen Anspruch. Denn die Ge-währung von Fahrkosten für den Besuch einer Schule, die lediglich zu einem schulischen Ab-schluss führt, gehört nicht zu den Zielen der dort geregelten Förderung der beruflichen Weiter-bildung und ist deshalb nicht nach §§ 77 ff SGB III förderungsfähig. Dies verdeutlicht rückbli-ckend auch § 77 Abs. 3 SGB III in der seit dem 01. Januar 2009 geltenden Fassung des Geset-zes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl I 2917), der ausnahmsweise die Förderung von Arbeitnehmern durch Übernahme der Weiterbildungskosten, zu denen gemäß §§ 79 Abs. 1 Nr. 2, 81 SGB III auch Fahrkosten gehö-ren, zum nachträglichen Erwerb eines Schulabschlusses ermöglicht, dies aber auf den Haupt-schulabschluss oder einen gleichwertigen Schulabschluss beschränkt. Die Förderung der Be-rufsausbildung nach §§ 59 ff SGB III, die ohnedies nicht die Förderung einer schulischen Aus-bildung umfasst (vgl. § 60 Abs. 1 SGB III), gehört dagegen nicht zu den nach § 16 Abs. 1 SGB II in den Leistungskatalog des SGB II inkorporierten Leistungen des SGB III. Nach dem Rege-lungskonzept des § 16 SGB II kommt auch eine Förderung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II hier nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O., unter Verweis auf Eicher, in: Eicher/Spellbrink, a.a.O., § 16 Rn. 177).

Dieses Verständnis entspricht dem gesetzgeberischen Willen, neben den gesetzlich vorgesehe-nen Hilfen zur Ausbildungsförderung über das SGB II keine weiteren Hilfssysteme einzufüh-ren (BSG, Urteil vom 17. März 2009, a.a.O.). Nach der Konzeption des Gesetzes sind die Leis-tungen der reinen Ausbildungsförderung abschließend im BAföG bzw. dem SGB III geregelt. Die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes aus dem SGB II muss - nach der Intention des Gesetzgebers - die Ausnahme bleiben (vgl. BSG, Urteile vom 06. September 2007 - Az.: B 14/7b AS 28/06 R und B 14/7b AS 36/06 R -, beide zitiert nach juris).

c) Der Kläger kann die Übernahme der Fahrtkosten auch nicht darlehensweise nach § 23 Abs. 1 SGB II vom Beklagten verlangen.

§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II sieht vor, dass, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen um-fasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleis-tung oder als Geldleistung erbringt und dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen gewährt. Aus den dargelegten Gründen sind jedoch Schülerfahrkosten als ausbildungsgeprägter Bedarf bereits dem Grunde nach nicht von der Regelleistung umfasst (s. o., BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 14 AS 44/08 R, Urteil vom 17. März 2009 - B 14 AS 63/07 R - unter Ver-weis auf die Vorlagebeschlüsse des Senats vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 5/08 R - juris Rn. 36 - und B 14/11b AS 9/07 R - juris Rn. 32).

3. Ein Anspruch besteht ebenso wenig gegenüber dem Beigeladenen. Eine Anspruchsgrundlage lässt sich dem SGB XII nicht entnehmen.

Zwar wäre eine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG grundsätzlich möglich. Die Anspruchsvor-aussetzungen des allenfalls in Betracht kommenden § 73 SGB XII sind indes nicht erfüllt. Der Anspruch nach § 73 SGB XII scheidet nicht schon deshalb aus, weil der vom Kläger geltend gemachte besondere Bedarf etwa zu dem von der Regelleistung umfassten Bedarf zählt. Zu-mindest jedoch handelt es sich bei den Schüler-Beförderungskosten nicht um einen atypischen Bedarf i.S. von § 73 SGB XII.

Nach § 73 Satz 1 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Die Norm darf nicht zur allgemeinen Auffangnorm für Leistungsempfänger des SGB II ausgeweitet werden (Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 73 Rn. 3). Daher ist eine atypische Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den spe-ziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist, notwendig (BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 19/09 R). Es muss sich dabei um eine besondere atypische Be-darfslage, unter besonderer Berücksichtigung der Grundrechte, handeln. Die besondere Be-darfslage muss eine Aufgabe von besonderem Gewicht darstellen, ohne dass die Norm zur "allgemeinen Auffangregelung für Leistungsempfänger des SGB II mutiert". (BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 14/06 Rn. 22 - zitiert nach Juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03. Dezember 2007 - L 7 AS 666/07 ER -).

Eine atypische Bedarfslage ist unter Berücksichtigung dessen, dass diese sich stets aus den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalles herleiten muss, nicht zu erkennen. Die vom hiesi-gen Kläger bis zu seiner Schule zurückzulegende Entfernung von 5,5 km (www.falk.de) kann von ihm in zumutbarer Weise auch mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Im Vergleich dazu konnte in dem vom LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) zu entscheidenden Fall das nächstge-legene 22 km (!) entfernte Gymnasium nur bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erreicht werden. Auch der Umstand, dass der Kläger für die Schülermonatsfahrkarte (nur) ca. 7,5% der Regelleistung aufzubringen hat, spricht gegen die Annahme eines atypischen Falls. Dagegen waren in dem vom LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.) zu entscheidenden Sachverhalt ca. 1/3 der Regelleistung für die Fahrtkosten aufzubringen gewesen.

Abgesehen davon ist eine Leistungsgewährung hier auch verfassungsrechtlich nicht geboten (anders bei den Kosten des Umgangsrechts im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 25. Oktober 1994 - NJW 1995, 1342; BSGE 97, 242; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a.a.O.). Zwar begründet insbesonde-re das in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG normierte Grundrecht, Beruf und Ausbildungsstätte frei zu wählen, auch einen Anspruch auf Teilhabe an staatlichen Bildungseinrichtungen. Dieser richtet sich aber vornehmlich auf gleichberechtigten Zugang und nicht auf die Gewährleistung der finanziellen Rahmenbedingungen (BVerfGE 33, 303, 330 ff). Dagegen hat das BVerfG die Frage, ob aus dem Grundgesetz, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozial-staatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) eine Pflicht des Gesetzgebers folgen kann, staatliche Leis-tungen zur individuellen Ausbildungsförderung vorzusehen, bisher offen gelassen (BVerfGE 96, 330, 339).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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