L 9 U 726/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 4272/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 726/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 3.11.2006.

Am 30. und 31.10.2006 ließ die Gemeinde Wieslet wegen eines starken Befalles von Insekten in einem Klassenzimmer der Schule sowie in den im selben Gebäude untergebrachten Räumen des Gesangvereines eine Schädlingsbekämpfung durch die Fa. S. Glas- und Gebäudereinigungs-GmbH, Lörrach (im Folgenden: Fa. S.), durchführen. Die 1957 geborene und seit Januar 2002 als Reinigungskraft beschäftigte Klägerin betrat am 2.11.2006 um 17:00 Uhr die Räume. Wegen einer Geruchswahrnehmung verließ sie diese aber nach kurzer Zeit wieder. Am 3.11.2006 führte sie ab 16:00 Uhr für etwa zwei Stunden Reinigungsarbeiten durch, ebenso am 4.11.2006 von ca. 10:00 Uhr bis 12:30 Uhr und 15:00 Uhr bis 16:30 Uhr. Bereits am 3.11.2006 verspürte sie ein Kratzen im Hals. Am Folgetag habe sie nicht mehr sprechen können, weil ihre Stimmbänder versagt hätten (so die Unfallanzeige der Gemeinde Wieslet vom 20.12.2006).

Am 6.11.2006 stellte sich die Klägerin bei ihrem Hausarzt, dem Allgemeinmediziner S.-G. vor. Der Beklagten berichtete er unter dem 1.12.2006 über eine eher zögerliche subjektive Besserung. Die Klägerin sei wegen fraglicher Folgen völlig verunsichert und verängstigt. Zum Zeitpunkt der letzten Konsultation am 30.11.2006 habe nur noch eine leichte Stimmbandreizung bestanden. Sie sei vom 6.11.2006 bis 17.11.2006 arbeitsunfähig gewesen. Im Bericht des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. M. vom 7.11.2006, wo sich die Klägerin ebenfalls am 6.11. vorgestellt hatte, wurde über eine mäßige entzündliche Reizung der Schleimhäute der Nasenhaupthöhlen, der Mundhöhle, der Rachenhinterwand bei Zustand nach Tonsillektomie und eine leichte Gefäßzeichnung der Stimmlippen berichtet. Auf Überweisung ihres Hausarztes stellte sich die Klägerin am 10.11.2006 bei dem Pneumologen Prof. Dr. K. in Lörrach vor. Dieser diagnostizierte eine ausgeprägte Tracheobronchitis nach Exposition gegenüber einem Insektizid. Es handele sich um eine starke Tracheitis mit leichter Bronchitis, ohne lungenfunktionelle Auswirkungen. Eine obstruktive Atemwegserkrankung liege nicht vor. Therapeutisch stehe eine intensive antientzündliche Therapie im Vordergrund. Während der Akutphase solle unbedingt eine Nikotinabstinenz eingehalten werden.

Mit Schreiben vom 18.11.2006 beantragte die Klägerin Verletztengeld, Verletztenrente und Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation. Am 7.01.2007 führte sie aus, dass ihre Stimmbänder noch immer nicht in Ordnung seien. Sie könne schon seit dem Unfall nicht mehr im Chor singen. Außerdem könne sie sich nicht mehr in verqualmten Räumen aufhalten und sei somit in ihrer Freizeit stark eingeschränkt. Auch ins Fitnessstudio mit Sauna habe sie wochenlang nicht gehen können, was für ihre Fitness nicht förderlich gewesen sei. Ihre berufliche Tätigkeit habe sie am 20.11.2006 wieder aufgenommen.

Dr. M. berichtete über eine Kontrolluntersuchung am 15.01.2007, bei der die Klägerin noch immer über einen erheblichen Räusperzwang und über eine belegte Stimme geklagt habe. Die Lupenendoskopie zeige unverändert eine leichte Gefäßzeichnung auf beiden Stimmlippen und es bestehe ein etwas unvollständiger Stimmbandschluss. Er empfahl zunächst Feuchtinhalationen eventuell ein Corticoidspray. Je nach Verlauf sei auch an eine logopädische Therapie zu denken. Am 15.05.2007 teilte er mit, dass er die Klägerin seit dem 15.01.2007 nicht mehr gesehen habe.

Auch der Allgemeinarzt S.-G. teilte am 30.04.2007 mit, dass er die Klägerin nach dem 11.01.2007 nicht mehr gesehen habe.

In einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 24.05.2007 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Verletztengeld für die in den vorliegenden ärztlichen Berichten bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vom 6.11.2006 bis 17.11.2006 ab, weil in diesem Zeitraum Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber zu gewähren sei. Auch ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht, weil nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen die Erwerbsfähigkeit nicht durch Unfallfolgen im rentenberechtigenden Grade bzw. messbaren Grade gemindert sei. Das Ereignis am 3.11.2006 sei als Arbeitsunfall bearbeitet worden, weil es sich innerhalb einer Arbeitsschicht bzw. in einem vergleichbaren Zeitraum ereignet habe. Das Vorliegen einer Berufskrankheit sei daher nicht zu prüfen.

Am 29.05.2007 legte die Klägerin gegen das Schreiben vom 24.05.2007 Widerspruch ein. Sie habe immer noch Probleme mit den Bronchien und fordere wegen der Spätfolgen Schadenersatz. Die Beklagte könne sich nicht so einfach aus der Verantwortung stehlen. Sie habe an ihrem Arbeitsplatz ein Recht auf Unversehrtheit ihrer Gesundheit.

Die Beklagte zog das Sicherheitsdatenblatt des verwendeten Schädlingsbekämpfungsmittels (DETMOL-flex) sowie über das Bürgermeisteramt Wieslet das Schädlingsbekämpfungsprotokoll der Fa. S. vom 30./31.10.2006 bei. In dem Bericht der Abteilung Prävention der Beklagten vom 17.09.2007 über die Unfalluntersuchung am 3.07.2007 in Anwesenheit des Hausmeisters und Gemeindearbeiters Glatt wurde festgestellt, dass das Schädlingsbekämpfungsmittel drei- bis fünffach überdosiert angewandt worden sei. Die Lüftung nach der Behandlung am 30. und 31. 10. sei durch das Öffnen der Fenster über die Zeit vom 31.10. nachmittags bis zum Morgen des 2.11., also ca. 42 Stunden lang, erfolgt. Die Raumluft im Schulgebäude sei am 9.11.2006 auf Veranlassung der Fa. S. auf die Leitkomponente Permethrin im Labor F. H. in Lörrach untersucht worden, welche Messwerte von (20 µg/m³ bzw. (50 µg/m³ ergeben hätten. Danach lägen die Ergebnisse der Bewertung für Permethrin im Grenzbereich der Nachweismöglichkeit. Für Permethrin existiere eine Festlegung eines Arbeitsplatzgrenzwertes nicht. Bei dem weiteren Inhaltsstoff Pyrethrum handele es sich um einen Naturstoff, der sich schnell verflüchtige und der deshalb in einem zeitlichen Abstand von einigen Tagen messtechnisch nicht mehr nachweisbar sei. Der Arbeitsplatzgrenzwert für Pyrethrum sei auf 5 mg/m³ festgelegt. Wegen dieses verhältnismäßig hohen Grenzwertes sei nach einer erfolgten Lüftungszeit von ca. 2 Tagen im Anschluss an die Behandlung das Vorhandensein einer gesundheitsschädlichen Konzentration dieses Stoffes zum Zeitpunkt des erstmaligen Aufenthalts der Klägerin in den behandelten Bereichen sehr unwahrscheinlich. Trotz der Überdosierung sei aufgrund der ausgedehnten Lüftungszeit nach der Bekämpfungsmaßnahme unwahrscheinlich, dass noch Konzentrationen in gefahrbringender Menge in der Atemluft vorhanden gewesen seien. Bei den Inhaltsstoffen Permethrin und Pyrethrum des Behandlungsmittels DETMOL-flex handele es sich um Stoffe, die sich sehr rasch verflüchtigten. Gleichwohl könne eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die mögliche Aufwirbelung von Staubablagerungen oder durch den Hautkontakt mit derartigen Ablagerungen nicht ausgeschlossen werden.

Der beratende Lungenfacharzt Dr. T. hielt in seiner Stellungnahme vom 31.10.2007 einen Ursachenzusammenhang der Schleimhautreizung der Atemwege durch die bis zu fünffache Überdosierung mit einem Biozid zur Schädlingsbekämpfung für wahrscheinlich. Als Folge des Inhalationstraumas habe eine mäßig entzündliche Reizung der Schleimhäute der oberen Atemwege einschließlich Trachea ohne Rückwirkung auf die Lungenfunktion bestanden. Es sei eine hausärztliche, halsnasenohrenärztliche und lungenfachärztliche Befragung bzw. Kontrolluntersuchung erforderlich.

Die Beklagte gab daraufhin ein pneumologisch-allergologisches Gutachten bei Prof. Dr. K., Lörrach, sowie ein hno-fachärztliches Gutachten bei Prof. Dr. Dr. L., Universitätsklinikum Freiburg, in Auftrag. Prof. Dr. K. führte in seinem Gutachten vom 14.03.2008 aus, dass DETMOL-flex nach den Angaben im Sicherheitsdatenblatt geeignet sei, in hohen Konzentrationen eine Schleimhautreizung der Atemwege zu verursachen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen den Beschwerden und die Tatsache, dass die Beschwerden jetzt allmählich wieder rückläufig seien, spreche für einen Ursachenzusammenhang und damit für ein Unfallereignis im Sinne der Unfallversicherung. Als begünstigend und ebenfalls irritativ wirksam sei ein Nikotinabusus anzusehen, welcher nach Angaben der Klägerin in den letzten drei Jahren aber nur noch zwei bis vier Zigaretten pro Tag betragen habe. Als Unfallfolge bestehe eine Tracheobronchitis, aber keine obstruktive Atemwegserkrankung, keine bronchiale Hyperreagibilität und keine Allergie. Insgesamt sei von einer mindestens bis Ende Dezember 2006 reichenden Therapiebedürftigkeit auszugehen. Wesentliche Folgen des Unfalles bestünden nicht. Eine MdE auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei mit unter 20 v. H. der Vollrente einzuschätzen.

In dem zusammen mit Prof. M. und Dr. K. erstatteten Gutachten bestätigte Prof. Dr. Dr. L. ebenfalls, dass ein Unfallereignis im Sinne der Unfallversicherung vorliege. Es handele sich um eine akute Intoxikation mit einem Insektizid. Diese habe zu einer toxischen Schleimhautirritation der oberen Atemwege, zu Übelkeit und Erbrechen mit Appetitlosigkeit, zu vermehrtem Auswurf, zu Parästhesien der Beine, zu einer gesteigerten Schleimhautempfindlichkeit auf heiße und kalte sowie scharfe Speisen und zu Heiserkeit geführt. Die MdE schätzte er aktuell mit 10 v.H. ein, wobei zu beachten sei, dass das Insektizid reizend wirke. Eine Sensibilisierung durch Hautkontakt sei möglich.

Der dann gehörte Beratungsarzt Dr. Z. wies darauf hin, dass der endoskopische HNO-Befund nicht mit dem pneumologischen Befund einer ausgeprägten Tracheobronchitis korreliere. Es sei nicht völlig auszuschließen, dass bei Überdosierung und unsachgemäßer Behandlung Beschwerden bei der Versicherten hervorgerufen werden könnten. Es müsse jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Klägerin auch rauche und damit per se eine Überempfindlichkeit der Schleimhäute nicht auszuschließen sei, zumal das Rauchen eine zusätzliche Quelle für die Aufnahme von Kontaktgiften darstelle, weil Tabakpflanzen meist mit Insektiziden behandelt seien. Außerdem seien die klinischen Befunde von Dr. M. und die Messparameter von Prof. Dr. K. bis auf eine Schleimhautreizung nicht verändert gewesen. Die jetzt bestehenden Beschwerden könnten nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 03.11.2006 zurückgeführt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.7.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf die Gewährung von Verletztengeld, Verletztenrente und Schmerzensgeld sowie auf Übernahme weiterer medizinischer Heilbehandlung über den 15.01.2007 hinaus bestehe nicht. Aufgrund der medizinischen Befunde sei eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis zum 15.01.2007 festgestellt worden. Die nach dem 15.01.2007 geklagten Beschwerden stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vom 3.11.2006.

Mit der am 22.8.2008 zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhobenen Klage hat die Klägerin weiterhin einen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente geltend gemacht. Sie leide nach wie vor unter einem trockenen Hals mit Auswurf sowie Reflux, könne nur temperiertes Wasser trinken, ihre Stimme habe sich vertieft, sie sei sehr geruchsempfindlich und habe starke Missempfindungen beim Essen von scharfen, sauren, kalten oder heißen Speisen. Ihre Hobbies seien im hohen Maße beeinträchtigt, ihr Singen im Chor bereite ihr keine Freude mehr. Daneben müsse sie um Verständnis kämpfen, müsse sich nunmehr seit fast zwei Jahren mit der Beklagten herumschlagen, was auch psychische Folgen, welche noch nicht berücksichtigt seien, nach sich gezogen habe.

Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen beim Facharzt für HNO-Krankheiten Dr. M. und beim Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S., Wehr.

Dr. M. hat unter dem 14.10.2008 mitgeteilt, dass die Klägerin bei der von ihm durchgeführten ersten Untersuchung am 06.11.2006 über ein Brennen im Hals, ein Wundgefühl in der Nase und eine belegte Stimme geklagt habe. Am 15.01.2007, der zweiten und letzten Untersuchung, habe sie noch über Hustenreiz und Räusperzwang sowie über eine noch etwas belegte Stimme geklagt. Sie habe - nach ihren Angaben - fast nicht geraucht, maximal vier Zigaretten vor dem Unfallereignis. Als Erstbefund habe er eine leichte Rötung der Nasenschleimhäute, eine Septumdeviation nach links, eine leicht gereizte Schleimhaut der Mundhöhle, eine aufgelockerte Rachenhinterwand, einen regelrechten Zustand nach Tonsillektomie und eine leichte Gefäßzeichnung der Stimmlippen in der Lupenendoskopie, bei frei beweglichen Stimmlippen festgestellt. Eine stärkere Entzündung, eventuell sogar Fibrinbeläge, oder auch ein Schleimhautödem als Reiz auf eine Verätzung im eigentlichen Sinne hätten nicht vorgelegen. Der von ihm erhobene Befund habe das Ereignis als eher geringfügig eingestuft. Dr. S. hat unter dem 13.11.2008 über eine einmalige Behandlung am 23.10.2008 berichtet. Die Klägerin habe über seit zwei Jahren bestehende Bronchialbeschwerden mit zur Zeit eitrigem Auswurf und Dyspnoe geklagt. Er hat als Diagnosen eine akute eitrige Bronchitis und ein hyperreagibles Bronchialsystem unter Ausschluss einer allergischen Diathese gestellt. Die Klägerin habe ihm gegenüber keine Angaben über eine frühere Exposition gegenüber dem Schädlingsbekämpfungsmittel DETMOL-flex gemacht. Abweichend von dem Gutachten von Prof. Dr. K. habe sich bei der jetzigen Untersuchung eine leichte bronchiale Hyperreagibilität im Carbacholtest ergeben. Ansonsten hätten keinerlei Lungenfunktionseinschränkung und keine wesentliche respiratorische Partial- oder Globalinsuffizienz der Lunge bestanden. Die festgestellte leichte Bronchialhyperreagibilität hänge mit dem schon länger persistierenden Nikotinabusus der Klägerin zusammen. Der Klägerin sei angeraten worden, den Nikotinabusus einzustellen.

Mit Gerichtsbescheid vom 2.01.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Gutachten von Prof. Dr. K. und Prof. Dr. Dr. L. sowie auf die beigezogenen sachverständigen Zeugenaussagen verwiesen, die ebenfalls keine unfallbedingte MdE von wenigstens 20 v.H. der Vollrente angenommen hätten.

Gegen den ihr am 15.01.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.2.2009 Berufung eingelegt. Sie hält daran fest, dass ihr eine Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles zustehe. Sie legt eine ärztliche Bescheinigung des Arztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde und Allergologen D. vom 05.02.2009 vor, wonach sie unter einem Asthma bronchiale leide.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Lungenfacharzt Dr. F., Freiburg. In seinem Gutachten vom 23.10.2009 diagnostiziert er ein leichtes, infektbedingtes, nicht allergisches Asthma bronchiale, welches einer intermittierenden Therapie bedürfe. Subjektiv bestehe eine bronchiale Hyperreagibilität, die sich aktuell (sieben Tage ohne inhalatives Steroid, zuvor Therapie bei Bedarf) nicht habe objektivieren lassen. Auch im Gutachten von Prof. Dr. K. sei im März 2008 (ohne Medikamente) eine bronchiale Hyperreagibilität nicht nachgewiesen worden. Durch die Inhalation toxisch irritativer Substanzen sei es bei der Klägerin zu einem leichten intrinsic Asthma bronchiale mit einer intermittierend bestehenden Therapiebedürftigkeit und einer subjektiv wahrgenommenen Hyperreagibilität gekommen. Die MdE werde mit weniger als 20 v.H. der Vollrente eingeschätzt, weil die vorliegenden Untersuchungsergebnisse keine bronchiale Hyperreagibilität als Zeichen einer dauerhaft therapiebedürftigen/einschränkenden und die Erwerbsfähigkeit mindernden Bronchialerkrankung zeigten. Die Blutgaswerte und die Belastung belegten einen physiologischen Gasaustausch ohne Hinweis auf eine Lungenschädigung. Trotz der geschilderten Beschwerden bestehe keine wesentliche funktionelle Einschränkung, welche zu einer MdE um mehr als 20 v. H. führe. Auf Nachfrage erläutert Dr. F., dass er die MdE mit 10 v.H. bewerte, weil ein leichtes Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion vorliege.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 2. Januar 2009 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der verfahrensgegenständlichen Unfallschädigungen eine Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von mindestens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass die Ausführungen von Dr. F. die Entscheidungen in den angefochtenen Bescheiden bestätigten; eine MdE in rentenberechtigendem Grad bestehe nicht. Ein Anspruch auf die Feststellung einer MdE von 10 v.H. bestehe schon aus Rechtsgründen nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 03.11.2006 hat.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 und 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalles der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Ereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles (BSG, Urteil vom 2.04.2009 - B 2 U 29/07 R m.w.N. in juris).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit in Folge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalles sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigsten 10 v.H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von 2 Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betreffenden auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Ausgehend hiervon ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte mit den von der Klägerin angefochtenen Bescheiden einen Unfall vom 03.11.2006 als Arbeitsunfall anerkannt hat. Dies hat sie zwar nicht ausdrücklich festgestellt, ergibt sich jedoch bereits daraus, dass sie eine unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit bis zum 15.01.2007 im Zusammenhang mit dem Ereignis vom 03.11.2006 anerkannt hat (vgl. die Ausführungen im Widerspruchsbescheid). Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin den schädigenden Einwirkungen an 3 Tagen, nämlich am 02.11. (wenn auch nur kurz), am 03.11. und am 04.11.2006 ausgesetzt war. Als zeitlich begrenztes Ereignis gilt ein Ereignis, das sich in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum, längstens jedoch innerhalb einer Arbeitsschicht abspielt oder welches in einem einer Arbeitsschicht vergleichbaren Zeitraum an einem bestimmten Tag eintritt (Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, 4. Aufl., Stand August 2009, § 8 SGB VII Rz 27 - LSG NRW Urteil v. 4.6.1997, L 17 U 198/96 - in juris m.w.N.). Diese zeitliche Grenze, die zur Abgrenzung der Arbeitsunfälle von den Berufskrankheiten dient, ist mit dem nur kurzen Aufenthalt der Klägerin in den belasteten Räumen am 02.11.2006, der zweistündigen Tätigkeit am 03.11.2006 und der vierstündigen Tätigkeit am 04.11.2006 nicht überschritten. Nachdem die Klägerin am 03.11. bereits ein Kratzen im Hals verspürte, ist erst am 04.11.2006 ein behandlungsbedürftiger Gesundheitserstschaden mit Brennen im Hals und Versagen der Stimmbänder eingetreten. Hierauf hat die Klägerin am Montag, dem 06.11.2006, auch den HNO-Arzt Dr. M. in Anspruch genommen, welcher aber 3 Tage nach dem 03.11 und 2 Tage nach dem 04.11.2006 eine stärkere Entzündung event. sogar Fibrinbeläge oder auch ein Schleimhautödem als Reiz auf eine Verätzung im eigentlichen Sinne nicht feststellen konnte, wie der Senat seiner sachverständigen Zeugenaussage entnimmt. Dementsprechend stufte er das Ereignis als eher geringfügig ein.

Bleibende Gesundheitsschäden durch die Einwirkung des Schädlingsbekämpfungsmittels DETMOL-flex, welche die Gewährung einer Verletztenrente rechtfertigen könnten, sind jedoch nicht nachgewiesen. Nach dem im Urkundenbeweis verwertbaren Gutachten des Pneumologen Prof. Dr. K. vom 14.03.2008 und dem HNO-ärztlichen Gutachten von Prof. Dr. L. vom 19.05.2008 steht fest, dass die Einwirkungen von Permethrin und Pyrethrum als Bestandteile des Insektizids DETMOL-flex zu einer Tracheobronchitis, also einer Entzündung von Luftröhre und großen Bronchien (vgl. Stichwort in Pschyrembel, 261 Auflage, Seite 1937) geführt haben, ohne dass lungenfunktionelle Auswirkungen, eine obstruktive Atemwegserkrankung oder eine bronchiale Hyperreagibilität nachweisbar waren. Nach den Ergebnissen der Untersuchungen im Universitätsklinikum Freiburg vom 24.01.2008 sind weder das Geruchs- und Geschmacksempfinden nachhaltig gestört, noch lässt sich der phoniatrischen Mitbeurteilung eine diagnostisch bezeichnete Gesundheitsstörung entnehmen. Auch die Klägerin schätzte ihre Stimme subjektiv nur als geringgradig gestört ein. Auch sprach die Tatsache, dass die bronchitischen Beschwerden rückläufig waren, nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. für einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis. Wenn Dr. F. in seinem Gutachten vom 23.10.2009 nunmehr noch ein leichtes infektbedingtes Asthma bronchiale ohne nachgewiesene bronchiale Hyperreagibilität mit intermittierender Behandlungsbedürftigkeit als Unfallfolge ansieht, überzeugt dies den Senat angesichts der Tatsache, dass die Klägerin schon gegenüber Prof. Dr. K. eingeräumt hat, während 31 Jahren täglich 8 Zigaretten und seit 3 Jahren 2 bis 4 Zigaretten zu rauchen, nicht. Auch der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S., dem gegenüber die Klägerin am 23.10.2008 einen Nikotinkonsum von täglich 2- 4 Zigaretten angegeben hatte, hat die zu diesem Zeitpunkt vorliegende eitrige Bronchitis und den von ihm erhobenen Hinweis auf ein bronchiale Hyperreagibilität auf den Zigarettenkonsum zurückgeführt und der Klägerin dringend geraten, den Nikotinabusus einzustellen. Hiermit hat sich Dr. F. nicht hinreichend auseinandergesetzt.

Aber selbst wenn man mit ihm zum jetzigen Zeitpunkt noch die von ihm bezeichneten Gesundheitsstörungen als durch den Arbeitsunfall mit Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht ansehen würde, wäre nach der übereinstimmenden Beurteilung sämtlicher Sachverständiger eine MdE rentenberechtigenden Grades nicht erreicht. Die Bewertung der MdE mit weniger als 20 v.H. der Vollrente steht im Übereinstimmung mit den Vorgaben in der Rentenliteratur, wo beispielsweise ein allergisches Bronchialasthma - welches bei der Klägerin nicht vorliegt - erst bei nachweisbaren Veränderungen der Lungenfunktion und der Notwendigkeit einer täglichen inhalativen Corticoidtherapie und der Verwendung von Bronchodilatatoren eine MdE von 20 v. H. rechtfertigt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, S. 1072 zur Bewertung obstruktiver Atemwegserkrankungen). Solche Funktionseinschränkungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr hat Prof. Dr. K. hochnormale Lungenfunktionswerte und keinen Hinweis auf eine relevante Gasaustauschstörung in Ruhe oder unter Belastung sowie auch ein normales Ruhe- und Belastungs-EKG beschrieben und auch Dr. F. hält allenfalls eine intermittierende Therapie für erforderlich.

Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin in Folge des Arbeitsunfalles an einer psychiatrischen Erkrankung leidet. Ärztlich gestützte Hinweise auf das Vorliegen einer solchen Erkrankung oder eine entsprechende Behandlung sind weder vorgetragen, noch sind solche aufgrund des Unfallgeschehens zu erwarten, sodass weitere Ermittlungen hierzu nicht angezeigt waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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