L 4 KA 25/08

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 83/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 25/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 17/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Angesichts des ausdrücklich auf Sicherstellungsgründe beschränkten Wortlauts kann die Ausnahmeregelung der Ziff. 6.3 HVV weder im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung verstanden, noch kann das Fehlen einer generalklauselartigen Härtefallregelung im Wege ergänzender Auslegung in den HVV hineininterpretiert werden (Anschluss an BSG, Beschluss vom 29. November 2006, B 6 KA 43/06 B, juris Rdnr. 10 m.w.N.).

2. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG erfordert eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen außer für den im HVV 2005 geregelten Fall einer Sicherstellungsproblematik auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor In-krafttreten der Regelungen über die Regelleistungsvolumina Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hatten und dieses spezifisches Leistungsangebot durch das Regelleistungsvolumen der Fachgruppe, der sie zugeordnet sind, nicht leistungsangemessen abgedeckt wird.
Der HVV ist als Normsetzungsvertrag insoweit rechtswidrig und teilweise nicht zustande gekommen i.S.d. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V, weil er eine regelungsbedürftige und durch Auslegung nicht zu schließende Lücke enthält, die von den Vertragspartnern des HVV zu schließen ist.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 6. Februar 2008 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2007 verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Klägerin hat die Verfahrenskosten erster Instanz zu ¾, die Beklagte zu ¼ zu tragen.

Die Verfahrenskosten zweiter Instanz tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Die Revision wird zu gelassen.

Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz auf 10.000,00 EUR, für das Verfahren zweiter Instanz auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung einer Sonderregelung im Rahmen des Regelleistungsvolumens nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten für die Quartale II/05 - I/07.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit Praxissitz in A-Stadt, bestehend aus zwei Ärzten. Frau Dr. med. L.-S. ist seit 1. Juli 1996 als Fachärztin für Chirurgie/Gefäßchirurgie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, Herr Dr. med. M. seit dem 1. April 2002 als Facharzt für Chirurgie/Gefäßchirurgie; seit diesem Zeitpunkt bestand auch die Gemeinschaftspraxis. Beide Ärzte waren in einem Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten in Praxisgemeinschaft mit zwei Fachärzten für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig. Sie verfügen beide über die Genehmigung zur Sonographie in der Gefäßdiagnostik sowie zum ambulanten Operieren. Frau Dr. med. L.-S. besitzt ferner die Genehmigung zur Abrechnung von Leistungen nach der Ziffer 02311 EBM 2000plus (Behandlung des diabetischen Fußes). Nach dem Honorarverteilungsvertrag der Beklagten war die Klägerin der Arzt-/Fachgruppe der Fachärzte für Chirurgie zugeordnet und gehörte damit der Honorargruppe B 2.3 an. Mit Wirkung zum 1. April 2007 hat sich die Gemeinschaftspraxis getrennt.

Am 16. Februar 2006 beantragte die Klägerin zusammen mit den weiteren Ärzten der Praxisgemeinschaft, ihr das Regelleistungsvolumen für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen und die Fallzahl zu erhöhen. Sie trug vor, das Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten betreue jährlich ambulant und stationär ca. 14.000 Patienten. Mit Einführung des neuen EBM und insbesondere eines geänderten HVV sei es bei den angiologisch tätigen Gefäßchirurgen zu einem dramatischen Einbruch der abrechenbaren Fallpunktzahl gekommen, der im Quartal II/05 mit einer Stützungsmaßnahme von 70.000,00 EUR lediglich habe abgefangen werden können. Nach Rückführung der Stützungsmaßnahmen werde dies jedoch zu einer Existenzvernichtung führen. Sie hätten bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass die Gruppe der Gefäßchirurgen nicht mit den übrigen Chirurgen verglichen werden könne. Während bei den internistisch tätigen Angiologen mit PTA ein angiologischer Komplex von 1.665 Punkten pro Fall zur Anwendung komme, könnten Chirurgen lediglich ca. 900 Punkte und weniger pro Fall abrechnen, obwohl die Diagnostik absolut identisch sei. Ihre Praxis könne nicht der Fachgruppe der Chirurgen zugeordnet werden, da sie ausschließlich auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie tätig sei; der Schwerpunkt ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit liege in der Diagnostik und Therapie der arteriellen, venösen und lymphatischen Erkrankungen. Im Rahmen der Diagnostik von arteriellen Verschlusskrankheiten sowohl der peripheren als auch der supraaortalen Gefäße sei ein wesentlicher Bestandteil die Durchführung der Duplexsonographie. Diese Untersuchungsmethode sei ebenfalls in der Behandlung von phlebologischen Erkrankungen unverzichtbar. Allgemeinchirurgen würden sonographische Untersuchungen eher selten erbringen. Bei den Internisten seien spezielle Regelleistungsvolumina gebildet und ihnen das Regelleistungsvolumen der invasiv tätigen Angiologen mit Punktwerten zwischen 2.423 und 2.443 Punkten bei den Primärkassen sowie 2.048 und 2.400 Punkten bei den Ersatzkassen zuerkannt worden. In dem Quartal II/05 hätten sie einen Honorarverlust von 62,74 EUR pro Fall im Vergleich zum Vorjahresquartal hinnehmen müssen. Von den angeforderten 3.045.200 Punkten bekämen sie lediglich 1.437.129,90 Punkte zum oberen Punktwert vergütet, mehr als die Hälfte der angeforderten Leistungen, nämlich insgesamt 1.608.070,10 Punkte, seien nur zum unteren Punktwert vergütet worden. Eine vergleichbare Praxis wie die ihre gebe es aufgrund der Integration in das Praxiszentrum für Gefäßkrankheiten in ganz Hessen nicht. – In einem von der Klägerin mit unterzeichneten Schreiben vom 14. März 2006 bekräftigte die Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Gefäßmediziner diese Position und beantragte für Angiologen und Gefäßchirurgen eine Anhebung der Fallpunktzahl. Bei ihnen handele es sich um eine zahlenmäßig kleine Grundgesamtheit von spezialisierten Praxen, die weitgehend reine Überweisungspraxen darstellten und insgesamt ca. 80.000 komplex gefäßkranke Patienten pro Jahr in Hessen versorgten.

Mit Bescheid vom 28. April 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Sonderregelung im Rahmen der fallzahlabhängigen Quotierung sowie zum Regelleistungsvolumen ab dem Quartal II/05 ab. Hiergegen legte die Klägerin am 30. Mai 2006 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2007 als unbegründet zurückwies. Sie führte aus, für die Fachgruppe der Chirurgen sehe der Honorarverteilungsvertrag (unter Berücksichtigung des Zuschlags von 130 Punkten für Gemeinschaftspraxen) folgende arztgruppenspezifische Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen vor:

Primärkassen Ersatzkassen
Altersgruppe: 0 – 5 6 – 59 -) 60 0– 5 6 – 59 ) 60
Fallpunktzahl: 667 926 1.187 604 831 1.033

Zur Feststellung des endgültigen praxisbezogenen Regelleistungsvolumens im Quartal II/05 seien 1.452 Fälle mit einem Fallwert von 997,1 Punkten zugrunde zu legen. Das Regelleistungsvolumen für das Quartal II/05 betrage damit 1.447.789,2 Punkte. Die abgerechneten Honorarforderungen, die dem Regelleistungsvolumen unterlägen, betrügen demgegenüber 3.040.200,0 Punkte und überschritten damit das praxisbezogene Regelleistungsvolumen um 1.592,410,8 Punkte. Im Quartal III/05 seien 1.277 Fälle mit einem Fallpunktwert von 1.003,9 Punkten zugrunde zu legen, so dass das praxisbezogene Regelleistungsvolumen 1.281.980,3 Punkte betrage. Die abgerechneten Honorarforderungen, die dem Regelleistungsvolumen unterlägen, betrügen demgegenüber 2.1866.195,0 Punkte. Eine Analyse des Leistungsspektrums auf der Grundlage der Abrechnungsunterlagen für das Quartal II/05 habe zwar ergeben, dass die Klägerin Leistungen nach den Ziffern 33060, 33061, 33070, 33072, 33073, 33075 und 33076 in größerem Umfang abgerechnet habe. Der besondere Leistungsbedarf dieser Leistungen habe bei der Berechnung der für das Regelleistungsvolumen maßgeblichen Fallpunktzahlen für Fachärzte für Chirurgie aber bereits dadurch Berücksichtigung gefunden, dass das entsprechende Punktzahlvolumen dieser Ärzte in die Ermittlung einbezogen worden sei. Daher werde keine Möglichkeit gesehen, praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen. Eine Überprüfung der Versorgungssituation für den Bereich A-Stadt habe gezeigt, dass weitere Ärzte – u. a. auch der Prüfgruppe der Klägerin – in diesem Planungsbereich über die fachliche Genehmigung für die streitgegenständlichen Leistungen verfügten und diese auch abrechneten. Eine Sicherstellungsproblematik sei somit nicht festzustellen. Sofern es zu Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus komme, könne die im Honorarverteilungsvertrag vorgesehene Regelung zur Vermeidung von Fallwertverlusten zur Anwendung kommen.

Die Klägerin hat am 14. März 2007 Klage erhoben, mit der sie ursprünglich die Zuerkennung einer Sonderregelung im Rahmen der fallzahlabhängigen Quotierung und zum Regelleistungsvolumen ab dem zweiten Quartal 2005 begehrt hat; später hat sie die Klage, soweit sie sich gegen die fallzahlabhängige Quotierung der Beklagten richtete, zurückgenommen. Hinsichtlich des verbleibenden Streitgegenstands hat sie vorgetragen, aufgrund ihres besonderen Schwerpunkts könne sie nicht auf das Regelleistungsvolumen für die Fachgruppe der Chirurgen verwiesen werden. Von ca. 300 in Hessen niedergelassenen Chirurgen hätten lediglich ca. sieben Chirurgen die Zusatzbezeichnung Gefäßchirurgie bzw. seien auf diesem Gebiet schwerpunktmäßig tätig. Bei den gefäßsonographischen Leistungen ergäben sich Abweichungen zur Fachgruppe von teilweise mehr als 400 %. Die Einbeziehung dieser Leistungen in das Regelleistungsvolumen für Chirurgen bewirke einen "Verwässerungseffekt", da dieser Honoraranteil nun in den Honorartopf für die Gesamtheit aller chirurgischen Leistungen eingebracht werde, ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass diese spezifischen Leistungen überwiegend nur von ca. sieben Gefäßchirurgen erbracht würden. Der durchschnittliche Punktebedarf aufgrund der speziellen gefäßsonographischen Leistungen sowie durchgeführten Therapien liege bei ca. 1.800 bis 1.850 Punkten pro Fall. Die Beklagte sei im gesamten Bundesgebiet derzeit die einzige KV, die den Gefäßchirurgen ausschließlich das Regelleistungsvolumen der Chirurgen zuerkenne. Die Beklagte könne auch nicht auf das Durchschnittshonorar der Chirurgen abstellen, da ihre Praxis eine spezielle technische Ausstattung erfordere und einen sehr viel höheren Kostensatz aufweise als eine allgemeinchirurgische Praxis. Die Auffüllzahlungen nach Ziffer 7.5 HVV seien unzureichend und glichen die regelleistungsbedingten Honorarverluste in keiner Weise aus. Weder die in A-Stadt tätigen Fachärzte für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie, noch die von der Beklagten genannten Internisten böten ihr spezielles Leistungsspektrum an.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass ein Sicherstellungsproblem hinsichtlich der von der Klägerin angebotenen Leistungen nicht bestehe. Es seien in A-Stadt alleine vier Fachärzte für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen, darüber hinaus seien fünf Internisten in Einzelpraxis und weitere drei Internisten verteilt auf zwei Gemeinschaftspraxen mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig. Diese Ärzte erbrächten auch die entsprechenden Leistungen. Darüber hinaus seien in Hessen nicht nur sieben, sondern 44 Chirurgen mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie tätig. Über das Regelleistungsvolumen hinausgehende Leistungen würden zum unteren Punktwert vergütet. Honorarminderungen seien gerechtfertigt vor dem Hintergrund der damit zu erzielenden Stabilisierung des Punktwertes. Durch die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 des Honorarverteilungsvertrages sei es ab dem Quartal II/05 zu erheblichen Auffüllungen bei der Klägerin gekommen, welche die Verluste durch das Regelleistungsvolumen überkompensiert hätten. Es liege im Ermessen der Klägerin, ihr Leistungserbringungsverhalten in der Weise zu ändern, dass nicht länger ein Großteil ihrer Punkte aus dem Regelleistungsvolumen herausfalle. Auch ein überdurchschnittlicher Überweisungsanteil im Vergleich zu den Facharztkollegen vermöge einen Anspruch auf Sonderregelung nicht zu begründen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Klägerin im Vergleich zur Fachgruppe ein weit überdurchschnittliches Honorar erziele.

Mit Urteil vom 30. Januar 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Regelungen in Ziffer 6.3 des HVV, soweit für die Klägerin maßgeblich, seien rechtmäßig, insbesondere mit den gesetzlichen Vorschriften in § 85 Abs. 4 SGB V vereinbar. Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz habe der Gesetzgeber die sog. Regelleistungsvolumina verbindlich vorgegeben. Dadurch solle erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet würden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und –einkommen gegeben werde. Leistungen, die den Grenzwert überschritten, sollten mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden, um der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechung zu tragen und den ökonomischen Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung zu begrenzen. Ausgehend von den sich daran orientierenden Vorgaben im HVV habe die Beklagte das Regelleistungsvolumen und insbesondere die arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen der Klägerin zutreffend berechnet. Allerdings sei der Vorstand der Beklagten nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen vorzunehmen. Damit sei der Vorstand zu Ausnahmeregelungen nicht nur in Fällen echter Härte, sondern generell bei atypischen Versorgungssituationen ermächtigt. Eine Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit könne dann vorliegen, wenn die Praxis einen zur Fachgruppe atypischen Versorgungsbedarf abdecke. Dies sei unabhängig von der Honorarhöhe oder eventuellen Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV zu beurteilen; maßgeblich sei allein, ob im Leistungsangebot der betroffenen Praxis eine Spezialisierung oder eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Ausrichtung zum Ausdruck komme, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte bezogen auf die Gesamtpunktzahl der Praxis habe. Die Kammer halte es für unzulässig, den Vertragsarzt von vornherein darauf zu verweisen, er könne auf seine Spezialisierung verzichten, denn dies könne in der Konsequenz bedeuten, dass Spezialisierungen mit besonderen Praxisschwerpunkten nicht mehr gebildet werden könnten mit der weiteren Konsequenz, dass diese Leistungen nicht oder nur in ungenügendem Umfang erbracht würden. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass nicht jede im Vergleich zur Fachgruppe vermehrte Erbringung von Einzelleistungen oder Leistungsgruppen oder Spezialisierung einen Ausnahmefall begründen könne, da dann die Regelleistungsvolumina ihren Zweck der Kalkulationssicherheit nicht mehr erfüllen könnten. § 85 Abs. 4 und 4a SGB V enthalte keine Vorgaben für differenzierte Ausnahmen und gebe insoweit die Tendenz einer Nivellierung des Leistungsgeschehens vor, weshalb es nicht zu beanstanden sei, dass weder der Bewertungsausschuss noch der HVV ein den früheren Zusatzbudgets vergleichbares Instrumentarium vorsähen. Ein zu berücksichtigender Ausnahmefall sei im Fall der Klägerin nicht erwiesen. Zwar weise diese einen erhöhten Anteil sonographischer Leistungen auf, für die allein im zweiten Quartal 2005 insgesamt 1.856.690 Punkte angefordert worden seien, was bezogen auf das Regelleistungsvolumen einen Anteil von 61 % bzw. bezogen auf die Gesamtpunktzahlanforderung einen Anteil von 43,14 % ausmache; ähnliche Werte ergäben sich für das dritte Quartal 2005. Während die klägerische Praxis die sonographischen Leistungen nach Ziffer 33061 EBM 2000plus 66 mal, die Ziffer 33072 EBM 2000plus 75 mal und die Ziffer 33075 EBM 2000plus 90 mal auf 100 Behandlungsfälle im Quartal III/05 erbringe, rechne die Fachgruppe diese Leistungen 2 mal, 4 mal und 4 mal bzw. die Praxen der Fachgruppe, die diese Leistung überhaupt erbringen würden (17 bis 22 Praxen von 129 Praxen mit 279 Vertragsärzten) 25 mal, 23 mal und 29 mal auf 100 Behandlungsfälle im Quartal III/05 ab. Die Kammer sei dennoch der Auffassung, dass bei der Begrenzung auf ein enges diagnostisches Leistungsspektrum, das im Wesentlichen von anderen Fachgruppen, hier der Internisten erbracht werde, eine Ausnahmeregelung nicht erforderlich sei, da es hierdurch auch zu einer Verschiebung zwischen den Honorar(unter)gruppen komme. Der Zubilligung eines Regelleistungsvolumens in Höhe des Regelleistungsvolumens für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie stehe ferner entgegen, dass die fachärztlich-invasiv tätigen Internisten auf ein anderes Leistungsspektrum nach Nr. 3, 5 6 und 7 Kapitel 13.1 EBM 2000plus beschränkt seien, das im Wesentlichen mit den Leistungen nach Abschnitt 13.3.1 EBM 2000plus für die Klägerin nicht gelte.

Gegen das ihr am 13. Februar 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. März 2008 Berufung eingelegt.

Sie trägt vor, das Sozialgericht führe einerseits zutreffend aus, dass in Ausnahmefällen praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen des Regelleistungsvolumens möglich sein müssten und ein solcher Ausnahmefall in der Spezialisierung einer Praxis liegen könne, und stelle auch einen im Vergleich zur Fachgruppe weit überdurchschnittlichen Anteil sonographischer Leistungen fest. Dann sei es aber nicht nachzuvollziehen, weshalb das Sozialgericht dennoch zu dem Ergebnis komme, ein wesentlich von der Fachgruppe abweichendes Leistungsspektrum liege bei ihrer Praxis nicht vor. Das Sozialgericht habe sich in keiner Weise mit der von ihnen vorgelegten Berechnung in drei Beispielsfällen auseinandergesetzt, durch die sie aufgezeigt hätten, dass bereits durch den Erstkontakt mit dem Patienten das Regelleistungsvolumen der Chirurgen von durchschnittlich 1.000 Punkten in jedem Einzelfall durch die diagnostische Abklärung fast um das Doppelte überschritten werde, zusätzliche Behandlungen beim diabetischen Fuß noch nicht eingerechnet. Ein Regelleistungsvolumen, welches in keinem einzigen Fall, der ihnen zur Diagnostik vorgestellt werde, zur Diagnose ausreichend sei, könne jedoch nicht rechtmäßig sein. Aus der für ihre Praxis erstellten Statistik für die Ziffern 33072 und 33061 EBM 2000plus lasse sich entnehmen, dass diese Ziffern in den Quartalen II/05 bis IV/07 bei nahezu jedem Patienten erbracht worden seien. Ebenso wenig tragfähig sei das Argument des Sozialgerichts, die Zuerkennung eines Regelleistungsvolumens für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie komme nicht infrage, weil diese auf ein anderes Leistungsspektrum beschränkt seien; denn sie hätten nicht beantragt, das Leistungsspektrum dieser Fachgruppe übertragen zu bekommen, sondern es gehe lediglich darum, das Regelleistungsvolumen der Punktzahl nach in Höhe der fachärztlich-invasiv tätigen Internisten zugrunde zu legen, da dies ihr Leistungsspektrum am ehesten abbilde. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass die Beklagte die einzige KV in Deutschland sei, welche die Gefäßchirurgen auf das unzureichende Regelleistungsvolumen der Chirurgen verweise. Die Berufung der Beklagten auf die Auffüllregelung nach Ziffer 7.5 HVV, welche Ausnahmefälle ausreichend berücksichtige, trage nicht, denn die Beklagte fordere mittlerweile für die Quartale II/06 bis IV/06 Auffüllbeträge in Höhe von 85.038,56 EUR zurück.

Nachdem die Klägerin mit der Berufung ursprünglich beantragt hat, ihr das Regelleistungsvolumen für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen, hat sie dieses Begehren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr aufrechterhalten.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Januar 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2007 zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, auf eine Erhöhung der Fallpunktzahlen im Rahmen des Regelleistungsvolumens habe die Klägerin keinen Anspruch. Die Berechnung der Fallpunktzahlen für die jeweilige Fachgruppe beruhe auf den Abrechungsdaten der Fachgruppe in den beiden ersten Quartalen 2004. Unter den Fachärzten für Chirurgie seien in nicht unbedeutender Anzahl Ärzte mit der Schwerpunktbezeichnung Gefäßchirurgie vertreten und unter diesen wiederum Ärzte, welche die betreffenden Ziffern in größerem oder annähernd gleichem Umfang abrechneten wie die Klägerin, so dass die Fallpunktzahlen der Chirurgen auch den Leistungsbedarf der Klägerin ausreichend abdeckten. Ein Anspruch auf Erhöhung ergebe sich nach dem HVV nur, wenn dies zur Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen Versorgung notwendig sei. Damit komme es aber entgegen der Auffassung der Klägerin nur auf die Versorgung im Umkreis einer Praxis und nicht auf den Versorgungsschwerpunkt der Praxis selbst an. Anderenfalls würde der Arzt über eine Spezialisierung, die regelhaft den Zustrom eines bestimmten Patientenklientels nach sich ziehe, einen Versorgungsschwerpunkt selbst begründen können, was sich nachteilig für die übrigen Ärzte der Honorargruppe auswirken könne. Die Versorgung der Versicherten mit den Leistungen nach den Ziffern 33060, 33070, 33072, 33073, 33075 und 33076 EBM sei jedoch sichergestellt, da diese Leistungen gerade auch von Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Angiologie erbracht würden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten klargestellt, dass Streitgegenstand des Verfahrens der Anspruch auf eine Sonderregelung für die Quartale II/05 bis einschließlich I/07 ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne die am HVV beteiligten Krankenkassen/-verbände beizuladen. Die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte weitergehende Honoraransprüche hat, berührt ihre Rechtssphäre nicht unmittelbar. Die Neufassung des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch Art 1 Nr. 64 Buchst h des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) hat nichts daran geändert, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen (seit dem 1. Juli 2008: die Ersatzkassen) auch in solchen Honorarstreitverfahren, in denen inzident über die Geltung des HVV gestritten wird, nicht notwendig beizuladen sind. Nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V wendet die KÄV seit dem 1. Juli 2004 für die Honorarverteilung den mit den Kassenverbänden "gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden" Verteilungsmaßstab an. Zuvor war insoweit der in der Rechtsform der Satzung von der KÄV "im Benehmen" mit den Kassenverbänden zu erlassende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) maßgeblich. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Einbindung der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung ändert nichts daran, dass im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident (auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird (BSG, Urteil vom 17. September 2008, B 6 KA 46/07 R, juris Rdnr. 13).

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts kann keinen Bestand haben, denn die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Diese ist verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf praxisbezogene Änderung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen im Rahmen des Regelleistungsvolumens nach Ziffer 6.3 HVV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Streitgegenstand des Verfahrens ist, wie die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, ob der Klägerin für die Quartale II/05 bis einschließlich I/07 ein Anspruch auf eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen zusteht; danach liegende Zeiträume sind schon wegen der Auflösung der Gemeinschaftspraxis zum 1. April 2007 nicht zu beurteilen.

Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale II/05 bis IV/05, bekannt gemacht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 10.11.2005 (HVV) sind nach Ziffer 6.3 praxisindividuelle Regelleistungsvolumen zu bilden, sofern eine Praxis den dort genannten Honorar(unter)gruppen angehört. Dieser HVV galt hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen auch in den nachfolgenden Zeiträumen bis einschließlich des Quartals I/07 unverändert fort. Die Klägerin gehörte als chirurgische Praxis der Honorar(unter)gruppe B 2.3 an und war dort abrechnungstechnisch der VfG 17 zugeordnet.

Im Fall der Klägerin hat die Beklagte ausgehend von dieser fachlichen Zuordnung das Regelleistungsvolumen und die arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen richtig berechnet. Die dem zugrunde liegenden Regelungen, nämlich der Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 93. Sitzung vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 (DÄ 2004, 101 (46), A – 3129) sowie die daran anknüpfenden Regelungen in Ziffer 6.3 HVV sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. u.a. HLSG, Urteil vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07; Urteil vom 29. April 2009, L 4 KA 76/08; Urteil vom 24. Juni 2009, L 4 KA 85/05, alle veröffentlicht in juris). Im Streit steht allein, ob die Beklagte verpflichtet ist, bei der Klägerin einen Ausnahmefall anzuerkennen und deshalb eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens vorzunehmen hat.

Als Rechtsgrundlage kommt insoweit Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV im Ergebnis nicht in Betracht. Danach ist der Vorstand der KV Hessen ermächtigt, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen.

Für die Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung sind die Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich sowie die Feststellung von quantitativen und/oder qualitativen Versorgungsdefiziten von maßgeblicher Bedeutung. Dabei ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen (z. B. Anzahl und Leistungsangebot der niedergelassenen und ermächtigten Ärzte, Bevölkerungs- und Mobilitätsstruktur, Umfang und räumliche Verteilung der Nachfrage aufgrund der vorhandenen Verkehrsverbindungen), die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Diese Aspekte sind in gleicher Weise bei der Frage von Bedeutung, ob die ärztliche Versorgung ausreichend sichergestellt ist. Der Beklagten steht bei der Gewichtung dieser Kriterien ein Beurteilungsspielraum zu (Urteil des Senats vom 11. Februar 2009, L 4 KA 82/07 - juris). Das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Ermächtigung von Krankenhausärzten und über die Zulassung von Ärzten wegen eines Sonderbedarfs einen Beurteilungsspielraum zugestanden (BSGE 73, 25, 29 = SozR 3 2500 § 116 Nr. 4 S 29; BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1 S 4 f; BSG, Urteil vom 28. Juni 2000 - B 6 KA 35/99 R). Auch bei der Entscheidung der KV, zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in einem bestimmten Ort oder Ortsteil den Betrieb einer Zweitpraxis zu genehmigen, hat diese einen Beurteilungsspielraum (BSGE 77, 188, 191 = SozR 3-2500 § 75 Nr. 7 S 28 f). Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich daher darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, die durch Auslegung des Begriffs "Sicherstellung" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und die Subsumtionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.

Eine Sicherstellungsproblematik hat die Beklagte im Fall der Klägerin mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Die ärztliche Versorgung mit den von der Klägerin erbrachten Leistungen im Raum A-Stadt ist ausreichend sichergestellt. Das ist bereits deshalb anzunehmen, weil angiologische Leistungen von einer eigenen Fachgruppe, nämlich den Internisten mit entsprechender Zusatzbezeichnung, erbracht werden. Nach den Feststellungen der Beklagten sind in A-Stadt fünf Internisten in Einzelpraxis und weitere drei Internisten in zwei Gemeinschaftspraxen mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig, welche die streitgegenständlichen sonographischen Leistungen erbringen. Ferner sind vier Fachärzte für Chirurgie mit Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen. Angesichts dessen zweifelt der Senat nicht daran, dass auch ohne das spezialisierte Angebot der Klägerin die von ihr betreuten Patienten in dem städtischen Ballungsraum von A-Stadt eine anderweitige Behandlungsmöglichkeit finden würden.

Soweit das Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil davon ausgeht, der Begriff der Sicherstellung sei nicht in diesem engen Sinne, sondern weitergehend zu verstehen im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle, folgt der Senat dem nicht. Das Bundessozialgericht stellt für die Auslegung vertragärztlicher Vergütungsregelungen in erster Linie auf den Wortlaut ab; ergänzend kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Bestimmungen erfolgen (Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 22). Im Zweifel ist ein bereits eingeführter Begriff, wenn er auch in weiteren Regelungen verwendet wird, jeweils übereinstimmend auszulegen (BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 6 KA 26/08 R, juris Rdnr. 16). Der Begriff der Sicherstellung der Versorgung ist in der bisherigen Verwaltungspraxis und Rechtsprechung jedoch in anderer Weise verstanden worden als die Begriffe Versorgungsschwerpunkt bzw. Praxisschwerpunkt, mit denen das Sozialgericht argumentiert. Das Erfordernis eines Versorgungsschwerpunkts wird vom Bundessozialgericht ausdrücklich unterschieden von dem des Versorgungsbedarfs und dem hierzu gehörenden Gesichtspunkt der Sicherstellung der Versorgung (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 6 KA 26/08, unter Hinweis auf BSGE 87, 112, 116 ff. = SozR 3-2500 § 87 Nr. 26 S 136 ff.; BSG USK 2001-143 S 866 f.; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31 S 178 ff.; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 12 Rdnr. 15 ff.). Angesichts des ausdrücklich auf Sicherstellungsgründe beschränkten Wortlauts kann Ziffer 6.3 HVV deshalb nicht im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung für atypische Fälle verstanden werden, zumal sich die Formulierung "aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen Versorgung" erkennbar an den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 (DÄ 2004, 101 (46), Ä-3129) anlehnt, der unter Ziffer 3.1 zur Ermittlung des Regelleistungsvolumens ausgeführt hat, dass Anpassungen des Regelleistungsvolumens im HVV "zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung" vorgenommen werden können. Es ist daher auch ausgeschlossen, das Fehlen einer generalklauselartigen Härtefallregelung im Wege ergänzender Auslegung in den HVV hineinzuinterpretieren (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 29. November 2006, B 6 KA 43/06 B, juris Rdnr. 10 m.w.N.).

Der für die streitgegenständlichen Quartale maßgebliche HVV erweist sich als mit höherrangigem Recht aber insoweit unvereinbar, als eine allgemeine Härtefallregelung fehlt, die im Fall einer in besonderer Weise spezialisierten Praxis - wie bei der Klägerin - eine Ausnahmeregelung zulässt.

Das Bundessozialgericht hat zu Honorarverteilungsmaßstäben wiederholt festgestellt, dass auf eine allgemein gehaltene Härteregelung nicht verzichtet werden kann (Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 71/97 R, juris Rdnr. 29; Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10). Es stellt dabei auf den aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ab, der entsprechende Ausnahmeregelungen im HVM erforderlich macht (Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 65/97 R, juris Rdnr. 24 f). Berufsausübungsregelungen müssen, auch wenn sie in der gewählten Form prinzipiell zulässig sind, die Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen. Angesichts der mit der Rechtsetzung durch einen Berufsverband verbundenen Gefahr der Benachteiligung von Minderheiten kommt der Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit und ausreichender Differenzierung beim Erlass von Vergütungsregelungen besonderes Gewicht zu; die den kassenärztlichen Vereinigungen - bzw. unter der Geltung der Honorarverteilungsverträge den Vertragspartnern der Vergütungsverträge - eingeräumte Verteilungsautonomie lässt sich im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nur rechtfertigen, wenn damit die Verpflichtung zur strikten Beachtung des Gleichheitsgebots verbunden wird. Dadurch wird den zur Normsetzung befugten Körperschaften freilich nicht verwehrt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung zu verallgemeinern, zu typisieren und zu pauschalieren. Der Gleichheitssatz lässt dem Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Ob er jeweils die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat, ist vom Gericht nicht nachzuprüfen. Ein Verfassungsverstoß liegt jedoch vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (BVerfGE 60, 113, 119; 67, 70, 85 f.). Dabei kann es bei komplexen Sachverhalten vertretbar sein, dass dem Normgeber zunächst eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen eingeräumt wird und er sich in diesem Anfangsstadium auch mit gröberen Typisierungen und Generalisierungen begnügen darf, die unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität namentlich deshalb gerechtfertigt sein können, weil eine Verfeinerung die Gefahr mangelnder Wirksamkeit mit sich bringen kann (BVerfGE 33, 171, 189).

Diese Erwägungen gelten auch im Anwendungsbereich von arztgruppenspezifischen Regelleistungsvolumina, welche Fallpunktzahlen zuordnen, die sich nach dem durchschnittlichen Leistungsgeschehen in der jeweiligen Arzt- bzw. Facharztgruppe richten. Denn es sind Fallgestaltungen denkbar, bei denen innerhalb einer Arztgruppe bestimmte Untergruppen mit den vorgesehenen Fallpunktwerten infolge einer Spezialisierung nicht auskommen. Allerdings steht eine derartige individuelle Betrachtung prinzipiell im Widerspruch zu dem mit den Regelleistungsvolumina angestrebten Steuerungsziel, wie es das Sozialgericht zutreffend beschrieben hat: Durch Regelleistungsvolumina soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und den Ärzten insoweit Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze gegeben wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden, um zum Einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechung zu tragen, zum Anderen den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung zu begrenzen (vgl. BT-Drucks 15/1170, S. 79). Regelleistungsvolumina zielen somit auch auf eine Begrenzung des ärztlichen Leistungsverhaltens, indem nur das typische Leistungsgeschehen innerhalb einer Arztgruppe zum Maßstab genommen und mit einem festen Punktwert vergütet wird, hingegen darüber hinaus erbrachte Leistungen nur noch mit deutlich niedrigeren Punktwerten. Die Vertragspartner des HVV sind insoweit auch nicht verpflichtet, für jedes der in den Weiterbildungsordnungen genannten Gebiete und Teilgebiete eine eigene Arztgruppe zu bilden (Engelhard in Hauck, Kommentar zum SGB V, § 85 Rdnr. 259b). Gleichwohl gilt auch unter der Geltung der Regelleistungsvolumina, dass bei der Verteilung der Gesamtvergütungen Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen sind (§ 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V).

Zur Überzeugung des Senats erfordert Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG deshalb eine Ausnahme vom Regelleistungsvolumen außer für den im HVV 2005 geregelten Fall einer Sicherstellungsproblematik auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die Regelleistungsvolumina Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hatten und dieses spezifisches Leistungsangebot durch das Regelleistungsvolumen der Fachgruppe, der sie zugeordnet sind, nicht leistungsangemessen abgedeckt wird. Denn es gibt keinen Hinweis, dass der Gesetzgeber mit § 85 Abs. 4 SGB V in der Fassung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003 (BGBl. I 2190), durch das die bis dahin als Sollvorschrift ausgestalteten Regelungen über die Regelleistungsvolumina geändert und diese nunmehr verbindlich vorgeschrieben wurden, Spezialisierungen, welche sich in der Vergangenheit innerhalb einer Arztgruppe entwickelt hatten, von Vornherein nicht berücksichtigen wollte. Solche Spezialisierungen sind, wie bereits das Sozialgericht betont hat, im Grundsatz Ausdruck einer sinnvollen Arbeitsteilung innerhalb der Ärzteschaft und damit gleichzeitig ein Gewinn für die Versorgung der Versicherten, weil aus der Spezialisierung einer Praxis eine besondere Behandlungsqualität folgen kann. Nicht zuletzt spricht die in – allerdings erst für Quartale seit 1. Januar 2009 anwendbare – modifizierte Regelung in § 87b SGB V (i. d. F. von Art. 1 Nr. 57b GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz m. W. v. 1. April 2007, BGBl. I, S. 378), wonach auch Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen sind, dafür, dass zumindest der Erhalt eines vorhandenen Leistungsschwerpunkts durch die Einführung der Regelleistungsvolumina nicht prinzipiell unbeachtet bleiben sollte.

Entsprechende Spezialisierungen waren in der Vergangenheit nicht nur möglich, sondern wurden auch entsprechend honoriert. Unter der Geltung des EBM 1996/1997 standen verschiedenen Arztgruppen qualifikationsabhängige Zusatzbudgets nach Teil B Nr. 4.1 EBM offen. In dieses Zusatzbudget fielen bei der Fachgruppe der Chirurgen – unter der Voraussetzung der Erfüllung der entsprechenden Qualifikationsanforderungen – u.a. Leistungen der Gefäßchirurgie (Teilgebiet) und/oder Phlebologie (Zusatzbezeichnung), sonographische Untersuchungen (EBM-Ziffern 375 bis 389, 398) und sonographische Gefäßuntersuchungen (Ziffern 668 bis 689 EBM). Bei den letztgenannten Ziffern handelt es sich um Leistungen, die ansonsten den Fachärzten für Innere Medizin vorbehalten sind. Die Fachgruppe der Chirurgen war somit unter der Voraussetzung entsprechender Qualifikationsnachweise (z.B. den Fachkundenachweis im Bereich der Ultraschalldiagnostik) berechtigt, sonographische Untersuchungen als Leistung anzubieten und dies im Rahmen der Zusatzbudgets abzurechnen.

Dann ist es jedoch mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar, wenn der Honorarverteilungsmaßstab eine solchermaßen zulässige und entsprechend honorierte Tätigkeit bei der Umstellung auf das Recht der Regelleistungsvolumina nicht berücksichtigt, wenn die entsprechende Spezialisierung sich nicht als unwirtschaftlich darstellt. Dafür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte. Es kann daher auch keine Rolle spielen, dass das Leistungsspektrum der Klägerin ansonsten von einer anderen Fachgruppe, nämlich den Internisten, erbracht wird. Das Argument des Sozialgerichts, eine Ausnahmeregelung zugunsten der Klägerin führe zu einer Verschiebung zwischen den Honorar(unter-)gruppen, berücksichtigt nicht ausreichend, dass sich die Klägerin mit ihrem Leistungsangebot bereits vor dem Inkrafttreten von § 85 Abs. 4 SGB V in der Fassung durch das GMG innerhalb ihrer Fachgruppe zulässigerweise auf sonographische

Leistungen spezialisiert hatte und damit einen bestehenden Versorgungsbedarf abdeckte.

Für die Frage, wann eine echte Spezialisierung vorliegt, welche im Rahmen des Regelleistungsvolumens die Notwendigkeit einer Ausnahmeregelung begründet, kann an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden. Zu dem Begriff der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets nach dem EBM-Ä 1997 hat es ausgeführt, dies setze eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets voraus, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Indizien für eine entsprechende Spezialisierung seien ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Während das Bundessozialgericht insoweit bei der Beurteilung des Begriffs des "Versorgungsschwerpunkts" im Sinne der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 einen Leistungsanteil von mindestens 20 % der von der Praxis abgerechneten Gesamtpunktzahl gefordert hatte (BSGE 87, 112, 117), hat es von einer solchen strikten Grenze im Bezug auf den Begriff der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" abgesehen, allerdings darauf hingewiesen, dass Abweichungen der einzelnen Praxis von der Typik der Arztgruppe, die sich (auch) in abweichenden Anteilen des auf bestimmte Leistungen entfallenden Punktzahlvolumens niederschlügen, ein wichtiges Indiz für die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs seien (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31; SozR 4-2500 § 87 Nr. 12).

Im Fall der Klägerin liegt ein Härtefall vor, weil das ihr zuerkannte Regelleistungsvolumen ihre besondere, vom Durchschnitt der Arztgruppe deutlich abweichende Praxisstruktur nicht berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 42, zu einer auf ambulante Operationen spezialisierten Augenarztpraxis). Denn bei ihr besteht eine eindeutige Spezialisierung, nämlich auf sonographische Untersuchungen zur Abklärung bestimmter Gefäßerkrankungen. Nach dem durch die Parameterstatistik untermauerten Vortrag der Klägerin erbringt sie die Leistungen der Ziffern 33072 (Sonographische Untersuchung der extremitätenver- und/oder -entsorgenden Gefäße mittels Duplex-Verfahren) bzw. 33061 EBM 2000plus (Sonographische Untersuchung der extremitätenver- und/oder -entsorgenden Gefäße mittels CW-Doppler-Verfahren) in nahezu jedem Behandlungsfall. Entsprechendes gilt für die Ziffer 33075 EBM 2000plus (Zuschlag für die Durchführung als farbcodierte Untersuchung), welche die Klägerin im Quartal II/05 90 mal auf 100 Behandlungsfälle erbracht hat. Allein die sonographischen Leistungen nach den Ziffern 33061 bis 33078 EBM 2000plus machten in den Quartalen II/05 und III/05 bei der Klägerin 43,14 % bzw. 38,9 % der Gesamtpunktzahl aus. Wie die Klägerin nachvollziehbar darlegt, führt dieses Leistungsspektrum regelhaft zu einer deutlichen Überschreitung des zur Verfügung stehenden Regelleistungsvolumens von im Fall der Klägerin durchschnittlich 1.000 Punkten. Denn hierdurch fallen neben den allgemeinen Leistungskomplexen, insbesondere der Ordinationsgebühr nach Ziffer 07211/07212 EBM 2000plus mit 310 bzw. 335 Punkten und der Gesprächsleistung nach Ziffer 07720 EBM 2000plus mit 235 Punkten, für die speziellen Leistungen der Klägerin nach Ziffer 33061 EBM 2000plus 285 Punkte, für die Leistung nach Ziffer 33072 EBM 2000plus 700 Punkte und für die Leistung nach Ziffer 33075 EBM 2000plus 175 Punkte an. In diesem Zusammenhang kann vergleichsweise das Regelleistungsvolumen der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Angiologie herangezogen werden, die ein ähnliches Leistungsspektrum aufweisen. Bei diesen staffelt sich die Fallpunktzahl nach dem HVV wie folgt:

Altersklasse: 0-5 6 – 59 )60
Primärkassen: 1.402 1.236 1.539 Punkte
Ersatzkassen: 1.486 1.302 1.613 Punkte.

Das Fehlen einer Härteregelung für fachlich spezialisierte Praxen im Rahmen der Vorschriften über das Regelleistungsvolumen ist auch nicht im Hinblick auf Ziffer 7.5 HVV unbeachtlich. Diese Regelung, die nach ihrem Wortlaut der Vermeidung praxisbezogener Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus dient, sieht vor, dass der für das aktuelle Abrechnungsquartal berechnete fallbezogene Honoraranspruch (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal 2004 verglichen wird, ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung von mehr als 5 % (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 %. Bei der Ermittlung der Fallwerte bleiben Fälle, die gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen (extrabudgetäre Leistungen, wie z.B. Früherkennung und Schutzimpfungen), unberücksichtigt.

Diese Begrenzung auf einen fünfprozentigen Honorarverlust steht allerdings unter einer Vielzahl weiterer Voraussetzungen. Sie erfolgt nämlich nur auf der Basis vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur Abrechnung gekommen ist (Ziffer 7.5.2 HVV). Ein Ausgleich ist ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich das Leistungsspektrum der Praxis, u.a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis, verändert hat. Es ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis, z.B. durch Übergang von einer Gemeinschaftspraxis zu einer Praxisgemeinschaft, verändert hat. Zudem müssen ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15 % ihre Ursache vollständig in der Einführung des EBM 2000plus haben. Schließlich steht Ziffer 7.5 HVV unter dem weiteren Vorbehalt der Zahlung einer gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbaren budgetierten Gesamtvergütungszahlung und eines ausreichenden Honorarvolumens nach Durchführung weiterer, aufgrund des Beschlusses der Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 vorzunehmender Honorarverschiebungen (vgl. Ziffer 7.5.3 HVV).

Damit schließt die Konstruktion der Auffüllregelung durch das Anknüpfen an die Fallzahl des Jahres 2004 ein Wachstum der Praxis aus und hindert durch die weiteren Einschränkungen die betroffenen Praxen an jeglicher Änderung ihrer Praxisstruktur, da sie anderenfalls den Anspruch auf Ausgleichszahlungen verlieren. Sie ist zudem in ihren tatsächlichen finanziellen Wirkungen wegen der Vorbehalte in Ziffer 7.5.3 HVV nicht vorhersehbar und bedeutet für die betroffenen Praxen somit kein Element verlässlicher Planung. Tatsächlich ist es bei den Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV, wie sich aus den Honorarbescheiden der Beklagten ergibt, bereits ab dem dritten Quartal 2005 nicht mehr möglich gewesen, die Fallwertverluste bis auf die vorgesehenen 5 % auszugleichen. Nach den Feststellungen des Sozialgerichts Marburg, welches bereits über eine Vielzahl derartiger Fälle entschieden hat, haben die Auffüllbeträge in der Vergangenheit je nach Quartal und Fachgruppe zwischen 95 % und 67 % geschwankt (Urteil vom 16. September 2009, S 12 KA 341/08, juris). Angesichts dessen kann Ziffer 7.5 HVV unabhängig von der Frage, ob hierdurch im Einzelfall erhebliche Honorarverluste verhindert worden sind, nicht als ausreichende Regelung angesehen werden, welche dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit genügt. Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte von ihr mittlerweile für die Quartale II/06 bis IV/06 Auffüllbeträge in Höhe von insgesamt 85.038,46 EUR zurückfordert, weil die Klägerin in diesem Zeitraum die Voraussetzungen der Ausgleichsregelung nicht mehr erfüllt haben soll.

Das Fehlen einer Härteregelung im Rahmen von Ziffer 6.3 HVV ist schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung unbeachtlich. Zwar gesteht das BSG bei der erstmaligen Gestaltung von Honorarbegrenzungsregelungen den Kassenärztlichen Vereinigungen einen besonders großen Typisierungsspielraum zu (vgl. etwa BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 16). Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass die Notwendigkeit einer entsprechenden Ausnahmeregelung den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrags aufgrund der bereits erwähnten langjährigen und gefestigten Rechtsprechung des BSG zu derartigen Härteregelungen bekannt war (vgl. BSG, Urteil vom 21. Oktober 1998, B 6 KA 71/97 R, juris Rdnr. 29; Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R = SozR 4-2500 § 87 Nr. 10).

Mithin ist der HVV als Normsetzungsvertrag (siehe hierzu: Freudenberg, in Juris Praxiskommentar SGB V, 2008, § 85, Rdnr. 114) insoweit rechtswidrig, weil er eine regelungsbedürftige und durch Auslegung nicht zu schließende Lücke enthält, die von den Vertragspartnern des HVV kraft gesetzlichen Auftrags (Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit) zu schließen ist. Insoweit ist ein Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung "teilweise nicht zustande" gekommen i.S.d. § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V mit der Folge, dass jede der Vertragsparteien befugt ist, einen Antrag bei dem zuständigen Landesschiedsamt auf Herbeiführung einer entsprechenden Regelung zu stellen (siehe hierzu Beier in Juris Praxiskommentar, § 89 SGB V, Rdnr. 31), sofern nicht vorab eine vertragliche Ergänzung erfolgt. Sollten sich die Vertragsparteien wider Erwarten nicht einigen und auch keinen Antrag beim Schiedsamt stellen, könnte die zuständige Aufsichtsbehörde nach Ablauf einer von ihr gesetzten angemessenen Frist das Schiedsamt mit Wirkung für die Vertragsparteien anrufen (§ 89 Abs. 1a Satz 1 SGB V). Eine rechtmäßige Ergänzung der Ziffer 6.3 HVV muss dahin gehen, dem Vorstand der Beklagten eine Befugnis einzuräumen, Änderungen des Regelleistungsvolumens außer im Fall einer Sicherstellungsproblematik auch bei sonstigen Härtefällen vorzunehmen.

Bei der anschließend zu treffenden Ermessensentscheidung, in welchem Umfang eine Erweiterung des Regelleistungsvolumens geboten ist, stehen der Beklagten verschiedene Möglichkeiten offen. Die Beklagte wird zunächst die auf der Grundlage des Schwerpunkts im einzelnen Behandlungsfall notwendiger Weise zu erbringenden Leistungen zu erfassen und dem Regelleistungsvolumen gegenüber zu stellen haben. Dabei kann die Beklagte berücksichtigen, dass die Regelleistungsvolumina selbst nur auf der Grundlage von 80 % der auf der Basis des EBM 2000plus an sich zugrunde zulegenden Punktzahlen berechnet worden sind, um eine gewisse Reserve für andere Stützungs- und Ausgleichsmaßnahmen z.B. für Praxen in der Aufbauphase zu haben. Die Beklagte kann aber auch den praxisspezifischen Leistungsbedarf entsprechend der Formel nach Anlage 2 zum Teil III BRLV anhand der Vorquartale II/03 bis I/04 berechnen und den so ermittelten Fallwert für die in die Regelleistungsvolumina einbezogenen Leistungen mit dem Faktor 0,8 multiplizieren. In diesem Fall würde der Leistungsbedarf der Klägerin also anhand der vom Bewertungsausschuss bestimmten Referenzquartale berechnet, jedoch unter Berücksichtigung des besonderen Leistungsbedarfs der Klägerin für die vorgenannten sonographischen Leistungen. Darüber hinaus sind noch andere sachgerechte Ermessenserwägungen denkbar (vgl. etwa BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 80/03 R, juris Rdnr. 44 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Der Senat hat für das erstinstanzliche Verfahren berücksichtigt, dass hier ursprünglich zwei verschiedene Streitgegenstände anhängig waren (Erhöhung des Regelleistungsvolumens sowie Erhöhung der Fallzahl). Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens trägt dem ursprünglichen, über das Bescheidungsbegehren hinausgehenden Antrag der Klägerin Rechnung.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Für die erste Instanz hat der Senat die Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts im Hinblick auf die verschiedenen Streitgegenstände, für die jeweils der Regelstreitwert zugrunde zu legen war, von Amts wegen abgeändert (§ 63 Abs. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
Saved