Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 196/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 469/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Erwerbsminderung einer Versicherten (hier: psychische Erkrankung).
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung (24.02.2005) hat.
Die 1946 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und lebt seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war zuletzt bis 2002 mit Unterbrechungen als Löterin bzw. Maschinenarbeiterin in der Sichtkontrolle versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete infolge arbeitgeberseitiger Kündigung. Ab 01.08.2002 bezog die Klägerin Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Seit dem Jahr 2005 übt sie eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung aus.
Am 24.02.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines ärztlichen Attestes ihres behandelnden Internisten Dr.I. vom 24.02.2005 wegen essentieller Hypertonie, Herzrhythmusstörungen und traumatisierter Depression die Gewährung von Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Diese holte nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr.von G. ein, der in seinem Gutachten vom 15.03.2005 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin zwar ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Löterin nicht mehr ausüben könne, jedoch leichte, teilweise mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Die Beklagte lehnte darauf hin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 30.03.2005 den Antrag ab, da weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bestehe und auch eine Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gegeben sei. Hiergegen legte die Klägerin am 28.04.2005 Widerspruch mit der Begründung ein, sie könne wegen ihres Bluthochdrucks, der Schulterschmerzen und Depressionen nicht mal mehr eine Stunde durchhalten, sie sei auch wegen der Krankheiten gekündigt worden. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte ein internistisch/sozialmedizinisches Gutachten von Dr.B. vom 28.11.2005 sowie ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von Frau Dr.H. vom 24.01.2006 ein. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch Umfang von mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Die Beklagte wies sodann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.03.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2006 als unbegründet zurück.
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen und ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von
Dr.B. B. eingeholt. Dieser stellte im Gutachten vom 09.10.2006 fest, dass die Klägerin unter Dysthymie, Angststörung, HWS-Wurzelreizsyndrom, Übergewicht, Bluthochdruck und Z. n. Hepatitis B leide. Die Klägerin könne jedoch gleichwohl noch leichte, gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperposition, in geschlossenen Räumen, ohne schweres Heben und Tragen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Stresshafte Arbeitsbedingungen wie Akkord- oder Schichtarbeit sollten vermieden werden. Die festgestellte Leistungsminderung bestehe seit Antragstellung. Eine wesentliche Änderung seit der Begutachtung durch Frau Dr.H. habe sich im Gesundheitszustand der Klägerin nicht ergeben. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens liege nicht vor. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die bestehende qualitative Leistungsminderung behoben werden könne. Die Beeinträchtigungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet seien nicht von größerer Bedeutung. Im Rahmen der Stellungnahme zum Gutachten Dr. B. ließ die Klägerin ein Attest ihres behandelnden Nervenarztes Dr.S. vom 09.11.2006 vorlegen, worin dieser der Bewertung durch Dr. B. widersprach. Die Klägerin leide nicht lediglich unter Dysthymie, sondern seit Jahren unter einem vorzeitigen Versagenszustand bei einer schweren chronifizierten therapieresistenten Erschöpfungsdepression mit schweren Unruhezuständen, Selbstwertstörungen, lebensüberdrüssigen Gedanken und schwersten Schlafstörungen. Außerdem leide die Klägerin unter einer schweren chronifizierten Angststörung bei emotional instabiler Persönlichkeit, insbesondere Ängste vor schweren Krankheiten, Ängsten das Leben nicht mehr zu meistern, existentiellen Ängsten vor der Zukunft sowie schwere nächtliche Alb- und Angstträume. Aus dem daraufhin vom SG von Dr.S. angeforderten Befundbericht ergaben sich seit dem 01.07.2004 bis November 2006 lediglich 5 Behandlungstermine sowie eine medikamentöse Behandlung der Depression mit Mirtazapin 15 mg 1 mal täglich eine halbe Tablette.
Das SG hat mit Urteil vom 26.02.2007 die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin sei nach den vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Damit liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI vor. Da die Klägerin keine berufliche Ausbildung absolviert habe, sondern lediglich ungelernte Arbeiten bzw. Arbeiten mit einer Anlernzeit von wenigen Monaten verrichtet habe, liege auch keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI vor. Sie sei unter Berücksichtigung des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar zu verweisen. Im Hinblick auf die bestehende psychische Erkrankung der Klägerin sei festzuhalten, dass im Zeitraum zwischen November 2005 bis März 2006 zwar eine Behandlung im monatlichen Abstand stattgefunden habe, danach jedoch erst wieder im November 2006. Von einer konsequenten und langanhaltenden psychiatrischen Behandlung könne deshalb keine Rede sein.
Zur Begründung der hiergegen am 08.06.2007 zur Niederschrift des SG eingelegten Berufung hat die Klägerin einen Bescheid des Versorgungsamtes A-Stadt vom 20.04.2007 vorgelegt, wonach ihr bestandskräftig ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt wurde, hierbei entfällt ein Einzel-GdB von 60 auf "seelische Krankheit mit Angststörung und Schlafstörung".
Der Senat hat ärztliche Befundberichte von Dr.I. und Dr.S. sowie die Akte des Versorgungsamtes A-Stadt beigezogen und sodann Dr. C. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dr.C. kommt in seinem Gutachten vom 18.04.2009 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein Symptomkomplex bestehend aus Verstimmungszuständen, Ängsten und körperlichen Beschwerden bestehe, so dass die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zu stellen seien. Zwar könne die Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung in Übereinstimmung mit Dr.B. bei der Klägerin nicht gestellt werden, es zeigten sich jedoch zumindest emotional instabile und insbesondere histrionische Züge in der Persönlichkeit der Klägerin. Gegenüber den Begutachtungen von Frau Dr.H. und Herrn Dr.B. zeige sich eine Verschlechterung der depressiven Störung auf ein mittelschweres Niveau. Es könne aber weder angesichts der durchgeführten Behandlungsmaßnahmen noch angesichts der geringen psychopharmakologischen Medikation von einer Therapieresistenz ausgegangen werden. Auch der Hinweis auf eine Medikamentenunverträglichkeit aufgrund der Lebererkrankung sei medizinisch nicht haltbar. Unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei die Klägerin in ihrer psychophysischen Belastbarkeit eingeschränkt. Sie könne nur noch körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sowie in wechselnder Position ohne schweres Heben und Tragen von Lasten sowie ohne andauernde Zwangshaltungen verrichten. Zu vermeiden seien außerdem auch Tätigkeiten unter ungünstigen Umwelteinflüssen, beispielsweise Kälte, Nässe, Lärm. Tätigkeiten mit nervlicher Belastung, z. B. Arbeiten unter Zeitdruck, in der Nachtschicht, im Akkord, am Fließband sowie mit besonderer Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens seien ebenfalls ungeeignet. Gleichwohl sei die Klägerin noch in der Lage, körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne nervliche Belastung mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich. Wegefähigkeit sei gegeben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenarbeiterin in der Sichtkontrolle könne die Klägerin ebenfalls noch ausüben, sofern es sich hier um keine schwere körperliche Arbeit handele. Eine Besserung ihres Zustandes wäre bei Intensivierung der nervenärztlichen, insbesondere der psychopharmakologischen und der psychotherapeutischen Therapie durchaus in absehbarer Zeit möglich, wenngleich die bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen auch bei optimaler Therapie wohl bestehen bleiben würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2007 sowie den Bescheid
der Beklagten vom 30.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab
01.03.2005 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2007
zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch unbegründet, da das SG zu Recht mit Urteil vom 26.02.2007 die Klage abgewiesen hat. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI. Auch die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI liegen nicht vor.
Gemäß § 43 Abs.1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.1 S 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens
6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43
Abs.2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage, leichte bis teilweise mittelschwere Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, wenn auch unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen, d. h. bei Vermeidung von Arbeiten mit Zwangshaltungen, ungünstigen Witterungsverhältnissen und insbesondere Arbeiten mit nervlicher Belastung. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr.C., der umfassend und für den Senat in vollem Umfang nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Klägerin zwar unter einer erheblichen psychischen und psychosomatischen Erkrankung leidet, diese aber noch nicht als therapieresistent angesehen werden kann, weil sie in der Vergangenheit nur gelegentlich ambulant und nur unzureichend medikamentös behandelt wurde und eine nachhaltige Intensivierung, gegebenenfalls auch in Form einer stationären Heilbehandlung, hier in absehbarer Zeit eine Besserung erreichen könnte. Die zur Zeit bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen bedingen lediglich die vom Sachverständigen Dr.C. aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen, führen aber - zumindest gegenwärtig - noch nicht zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens im rentenrechtlich relevanten Umfang, selbst wenn Dr.C. gegenüber der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Begutachtung aus dem Jahr 2005 eine Verschlechterung der psychischen Erkrankung konstatierte. Die jeweilige Arbeitsmarktlage, d. h. die Frage, ob es der Klägerin gelingen kann, für ihr vorhandenes Leistungsvermögen auch tatsächlich einen Arbeitsplatz zu finden, ist hierbei gemäß § 43 Abs.3 SGB VI nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, da die Klägerin nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr.C. ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenarbeiterin in der Sichtkontrolle noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben kann. Soweit Frau Dr.H. im Verwaltungsverfahren und der gerichtliche Sachverständige Dr. B. die Ansicht vertreten hatten, dass die Klägerin ihre letzte Tätigkeit als Löterin wegen der damit verbundenen Zwangshaltungen nicht mehr im Umfang von mindestens 3 Stunden täglich ausüben könne, läge zwar eine Leistungseinschränkung im Sinne des § 240 Abs.2 SGB VI vor. Gleichwohl hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine entsprechende Rentenleistung gegen die Beklagte, weil die Klägerin sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könnte. Die Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert und hat lediglich ungelernte oder angelernte einfache Arbeiten verrichtet. Sie ist deshalb hinsichtlich ihrer beruflichen Qualifikation der unteren Stufe des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSGE 55, 45, 46) zuzuordnen und kann auf alle ungelernten und angelernten einfachen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kann die Klägerin nach den vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch noch im Umfang von mindestens 6 Stunden verrichten, sodass auch keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab Antragstellung (24.02.2005) hat.
Die 1946 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige und lebt seit 1970 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keine Berufsausbildung absolviert und war zuletzt bis 2002 mit Unterbrechungen als Löterin bzw. Maschinenarbeiterin in der Sichtkontrolle versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete infolge arbeitgeberseitiger Kündigung. Ab 01.08.2002 bezog die Klägerin Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Seit dem Jahr 2005 übt sie eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung aus.
Am 24.02.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines ärztlichen Attestes ihres behandelnden Internisten Dr.I. vom 24.02.2005 wegen essentieller Hypertonie, Herzrhythmusstörungen und traumatisierter Depression die Gewährung von Erwerbsminderungsrente bei der Beklagten. Diese holte nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr.von G. ein, der in seinem Gutachten vom 15.03.2005 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin zwar ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Löterin nicht mehr ausüben könne, jedoch leichte, teilweise mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Die Beklagte lehnte darauf hin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 30.03.2005 den Antrag ab, da weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bestehe und auch eine Berufsunfähigkeit nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht gegeben sei. Hiergegen legte die Klägerin am 28.04.2005 Widerspruch mit der Begründung ein, sie könne wegen ihres Bluthochdrucks, der Schulterschmerzen und Depressionen nicht mal mehr eine Stunde durchhalten, sie sei auch wegen der Krankheiten gekündigt worden. Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen holte die Beklagte ein internistisch/sozialmedizinisches Gutachten von Dr.B. vom 28.11.2005 sowie ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von Frau Dr.H. vom 24.01.2006 ein. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage sei, leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch Umfang von mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Die Beklagte wies sodann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.03.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2006 als unbegründet zurück.
Das Sozialgericht Nürnberg (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin beigezogen und ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von
Dr.B. B. eingeholt. Dieser stellte im Gutachten vom 09.10.2006 fest, dass die Klägerin unter Dysthymie, Angststörung, HWS-Wurzelreizsyndrom, Übergewicht, Bluthochdruck und Z. n. Hepatitis B leide. Die Klägerin könne jedoch gleichwohl noch leichte, gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperposition, in geschlossenen Räumen, ohne schweres Heben und Tragen im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Stresshafte Arbeitsbedingungen wie Akkord- oder Schichtarbeit sollten vermieden werden. Die festgestellte Leistungsminderung bestehe seit Antragstellung. Eine wesentliche Änderung seit der Begutachtung durch Frau Dr.H. habe sich im Gesundheitszustand der Klägerin nicht ergeben. Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens liege nicht vor. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die bestehende qualitative Leistungsminderung behoben werden könne. Die Beeinträchtigungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet seien nicht von größerer Bedeutung. Im Rahmen der Stellungnahme zum Gutachten Dr. B. ließ die Klägerin ein Attest ihres behandelnden Nervenarztes Dr.S. vom 09.11.2006 vorlegen, worin dieser der Bewertung durch Dr. B. widersprach. Die Klägerin leide nicht lediglich unter Dysthymie, sondern seit Jahren unter einem vorzeitigen Versagenszustand bei einer schweren chronifizierten therapieresistenten Erschöpfungsdepression mit schweren Unruhezuständen, Selbstwertstörungen, lebensüberdrüssigen Gedanken und schwersten Schlafstörungen. Außerdem leide die Klägerin unter einer schweren chronifizierten Angststörung bei emotional instabiler Persönlichkeit, insbesondere Ängste vor schweren Krankheiten, Ängsten das Leben nicht mehr zu meistern, existentiellen Ängsten vor der Zukunft sowie schwere nächtliche Alb- und Angstträume. Aus dem daraufhin vom SG von Dr.S. angeforderten Befundbericht ergaben sich seit dem 01.07.2004 bis November 2006 lediglich 5 Behandlungstermine sowie eine medikamentöse Behandlung der Depression mit Mirtazapin 15 mg 1 mal täglich eine halbe Tablette.
Das SG hat mit Urteil vom 26.02.2007 die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin sei nach den vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Damit liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI vor. Da die Klägerin keine berufliche Ausbildung absolviert habe, sondern lediglich ungelernte Arbeiten bzw. Arbeiten mit einer Anlernzeit von wenigen Monaten verrichtet habe, liege auch keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI vor. Sie sei unter Berücksichtigung des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar zu verweisen. Im Hinblick auf die bestehende psychische Erkrankung der Klägerin sei festzuhalten, dass im Zeitraum zwischen November 2005 bis März 2006 zwar eine Behandlung im monatlichen Abstand stattgefunden habe, danach jedoch erst wieder im November 2006. Von einer konsequenten und langanhaltenden psychiatrischen Behandlung könne deshalb keine Rede sein.
Zur Begründung der hiergegen am 08.06.2007 zur Niederschrift des SG eingelegten Berufung hat die Klägerin einen Bescheid des Versorgungsamtes A-Stadt vom 20.04.2007 vorgelegt, wonach ihr bestandskräftig ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt wurde, hierbei entfällt ein Einzel-GdB von 60 auf "seelische Krankheit mit Angststörung und Schlafstörung".
Der Senat hat ärztliche Befundberichte von Dr.I. und Dr.S. sowie die Akte des Versorgungsamtes A-Stadt beigezogen und sodann Dr. C. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dr.C. kommt in seinem Gutachten vom 18.04.2009 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin ein Symptomkomplex bestehend aus Verstimmungszuständen, Ängsten und körperlichen Beschwerden bestehe, so dass die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung sowie einer undifferenzierten Somatisierungsstörung zu stellen seien. Zwar könne die Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung in Übereinstimmung mit Dr.B. bei der Klägerin nicht gestellt werden, es zeigten sich jedoch zumindest emotional instabile und insbesondere histrionische Züge in der Persönlichkeit der Klägerin. Gegenüber den Begutachtungen von Frau Dr.H. und Herrn Dr.B. zeige sich eine Verschlechterung der depressiven Störung auf ein mittelschweres Niveau. Es könne aber weder angesichts der durchgeführten Behandlungsmaßnahmen noch angesichts der geringen psychopharmakologischen Medikation von einer Therapieresistenz ausgegangen werden. Auch der Hinweis auf eine Medikamentenunverträglichkeit aufgrund der Lebererkrankung sei medizinisch nicht haltbar. Unter Berücksichtigung dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei die Klägerin in ihrer psychophysischen Belastbarkeit eingeschränkt. Sie könne nur noch körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sowie in wechselnder Position ohne schweres Heben und Tragen von Lasten sowie ohne andauernde Zwangshaltungen verrichten. Zu vermeiden seien außerdem auch Tätigkeiten unter ungünstigen Umwelteinflüssen, beispielsweise Kälte, Nässe, Lärm. Tätigkeiten mit nervlicher Belastung, z. B. Arbeiten unter Zeitdruck, in der Nachtschicht, im Akkord, am Fließband sowie mit besonderer Beanspruchung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens seien ebenfalls ungeeignet. Gleichwohl sei die Klägerin noch in der Lage, körperlich leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne nervliche Belastung mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich. Wegefähigkeit sei gegeben. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenarbeiterin in der Sichtkontrolle könne die Klägerin ebenfalls noch ausüben, sofern es sich hier um keine schwere körperliche Arbeit handele. Eine Besserung ihres Zustandes wäre bei Intensivierung der nervenärztlichen, insbesondere der psychopharmakologischen und der psychotherapeutischen Therapie durchaus in absehbarer Zeit möglich, wenngleich die bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen auch bei optimaler Therapie wohl bestehen bleiben würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2007 sowie den Bescheid
der Beklagten vom 30.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 13.03.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab
01.03.2005 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.02.2007
zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, jedoch unbegründet, da das SG zu Recht mit Urteil vom 26.02.2007 die Klage abgewiesen hat. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI. Auch die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI liegen nicht vor.
Gemäß § 43 Abs.1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs.1 S 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens
6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43
Abs.2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin ist nach Überzeugung des Senats trotz der bei ihr bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage, leichte bis teilweise mittelschwere Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, wenn auch unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen, d. h. bei Vermeidung von Arbeiten mit Zwangshaltungen, ungünstigen Witterungsverhältnissen und insbesondere Arbeiten mit nervlicher Belastung. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das eingeholte Sachverständigengutachten von Dr.C., der umfassend und für den Senat in vollem Umfang nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Klägerin zwar unter einer erheblichen psychischen und psychosomatischen Erkrankung leidet, diese aber noch nicht als therapieresistent angesehen werden kann, weil sie in der Vergangenheit nur gelegentlich ambulant und nur unzureichend medikamentös behandelt wurde und eine nachhaltige Intensivierung, gegebenenfalls auch in Form einer stationären Heilbehandlung, hier in absehbarer Zeit eine Besserung erreichen könnte. Die zur Zeit bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen bedingen lediglich die vom Sachverständigen Dr.C. aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen, führen aber - zumindest gegenwärtig - noch nicht zu einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens im rentenrechtlich relevanten Umfang, selbst wenn Dr.C. gegenüber der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Begutachtung aus dem Jahr 2005 eine Verschlechterung der psychischen Erkrankung konstatierte. Die jeweilige Arbeitsmarktlage, d. h. die Frage, ob es der Klägerin gelingen kann, für ihr vorhandenes Leistungsvermögen auch tatsächlich einen Arbeitsplatz zu finden, ist hierbei gemäß § 43 Abs.3 SGB VI nicht zu berücksichtigen.
Die Klägerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, da die Klägerin nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr.C. ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenarbeiterin in der Sichtkontrolle noch im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben kann. Soweit Frau Dr.H. im Verwaltungsverfahren und der gerichtliche Sachverständige Dr. B. die Ansicht vertreten hatten, dass die Klägerin ihre letzte Tätigkeit als Löterin wegen der damit verbundenen Zwangshaltungen nicht mehr im Umfang von mindestens 3 Stunden täglich ausüben könne, läge zwar eine Leistungseinschränkung im Sinne des § 240 Abs.2 SGB VI vor. Gleichwohl hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine entsprechende Rentenleistung gegen die Beklagte, weil die Klägerin sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könnte. Die Klägerin hat keine Berufsausbildung absolviert und hat lediglich ungelernte oder angelernte einfache Arbeiten verrichtet. Sie ist deshalb hinsichtlich ihrer beruflichen Qualifikation der unteren Stufe des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSGE 55, 45, 46) zuzuordnen und kann auf alle ungelernten und angelernten einfachen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes kann die Klägerin nach den vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen jedoch noch im Umfang von mindestens 6 Stunden verrichten, sodass auch keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 SGB VI vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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