L 26 AS 1921/09 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 49 AS 3891/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 AS 1921/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 03. November 2009 werden verworfen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller ein Darlehen zur Begleichung von Verbindlichkeiten gegenüber einem Stromversorger zu gewähren.

Der 1977 geborene Antragsteller, bei dem ein Grad der Behinderung von 70 anerkannt ist, bezog nach seinem Zuzug in den Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin ab Dezember 2007 gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin und deren Tochter Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Zum 01. Februar 2008 mietete die Familie in der Estraße 2 in W eine 93 m² große, mit einer Gasetagenheizung ausgestattete Dreizimmerwohnung an. Die Miete betrug 518,94 EUR [Nettokaltmiete in Höhe von 399,90 EUR sowie Betriebskosten (ohne Heiz- und Warmwasserkosten) in Höhe von 119,04 EUR]. Ab Anfang Januar 2009 bildete der Antragsteller eine eigene Bedarfsgemeinschaft; zum 15. August 2009 zogen seine ehemalige Lebensgefährtin und deren Tochter aus der gemeinsamen Wohnung aus. Ab dem 15. August 2009 berücksichtigte die Antragsgegnerin bei der Leistungsgewährung für den Antragsteller die Mietkosten in Höhe von 518,94 EUR in vollem Umfang. Ausweislich des Bewilligungsbescheides vom 24. August 2009 gewährte sie ihm für die Monate September 2009 bis Februar 2010 als Leistungen für Unterkunft und Heizung monatlich 628,15 EUR. Neben der Miete in der vorgenannten Höhe setzte sie Abschlagszahlungen in Höhe von 116,00 EUR an den Gasversorger abzgl. einer Pauschale für die Warmwasseraufbereitung in Höhe von 6,79 EUR an.

Nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter dem 14. September 2009 antragsgemäß eine Mietzusicherung für die aktuell von ihm bewohnte Wohnung (Mietbeginn: 01. November 2009) erteilt hatte, beantragte der Antragsgegner am 13. Oktober 2009 die Übernahme von Stromschulden und erbat die Übernahme als zinsloses Darlehen. Zugleich meinte er, dass eine Verrechnung über den monatlichen Regelbedarf möglich sei. Weiter verwies er darauf, dass die Versorgung mit Strom für ihn lebenswichtig sei, da ohne Strom die Gasetagenheizung nicht funktioniere, er mithin nicht heizen könne und nicht mit Warmwasser versorgt sei. Angesichts seines Gesundheitszustandes sei dies für ihn lebensgefährlich.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Energieschulden in Höhe von 1.127,68 EUR gestützt auf § 22 Abs. 5 SGB II mit der Begründung ab, dass die Übernahme nicht gerechtfertigt sei. Der Antragsteller habe die monatlichen Abschlagszahlungen über Monate hinweg nicht bzw. nicht in voller Höhe gezahlt und es unterlassen, eine ihm vom Stromversorger angebotene Ratenvereinbarung abzuschließen, d.h. die erforderlichen Mittel zur Selbsthilfe nicht ergriffen.

Bereits am 19. Oktober 2009 hatte der Antragsteller beim Sozialgericht Potsdam um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und die Übernahme der Stromschulden auch für den Fall des Wohnungswechsels beantragt. Das Eilbedürfnis hatte er mit einer zum 19. Oktober 2009 angekündigten erneuten Sperre der Stromzufuhr begründet.

Mit Beschluss vom 03. November 2009 hat das Sozialgericht Potsdam die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Stromkosten des Antragstellers in Höhe von 1.127,68 EUR als Darlehen zu übernehmen und diesen Betrag direkt an den Stromversorger zu überweisen. Zugleich hat es angeordnet, dass das Darlehen ab dem 01. Dezember 2009 durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % der an den Antragsteller jeweils zu zahlenden Regelleistungen getilgt werde. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Anordnungsanspruch aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II, nicht aber aus § 22 Abs. 5 SGB II folge, da Stromschulden als Kosten der Haushaltsenergie von der Norm nicht erfasst würden. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II seien erfüllt. Dass der Antragsteller den Zahlungsrückstand möglicherweise selbst verschuldet habe, sei bedeutungslos, da die Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht im Ermessen des Leistungsträgers stehe. Angesichts der Stromsperre, die erst nach vorheriger Zahlung des aktuell noch offenen Gesamtbetrages von 1.127,68 EUR aufgehoben werde, liege auch ein Anordnungsgrund vor. Bei der gesetzlich vorgesehenen Tilgung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei zu berücksichtigen, dass die Obergrenze der monatlichen Aufrechnung von 10 % der zu zahlenden Regelleistung auch ausgeschöpft werde.

Nachdem dieser Beschluss dem Antragsteller am 05. und der Antragsgegnerin am 06. November 2009 zugestellt worden war, hat die Antragsgegnerin ihn unter dem 12. November 2009 durch Erlass eines entsprechenden Bescheides und Auszahlung des Geldbetrages vorläufig umgesetzt. Am 20. November 2009 hat sie ebenso wie der Antragsteller Beschwerde eingelegt.

Zu seinem Begehren im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. Dezember 2009 wie folgt ausgeführt:

"Der Antragsteller stellt keinen Antrag darauf, dass die Kosten bzw. Verpflichtung aus dem anhängigen Beschluss des SG-Potsdam, vom 03.11.2009, als Zuschuß übernommen werden, sondern, dass lediglich durch das LSG – 26. Senat – im Rahmen der erhobenen Beschwerde geprüft wird, ob die Verpflichtung i.H.v. 1127,68 Euro, als Zuschuß hätte gewährt werden können. Beantragt ist jedoch, dass von der Verpflichtung aus dem genannten Beschluss ein gewisser Anteil herausgerechnet werden muß, auf dem die Antragsgegnerin kein Anspruch hat, da Strom zum heizen unabdingbar war und somit anteilmäßig als Heizkosten zu berücksichtigen sind. "

Weiter hat der Antragsteller dargelegt, dass seines Erachtens von den monatlichen Stromkosten ca. 5,00 EUR als Heizkosten anzurechnen seien. Müsse er das Darlehen, so wie im erstinstanzlichen Beschluss ausgesprochen, zurückzahlen, meint er, würde die Antragsgegnerin doppelt begünstigt. Zum einen übernehme sie von den Stromkosten nicht den auf die Heizung entfallenden Anteil. Zum anderen berechne sie noch immer eine monatliche Heizkostenpauschale von 6,79 EUR.

Die Antragsgegnerin meint, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vorgelegen hätten. Rechtsgrundlage für die Übernahme von Stromschulden sei § 22 Abs. 5 SGB II. Die Übernahme der Stromschulden sei nicht gerechtfertigt. Der vom Antragsteller beklagte Abzug von 6,79 EUR von den Heizkosten erfolge für die Warmwasseraufbereitung. Im Hinblick auf die zum Betrieb der Heizung geltend gemachten Stromkosten sei nicht bekannt, in welchem Umfang diese anfielen, sie dürften jedoch lediglich einen Bruchteil des monatlichen Stromabschlags ausmachen. Im Übrigen fehle es am Eilbedürfnis, da der Antragsteller zum 01. November 2009 eine neue Wohnung angemietet und die Gasversorgung bereits zum 15. September 2009 gekündigt habe.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit ihrer Beschwerden bestünden.

Der Antragsteller hat hierzu erklärt, dass er der vorläufigen Einschätzung des Gerichts nicht folge. Er hätte gerade von dem Senat die Klärung erreichen wollen, ob die Rückforderung in Höhe von 750,00 EUR oder nur von 110,00 EUR unberechtigt sei. Außerdem sei für ihn nicht erkennbar, wie er die ihm von der Antragsgegnerin vorenthaltenen Leistungen durchsetzen könne.

Auch die Antragsgegnerin hält ihre Beschwerde weiterhin für zulässig. Sie meint, dass die Umsetzung des erstinstanzlichen Beschlusses nicht zu einer Beschränkung des Rechtsweges führen könne. Solange die Behörde zur Abwendung bzw. Vermeidung der Zwangsvollstreckung der Verpflichtung nachkomme, entfalle das Rechtsschutzbedürfnis nicht. Dass sie keinen Antrag nach § 199 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt habe, rechtfertige keine andere Entscheidung. Hiervon sei im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das für eine Stattgabe eines entsprechenden Antrages einen im Nachhinein nicht mehr zu ersetzenden Schaden fordere, abgesehen worden. § 199 Abs. 2 SGG schränke nicht die materielle Beschwerdemöglichkeit ein. Es wäre nicht im wohlverstandenen Interesse des erstinstanzlich obsiegenden Antragstellers, wenn die Behörde zu quasi rechtswidrigem Verhalten – nämlich einer vorübergehenden Missachtung jedenfalls bis zur Entscheidung über einen Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG – gezwungen wäre, wenn sie die einstweilige Anordnung für rechtswidrig hält. Auch berufe sie sich ausdrücklich auf ihr nach Art. 103 Abs. 1 GG garantiertes Recht auf rechtliches Gehör in Verbindung mit den einfachgesetzlichen Verfahrensvorschriften, insbesondere dem in § 172 SGG normierten Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerde setze nur voraus, dass der Beschwerdeführer sein Begehren auf eine vorläufige Regelung beschränke und nicht bereits im Eilrechtsverfahren eine endgültige Klärung begehre.

II.

Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 03. November 2009 sind nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen. Während die Beschwerde des Antragstellers bereits nicht statthaft ist (hierzu im Folgenden zu 1.), ist die der Antragsgegnerin mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (hierzu im Folgenden zu 2.).

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht statthaft. Nach § 172 Absatz 3 Nr. 1 SGG in der seit dem 01. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies ist vorliegend der Fall. Denn nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG ist die Berufung bei einer auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteten Klage bzw. bei einem hierauf gerichteten Verwaltungsakt nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt, es sei denn, es handelt sich um wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr. Beides ist zur Überzeugung des Senats nicht anzunehmen.

Der Antragsteller hat vor dem Sozialgericht Potsdam mit seinem Begehren insoweit obsiegt, als die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, seine Stromschulden in Höhe von 1.127,68 EUR als Darlehen zu übernehmen und diesen Betrag direkt an den Stromversorger auszuzahlen. Mit seinem oben zitierten Schriftsatz vom 26. Dezember 2009 hat der Antragsteller dargelegt, was er im Beschwerdeverfahren weitergehend zu erreichen sucht. Dabei hat er ausdrücklich klargestellt, dass es ihm nicht um die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung eines Betrages in Höhe seiner Außenstände beim Stromversorger als Zuschuss statt lediglich als Darlehen geht. Vielmehr begehrt er bei sachgerechter Auslegung seines Vorbringens allein, das für die Begleichung der Stromschulden gewährte Darlehen in Höhe von 1.127,68 EUR nicht in vollem Umfang zurückzahlen zu müssen, sondern nur in der Höhe, wie die Stromkosten nicht für den Betrieb seiner Gasetagenheizung angefallen sind, d.h. ihm den Betrag zu erlassen, der mit der Heizung und der Warmwasseraufbereitung in Zusammenhang steht. Diesen Betrag hat er selbst auf monatlich ca. 5,00 EUR beziffert. Da sich die durch das Darlehen abgedeckten Stromkosten bei für den Antragsteller günstigster Betrachtung nur auf den Zeitraum vom Februar 2008 (Anmietung der Wohnung in der Estraße) bis allenfalls November 2009 (Abschlagszahlung für diesen Monat) beziehen können, geht es ihm mithin darum, den von ihm zurückzuzahlenden Betrag für 22 Monate um je 5,00 EUR, mithin insgesamt um 110,00 EUR zu mindern. Mit dem genannten Betrag aber ist der erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht. Soweit der Antragsteller auf das Anhörungsschreiben des Senats dargelegt hatte, dass er sich gerade von diesem die Prüfung erhofft habe, in welcher Höhe der Betrag in Abzug zu bringen sei, kann dies nicht dazu führen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes als erreicht angesehen wird. Maßgeblich für die Bestimmung des Beschwerdegegenstandes ist allein, welche Leistungen die Beteiligten beantragen. Unerheblich ist hingegen, zu welchen weitergehenden Aspekten sie sich Ausführungen erhoffen.

Ebenso wenig wäre der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht, wenn man – was die Ausführungen des Antragsgegners immerhin möglich erscheinen lassen - sein Begehren weitergehend dahin auslegte, dass er einen zusätzlichen Abzug von monatlich 6,79 EUR für die angeblich von ihm gezahlte Heizkostenpauschale erstrebte. Denn damit stiege der Betrag von 110,00 EUR zwar um 149,38 EUR (22 x 6,79 EUR), erreichte aber den erforderlichen Beschwerdewert noch immer offensichtlich nicht.

Auch geht es vorliegend nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr. Streitgegenständlich ist allein die Gewährung einer Einmalleistung zur Begleichung von Verbindlichkeiten. Nicht aber ist die Frage zu klären, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller in der Zeit von Februar 2008 bis November 2009 monatlich um 5,00 EUR höhere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung hätte gewähren müssen. Dies hätte der Antragsteller ggf. in Widerspruchs- und Klageverfahren gegen die Höhe der ihm monatlich bewilligten Leistungen geltend machen müssen. Gleiches gilt, soweit er offensichtlich der Meinung ist, die Antragsgegnerin habe die ihm monatlich gewährten Leistungen zu Unrecht um eine "Heizkostenpauschale" von 6,79 EUR gemindert. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin keine Heizkostenpauschale, sondern eine Pauschale für die Warmwasseraufbereitung in Abzug gebracht hat, wozu sie jedenfalls dem Grunde nach berechtigt ist, kann auch dies keine Bedeutung im Rahmen eines Verfahrens haben, in dem es um die Gewährung von Leistungen für die Begleichung von Stromschulden geht.

Schließlich handelt es sich auch nicht deshalb um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr, weil die vom Sozialgericht angeordnete Aufrechnung in Höhe von 10 % der zu zahlenden Regelleistung sich über einen längeren als einjährigen Zeitraum hinziehen wird. Streitgegenständliche Leistung im Sinne des Gesetzes ist vorliegend allein die Gewährung des Darlehens als Einmalleistung, nicht aber die Höhe des in den kommenden Monaten von der Antragsgegnerin an den Antragsteller auszuzahlenden Betrages.

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zur Überzeugung des Senats zwar statthaft, da sie zur vorläufigen Gewährung eines Darlehens in Höhe von mehr als 750,00 EUR verpflichtet worden ist. Sie ist jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht zulässig.

Auch wenn dies im Sozialgerichtsgesetz keine ausdrückliche Erwähnung findet, so setzt doch jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. In der Regel stellt dies keine gesonderte Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels dar, da es sich im Allgemeinen ohne weiteres aus der formellen Beschwer des Beschwerdeführers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist, ergibt. Indes gilt auch für Rechtsmittel der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf. Trotz Vorliegens der Beschwer kann daher in Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich beschritten wird (vgl. BSG, Urteil vom 08. Mai 2007 – B 2 U 3/06 – juris, Rn. 13, Bernsdorff in Hennig, SGG, Stand Februar 2009, Vorbemerkung §§ 143-178, Rn. 21; vgl. Keller, in Keller/Leitherer/Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl., Vor § 51 Rn. 16b und Meyer-Ladewig in Keller/Leitherer/Meyer-Ladewig, a.a.O., Vor § 143 Rn. 5). Entsprechendes hat für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu gelten, wobei insoweit zu berücksichtigen ist, dass dieses Verfahren von vornherein stets nur auf eine vorläufige Regelung ausgerichtet ist.

Gemessen daran besteht für die Beschwerde der Antragsgegnerin kein Rechtsschutzbedürfnis, nachdem sie noch vor Einlegung der Beschwerde einen Umsetzungsbescheid erlassen und den Betrag von 1.127,68 EUR an den Stromversorger des Antragstellers ausgezahlt hat. Denn jedenfalls dann, wenn ein im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erstinstanzlich zur Gewährung von Leistungen verpflichteter Grundsicherungsträger diese Leistungen tatsächlich anweist, ohne zuvor einen Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG zu stellen, besteht zur Überzeugung des Senats kein Anlass mehr, noch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu klären, ob dies zu Recht erfolgte oder nicht. Soweit die Antragsgegnerin – im Wesentlichen unter Berufung auf den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. September 2007 (L 32 B 1565/07 AS ER, abrufbar unter juris) - behauptet, nur zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung gehandelt zu haben, rechtfertigt dies ebenso wenig eine andere Entscheidung wie ihr Bekunden, die Verpflichtung zur Leistungsbewilligung nicht endgültig, sondern nur vorläufig aus der Welt geschafft wissen zu wollen. Maßgeblich ist vielmehr, dass gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es um die Gewährung einer Einmalleistung geht, nach – wenn auch vorläufig - erfolgter Leistungserbringung regelmäßig im weiteren einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur noch Fragen der (vorläufigen) Rückabwicklung (möglicherweise) zu Unrecht ausgezahlter Leistungen im Raume stehen. Hierzu aber bedarf es nicht der Fortsetzung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens.

Zur Überzeugung des Senats steht einer Behörde mit der Regelung des § 199 Abs. 2 SGG eine ausreichende Handhabe zur Seite, ihre Interessen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angemessen zu verfolgen. Der Gesetzgeber hat mit § 199 Abs. 2 SGG einem Vollstreckungsschuldner, der einen Vollstreckungstitel für fehlerhaft hält, eine Möglichkeit eingeräumt, eine vorläufige Aussetzung der Vollstreckung aus diesem Titel zu erwirken. Wenn er hiervon keinen Gebrauch macht, kann er sich nicht im Folgenden darauf berufen, die Leistungen zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung ausgezahlt zu haben. Soweit die Antragsgegnerin unter Berufung auf einen Beschluss des 3. Senats des Bundessozialgerichts (Beschluss vom 05. Sep¬tember 2001, B 3 KR 47/01 R, abrufbar unter juris, dort insbesondere Rn. 8) meint, vorliegend hätte ein entsprechender Antrag von Anfang an keinen Erfolg gehabt, folgt der Senat ihr nicht. Abgesehen davon, dass es durchaus zweifelhaft erscheint, ob die Auffassung des 3. Senat, eine Aussetzung komme nur in Betracht, wenn dem Vollstreckungsschuldner ein im Nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehe, tatsächlich der allgemeinen Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts entspricht (vgl. Beschluss vom 08. Dezember 2009 – B 8 SO 17/09 R – juris, Rn. 11), dürfte es der Behörde gerade im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung zumutbar sein vorzutragen, warum eine möglicherweise einmal zu Unrecht erfolgte Leistungserbringung faktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Insbesondere aber kann davon ausgegangen werden, dass an die – vom Bundessozialgericht auszusprechende - vorläufige Aussetzung der Vollstreckung eines Urteils eines Landessozialgerichts letztlich andere Anforderungen gestellt werden als an die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung einer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidung. Es ist dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren immanent, dass schnell und häufig auf unsicherer oder unvollständiger Tatsachengrundlage entschieden werden muss. Vermag daher der Leistungsträger im Rahmen eines Antrages nach § 199 Abs. 2 SGG nachvollziehbar zu begründen und durch entsprechende Unterlagen zu belegen, dass eine einstweilige Anordnung mit einiger Wahrscheinlichkeit fehlerhaft ist, spricht viel dafür, dass er mit einem zügig nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung gestellten Antrag nach § 199 Abs. 2 SGG auch Erfolg haben wird. Dass er sich mit einem entsprechenden Vorgehen – wie bei der Antragsgegnerin anklingt - rechtswidrig verhalten würde, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Warum die Antragsgegnerin schließlich meint, sie werde im Falle der Verwerfung ihrer Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses in ihrem Recht auf rechtliches Gehör beschränkt, erschließt sich dem Senat nicht. Dass die Antragsgegnerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg hat, ist nicht gleichbedeutend mit einer Verletzung ihres rechtlichen Gehörs.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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